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Diagnostik, Klassifikation und arbeitsmedizinische Bedeutung

Obstruktive Atemwegserkrankungen in der Arbeitswelt

Krankheitsbilder

COPD (“chronic obstructive pulmonary disease”)

Die COPD lässt sich als eine Krankheit definieren, die durch eine progrediente, nach Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Glukokortikoiden nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion auf dem Boden einer chronischen Bronchitis und/oder eines Lungenemphysems gekennzeichnet ist.

Nach der Definition der internationalen GOLD-Initiative (Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease; s. „Weitere Infos“) ist die COPD durch eine nichtreversible Einschränkung der Lungenventilation gekennzeichnet, die normalerweise progredient ist und mit einer überschießenden Entzündungsreaktion auf schädliche Partikel oder Gase einhergeht. Der häufigste Krankheitsauslöser ist nach wie vor das inhalative Tabakrauchen. Die COPD beinhaltet die Krankheitsbilder chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem.

In fortgeschrittenen Stadien der COPD kommt es zu Störungen des Gasaustauschs mit Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz bis hin zur ventilatorischen Insuffizienz. Im Verlauf der COPD kann sich durch einen Anstieg des pulmonalarteriellen Mitteldrucks infolge hypoxischer Vasokonstriktion und peripherer Gefäßrarefizierung durch Gewebedestruktion eine pulmonale Hypertonie entwickeln. Die anhaltende Druckerhöhung im Lungenkreislauf kann wiederum zu einer chronischen Rechtsherzüberlastung mit Entwicklung eines Cor pulmonale führen. Bei Patienten mit COPD in fortgeschrittenen Krankheitsstadien finden sich überdurchschnittlich häufig Komorbiditäten in Form von kardiovaskulären Erkrankungen, Muskelatrophie und Osteoporose, metabolisches Syndrom und Depressionen. Neben therapieassoziierten Nebenwirkungen und Dekonditionierung durch verminderte Belastbarkeit wird auch eine eigenständige systemische Auswirkung der COPD auf andere Organsysteme diskutiert. Die wissenschaftliche Diskussion über die häufige Koinzidenz von Komorbiditäten im Bereich von Herz und Kreislauf, Atem- und Skelettmuskulatur, Skelettsystem und Psyche prägte den Begriff der „Systemerkrankung COPD“.

Asthma bronchiale

Von der definitionsgemäß irreversiblen bis allenfalls gering reversiblen COPD ist das durch eine weitestgehend reversible Obstruktion gekennzeichnete Asthma bronchiale abzugrenzen. Dabei handelt es sich um eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege auf dem Boden einer genetischen Disposition, die charakterisiert ist durch eine bronchiale Hyperreagibilität mit variabler Atemwegsobstruktion.

Wichtigste Auslöser des Asthma bronchiale sind inhalative Allergene, Atemwegsinfektionen und chemisch-inhalative Noxen. Neben der klassischen Einteilung in extrinsisches, meist allergisch vermitteltes, und intrinsisches Asthma bronchiale wird in letzter Zeit zunehmend eine so genannte Asthma-„Phänotypisierung“ vorgenommen. Diese anhand von Biomarkern orientierende Einteilung basiert auf einer Charakterisierung der asthmatischen Entzündung (eosinophil vs. neutrophil) und hat ihren Stellenwert vor allem für die Auswahl der Behandlungsstrategie, insbesondere bei schweren, therapierefraktären Verläufen.

Bei langem Krankheitsverlauf, persistierender Exposition gegenüber Auslösern und permanenter Atemwegsinflammation sowie unzureichender Therapie kann durch einen Umbau der Bronchialwand („airway remodeling“) die für Asthma bronchiale charakteristischerweise gute Reversibilität der obstruktiven Ventilationsstörung eingeschränkt bzw. sogar aufgehoben sein. In solchen Fällen ist die klinische Abgrenzung zur COPD erschwert. Im klinischen Alltag finden sich immer wieder Patienten, die Charakteristika beider Erkrankungen wie beispielsweise bronchiale Hyperreagibilität bei wenig reversibler Atemwegsobstruktion aufweisen. Das gleichzeitige Auftreten von charakteristischen Zeichen einer COPD und eines Asthma bronchiale wurde in einer kürzlich publizierten Stellungnahme der beiden internationalen Initiativen GINA und GOLD als Asthma-COPD-Overlap-Syndrom (ACOS) bezeichnet (S. „Weitere Infos“).

