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Zusammenarbeit zwischen Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung

Vom Nebeneinander zum Miteinander

Unter der Überschrift „Miteinander statt nebeneinander“ stellten sich auch die Teilnehmenden des 3. Präventionsforums im September 2018 die Frage, wie ein koordiniertes und abgestimmtes Zusammenwirken im betrieblichen Setting erreicht werden kann. Die Diskussion zeigte, eine gelingende Kooperation der überbetrieblichen Akteure braucht, u. a.:

  • ein gemeinsames Verständnis von (betrieblicher) Prävention und Gesundheitsförderung,
  • verbindliche Kooperationen (Orientierung an bundesweiten Standards),
  • Wissen über die (betriebsbezogenen und -übergreifenden) Leistungsangebote der Sozialversicherungsträger,
  • Netzwerke und Kooperationen mit regional etablierten und akzeptierten Akteuren (GKV-Spitzenverband 2019).

Ein gemeinsames Verständnis, eine gemeinsame Handlungsgrundlage

Mit dem Präventionsgesetz hat die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) von der Bundesregierung den Auftrag erhalten, gemeinsam mit der Gesetzlichen Rentenversicherung (RV), der Gesetzlichen Unfallversicherung (UV) und der Sozialen Pflegeversicherung ein Bewusstsein für die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung in allen Lebensbereichen der Menschen zu schaffen und prioritäre Handlungsfelder zu identifizieren sowie im engen Zusammenwirken aller Sozialversicherungsträger einen gemeinsamen Handlungsrahmen, eine gemeinsame nationale Strategie zu erarbeiten.

Um die für die Ausgestaltung der Nationalen Präventionsstrategie erforderlichen Aktivitäten und Leistungen der unterschiedlichen Verantwortlichen zu koordinieren und aufeinander abzustimmen, verständigten sich die Vertreter der Nationalen Präventionskonferenz (NPK, s. auch Infokasten) auf drei sich an den Lebensphasen der Menschen orientierende Leitziele: gesund aufwachsen, gesund leben und arbeiten, gesund im Alter. Sie definierten Handlungsfelder, in denen die Sozialversicherungsträger eine gemeinsame Verantwortung sehen und formulierten Grundsätze für die Zusammenarbeit. Diese Eckpunkte mündeten in bundesweit gültigen Rahmenempfehlungen (Bundesrahmenempfehlung). Die aktuelle Ausgabe der Bundesrahmenempfehlung veranschaulicht erstmals die betrieblichen Unterstützungsbeiträge der Sozialversicherungsträger zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) und zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) (GKV-Spitzenverband 2018c).

Das Präventionsforum ist die Schnittstelle zwischen den Trägern der NPK und der Fachöffentlichkeit. Hier werden nicht nur Informationen und Erfahrungen ausgetauscht, sondern auch konkrete Empfehlungen an die Träger der Nationalen Präventionskonferenz erarbeitet, die wiederum Eingang in die Bundesrahmenempfehlung finden sollen (GKV-Spitzenverband 2018c).

Verbindlichkeit zur aktiven Ausgestaltung der nationalen Zielrichtung soll über den Weg der Landesrahmenvereinbarung (s. auch Infokasten) hergestellt werden. Ziel dieser in allen Bundesländern verpflichtend abzuschließenden Vereinbarungen ist die Sicherstellung einer an den gemeinsamen Zielen der Nationalen Präventionsstrategie orientierten Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger auf Landesebene. Inhaltlich enthalten die Landesrahmenvereinbarungen neben Grundsätzen zur Zusammenarbeit, Verabredungen zur Umsetzung von gemeinsamen auf die Nationale Präventionsstrategie einzahlende Initiativen. Dabei können und sollen landesspezifische Besonderheiten, Problemlagen und politische Schwerpunktsetzungen Berücksichtigung finden (GKV-Spitzenverband 2018c).

Ziele vereinbaren und operationalisieren

Im Zielbereich „Gesund leben und arbeiten“ wollen die Träger der NPK in den nächsten fünf Jahren darauf hinwirken, dass die für die betriebliche Ebene verantwortlichen Sozialversicherungsträger ihre gesetzlichen Aufgaben besser aufeinander abstimmen und miteinander angehen. Auf regionaler und örtlicher Ebene tätige Unternehmensorganisationen, Gewerkschaften und weitere für diesen Zielbereich zuständige Partner sollen stärker eingebunden werden (GKV-Spitzenverband 2018a).

Auf Grundlage der Bundesrahmenempfehlungen verständigten sich die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen im letzten Jahr darauf, ihre Präventions- und Gesundheitsförderungsziele ebenfalls mehr auf eine träger- und systemübergreifende Zusammenarbeit auszurichten. Bis 2024 soll sich die Zahl der Betriebe erhöhen, die über ein Steuerungsgremium verfügen, das die für BGF, den Arbeits- und Gesundheitsschutz und das BEM Verantwortlichen einbezieht. Die GKV will zudem sicherstellen, dass die Fachkräfte der Krankenkassen die Leistungen der anderen Sozialversicherungsträger zur arbeitsweltbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung kennen – auch um diese zu befähigen, mögliche Anschluss- und Verknüpfungsmöglichkeiten zu betrieblichen Gesundheitskonzepten ab- und herleiten zu können. Mit Hilfe der überbetrieblichen Beratung und über den Ausbau vernetzender Aktivitäten sollen außerdem mehr Kleinst- und Kleinbetriebe erreicht werden. Die Ziele und der Handlungsrahmen zur Gewährleistung einer einheitlichen Umsetzungsqualität sind durch die Verankerung im Leitfaden Prävention für alle gesetzlichen Krankenkassen verbindlich (GKV-Spitzenverband 2018a).

Zugang zu den Betrieben schaffen

Eine Zugangsmöglichkeit zu den betrieblichen Gesundheitsleistungen der Krankenkassen schafft die BGF-Koordinierungsstelle (s. „Weitere Infos). Auf der Webseite finden interessierte Unternehmen neben dem Angebot der BGF-Koordinierungsstelle einige grundlegende Informationen zum Nutzen einer gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung, zu wichtigen Akteuren und Partnern, zum betrieblichen Gesundheitsförderungsprozess und möglichen Handlungsfeldern.

Kern der BGF-Koordinierungsstelle ist die Expertenberatung durch die Krankenkassen. Unternehmen können sich:

  • mithilfe eines Algorithmus einer Krankenkasse zuweisen lassen,
  • sich selbst eine Krankenkasse wählen, von der sie beraten werden möchten.

Die BGF-Koordinierungsstelle führt alle BGF-Kontakte der über 100 Krankenkassen auf einer Plattform zusammen. Die Kontaktaufnahme zu den anfragenden Unternehmen geschieht innerhalb weniger Tage. Die Beratung erfolgt nach einem kassenweit einheitlichen Standard, wahlweise telefonisch oder vor Ort im Unternehmen oder bei der Krankenkasse und ist kostenfrei. Die Krankenkassen haben damit für Unternehmen eine zeit- und ortsunabhängige Kontaktaufnahmemöglichkeit geschaffen (keine Öffnungszeiten, keine räumliche Entfernung).

Einige Bundesländer stellen bereits regionalspezifische Informationen zur Verfügung, beispielsweise zu regionalen Netzwerken oder Veranstaltungsterminen, und informieren über die Angebote der Berufsgenossenschaften, Unfallkassen sowie den Firmenservice der RV.

Überbetriebliche Beratung und Vernetzung

Die Industrie- und Handelskammern, Innungen, Handwerkskammern etc. sind wichtige Multiplikatoren und Partner, die dabei helfen können, die Angebote der Sozialversicherungsträger bei kleinen und mittelständischen Betrieben (KMU) bekannt zu machen. Unter dem Dach der Landesrahmenrahmenvereinbarung hat die GKV in fast allen Bundesländern gemeinsam eine Struktur geschaffen,, über die sich unternehmensnahe Organisationen an der weiteren Ausgestaltung der BGF-Koordinierungsstelle beteiligen können. Bisher konnten über 60 Unternehmensorganisationen gewonnen werden.

In der überbetrieblichen Beratung und Vernetzung sehen die Krankenkassen ein zentrales Element zur Verbreitung betrieblicher Gesundheitsaktivitäten und haben deshalb im Leitfaden Prävention eine entsprechende Handlungsgrundlage geschaffen (GKV-Spitzenverband 2018a). Im Verbund, unterstützt von starken und verlässlichen außerbetrieblichen Partnern (z.B. Wirtschaftsverbände, Industrie- und Handelskammern, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, staatlicher Arbeitsschutz), könnten regional organisierte KMU von einer Vielzahl an Angeboten profitieren, die sie allein nicht umsetzen können.

Die Krankenkassen waren nach den letzten Datenerhebungen aus 2017 in rund 160 überbetrieblichen Netzwerken und Kooperationen aktiv, an denen sich mehr als 5000 Betriebe als Netzwerkmitglieder beteiligten und über die sie fast 10.000 Betriebe erreichten – von denen vor allem kleine und mittelständische profitierten. Auch der Dachverband der Betriebskrankenkassen engagiert sich seit vielen Jahren über das Netzwerk „Unternehmen für Gesundheit“, dem „Deutschen Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung“ und in der „Offensive Mittelstand“ an dem überbetrieblichen Austausch (GKV-Spitzenverband 2018c).

(Modell-)Vorhaben gemeinsam organisieren und umsetzen

In rund 40 % der von den Krankenkassen geförderten BGF-Maßnahmen sind Kooperationspartner eingebunden, in einem Viertel dieser Fälle brachte die Unfallversicherung sich mit eigenen Ressourcen ein (GKV-Spitzenverband 2018c).

