Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Wieviel Arzt braucht der Betrieb? – Arbeitsmedizin 4.0

Arbeit darf nicht krank machen.

Arbeit soll Gesundheit erhalten.

Gute Arbeit kann gesund machen!

Der Arzt

Der Arzt ist am Puls des Patienten: Fühlt er ihn durus et altus oder gar arrhythmisch? Er spürt den Tonus der Muskulatur, den Turgor der Haut und schließt daraus auf den Spannungszustand und die Elastizität des ganzen Körpers. Er sieht die Farbe der Haut rosig oder livide? Er hört die Stimme des Menschen fest oder dysphon, gar hohl und leer. Mit allen seinen Sinnen nimmt der Arzt Symptome und Befunde auf und formt daraus mit seinem Wissen und seiner Erfahrung eine Diagnose und schließlich einen Therapieplan. Wie funktionieren die einzelnen Organe als System im Körper, und wie geht es dem Patienten ganzheitlich?

Der Betriebsarzt hat seine Hand nicht nur am Puls der Beschäftigten, sondern auch am Puls des Betriebs als dem übergeordneten System. Wie funktionieren die einzelnen Teile und wie fügen sie sich zu einem Gesamtunternehmen? Wo läuft es rund und wo knirschte es?

Der Betrieb

Unsere Betriebe haben drei große Herausforderungen der Arbeitswelt zu meistern:

  • Demografischer Wandel
  • Digitalisierung
  • Globalisierung

Der Begriff „Industrie 4.0“ wurde im Rahmen der Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung erstmals auf der Hannover Messe 2011 geprägt. Welche Stellung soll der Betriebsarzt in diesem Zukunftsszenarium einnehmen – wie viel Arzt braucht es? Ein Rollenwandel vollzieht sich: Weg vom Untersuchungsmediziner nach G-Grundsätzen hin zum Berater der Beschäftigten und des Unternehmens.

Der Wandel

Wenn Prävention zur vierten Säule des Gesundheitswesens werden soll, müssen betriebliche Prävention und Gesundheitsförderung überdacht und weiterentwickelt werden, so Prof. Stephan Letzel und Kollegen in ihrem Beitrag. Unsere Wissenschaftliche Gesellschaft DGAUM formuliert dazu 14 Thesen zum Stand und Entwicklungsbedarf. Primäre Prävention und die Verhältnisprävention behalten dabei ihre Priorität. Der Begriff der „Quartären Prävention“ als Verhinderung von unnötigen und unnützen medizinischen/präventiven Maßnahmen wird neu entwickelt. „Industrie 4.0“ und „Arbeit 4.0“ verlangen eine effiziente und qualitätsgesicherte „Arbeitsmedizin 4.0“.

Dr. med. Udo Wolter, Präsident der Landesärztekammer Brandenburg und seit 17 Jahren Vorsitzender der Arbeitsmedizin-Gremien der Bundesärztekammer, und Dr. med. Annegret Schoeller von der Bundesärztekammer beschreiben die Herausforderung, gute und faire Arbeitsbedingungen in den Betrieben zu erhalten und zugleich die Beschäftigten auf die neuen komplexen Anforderungen in der digitalen Arbeitswelt vorzubereiten und dabei zu begleiten. Dabei hat der Betriebsarzt im betrieblichen Gesundheitsmanagement eine Reihe von wichtigen Funktionen zu übernehmen.

Hans Peter Viethen, Leiter der Abteilung „Arbeitsrecht und Arbeitsschutz“ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beschreibt den Dialogprozess „Arbeit 4.0“. Wie soll die zukünftige Arbeitsgesellschaft auf Basis des Leitbildes „Guter Arbeit“ gestaltet werden? Diese Frage diskutiert das BMAS mit Vertretern des Arbeits- und Gesundheitswesens und anderen Akteuren. Betriebsärzte müssen Impulsgeber für eine ganzheitliche Prävention sein, die gesundheitliche Belastungen und Beanspruchungen identifizieren und bewerten sowie die Verhältnisprävention mit der Verhaltensprävention und der arbeitsmedizinischen Vorsorge verzahnen kann.