RADS (“reactive airways dysfunction syndrome”)

Während für die Entwicklung einer COPD und eines Asthma bronchiale prinzipiell wiederholte Expositionen erforderlich sind, kann eine obstruktive Atemwegserkrankung auch durch kurze, aber sehr hohe Expositionen ausgelöst werden. Akzidentelle hohe Einwirkungen durch chemisch-irritative Substanzen können neben einem toxischen Lungenödem zu einem so genannten RADS, d. h. einer toxischen, bleibenden Schädigung der Atemwege führen.

Diagnostik obstruktiver Atemwegserkrankungen

Aufgrund der hohen Prävalenz obstruktiver Atemwegserkrankungen ist bei respiratorischen Symptomen wie Atemnot, Husten und Auswurf (AHA) bereits eine Abklärung durch eine Spirometrie angezeigt. Die kürzlich publizierte Leitlinie „Spirometrie“ (2015) empfiehlt die Verwendung der so genannten GLI-Sollwerte anstelle der vor allem in Deutschland noch üblichen EGKS-Sollwerte. Gleichzeitig ändert sich die Bewertung des spirometrischen Kriteriums für die Diagnosestellung einer obstruktiven Ventilationsstörung. Die früher übliche fixe FEV1/VC-Ratio von Abb. 1).

Die Bodyplethysmographie liefert weitere relevante Informationen wie Atemwegswiderstand oder Vorliegen einer Überblähung und erhöht so die diagnostische Sicherheit gerade bei spirometrisch grenzwertigen Fällen.

Die Bestimmung der Diffusionskapazität kann ergänzend diese Funktionsstörung bei obstruktiven Atemwegserkrankungen, insbesondere bei Vorliegen eines Lungenemphysems besser quantifizieren. Beim Vorliegen von Diffusionsstörungen kommt es in der Regel auch zu einem Abfall des Sauerstoffpartialdrucks im Blut unter körperlicher Belastung.

Die arterielle Blutgasanalyse in Ruhe gibt Aufschluss über das Vorliegen einer manifesten respiratorischen oder ventilatorischen Insuffizienz. In Kombination mit Belastungsuntersuchungen wie Ergometrie oder besser noch Spiroergometrie können auch latente Störungen im Gasaustausch nachgewiesen und die körperliche Leistungsfähigkeit objektiviert werden.

Die Spiroergometrie gilt als Methode der Wahl zur Quantifizierung einer körperlichen Leistungsfähigkeit und zur Differenzierung zwischen einer kardialen, pulmonalen oder muskulären Limitation. Aus dem Zusammenhang von ergometrisch bestimmter Maximalleistung und Dauerbelastbarkeit können die körperliche Belastbarkeit und die zumutbare Arbeitsschwere abgeschätzt werden (Deutsche Rentenversicherung 2010a). Bei der Beurteilung der Dauerbelastbarkeit müssen zusätzlich Störungen im Säure-Basen-Haushalt beziehungsweise mangelnde Kompensationsmöglichkeiten berücksichtigt werden.

Eine Ergometrie in Kombination mit arteriellen Blutgasanalysen und Bestimmung des Säure-Basen-Haushalts vor, während und nach der Belastung kann ebenfalls wesentliche Grundlage für die Leistungsbewertung sein.

Der Sechs-Minuten-Gehtest stellt eine einfache, standardisierte Belastungsuntersuchung dar und ist zur Therapie- beziehungsweise Verlaufskontrolle insbesondere bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf geeignet.

Klinische Klassifikation obstruktiver Atemwegserkrankungen

Die nationalen Leitlinien über Asthma bronchiale und COPD sind in ihrer Gültigkeit abgelaufen und befinden sich derzeit in Überarbeitung. Es wird hinsichtlich der Klassifikation eine noch engere Anlehnung an die beiden internationalen Initiativen GINA und GOLD erwartet. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass diese beiden internationalen Empfehlungen noch immer mit dem spirometrischen Kriterium einer fixen FEV1/VC-Ratio

Die Klassifikation der Schweregradeinteilung sowohl von Asthma bronchiale als auch COPD orientiert sich nicht ausschließlich an den lungenfunktionsanalytisch messbaren Parametern. Bei beiden Krankheitsbildern fließen ganz wesentlich die klinischen Beschwerden und insbesondere die Häufigkeit von Exazerbationen in die Klassifikation des Schweregrades ein.

