Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

“Gute Reise“ – Gesundheitliche Prävention auf Geschäftsreisen

Ein Global Player muss grundsätzlich auch unzählige Global Travelers beschäftigen, denn nur eine intensive, länderübergreifende Kooperation er-möglicht auch globale Organisationsstruktu-ren und Geschäftsaktivitäten. Arbeitstäglich befinden sich daher im Unternehmen mehrere tausend Beschäftigte auf geschäftlichen Reisen, etwa eintausend davon in risiko-reichen Gegenden. Während die DGUV im Grundsatz 35 die Reiseziele mit erhöhtem Risiko als Regionen bzw. Klimazonen ausweist, werden die entsprechenden Länder unternehmensintern namentlich benannt, was den Reisenden eine schnelle und eindeutige Orientierung ermöglicht.

Ein erhöhtes Risiko ergibt sich zunächst durch besondere klimatische und gesundheitliche Bedingungen am Reiseziel, aber auch politische, terroristische und kriegerische Umstände können die Reisenden einer Gefahr aussetzen. Nicht zuletzt haben aber auch psychische und soziale Aspekte Einfluss auf die Verträglichkeit und Zumutbarkeit des Reisens. Präventive ärztliche Überlegungen können folglich nicht allein auf die Aspekte „Untersuchen“ und „Impfen“ reduziert werden.

Gleichwohl verdient die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Beachtung. Danach ist für Tätigkeiten in den Tropen und Subtropen und auch für sonstige Auslandsaufenthalte mit besonderen klimatischen Be-lastungen und Infektionsgefährdungen eine Pflichtvorsorge vorgesehen. Als unverbindliche Handlungshilfe zur Durchführung der Vorsorge kann z. B. der DGUV-Grundsatz 35 herangezogen werden.

Parallel dazu sind unternehmensintern globale Guidelines für „Pre Transfer Medicals“ implementiert, die einheitliche diagnostische Prozeduren vorsehen und daher international an allen Standorten des Unter-nehmens gleich gehandhabt und gleich inter-pretiert werden können. Darüber hinaus sind Untersuchungsanforderungen zu bedenken, z. B. laborchemische Untersuchungen oder Röntgenuntersuchungen, von denen manche Länder die Erteilung der Arbeitserlaubnis ab-hängig machen.

Die ArbMedVV verlangt bei bestimmten „Tätigkeiten“ und „sonstigen Auslandsaufenthalten“ die Durchführung einer Pflichtvorsorge. Somit werden jedoch kurze Geschäftsreisen nicht notwendigerweise und nicht verlässlich erfasst, obwohl gerade für diese Beschäftigten verständliche Informa-tionen und eine professionelle Beratung er-forderlich sind. Mitunter führen diese Reisen in kurzer Abfolge und häufig wiederkehrend in Regionen, die arbeitsmedizinisch kritisch und sehr unterschiedlich zu beurteilen sind. Den Kurzreisenden fehlt meist die Zeit, sich vor Ort zu orientieren, sich mit den örtlichen Rahmenbedingungen vertraut zu machen und sich gesundheitlich zu adaptieren. Da-her besteht bei diesen Beschäftigten ein er-höhter präventiver Aufklärungsbedarf vor Antritt solcher Reisen.

Das Unternehmen stellt den Beschäftigten im Intranet eine tagesaktuell gepflegte „Travel Health Website“ zur Verfügung. Sie hält in großem Umfang Informationen zu allen Ländern, zu reisetypischen Risiken, Erkrankungen und Impfungen oder zu notwendigen betriebsärztlichen Untersuchungen bereit. Auch die IATA-Guidelines „Flying with Different Health Conditions“ sind hier nachzulesen. Daneben erhalten Reisende zahlreiche Reiseempfehlungen, von allgemeingültigen (z. B. Hygieneverhalten) und Verhaltenstipps bis zu Hinweisen auch für eher seltene Risiken wie Aufenthalte in großer Höhe oder Verhalten bei Erdbeben. Besonders zu betonen sind Safety- und Security-Anweisungen und vor allen Dingen Reisewarnungen und -beschränkungen, die durch Infektionsausbrüche, Naturkatastrophen oder bewaffnete Konflikte notwendig werden können.

