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Einführung einer Notifikation für ototoxische Substanzen, die mit Lärm interagieren können, in der Schweizer Grenzwertliste

Ototoxische Substanzen

Mechanismus der Hörschädigung

Zu den wichtigsten gehörschädigenden Faktoren im beruflichen Umfeld gehören Lärm und ototoxische Substanzen. Der Hauptangriffspunkt von Lärm und einigen ototoxi-schen Stoffen sind die äußeren Haarzellen des Corti-Organs in der Cochlea des Innenohrs, die als aktive Lärmmodulatoren fungieren. Es kommt zu einer Beeinträchtigung des Gehörs, die zuerst vorübergehend ist ("temporary threshold shift") und später chronisch werden kann ("permanent threshold shift"). Gewisse ototoxische Substanzen schädigen nicht (nur) die Cochlea, sondern andere Strukturen des auditorischen Systems wie z. B. den Hörnerv, andere zentrale Hörbahnen oder die Hörrinde.

Ototoxische Substanzen

Zu den ototoxischen Substanzen gehören ge-mäß EU-OSHA verschiedene Medikamente (bestimmte Antibiotika, Schleifendiuretika, Analgetika, antineoplastische Stoffe etc.), organische Lösungsmittel (z. B. Kohlenstoff-disulfid, n-Hexan, Toluol, Styrol, p-Xylol, Ethylbenzol, TCE), Erstickungsgase (Kohlen-monoxid, Cyanide), Nitrile oder Metalle (z. B. Quecksilber, Blei, organische Zinnverbindungen [Gonzalez u. Kosk Binko 2009]). Bei Exposition gegenüber solchen Substanzen ist aber bei Einhaltung des MAK-Werts ein wesentlicher Hörverlust wenig wahrscheinlich (DGUV 2011). So stellt denn auch bei keiner dieser Substanzen die Hörbeeinträch-tigung die sog. „kritische Toxizität“ in der Schweizer Grenzwertliste dar (Suva 2014). Unter kritischer Toxizität wird derjenige ad-verse Effekt verstanden, der für die Berechnung des MAK-Wertes herangezogen wird; es handelt sich in der Regel um diejenige unerwünschte Wirkung, die bei tiefster Kon-zentration auftritt (Suva 2014). Die kritische Toxizität wurde letztes Jahr für alle ca. 600 Substanzen in der Schweizer Grenzwertliste eingeführt (Koller u. Jost 2014).

Interaktion von Lärm mit gewissen ototoxischen Stoffen

Einige der erwähnten ototoxischen Stoffe können die gehörschädigende Wirkung des Lärms verstärken. Verschiedene Komitees und Forschungsgruppen haben sich in den letzten Jahren mit diesen Substanzen beschäftigt und zugrunde liegenden Studien beurteilt (z. B. Gonzalez u. Kosk-Binko 2009; Vyskocil et al. 2012; ANSES 2013; Campo et al. 2013). Auch die Schweizerische Unfall-versicherungsanstalt (Suva) und die schwei-zerische Grenzwertkommission befassten sich kürzlich aus regulatorischer Sicht mit diesem Thema (Koller u. Pletscher 2014). Die Suva ist dahingehend in die Regulation involviert, als sie gemäß der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (Art. 50.3 VUV) die Grenzwerte am Arbeitsplatz erlässt; dieser Erlass erfolgt im Einvernehmen mit der schweizerischen Grenzwertkommission der Suissepro, in der sich Vertreter der Universitäten, des Bundes, der Industrie, von privaten Organisationen sowie der Suva befinden (Suva Factsheet, s. "Weitere Infos"). Die Suva hat nun für die-jenigen Substanzen, bei denen gemäß der Ansicht der Grenzwertkommission ausreichend wissenschaftliche Hinweise für eine Interaktion mit Lärm bestehen, die neue Notifikation OL eingeführt. Dies betrifft:

  • Styrol,
  • Toluol,
  • Kohlenmonoxid,
  • Ethylbenzol,
  • Cyanide.

Empfehlung für den Umgang mit notifizierten Stoffen

In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die wissenschaftlichen Untersuchungen nicht den üblichen Bedingungen am Arbeitsplatz entsprachen, handelte es sich doch in der Regel um Tierexperimente, bei denen die Dezibelzahlen zumeist über den in der Schweiz erlaubten 85 dB und die Stoffkonzentrationen über dem MAK-Wert lagen. Dennoch empfiehlt die Suva, bei „re-levanten“ Expositionen eine mögliche lärmverstärkende Wirkung in die Risikobeurteilung miteinfließen zu lassen und allenfalls Schutzmaßnahmen gemäß dem STOP-Prin-zip (Substition – technische Maßnahmen – organisatorische Maßnahmen – persönliche Maßnahmen) in Betracht zu ziehen. 

Literatur

ANSES: Coexposition professionelle au bruit et aux substances chimiques. Juillet 2013.

Campo P, Morata TC, Hong OS: Chemical Exposure and heraing loss. Disease-a-Month. 2013; 59: 119–138.

DGUV: Position Paper of the „Noise“ and „Hazar-dous Substances“ working group of the Occupational Medicine Committee of the German Institution for Statutory Accident Insurance Prevention (DGUV) on Ototoxic Substances, Februar 2011.

Gonzalez ER, Kosk-Bienko J (eds.): Combined exposure to noise and ototoxic substances. European Risk Observatory Literature Review. European Agency for Safety and Health and Work, 2009.

Koller MF, Jost M: Einführung der kritischen Toxizität in der Schweizer Grenzwertliste. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 2013; 73: 126–128.

Koller MF, Pletscher C: Interaktion von ototoxischen Substanzen mit Lärm – eine neue Notifikation in der Schweizer Grenzwertliste. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft. 2014; 74: 215–216.

Suva: Grenzwerte am Arbeitsplatz 2014. Referenz 1903.d. Suva 2014.

Vyskocil A et al.: Effect on Chemical Substances on Hearing. Interactions with Noise. Institut de recherche Robert-Sauvé en santé et en sécurité du travail. Studies and Research Projects. Report R-747, 2012.

    Weitere Infos

    Suva Factsheet: Schweizer Grenzwerte am Arbeitsplatz. Suva 2013.

    http://www.suva.ch/factsheet-grenzwerte.pdf

    Johnson A-C, Morata TC: Occupational exposure to chemicals and hearing impairment.

    https://gupea.ub.gu.se/bitstream/2077/23240/1/gupea_2077_23240_1.pdf

    Für die Autoren

    Dr. med. Dr. sc. nat. M. F. Koller

    Schweizerische Unfallversicherungs-gesellschaft (Suva)

    Fluhmattstrasse 1 – 6002 Luzern

    Schweiz

    michael.koller@suva.ch

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