In der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) entwickeln die Kranken- und Unfallversicherung gemeinsam praktische Ansätze, sich bestimmten Problemen und Herausforderungen zu stellen. „Betriebe demografiefest gestalten“ lautet der Titel einer Broschüre, die anschaulich vermittelt, wie das Thema „Demografie“ Eingang in den betrieblichen Alltag finden kann und was für Maßnahmen in den Bereichen „Kultur und Führung“, „Arbeitsorganisation“ und „Gesundheit“ umgesetzt werden könnten (Initiative Gesundheit und Arbeit 2012).

Im Rahmen des Innovationsfonds-Vorhabens „BGM-innovativ“ arbeiten 15 Betriebskrankenkassen (BKK) mit über 30 Betriebsstandorten gemeinsam an einem Programm für Beschäftige mit Beschwerden im Muskel-Skelett-Bereich mit dem Ziel, die Krankheitsdauer zu verkürzen und die Beschäftigungsfähigkeit dauerhaft zu erhalten. Das von BKK organisierte Fallmanagement erfolgt in enger Abstimmung mit dem Betroffenen, den Betriebsärzten sowie dem zuständigen Rentenversicherungsträger.

Die psychische Gesundheit der Beschäftigten ist unter anderem aufgrund der stetig steigenden Arbeitsunfähigkeitszahlen und den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beruflichen Ursachen psychischer Fehlbelastungen in das politische Interesse und in den Handlungsmittelpunkt der Unternehmen gerückt. Das Bundesarbeitsministerium und der BKK Dachverband haben zusammen mit verschiedenen Partnern, darunter auch die Unfall- und Rentenversicherung, über die Initiative „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – psyGA“ wesentlich dazu beigetragen, dass sich mehr Unternehmen proaktiv mit dem Thema auseinandersetzen. Für betriebliche Akteure (Führungs-, Sicherheitsfachkräfte, Betriebs-/Personalräte) gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Orientierungs- und Handlungshilfen. Über psyGA können sie sich im Rahmen von Foren und Veranstaltungen informieren und Erfahrungen austauschen.

Transparenz herstellen, Weiterentwicklungsmöglichkeiten identifizieren

Was im Rahmen der Nationalen Präventionsstrategie zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Sozialversicherungsträgern bereits auf den Weg gebracht wurde, wird der im Sommer 2019 erscheinende erste trägerübergreifende Nationale Präventionsbericht zeigen. Auch wenn dieser „nur“ retrospektiv das Jahr 2017 abbildet und die aktuellen Entwicklungen nicht berücksichtigt, so schafft er erstmals eine gemeinsame Grundlage für alle lebens- und arbeitsweltbezogenen (freiwilligen) Akteure, Prävention und Gesundheitsförderung im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe weiter auszubauen.

Antworten und Lösungen auf die komplexen gesundheitlichen Herausforderungen sind nicht von heute auf morgen zu finden. Die Grundlage, gemeinsam in eine gesunderhaltende und gesundheitsförderliche Arbeitswelt zu investieren, ist geschaffen. Die Weichen für eine gewinnbringende Zusammenarbeit sind gestellt. Damit aus dem Nebeneinander ein erfolgreiches Miteinander wird, braucht es Argumente, Überzeugungsarbeit, Gestaltungwillige, Geduld und Ausdauer.

Um den Anforderungen der heutigen und zukünftigen Arbeitswelt und deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten nachhaltig zu begegnen und um mit den Veränderungen Schritt halten zu können, braucht es ein vernetztes, aufeinander abgestimmtes Vorgehen aller Versorgungssysteme.

Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG). Berlin, 2015.

GKV-Spitzenverband: Leitfaden Prävention. Handlungsfelder und Kriterien nach § 20 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 1. Oktober 2018. Berlin, 2018a.

GKV Spitzenverband: Präventionsbericht 2018 – Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung: Primärprävention und Gesundheitsförderung. Berichtsjahr 2017. Berlin, Essen, 2018b.

GKV-Spitzenverband, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Deutsche Rentenversicherung Bund, Verband der Privaten Krankenversicherung: Bundesrahmenempfehlungen nach § 20d Abs. 3 SGB V in der Fassung vom 29. August 2018. Berlin, Kassel, 2018c.

GKV-Spitzenverband, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Deutsche Rentenversicherung Bund, Verband der Privaten Krankenversicherung: Präventionsforum 2018. Dokumentation. Berlin, Kassel, 2019.

Initiative Gesundheit und Arbeit (Hrsg.): Betriebe demografiefest gestalten. iga-Fakten 5, Berlin, 2012.

    Info

    Die Nationale Präventionskonferenz (NPK) wird getragen durch die Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung. Der Bund, die Länder, die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene, die Bundesagentur für Arbeit, die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Patientenvertretung sind hier mit beratender Stimme vertreten.

    Akteure der Landesrahmenvereinbarung sind die sechs Krankenkassensysteme, die RV, UV und die Ministerien, Senatsverwaltungen oder Behörden (z.B. Öffentlicher Gesundheitsdienst) aus dem jeweiligen Bundesland.

    Weitere Infos

    Für die Autorinnen

    Dr. Anke Siebeneich

    BKK Dachverband e.V

    Mauerstraße 85

    10117 Berlin

    Anke.Siebeneich@bkk-dv.de

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