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Evaluation des Versichertenstammdatenmanagements

Die elektronische Gesundheitskarte

Einleitung

Die Digitalisierung tangiert nahezu alle Bereiche. Gerade die interdisziplinäre Zusammenarbeit, wie sie auch integraler Bestandteil der Tätigkeit im Bereich der Arbeitsmedizin ist, kann durch die Digitalisierung erheblich erleichtert werden. Nicht nur um den Zugriff auf externes Fachwissen sicherzustellen oder zur Überbrückung räumlicher Entfernungen, sondern auch bei der arbeitsmedizinischen Betreuung wird die Digitalisierung zukünftig entscheidend sein. Ein Begriff, an dem bei diesem Thema kein Weg vorbei führt, ist dabei die Telematikinfrastruktur (TI). Durch die Telematikinfrastruktur sollen alle Beteiligten am Gesundheitswesen wie Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Krankenkassen und Apotheken miteinander verbunden und auf diesem Wege die Digitalisierung vorangetrieben werden. Den Zugangsschlüssel zu dieser Infrastruktur stellt dabei die elektronische Gesundheitskarte dar, die 2013 bereits flächendeckend an die gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten ausgegeben wurde und seit dem 01.01.2014 der allein gültige Versicherungsnachweis für die gesetzlichen Krankenkassen ist.

Per gesetzlichem Auftrag federführend bei der Entwicklung der Telematikinfrastruktur sowie bei Einführung und Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ist die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbh, kurz gematik.

Während des Jahres 2018 kam die Umsetzung der elektronischen Gesundheitskarte bzw. deren notwendiger Infrastruktur zügig voran. So konnten nun mehrere mobile Kartenlesegeräte für den Einsatz bei den Leistungserbringern erfolgreich das Zulassungsverfahren der gematik durchlaufen. Seit Ende 2017 ist es für Leistungserbringer möglich, sich an die TI anschließen zu lassen.

Ab 1. Januar 2019 sollen dann alle Praxen verpflichtend an die TI angeschlossen sein. Deren Einführung startet daher mit der Umsetzung der ersten TI-Anwendung: dem Versichertenstammdatenmanagement. Als erste Online-Anwendung stellt das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) einen Meilenstein in der Vernetzung innerhalb des Gesundheitssystems dar.

Zwar war bereits im Jahr 2013 die flächendeckende Ausgabe der eGK an die Versicherten abgeschlossen, jedoch waren die Onlinefunktionen, die elementaren Bestandteile für ein digitalisiertes Gesundheitssystem, noch nicht freigeschaltet. Das so genannte Versichertenstammdatenmanagement ist ein solcher Bestandteil. Hiermit ist es möglich, die auf der eGK gespeicherten Patientendaten (beispielsweise Name, Adresse und Versichertenstatus) in Echtzeit über die „Datenautobahn“ des Gesundheitswesens – die Telematikinfrastruktur – mit den Krankenkassen abzugleichen. So müsste beispielsweise bei einem Umzug keine neue eGK beantragt werden, da die neue Anschrift einfach aktualisiert werden kann.

Der Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat nach einer europaweiten Ausschreibung den Auftrag erhalten, die Erprobung dieser Anwendung wissenschaftlich zu evaluieren. Ziel der Evaluation war die Bewertung von Akzeptanz und Praxistauglichkeit bei den teilnehmenden ambulanten Arztpraxen und Psychotherapeuten sowie den teilnehmenden Krankenhäusern.

Datenerhebung

Die Datenerhebung der wissenschaftlichen Evaluation (WEV) in der Testregion Nordwest erfolgte im Zeitraum von September 2016 bis Juli 2017, während die aktive Erprobung von VSDM von November 2016 bis Juli 2017 lief. Eine Datenerhebung in der Testregion Südost erfolgte nicht. Zum Ende der Datenerhebung im Juli 2017 waren insgesamt 505 Teilnehmer mit VSDM-Ausstattung bekannt.

Kernstück der WEV bildeten die schriftlichen Befragungen der Teilnehmer. Das Fragebogenkonzept beruhte dabei auf dem „Information-System-Success-Modell“ von DeLone und McLean. Insgesamt lagen dem Konzept vordefinierte Evaluationskriterien und sechs Dimensionen zugrunde:

  • Informationsqualität: z.B. die Meldungen am Kartenlesegerät
  • Systemqualität: z.B. die Einfachheit der Bedienung des Kartenlesegeräts
  • Servicequalität: z.B. der Aufwand der technischen Umstellung
  • Zufriedenheit der Nutzer: z.B. die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Praxis
  • Auswirkungen: z.B. die Wahrnehmungen von Verbesserungen nach der technischen Umstellung
  • Nutzungsabsicht: wurde hier nicht weiter behandelt, da VSDM eine spätere Pflichtanwendung darstellte.

Die teilnehmenden Leistungserbringer sowohl aus dem ambulanten als auch aus dem stationären Bereich wurden zu insgesamt 5 Messzeitpunkten zu ihren Erfahrungen mit dem VSDM befragt. Messzeitpunkt 1 fokussierte sich dabei auf die Situation vor der Installation der Infrastruktur, die für die Erprobung notwendig war.

Ergebnisse

Die Relevanz der Thematik zeigte sich in der hohen Beteiligung der Erprobungsteilnehmer an der Evaluation. So lag die Beteiligung abhängig von den unterschiedlichen Befragungszeitpunkten bei über 90 %.

Zufriedenheit der Nutzer

Beim Blick auf die Zufriedenheit der Nutzer im ambulanten Bereich ergaben sich dabei folgende Ergebnisse: Die Befragung am Ende der Evaluationsphase machte deutlich, dass die Mehrheit der Evaluationsteilnehmer mit der Fachanwendung VSDM zufrieden war. Ebenfalls die Mehrheit der Leistungserbringer sah in VSDM einen Nutzen für ihre Praxis. Auch die Vereinbarkeit der für VSDM notwendigen Prozesse, wie z. B. das Einlesen der Karte mit Online-Abgleich, wurde mehrheitlich positiv beurteilt.

Informationsqualität

Bei der Beurteilung der Informationsqualität durch die Teilnehmer an der Evaluation ergab sich ein ähnliches Bild. Mehr als zwei Drittel der ambulanten Leistungserbringer empfanden die gezeigten Meldungen am Kartenlesegerät als verständlich. Beispiele wären hier Fehlercodes für gesperrte oder veraltete bzw. nicht mehr gültige elektronische Gesundheitskarten. Dabei zeigten sich Lerneffekte und die Verständlichkeit hat sich im Laufe der Evaluation sogar noch weiter verbessert.

Auch die Aktualität bzw. die Richtigkeit der Versichertendaten auf den elektronischen Gesundheitskarten der Patientinnen und Patienten wurde von den Leistungserbringern mehrheitlich positiv gesehen.

Systemqualität

Mehrheitlich zufrieden waren die Probanden auch mit dem Handling der Kartenlesegeräte, die für das Einlesen der eGKs eingesetzt wurden. So scheinen die Arbeitsschritte, die für den Einlesevorgang nötig waren, verständlich gewesen zu sein. Auch hier zeigten sich Lerneffekte im Ablauf der Erprobung. Über die Hälfte der ambulanten Leistungserbringer zeigte sich mit der Integration der Abläufe für das Einlesen der eGK in den Praxisalltag bei der Patientenanmeldung zufrieden.

Generell ist der Datenschutz ein häufig diskutiertes Thema im Zusammenhang mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Bei der vorliegenden Evaluation vertrauten jedoch über 90 % der Befragten darauf, dass die Versichertenstammdaten entsprechend den geltenden Datenschutzbestimmungen verarbeitet und übertragen wurden.

Servicequalität

Die Servicequalität wurde bei den Teilnehmern zweigeteilt abgefragt. Zum einen wurde die Einschätzung zur Qualität des Service rund um die Installation bzw. die Schulung als Vorbereitung auf die Arbeit mit den neuen Geräten und Abläufen erfasst. Zum anderen wurde im Nachgang die Zufriedenheit mit den Supportprozessen abgefragt, die den Teilnehmern an der Erprobung während des Betriebs als Hilfestellungen zur Verfügung standen.