Petra Müller-Knöß (Vorstand der IG-Metall, Ressort Arbeitsgestaltung und Gesundheitsschutz) thematisiert die Rollenerwartung der Mitbestimmung an Betriebsärzte in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung und demografischen Wandel. Arbeitsmedizinische Kompetenz bei der Ausgestaltung der Arbeitsplätze werde zu wenig abgefragt oder auch zu wenig angeboten. Betriebsärzte lassen sich häufig darauf reduzieren, die einzelnen Beschäftigten nur zu untersuchen. Reine Untersuchungsmedizin birgt jedoch die Gefahr, die Arbeitsplätze aus dem Blick zu verlieren.

Zukünftige Handlungsfelder und das Rollenverständnis der Betriebsärzte aus der Praxis beleuchten schließlich Dr. med. Christine Kallenberg (VDBW, Landesverband Württemberg) und Dr. med. Michael Schneider (Boehringer Ingelheim). Gesundheitsangebote, die zielorientiert auf die Belange der Mitarbeiter ausgerichtet sind, tragen künftig zum wirtschaftlichen Erfolg der Industrieunternehmen bei. Sowohl die Notwendigkeit einer Vermeidung von Gesundheitsschäden aufgrund der klassischen Risikofaktoren als auch die Reaktion auf zunehmenden psychischen Stressoren, verbunden mit organisatorischen Veränderungen in der Arbeitswelt, machen eine Unterstützung durch den „Gesundheitsberater und -manager“ Betriebsarzt erforderlich. Digitalisierung wird nur mit den Beschäftigten gelingen, nicht gegen sie. Die Gestaltung der Arbeit der Zukunft wird sich an der Schnittstelle Mensch, Organisation und Technik abspielen. Arbeitsmediziner helfen Menschen und Organisationen beim Wandel, sie unterstützen mit den Instrumenten BGM, BGF, BEM und mehr. Ärzte haben einen spezifischen Zugang zu Menschen, der im Betrieb ein Alleinstellungsmerkmal bedeutet.

Der Arzt im Betrieb

Und da ist er wieder: Der Arzt mit seiner Hand am Puls des Beschäftigten und am Organsystem Betrieb. Wir müssen uns auf unsere berufstypischen Eigenschaften und Qualitäten besinnen, um dem Wandel der Arbeitswelt und der Arbeitsmedizin gerecht werden zu können.

Arbeit darf nicht krank machen. Das war der Slogan der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit seinen Kesselexplosionen als neuen furchteinflößenden Risiken am Arbeitsplatz. Das war die Geburtsstunde des deutschen Arbeitsschutzes und des Dampfkessel-Revisions-Vereins (erster Verein gegründet in Mannheim, 6. Januar 1866), dem Vorgänger des Technischen Überwachungsvereins (TÜV).

Arbeit soll Gesundheit erhalten. Vielleicht eine Idee, geboren im letzten Jahrhundert mit zahlreichen Gesundheitsangeboten am Arbeitsplatz und vielen verhaltenspräventiven Maßnahmen.

Gute Arbeit kann gesund machen! Diese Vorstellung muss sich in unseren Betriebe durchsetzen mit Blick auf zunehmend alternde Belegschaften und auch die Integration von Beschäftigten mit Flucht- und Migrationserfahrungen des 21. Jahrhunderts. „Vereinbarkeit von Krankheit und Beruf“ wird nach der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und „Pflege und Beruf“ ein Thema in den Betrieben werden müssen.

Um diese alten und neuen Herausforderungen meistern zu können, bedarf es ärztlicher Expertise – Wissen und Erfahrung auch und gerade im Betrieb.

Wie viel Arzt braucht der Betrieb? – Die vorliegende ASU gibt zahlreiche Anregungen und Antworten.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Ihre

Dr. med. Ulrike Hein-Rusinek

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen