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Die Bedeutung körperlicher Aktivität bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung

Schätzungen zufolge sind allein in Deutschland 6,8 Millionen Menschen von der COPD betroffen, so dass sich daraus eine Prävalenz von ca. 13 % der über 40-Jährigen ergibt (Buist et al. 2007).

Die COPD wird definiert als eine „vermeidbare und behandelbare Erkrankung, die durch eine persistierende und normalerweise progrediente Atemwegsobstruktion charakterisiert ist und mit einer verstärkten lokalen Entzündungsreaktion der Atemwege und der Lunge auf gesundheitsschädliche Gase und Partikel einhergeht. Exazerbationen und Begleiterkrankungen tragen signifikant zum individuellen Schweregrad bei“ (Vestbo et al. 2013). Insbesondere kardiovaskuläre, metabolische, muskuloskeletale und psychische Erkrankungen sind überproportional häufig anzutreffen. Körperliche Inaktivität sowie systemische Inflammation werden als mögliche Bindeglieder zu den Komorbiditäten angesehen.

Körperliche Aktivität und Leistungsfähigkeit bei COPD

Die körperliche Aktivität im Alltag ist generell ein bedeutsamer Parameter der Morbidität und Mortalität, bei Gesunden sowie bei Patienten mit chronischen Erkrankungen. Körperliche Aktivität wird definiert als jede durch Muskeltätigkeit verursachte Bewegung, die zu einem Energieverbrauch führt (Chodzko-Zajko et al. 2009). Dies beinhaltet nicht nur Freizeitaktivitäten wie Sport, sondern ebenso jede häusliche oder berufliche Tätigkeit. Abzugrenzen ist die körperliche Aktivität von der körperlichen Leistungsfähigkeit, die nur eine physische Grundvoraussetzung für die Aktivität im Alltag darstellt und keineswegs Rückschlüsse auf das tatsächliche Aktivitätsniveau zulässt. Gesundheitsbewusstsein, Lebensgewohnheiten, Gemütslage sowie soziale und äußere Faktoren sind weitere bestimmende Komponenten (Spruit et al. 2013). Ein Großteil der COPD-Patienten neigt außerdem dazu, sich körperlich zu schonen, um das Gefühl der Belastungsluftnot zu vermeiden.

Eine valide Bestimmung der körperlichen Aktivität kann heutzutage einfach mittels elektronischer Aktigraphen, sog. Accelerometer, erfolgen. So haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass Patienten mit COPD körperlich inaktiver sind als lungengesunde Kontrollpersonen (Watz et al. 2014). Zudem ist die körperliche Aktivität mit dem Schweregrad und verschiedenen pulmonalen und extrapulmonalen Manifestationen der Erkrankung assoziiert, wie z. B. Atemflusslimitation, Lungenüberblähung, Exazerbationshäufigkeit, körperliche Belastbarkeit, Dyspnoe, eingeschränkte Lebensqualität, systemische Inflammation sowie Indikatoren der kardialen, metabolischen und muskulären Dysfunktion (Watz et al. 2014). In einer eigenen Untersuchung konnten wir zeigen, dass die körperliche Inaktivität zudem ein besserer prognostischer Marker für das Gesamtüberleben von COPD-Patienten ist als die körperliche Leistungsfähigkeit, etablierte Mortalitätsindices oder die Lungenfunktion selbst (Waschki et al. 2011). Unklar war bisher hingegen, wie die Assoziation zwischen körperlicher Aktivität und bedeutsamen Krankheitsfaktoren der COPD sich im zeitlichen Verlauf darstellt. In einer 3-jährigen Verlaufsuntersuchung haben wir kürzlich zeigen können, dass sich die körperliche Aktivität – unabhängig vom anfänglichen Schweregrad – im Verlauf einer COPD substanziell verschlechtert (Waschki et al. 2015). Gleichzeitig mit der Aktivität nahmen auch Lungenfunktion und Lebensqualität der Patienten ab. Eine dauerhaft anhaltende niedrige körperliche Aktivität ging mit einer deutlich abnehmenden körperlichen Leistungsfähigkeit und einem ausgeprägten Verlust von Muskelmasse einher (Waschki et al. 2015). Damit konnte erstmals die Bedeutung der Inaktivität für die klinisch immer wieder beobachtete Abwärtsspirale der Erkrankung nachgewiesen werden.