Die Schweregradeinteilung für die COPD orientierte sich lange Zeit fast ausschließlich an der spirometrisch messbaren Einsekundenkapazität FEV1. Die Novellierung der Schweregradeinteilung im Jahr 2011 basierte auf der Erkenntnis, dass FEV1 und klinische Symptome oft nicht übereinstimmen und für eine Risikobeurteilung neben der Lungenfunktion auch Symptomatik und Exazerbationshäufigkeit berücksichtigt werden müssen. Insbesondere die Exazerbation der COPD wurde auch wegen ihrer therapeutischen und prognostischen Relevanz als wichtiger und unabhängiger Risikofaktor identifiziert. Als Folge dieses Paradigmenwechsels wird zunehmend die Identifikation von Auslösern einer Exazerbation untersucht. Anhand von Subgruppenanalysen der sehr heterogenen COPD-Population wurden so genannte „Vielfach-Exazerbierer“ identifiziert und eine klinische Phänotypisierung mit dem Ziel einer individualisierten Therapie unternommen.

Die ursprüngliche Einteilung in vier Krankheitsstadien (I–IV) findet sich aktuell noch in der Einteilung der Lungenfunktionsstadien (1–4) wieder. In der aktuellen Einteilung werden anhand von Risikofaktoren Schweregrade bestimmt ( Abb. 2). Den Graden A und B wird ein niedriges Risiko, den Graden C und D ein hohes Risikoprofil zugeschrieben. Die Kategorisierung des Schweregrades erfolgt unter Einbeziehung der Symptomatik, der Lungenfunktion sowie der Exazerbationshäufigkeit. Die Symptomatik wird mittels standardisierter Fragebögen wie „COPD Assessment Test“ (CAT) oder dem „modifizierten Medical Research Council Dyspnea Scale“ (mMRC) erfasst. Unter Einbeziehung des erreichbaren Bestwertes für FEV1 und der Exazerbationshäufigkeit erfolgt die Kategorisierung in 4 Grade nach GOLD. Aus der Kategorisierung des Schweregrades leiten sich therapeutische Empfehlungen für das Patientenmanagement ab.

Bei Asthma bronchiale können aufgrund der ausgeprägten Variabilität der Atemwegsobstruktion und/oder Überblähung im freien Intervall oder unter suffizienter Therapie völlig normale Lungenfunktionsbefunde vorliegen, die zu einer Unterschätzung des Krankheitsbildes führen können. Hingegen kann eine Exazerbation zu einer meist nur passageren Verschlechterung führen, die bei isolierter Betrachtung der Lungenfunktionswerte den Krankheitsschweregrad überschätzen würden.

Die Bedeutung der Lungenfunktionsprüfung besteht daher nach der Diagnosesicherung nicht in der Kategorisierung des Schweregrades, sondern primär in der Beschreibung eines Risikofaktors für einen unkontrollierten Erkrankungsverlauf. Die Einteilung des Asthma bronchiale erfolgt zunächst in den Grad der unter Therapie erreichten Asthmakontrolle ( Tabelle 1). Der Grad der aktuellen Asthmakontrolle hat therapeutische Auswirkungen innerhalb eines fünfstufigen Schemas ( Abb. 3). Die eigentliche Schweregradeinteilung in mildes, moderates oder schweres Asthma erfolgt im Verlauf der Behandlung im Kontext des erreichbaren Asthmakontrollgrades und der dafür notwendigen Therapie. Hier muss zwischen schwerem und unkontrolliertem Asthma bronchiale differenziert werden. Auch bei guter Symptomkontrolle und normaler Lungenfunktion kann dennoch ein schweres Asthma bronchiale vorliegen, wenn für die Erhaltung dauerhaft eine hohe Behandlungsintensität (Stufe 4 oder 5) erforderlich ist. Andererseits kann sich auch ein leichtes Asthma bronchiale bei fehlender Therapieadhärenz als unkontrolliert präsentieren und mit entsprechenden Funktionseinschränkungen einhergehen.

Während die Schweregradeinteilung bei beiden Erkrankungen eine tragende Rolle für die Therapiesteuerung hat, gibt es dagegen keine Korrelation zwischen Schweregrad der Erkrankung und Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz. Die Graduierung allein ist nicht mit der Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Arbeitsleben gleichzusetzen. Die nationalen wie internationalen pneumologischen Leitlinien zielen primär auf die Therapiesteuerung mit dem Ziel einer Reduktion von Exazerbationen, Verbesserung der Lebensqualität und der Mortalität ab. Ein spezieller Bezug zur Arbeitswelt wird aber nur im Rahmen einer beruflichen Exposition erwähnt.

Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Leistungsvermögen bei obstruktiven Atemwegserkrankungen

Der Begriff der Leistungsfähigkeit im Sinne einer maximalen oder dauerhaften kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit muss vom Begriff des Leistungsvermögens im Sinne einer durchgeführten Arbeit abgegrenzt werden. Die kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit wird durch das Vorliegen einer manifesten obstruktiven Atemwegserkrankung beeinflusst. Beim Gesunden tritt eine pulmonale Limitation der körperlichen Leistungsfähigkeit praktisch nie auf. Spiroergometrisch lässt sich die maximale körperliche Leistungsfähigkeit gut objektivieren. Daneben kann die für viele Tätigkeiten relevante Dauerleistungsfähigkeit auf submaximalem Belastungsniveau ebenfalls ermittelt werden. Unabhängig von dieser messbaren körperlichen Leistungsfähigkeit kann das Leistungsvermögen bei Verrichtung bestimmter Tätigkeiten eingeschränkt sein.

Die qualitative und quantitative Belastbarkeit für eine bestimmte Arbeitsschwere leitet sich aus der Gesamtbeurteilung der Leistungsfähigkeit ab (Deutsche Rentenversicherung 2010a). Die Beurteilung des Leistungsvermögens am Arbeitsplatz orientiert sich dagegen nicht nur an der Schwere der objektivierten Funktionseinschränkung, sondern berücksichtigt auch den Schweregrad der Erkrankung und den individuellen Krankheitsverlauf.

Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit infolge obstruktiver Atemwegserkrankungen können sich neben einer verminderten körperlichen Dauer- oder Maximalbelastbarkeit aber auch durch arbeitsbedingte Expositionen, krankheitsbedingte Symptome oder Einschränkungen im Bereich der komplexen Aufgabenbewältigung am Arbeitsplatz ergeben. Diese Einschränkungen sind nicht durch Funktionswerte objektivierbar und nur durch die (arbeits-)medizinische Anamnese zu erheben.

Für die Gesamtbeurteilung des Leistungsvermögens bei obstruktiven Atemwegserkrankungen sind neben der Ausprägung kardiopulmonaler Funktionsstörungen die Prävention durch Expositionsvermeidung sowie die therapeutische Beeinflussbarkeit wesentlich. Ein einzelner Funktionswert ist insbesondere angesichts der stark variablen Atemwegsobstruktion bei Asthma bronchiale nicht ausreichend. Die Variabilität der Erkrankung ist Teil der Krankheitsdefinition und ist auch arbeitsmedizinisch relevant. Geeignete Methoden zur Erfassung der Variabilität der Erkrankung sind neben der detaillierten Anamnese beispielsweise serielle Lungenfunktionsmessungen. Ein unkontrolliertes oder schlecht therapierbares Asthma bronchiale lässt Tätigkeiten mit höheren körperlichen Belastungen nicht zu. Einem Patienten mit gut kontrolliertem Asthma sind dagegen auch körperlich belastende Tätigkeiten möglich. Bei der COPD ist die Variabilität dagegen weitaus geringer, dennoch ist zu berücksichtigen, dass es im Rahmen von Exazerbationen zu Verschlimmerungen kommt. Eine schlüssige Leistungsbeurteilung setzt daher neben der Prüfung der einzelnen Funktionsbefunde auf ihre Plausibilität auch die Beurteilung in der Gesamtschau der Exposition und Arbeitsschwere sowie der Symptome voraus.

Besonderheiten bei obstruktiven Atemwegserkrankungen am Arbeitsplatz

Die Belastbarkeit im beruflichen Bereich ergibt sich durch die individuellen Auswirkungen der obstruktiven Atemwegserkrankung (z. B. Hyperreagibilität) und die jeweilige Situation am Arbeitsplatz der Betroffenen. Die chronische oder rezidivierende Exposition gegenüber inhalativen Schadstoffen kann zu einer Zunahme von Exazerbationen der obstruktiven Atemwegserkrankung und in der Folge zu häufigeren Arbeitsfehlzeiten und eingeschränkter Leistungsfähigkeit führen.

Während die Exposition durch die Arbeitsplatzumgebung abgeschätzt werden kann, ist die Auswirkung intraindividuell zu betrachten und nicht zu verallgemeinern.

Expositionen am Arbeitsplatz gegenüber allergisierenden oder chemisch-irritativen Stoffen sind bei Erkrankten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen zu berücksichtigen. Neben chronischen Einwirkungen können auch akute, akzidentelle Einwirkungen beispielsweise bei Betriebsstörungen relevant werden. Sofern eine Exposition berufsbedingt auch durch das Mitführen von Atemschutz nicht vermeidbar ist, sind Erkrankte mit obstruktiven Atemwegserkrankungen für derartige Tätigkeiten nicht geeignet. Problematisch und im täglichen Arbeitsleben viel häufiger kann aber auch eine chronische „Low-level“-Exposition gegenüber atemwegsreizenden Stoffen sein. Als besondere Gefährdungs- oder Belastungsfaktoren sind neben Allergenen atemwegsreizende Stoffe wie Stäube, Rauche, Dämpfe, Gase, aber auch Kälte, starke Temperaturschwankungen, Nässe und erhöhte Infektionsgefahr z. B. durch Publikumsverkehr oder Reisetätigkeit zu beachten.