Zu Beginn der Evaluation wurden in den teilnehmenden Praxen im Rahmen einer Umstellung die nötigen, hardwareseitigen Voraussetzungen für den Anschluss an die Telematikinfrastruktur geschaffen. Hierbei wurden die Arbeiten durch einen Servicemitarbeiter durchgeführt. Die Servicemitarbeiter wurden von über 85 % der Teilnehmer als kompetent wahrgenommen. Auch die Dauer der Umstellung wurde mehrheitlich positiv bewertet. Der Aufwand für die technische Umstellung wurde von den meisten Teilnehmern als nachvollziehbar eingestuft. Nach der Hardware-Installation wurde für die betroffenen Praxisteams eine Schulung durchgeführt bzw. weiterführende Informationsmaterialien wurden für die tägliche Anwendung bereitgestellt. Die Teilnehmer zeigten sich zu einem sehr großen Teil zufrieden mit der Qualität der Schulungen bzw. den Informationsmaterialien und bewerteten diese als hilfreich im Umgang mit den neuen Geräten. So war es in der Folge auch wenig überraschend, dass sich die meisten Praxisteams gut auf die Arbeit mit den neuen Geräten bzw. mit den neuen Abläufen vorbereitet fühlten.

Die Servicequalität der Supportprozesse im laufenden Betrieb erwies sich ebenfalls als überwiegend positiv. So standen den Teilnehmern für Fragen und Probleme rund um die Arbeit mit dem neuen VSDM verschiedene Ansprechpartner für den Support zur Verfügung. Sowohl die Qualität der Hilfestellung durch diesen Support als auch dessen Antwortverhalten wurde mehrheitlich als gut eingestuft. Insgesamt zeigte sich auch über die Hälfte der Befragten mit der Qualität des Informationsangebots allgemein zufrieden. Insgesamt fühlten sich so über 85 % der Teilnehmer gut über die Anwendungen der eGK informiert, wobei ein Großteil angab, dass das Wissen über diese Anwendungen im Zeitablauf des Evaluationsprojekts zunahm.

Nettonutzen

In dieser Kategorie wurden die Teilnehmer nach ihrer Einschätzung zum Nutzen des VSDM für ihre Praxis befragt. Eine auffallend hohe Zustimmungsrate von über 80 % bekam dabei die Möglichkeit, festzustellen, ob die eGK eines Patienten einen gültigen Versicherungsnachweis darstellt, da dies den Praxen durch den Online-Abgleich nun direkt angezeigt wurde. Über die Hälfte der Probanden bemerkte eine Verbesserung der Aktualität der Versichertenstammdaten im Laufe der Erprobung und war insgesamt zufrieden mit der Qualität dieser Daten.

Patientenbefragung

Begleitend zur Befragung der Leistungserbringer wurden auch deren Patientinnen und Patienten befragt. Hierbei zeigte sich, dass die Prozesse rund um die Einführung der Fachanwendung VSDM im Rahmen der elektronischen Gesundheitskarte von den Befragten größtenteils nicht wahrgenommen wurden. Nur ein sehr geringer Anteil von ca. 5 % hat während der Anmeldung überhaupt Notiz davon genommen.

Fazit

Eines wurde in der Befragung der Leistungserbringer deutlich: Ein Nutzenpotenzial wurde klar wahrgenommen. Der Nutzen wurde dabei auch durch einen erhöhten Zeitbedarf bei der Patientenanmeldung nicht aufgehoben. In der Regel konnte die Gültigkeit des Versicherungsverhältnisses innerhalb von weniger als 5 Sekunden überprüft werden. Die Einführungs- und Supportprozesse wurden als praxistauglich angesehen. Die aus den Interviews mit den Leistungserbringern abgeleiteten Handlungsempfehlungen wurden von Seiten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg an die gematik übergeben.

Die gewonnenen Ergebnisse trugen einen Teil dazu bei, dass der flächendeckende Roll-out der Telematikinfrastruktur umgesetzt wird. Zur weiteren Verbreitung sind weiterführende rechtliche Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber unabdingbar. Diese Herausforderungen werden in der jetzigen Legislaturperiode mit den Planungen für ein E-Health-Gesetz II adressiert.

Eine detailliertere Übersicht über die Ergebnisse der vorgestellten Evaluation kann im Internet auf dem Webauftritt der gematik abgerufen werden (s. „Weitere Infos“).

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Weitere Infos

    Evaluationsgutachten zur Fachanwendung Versichertenstammdaten-Management (VSDM)

    https://fachportal.gematik.de/service/berichte/evaluationsgutachten-vsdm/

    Autor

    Prof. Dr. Oliver Schöffski, MPH

    Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement

    Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Lange Gasse 20

    90403 Nürnberg

    oliver.schoeffski@fau.de

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