Behandlungsansätze der COPD und Auswirkungen auf die körperliche Aktivität

Aufgrund der überzeugenden Datenlage vieler Beobachtungsstudien wird die objektiv gemessene körperliche Aktivität zunehmend als Endpunkt von Interventionsstudien eingesetzt. Die aktuellen Behandlungsansätze der COPD umfassen neben der Tabakentwöhnung und Schutzimpfungen vor allem Rehabilitationsmaßnahmen und die Pharmakotherapie (Vestbo et al. 2013). Die wichtigsten beiden Medikamentenklassen sind insbesondere die Beta-2-Agonisten und die Anticholinergika, während inhalative Kortikosteroide bei der COPD immer mehr an Bedeutung verlieren. Ein neueres Verfahren für schwerkranke Emphysem-Patienten mit ausgeprägter Lungenüberblähung ist die endoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Ventil- oder Coil-Implantation.

Rehabilitationsmaßnahmen konnten bereits einen anhaltenden Effekt auf körperliche Aktivität nachweisen. Jedoch ist die Studienlage diesbezüglich nicht konsistent (Watz et al. 2014). Grund hierfür ist wahrscheinlich ein noch zu gering ausgeprägter Reha-Schwerpunkt auf die Identifikation und Beratung der Verhaltensweise im Alltag („behavioural counselling“). Die Patientenschulung kann gemeinsam mit einer Rückmeldung über das Maß der eigenen Aktivität (z. B. täglich absolvierte Schrittzahl) eine gesundheitsorientierte Handlungskompetenz initiieren (Spruit et al. 2013). Diese Motivation führt im Idealfall zur Steigerung der regelmäßigen körperlichen Aktivität des Einzelnen. Auch pharmakotherapeutische Studien konnten bereits einen positiven Effekt von Bronchodilatatoren auf die Accelerometer-basiert gemessene Aktivität nachweisen.

Schlussfolgerungen für die betriebsärztliche Praxis

Die körperliche Aktivität von Patienten mit COPD ist ein bedeutsamer Faktor, der mit vielen Erkrankungskomponenten inklusive der Mortalität assoziiert ist. Sie nimmt eine zentrale Rolle innerhalb der Abwärtsspirale aus Atemflusslimitation, Dyspnoe, reduzierter körperlicher Belastbarkeit, und anderen funktionellen Einschränkungen im Verlauf der Erkrankung ein. Um diesen Krankheitsverlauf aufzuhalten, ist die Steigerung bzw. Erhaltung von moderater körperlicher Aktivität im Alltag, d.h. im häuslichen Umfeld und im Berufsleben, zu empfehlen.

Literatur

Buist AS, McBurnie MA, Vollmer WM et al.: International variation in the prevalence of COPD (the BOLD Study): a population-based prevalence study. Lancet 2007; 370: 741–750.

Chodzko-Zajko WJ, Proctor DN, Fiatarone Singh MA et al.: American College of Sports Medicine position stand. Exercise and physical activity for older adults. Med Sci Sports Exerc 2009; 41: 1510–1530.

Spruit MA, Singh SJ, Garvey C et al.: An official American Thoracic Society/European Respiratory Society statement: key concepts and advances in pulmonary rehabilitation. Am J Respir Crit Care Med 2013; 188: e13–64.

Vestbo J, Hurd SS, Agusti AG et al.: Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease: GOLD executive summary. Am J Respir Crit Care Med 2013; 187: 347–365.

Waschki B, Kirsten A, Holz O et al.: Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality in patients with COPD: a prospective cohort study. Chest 2011; 140: 331–342.

Waschki B, Kirsten AM, Holz O et al.: Disease progression and changes in physical activity in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 2015; 192: 295–306.

Watz H, Pitta F, Rochester CL et al.: An official European Respiratory Society statement on physical activity in COPD. Eur Respir J 2014; 44: 1521–1537.

    Weitere Infos

    Global Strategy for Diagnosis, Management, and Prevention of COPD – 2016

    www.goldcopd.org/global-strategy-diagnosis-management-prevention-copd-2016/

    Autor

    Dr. med. Benjamin Waschki

    LungenClinic Grosshansdorf

    Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)

    Woehrendamm 80

    22927 Grosshansdorf

    b.waschki@lungenclinic.de

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