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Die DGAUM informiert

Die Neuauflage der “DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen“ in der Diskussion

Seit Mitte Dezember 2014 ist die Neuauflage (6. Auflage) der „DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen“ im Buchhandel erhältlich und sorgt zunehmend für Gesprächsstoff. Bereits im Jahr 2013 hatte die DGAUM sich u. a. auch mit dem VDBW dafür eingesetzt, dass diese Neuauflage entsprechend des aktuellen medizinischen und evidenzbasierten Wissensstands nicht nur einfach aktualisiert, sondern grundsätzlich überarbeitet werden möge. DGAUM und VDBW hatten in Gesprächen mit der DGUV zudem darauf hingewiesen, dass die „Grundsätze“ als Praxisempfehlungen hinsichtlich der arbeitsmedizinischen Vorsorge zwingend am geltenden Arbeitsschutzgesetz und der novellierten ArbMedVV orientiert sein müssten. Da die „DGUV Grundsätze“ ohnehin nur empfehlenden Charakter und keinen Weisungscharakter wie Gesetze oder Verordnungen haben können, stand bereits 2013 die sicherlich berechtigte Frage im Raum, ob man den Namen des Buches nicht abändern müsse, entweder in „DGUV Empfehlungen für die arbeitsmedizinische Vorsorge“ oder „DGUV Informationen für die arbeitsmedizinische Vorsorge“.

Im Rahmen eines Gesprächs, das die DGAUM Mitte Januar mit den beiden neuen Vorstandsvorsitzenden der DGUV, Dr. Rainhardt v. Leoprechting und Manfred Wirsch, sowie dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer, Dr. Walter Eichendorf, führte, haben wir diese Themen nochmals angesprochen und angekündigt, dass in der Zeitschrift ASU unabhängig voneinander sowohl von der DGAUM als auch vom AfAMed kritische Stellungnahmen zu der 6. Auflage der „Grundsätze“ publiziert werden. Da wir allem voran an einer sachlichen und inhaltsbezogenen Fachdiskussion interessiert sind, haben wir auch andere Verbände und Organisationen eingeladen, ebenfalls eine Stellungnahme zu dieser DGUV-Publikation abzugeben.

Wie auch schon in der letzten Ausgabe der ASU stellen wir der Öffentlichkeit diese Stellungnahmen hier zur weiteren Diskussion vor.

Dr. phil. Thomas Nesseler

Hauptgeschäftsführer DGAUM

Stellungnahme des BsAfB zur Neuauflage DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Unter-suchungen

Mit großem Interesse blickte der BsAfB der nunmehr sechsten Auflage der bekannten DGUV Grundsätze entgegen, waren doch bereits die vergangenen Auflagen für viele Kollegen stets eine beliebte Arbeitshilfe. In Anbetracht einer reformierten ArbMedVV mit klarem Schwerpunkt auf der arbeitsmedizinischen Beratung, der Existenz der neuen arbeitsmedizinischen Regeln sowie verschiedener juristischer Interpretationen zum Thema „Eignungsuntersuchungen“ wurde die Positionierung der bekannten DGUV-Grundsätze im neuen rechtlichen Umfeld vom BsAfB mit viel Spannung erwartet.

Formal ist das Buch nicht zu beanstanden, wird im Vorwort doch darauf hingewiesen, dass es sich bei den Inhalten lediglich um unverbindliche Empfehlungen handelt. Auch Hinweise, dass staatlichen Vorschriften und Regeln hinsichtlich empfohlener Untersuchungsintervalle Vorrang einzuräumen ist, vermisst man in dem Werk nicht. Dass es sich – wie im Vorwort behauptet – bei den jeweiligen Grundsätzen allerdings um den Stand der Arbeitsmedizin handelt, muss an der einen oder anderen Stelle bezweifelt werden. Auch die Idee des Buches, dass jeder Grundsatz gleichermaßen sowohl für Vorsorge- als auch für Eignungs-untersuchungen geeignet sein soll, ist in Anbetracht einer vollkommen verschiedenen Fragestellung nicht immer nachvollziehbar.

Man sollte das Buch als solches begreifen, was es für viele auch ist, nämlich eine unverbindliche „Handlungshilfe“. Genau so hätte man das Buch auch bezeichnen sollen. Mit der Beibehaltung des Begriffes „Grundsätze“ wird dem Leser eine Verbindlichkeit der Anwendung suggeriert, die tatsächlich aber nicht besteht. Auch trägt die Beibehaltung der alten „G“-Nomenklatur nicht dazu bei, die Bemühungen der Betriebsärzte, in den Betrieben die neuen Begrifflichkeiten der ArbMedVV zu etablieren, zu unterstützen.

Für die Zukunft würde sich der BsAfB eine Weiterentwicklung der DGUV Grundsätze hin zu Evidenz basierten „Handlungs-empfehlungen“ unter Beteiligung aller Be-rufsverbände und Fachgesellschaften wünschen. Hierbei sollte man allerdings nicht der Versuchung unterliegen, sämtliches ärztliches Handeln durch Anleitungen regle-mentieren zu wollen. Dies wäre auch der Attraktivitätssteigerung unseres Fachgebietes gerade in Hinblick auf die zukünftige Nachwuchsgewinnung nicht dienlich.

Wir freuen wir uns daher über die beim 11. Betriebsärztetag in Dresden von Herrn Dr. Eichendorf (DGUV) ausgesprochene Bekundung, den BsAfB bei der zukünftigen Weiterentwicklung der bisherigen DGUV Grundsätze beteiligen zu wollen.

Dr. med. Ingo Ochlast

Sebastian Hansen

für den Vorstand des Bundesverbandes selbstständiger Arbeitsmediziner und freiberuflicher Betriebsärzte (BsAfB)

Risiken und Nebenwirkungen der G-Sätze – wen fragt der Betriebsarzt?