Bei Vorliegen einer berufsbedingten Exposition ist zu prüfen, ob den Belastungen am Arbeitsplatz nicht durch Schutzmaßnahmen entgegengewirkt werden kann. Das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung wie Atemschutz kann bei Erkrankten mit obstruktiver Atemwegserkrankung bei erhöhtem Atemwiderstand allerdings zu einer erhöhten Atemarbeit und Intoleranz der Schutzmaßnahme führen. Eine weitere Einschränkung ergibt sich beim Arbeiten bei normo- und hypobarer Hypoxie (beispielsweise bei Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre oder beim Fliegen). Eine weitere Einschränkung ergibt sich aufgrund des insbesondere bei Lungenemphysem erhöhten Risikos für einen Pneumothorax beim (Geräte-)Tauchen.

Die tätigkeitsbezogene individuelle Belastbarkeit ergibt sich durch die Schwere der objektivierten Lungenfunktionseinschränkungen, dem individuellen Krankheitsverlauf sowie der beruflichen Situation.

Im Einzelfall ist zu prüfen, ob durch medizinische Rehabilitation unter anderem mit Raucherentwöhnung, Optimierung der medikamentösen Behandlung, der Vermittlung von Krankheitsbewältigungsstrategien und mit körperlichem Training eine Wiederherstellung oder Verbesserung der Leistungsfähigkeit erreicht werden kann (Deutsche Rentenversicherung 2010b).

Besteht der Verdacht einer berufsbedingten Verursachung oder Verschlimmerung, muss der ärztliche Verdacht auf eine Berufskrankheit angezeigt werden. Droht die konkrete Gefahr des Entstehens einer Berufskrankheit, sind die Unfallversicherungsträger nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) verpflichtet, dieser Gefahr mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Ist die Gefahr nicht zu beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Bei der Wiedereingliederung entsprechender Patienten sollten Beschäftigungen gewählt werden, die ohne Belastungen durch chemisch-irritative Substanzen einhergehen.

Zusammenfassung

Die berufliche Leistungsfähigkeit von Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen kann nicht allein über das lungenfunktionsanalytisch quantifizierbare Ausmaß der obstruktiven Ventilationsstörungen oder die (spiro)ergometrisch ermittelbare körperliche Leistungsfähigkeit beurteilt werden. Die funktionsanalytischen Messwerte und die klinische Schweregradeinteilung sind nicht mit einer abgestuften Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben gleichzusetzen.

Entscheidend für die Beurteilung im Kontext des beruflichen Umfeldes sind auch das Ausmaß der Symptomatik, berufliche Risikokonstellationen wie Expositionen sowie Folge- und Begleiterkrankungen. Daher stellt die Beurteilung obstruktiver Atemwegserkrankungen in der Arbeitswelt eine interdisziplinäre Herausforderung dar.

Literatur

Crièe C-P , Baur X, Berdel D et al.: S2k-Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin zur Spirometrie. 2015.

Deutsche Rentenversicherung: Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung: Leistungsfähigkeit bei chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit und Asthma bronchiale. Deutsche Rentenversicherung, 2010a.

Deutsche Rentenversicherung: Leitlinie zur Rehabilitationsbedürftigkeit bei Krankheiten der Atmungsorgane. Deutsche Rentenversicherung, 2010b.

Mannino DM, Buist AS, Vollmer WM: Chronic obstructive pulmonary disease in the older adult: what defines abnormal lung function? Thorax 2007; 62: 237–241

Weißbuch Lunge 2014: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., Deutsche Lungenstiftung e.V. Hrsg.: A. Gillisen u. T. Welte.

    Weitere Infos

    Global strategy for the diagnosis, management and prevention of chronic obstructive pulmonary disease, updated 2016

    www.copdgold.org

    Global strategy for asthma management and prevention, updated 2016

    www.ginasthma.org

    Diagnosis of Diseases of Chronic Airflow Limitation: Asthma, COPD and Asthma-COPD Overlap-Syndrom (ACOS), Updated 2015

    www.msc.es/organizacion/sns/planCalidadSNS/pdf/GOLD_ACOS_2015.pdf

    Für die Autoren

    Dr. med. Jörg W. Walther

    Kompetenz-Zentrum Medizin

    Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

    Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA)

    Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

    44789 Bochum

    walther@ipa-dguv.de

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