Ein global verbindliches „HSE-Control-Framework“ regelt den internen Umgang mit allen wesentlichen Themen des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes und setzt präzise Mindeststandards fest, die an sämtlichen Standorten und von allen Be-schäftigten zu gewährleisten sind. Kapitel wie „Road Safety“, „Travel by Water“ und viele andere haben auch für Reisende unmittelbare Bedeutung. So legt die Anweisung „Travel by Air“ ein Ranking der internationalen Airlines fest, das den Reisenden Flüge mit ausgewählten, sicheren Fluggesellschaften ermöglicht und vorschreibt.

Ein separater Abschnitt „Business Travel“ fordert von den Reisenden eine systematische Reiseplanung, die beispielsweise ein Studium der Travel Health Website, die Beachtung von Reisewarnungen oder ggf. die Sicherstellung der gesundheitlichen Eignung beinhaltet. Für Reisen in „High Risk Countries” ist ein individuell ausgefülltes „Travel Risk Assessment" Formular Teil der Reiseplanung. Darin sind formale Aspekte wie Reisedaten und -routen, Adressen von Angehörigen, Kontaktdaten von Geschäftspartnern und Anlaufstellen für gesundheitliche oder andere Probleme sowie wichtige Links enthalten. Zudem informiert es über die am Reiseziel vorherrschende Gesundheitsrisiken und ihre Prävention.

Das „HSE-Control-Framework“ verpflichtet außerdem das Management, den organisatorischen Rahmen zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Reisenden verbindlich zu implemen-tieren, etwa durch adäquate Informationen, Security-Vorkehrungen oder Strategien zum Notfallmanagement und zur Evakuierung, für die internationale Kooperationspartner unter Vertrag genommen wurden.

Die firmeninterne „Reise-Policy“ verlangt die Buchung von Reisen über Reservierungs-kanäle, die vom Unternehmen genehmigt sind. Einheitlich erfolgen die Reservierungen als Self Service im Intranet oder telefonisch bei einem weltweit unter Kontrakt stehenden Reisebüro, dem die Reiseprofile und Präferenzen der Beschäftigten für eine effiziente Buchung zur Verfügung stehen. So ist vor allen Dingen sichergestellt, dass die Aufenthaltsorte, Reiserouten, Verkehrsmittel und Reisezeiten der Beschäftigten jederzeit abrufbar sind und für Warnungen oder Evakuierungen genutzt werden können.

Das Buchungsverhalten der Reisenden, das durch Flugdistanzen, Reisehäufigkeit und Destinationen charakterisiert ist, triggert automatisch, welcher Beschäftigte zum Absolvieren eines „Frequent Business Traveler Tools“ aufgefordert wird. Mit diesem elektronischen Lernmodul werden Kenntnisse und Bewusstsein für reiseassoziierte Krankheiten, andere Risiken und Vorsichts-maßnahmen vermittelt. Ergänzend füllen die Reisenden einen Questionnaire aus, in dem ihnen Fragen zu ihrer eigenen gesundheitlichen Situation gestellt werden. Wenn sich bei diesem Screening keine Einschränkungen ergeben, erhalten die Reisenden den Status „Fit for Travel“, der in festgelegten Intervallen rezertifiziert werden muss. Falls die Beantwortung der Fragen jedoch auf mögliche gesundheitliche Einschränkungen hinweist, ergeht an den Reisenden elektronisch die Aufforderung zu einer betriebsärztlichen Beratung. Mit dem Tool wird gewährleistet, dass präventive Aufklärung und Information ein maximales Kontingent von Reisenden erreichen und auch bei denjenigen Reisenden eine individuelle betriebsärztliche Beratung initiiert wird, die sonst möglicherweise den Kontakt zum Betriebsarzt nicht gesucht hätten.

Unabhängig davon steht den Beschäftigten auch die persönliche Beratung durch reisemedizinisch kompetente Betriebsärzte grundsätzlich und jederzeit zur Verfügung. Zum Standard gehören dabei auch die Über-prüfung des Impfstatus und die Ergänzung von Impfungen gemäß den Empfehlungen der STIKO sowie der DTG, ggf. auch nach landestypischen Vorgaben. Die Reisenden werden ausführlich über die Impfungen und deren Indikationen und Risiken aufgeklärt. Sie können danach im Sinne einer Nutzen-Risiko-Abwägung die Entscheidung für oder gegen eine Impfprävention selbst wahrneh-men („informed consent“).

Den Reisenden wird gleichzeitig vermittelt, dass die Mehrzahl der reiseassoziierten Erkrankungen sich einer medikamentösen oder Impfprophylaxe entzieht, so beispielsweise viele Infektionskrankheiten, Wurmerkrankungen, Folgen von Tierbissen etc. Passiver Schutz und verhaltenspräventive Strategien bleiben für die Gesundheit auf Reisen essentiell. Dies gilt selbstverständlich auch für Risiken, die sich aus dem Straßen-verkehr, aus Kriminalität oder Umweltbelas-tungen ergeben.

Gegebenenfalls wird den Reisenden in einer Apotheke eine auf ihren individuellen Bedarf abgestellte Reiseapotheke zusammengestellt, für die ein betriebsärztliches Rezept ausgestellt wird. Ergänzend wird ein Hinweis in englischer Sprache mitgegeben, dass die mitgeführten Medikamente aus me-dizinischen Gründen und nur zum persönlichen Gebrauch des Reisenden mitgeführt werden. Dies könnte hilfreich sein, falls ein Reisender z. B. an einem Grenzübergang die Gründe etwa für das Mitführen von Kanülen angeben müsste.

Zum betriebsärztlichen Reiseservice ge-hört ein Workshop, der allen Beschäftigten offensteht. Ziel des Workshops ist es, eine frühe Prävention anzubieten und Beschäftigte nicht erst dann aufzuklären, wenn eine Reise schon unmittelbar bevorsteht und beispielsweise ein ausreichender Impfschutz aus Zeitknappheit nicht mehr aufgebaut werden kann.

Im allgemeinen Teil informiert der Work-shop über Prinzipien der Risikobeurteilung, betriebliche und externe Informationsquellen und Kontaktadressen, Fragen des Kranken- und Unfallversicherungsschutzes im Ausland, interne Regularien, Handhabung von Notfallsituationen und organisatorische Aspekte des Reisens. Auch die psychosozialen Begleitumstände werden beleuchtet, als Beispiele seien Fremdsprache, Fragen der Partnerschaft oder der Kindergesundheit, Verlust heimischer Bindungen, kulturelle Be-sonderheiten, veränderte Lebensgewohnheiten oder -rhythmen genannt.

Im Kapitel Flugreisen werden u. a. Jetlag, Bordklima, Druckausgleich, Strahlung, Schwangerschaft, Medikationsregime und Prophylaxe einer Beinvenenthrombose the-matisiert. Auch die verbreitete, aber von den Reisenden oft nicht aktiv thematisierte Flug-angst und deren Präventionsmöglichkeiten werden diskutiert.

Im speziellen Teil des Workshops erfahren die Teilnehmer, welche Krankheitsrisiken auftreten können, sei es durch vorbestehende eigene Prädisposition oder durch landes- und reisetypische Gefahren. Neben Hinweisen auf klimatische Besonderheiten, auf Gifttierunfälle und diverse Infektions-krankheiten nehmen die Informationen über Malaria und ihre Prävention breiten Raum ein. Ein eigener Abschnitt des Workshops erläutert das Prinzip von Impfungen und stellt die wesentlichen Impfungen im Einzelnen vor.

Da das dargestellte Programm präventiver Leistungen auf große Akzeptanz bei den Reisenden stößt und durch intensive Aufklärungsarbeit auch das grundlegende Sicher-heitsbewusstsein der Beschäftigten im Unternehmen ausgesprochen hoch ist, können die betrieblich Verantwortlichen und die Betriebsärzte davon ausgehen, dass geschäft-liche Reisen auch in gesundheitlich kritische Regionen unter akzeptablen Bedingungen stattfinden oder anderenfalls unterlassen werden. Die Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnologie (Bereithaltung von Telepräsenzräumen, Livemeetings u. a.) stellen auch unter Präventionsgesichtspunk-ten eine vernünftige und praktikable Alternative zu mancher Reise dar. 

    Autor

    Dr. med. Manfred Albrod

    Leitender Betriebsarzt

    Shell Deutschland Oil GmbH

    Suhrenkamp 71–77

    22284 Hamburg

    manfred.albrod@shell.com

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    + ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
    + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
    + Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

    Premium Mitgliedschaft

    2 Monate kostenlos testen