Mit der Neuauflage der G-Sätze hat der Spitzenverband der Deutschen Gesetzli-chen Unfallversicherung (DGUV) ein umfangreiches Werk vorgelegt, das Betriebsärzte zu Rate ziehen können, wenn sie ar-beitsmedizinische Untersuchungen durchführen. Rechtsverbindlichkeit besitzen diese Praxisempfehlungen nicht, weder für die Veranlassung noch für die Durchführung von arbeitsmedizinischen Untersuchungen. Aber gerade hierüber bestehen große Unsicherheiten, hätte eine Praxisempfehlung wichtige Klärungen vornehmen können. Umso ärgerlicher, wenn bereits die Einführung mit ihrer besonderen Interpretation der Rechtslage den Leser/die Leserin an vielen Stellen eher im Unklaren lässt.

Ein Beispiel mag dies deutlich machen: Einerseits betont die DGUV, dass die G-Sätze sich am ASiG und am SGBVII orien-tieren und keinen unmittelbaren Bezug zur ArbMedVV haben. Andererseits werden umfangreiche Erläuterungen rund um die Verordnung vorgenommen, da ja schließlich „der überwiegende Teil arbeitsmedizinischer Untersuchungen auf der Grundlage dieser Verordnung erfolgt“ (S. 17). Hier sind Missverständnisse und Nebenwirkungen vorprogrammiert.

Seit der Verabschiedung der ArbMedVV und noch stärker seit ihrer Novellierung im Jahr 2013 wird ein deutlicher konzeptioneller Widerspruch zwischen der Welt der Verordnung und der Welt der G-Sätze offensichtlich. Hier passen verschiedene Dinge sehr grundlegend nicht zusammen.

Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge entspricht einer Konzeption, nach der das Aufgabenfeld der Betriebsärzte über die körperlich-klinischen Untersuchungen der Beschäftigten hinausgeht. Im Mittelpunkt des betriebsärztlichen Handels sollen die menschengerechte Arbeitsgestaltung und die Beratung stehen. Das deutet schon darauf hin, dass Betriebsärzte vor allem „vor Ort“, in den Betrieb gehen müssen. Die konkrete Arbeitssituation der Beschäf-tigten und nicht so sehr ihre Laborwerte sollen den Hauptteil der Arbeit von Betriebsärzten ausmachen. Damit ist die ArbMedVV keinesfalls ein Paradigmenwechsel hin zu einer stärkeren Betonung der Vorsorge und Beratung – wie dies die Autoren der G-Sätze formulieren, sondern ein Baustein zur Ausgestaltung der vielfältigen Aufgaben der Arbeitsmedizin im Betrieb, wie sie bereits im ASiG angelegt sind.

Und auch die Betonung der Grundrechte der Beschäftigten auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung ist keine Erfindung der ArbMedVV. Aber in vielen Betrieben erfordert deren Berücksichtigung ein grundlegendes Umdenken, wurde doch allzu oft nach dem Motto verfahren: „Viel untersuchen hilft viel!“. Sicher geschah das oft in der guten Absicht die Beschäftigten zu schützen. Die Folge war aber, dass sehr viele Beschäftigte Pflichtuntersuchungen unterworfen wurden, ohne dass ihre Tätigkeit dies wirklich erforderlich machte. Gleichzeitig wurden aber die Arbeitsplätze nur selten verändert.

Das wird zu einem Risiko für einen guten Arbeitsschutz insbesondere dann, wenn die sog. Eignungsuntersuchungen besonders propagiert werden und darüber vermeintliche Sicherheit suggeriert wird. Bereits seit dem ASiG ist bekannt, dass Untersuchungen lediglich ein Baustein sind und es ganz wesentlich auf eine gute Arbeitsgestaltung unter Einbeziehung arbeitsmedizinischen Sachverstandes ankommt, wenn die Gesundheit der Beschäftigten erhalten und geschützt werden soll. In eine solche Konzeption passen Eignungsuntersuchungen nicht.

Selbstverständlich gehören Untersu-chungen zu den ärztlichen Aufgaben. In der betrieblichen Praxis hat sich aber eine Untersuchungsmedizin breit gemacht, die mit der letzten Ausgabe der G-Sätze einfach fortgesetzt werden soll. Aus gewerkschaftlicher Sicht wird dies kritisch gesehen. Gerade weil die Anforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz durch den demografischen Wandel und vielfältige Veränderungen in der Arbeit steigen, bedarf es einer guten Arbeitsgestaltung und Prävention und nicht einer Arbeitsmedizin der Eignungsfeststellungen und Selektion der „Ungeeigneten“. Die Bewältigung dieser Herausforderungen ist mit der Neuauflage der G-Sätze leider nicht gelungen. Die Nebenwirkungen der G-Sätze übersteigen ihren Nutzen. Sie bedürfen einer tiefgreifenden Veränderung.

Und noch ein Letztes: Gemäß DGUV Grundsatz 401, der sich mit den Aufgaben und Strukturen der DGUV auseinandersetzt, hätten auch die G-Sätze von der durch die Sozialpartner der DGUV getragenen Selbstverwaltung beschlossen werden müssen. Doch im Gegensatz zu den übrigen Fachbereichen der DGUV ist ihr Arbeitsmedi-zinausschuss bislang nur durch die Verwaltung, nicht aber durch die Sozialpartner be-setzt.

Die Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen wurden bisher der Selbstverwaltung nicht zur Beschlussfassung vorgelegt. Eine Zustimmung ist somit nicht er-folgt.

Petra Müller-Knöss

IG Metall Vorstand

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