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Fünf Jahre Präventions­gesetz: Was hat es gebracht? Was wurde erreicht?

Als Mitte Juli 2015 das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention“, das sog. Präventionsgesetz, in Kraft trat, wurden damit viele Hoffnungen verbunden: Mit diesem Gesetz wollte man der immer wieder beklagten „Versäulung“ im deutschen Sozial- und Gesundheitswesen entgegen wirken, d. h. Versorgungsangebote und -wege zwischen ambulanter und stationärer Behandlung bzw. Pflege sowie Aktivitäten in der Prävention und Rehabilitation sektorübergreifend enger zusammen führen und abstimmen. Eine hervorragende Idee, die nach inzwischen drei vergeblichen Anläufen in den Jahren 2005, 2008 und 2013 nunmehr Realität geworden war. Zudem wurde erstmals eine belastbare Brücke gebaut zwischen den Präventionsangeboten im SGB VII, insbesondere der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung, sowie den entsprechenden Präventionsangeboten im SGB V. Damit hatte der Gesetzgeber dem größten Präventionssetting in unserer Gesellschaft, der Arbeitswelt, endlich auch im Gesetzbuch der Krankenversicherung einen adäquaten Stellenwert gegeben. Zudem wurden die Betriebsärzte etwa in den Handlungsfeldern der betrieblichen Gesundheitsförderung, der Gesundheitsuntersuchungen und Präventionsempfehlungen sowie der Schutzimpfungen am Arbeitsplatz erstmals auch zu Akteuren, deren Versorgungsleistungen nunmehr ebenfalls von den gesetzlichen Krankenkassen zu entgelten waren.

Nach nunmehr fünf Jahren ist es an der Zeit, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen und danach zu fragen, wo wir genau stehen: Was ist gelungen, was ist weniger gelungen? Gemeinsam mit den Autorinnen und Autoren in dieser Ausgabe der „ASU“, aber auch im Rahmen der Veranstaltungen bei der 60. Wissenschaftlichen Jahrestagung der DGAUM Mitte März in München, wollen wir dies tun und Ihnen einen Überblick geben. Zuerst einmal blicken wir nach Thüringen. Seit 2017 führt die DGAUM zusammen mit der BARMER dort ein Modellvorhaben nach § 20g SGB V durch. „Gesund arbeiten in Thüringen“ stellt ein Experimentierfeld dar, in dem ganz im Sinne des Präventionsgesetzes neue Präventionsangebote und Versorgungswege vor allem für Kleinst, Klein- und Mittelbetriebe entwickelt und erprobt werden. Mit über 90 Prozent KKMU ist Thüringen ein idealer Standort, um für die betriebliche Prävention und Gesundheitsförderung wichtige Fragen zu diskutieren und praxisorientierte Problemlösungen zu entwickeln. Insofern stellen unsere Beiträge rund um Thüringen einen wesentlichen Schwerpunkt dieses Heftes dar: Während Martin Staats und Birte Schwarz uns nochmals die Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Präventionsgesetzes in Thüringen beschreiben, reflektieren die Beiträge von Wolfgang Fischmann et. al. und Regina Lösch et. al. sowohl den Spagat zwischen Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Betrieblichem Gesundheitsmanagement der KKMU einerseits als auch Möglichkeiten und Grenzen der Verhaltens- und Verhältnisprävention im KKMU-Kontext andererseits.

Gesetze zu erarbeiten und im politischen Verfahren zu verabschieden ist das eine. Etwas anders ist es, diese auch in der Praxis umzusetzen und zu leben. Dazu braucht es motivierte Menschen. Und Motivation steht bzw. fällt zu einem guten Teil auch mit der Zufriedenheit der Akteure, die die Arbeit vor Ort verrichten. Deshalb wollten die Autorinnen und Autoren um Nadja Amler wissen, wie es um die Berufszufriedenheit in der Arbeitsmedizin steht. Die Ergebnisse aus dieser bundesweit durchgeführten Befragung lesen Sie als Originalbeitrag im Wissenschaftsteil.

Auch wenn mit dem Präventionsgesetz viele übergeordnete Ziele und Strukturen einer sektorübergreifenden Zusammenarbeit inzwischen angelegt sind, so bleibt dennoch weiterhin viel zu tun, um nicht nur die sozial ungleich verteilten Gesundheitschancen gleicher zu verteilen. Viel zu tun bleibt ebenfalls im Feld der Schutzimpfungen, wenn wir die Durchimpfungsraten in der Bevölkerung signifikant erhöhen wollen. Mit dem sog. Masernschutzgesetz, das mit Beginn dieses Monats in Kraft getreten ist, wird der Versuch unternommen, dieses Thema aktiv anzugehen. Ob es wirklich sinnvoll ist, neben den Vertrags- und den Betriebsärztinnen und -ärzten ebenfalls Apotheken Impfungen durchführen zu lassen, diskutieren wir in einem Pro und Contra zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und der Bundesärztekammer.

Gemeinsam mit allen Autorinnen und Autoren dieses Themenheftes hoffen wir, dass es gelungen ist, einige wichtige Aspekte zum aktuellen Stand der Umsetzung des Präventionsgesetz zu beleuchten. Wir freuen uns auf die Diskussion mit Ihnen, sei es im Rahmen der vielen Veranstaltungsangebote bei der diesjährigen DGAUM Jahres­tagung, sei es durch Ihre Zuschriften. Zeigen wir, dass wir diskussions­freudig und konstruktiv in der Kritik unser Fachgebiet vertreten, nach innen und nach außen, und in dem Wissen, dass wir gerade beim Thema Präventionsgesetz weiterhin noch manches tun müssen!

Dr. phil. Thomas Nesseler

Hauptgeschäftsführer DGAUM