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Betriebliche Gesundheitsförderung

Führung und Gesundheit

Monika Stichert

Im Jahr 2011 erschien der Fehlzeitenreport von Prof. Badura unter der Überschrift „Führung und Gesundheit“. Auch im Fehlzeitenreport 2012 („Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt“) spielen Führung und Gesundheit eine wichtige Rolle.

Führungskräfte haben eine Doppelrolle inne. Sie müssen sowohl die Verantwortung für die Leistungen und die Gesundheit der Mitarbeiter als auch für sich selbst übernehmen. Dabei sind sie sich ihrer Bedeutung für die Mitarbeitergesundheit oft nicht bewusst. Sie haben sogar oft Angst vor der Verantwortung für die Mitarbeitergesundheit und sehen die Frage nach Krankheit bzw. Gesundheit als eine Ja-Nein-Entscheidung an. Dabei wird meist übersehen, dass ein Mitarbeiter, der aufgrund eines schlechten Führungsverhaltens erkrankt, häufig eine lange Zeit in einem Zustand zwischen „sich nicht wohlfühlen“ und einer manifesten Erkrankung zur Arbeit geht. Vorrangiges Ziel muss es also sein, als Führungskraft zu lernen, Verhaltensauffälligkeiten, die Beschäftigte zeigen, anzusprechen.

Für die „gesunde“ Führung stehen den Führungskräften verschiedene Ebenen zur Verfügung:

  • Gesundheitsförderung allgemein
  • Primärprävention durch spezifische Gesundheitsförderung und Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen
  • Sekundärprävention durch die Früherkennung psychischer Fehlbelastung und Erkrankung
  • Tertiärprävention durch das kompetente Management chronisch kranker und leistungsgewandelter Mitarbeiter.

Die Führungskräfte müssen also zu einer „gesunden“ Führung motiviert und angehalten werden. Erst wenn dies in den Unternehmenszielen gleichberechtigt neben Kennzahlen wie z. B. dem Umsatz niedergelegt wird, erhält dieser Aspekt genug Raum.

Führungskräfte treten in ihrer Funktion in den verschiedensten Rollen auf, und zwar als

  • Vorbild
  • Multiplikator
  • Mitarbeiter und Privatmensch
  • Gestalter von Rahmenbedingungen
  • Gestalter zwischenmenschlicher Beziehungen
  • Verursacher von Krankheit und
  • Werteträger (Projekt MiaA, Vortrag Dortmund 15. 09. 2009).
Führungskräfte müssen lernen, die Verhaltensauffälligkeiten von Beschäftigten anzusprechen

Führungskräfte, die in Form von beobachtbarem Verhalten ein Vorbild für eine gelungene Trennung von Arbeit und Privatleben darstellen, haben wiederum einen positiven Einfluss auf die Trennung der Lebensbereiche ihrer Mitarbeiter (Bandura 1979). Eine Führungskraft, die in dieser Hinsicht Vorbild ist, sorgt bei ihren Beschäftigten für geringere Erschöpfung, weniger Kündigungsabsicht und somit für höhere Zufriedenheit mit der eigenen Work-Life-Balance (Rexroth et al., in Fehlzeitenreport 2012).

Zu den beruflichen Prädiktoren für psychische Störungen gehören laut einem Review von Michie u. Williams (2003) folgende Punkte:

  • Arbeitsüberlastung und Arbeitsdruck
  • Widersprüchliche Anforderungen
  • Mangelnde Kontrolle über die Arbeit
  • Mangel an Partizipation an Entscheidungen
  • Geringe soziale Unterstützung bei der Arbeit
  • Unklare Führung und Definition der eigenen Rolle
  • Zwischenmenschliche Konflikte
  • Konflikte zwischen Arbeit und Familie

Erklärt wird die Bedeutung von Führung in drei wichtigen Modellen:

  • Anforderungs-Kontroll-Modell nach Karasek (ist dabei die Grundlage für die Erklärung): Hiernach kann eine ressourcenorientierte Arbeitsgestaltung aufgebaut werden. Ist die Arbeitsanforderung hoch und der Entscheidungsspielraum gering, dann ist diese Tätigkeit stark belastend. Solche Arbeitsplätze sollten heute eigentlich nicht mehr vorgefunden werden.
  • Das Konzept der Gratifikationskrisen von Siegrist: Im diesem Konzept wird das Missverhältnis zwischen der geforderten beruflichen Leistung, der dadurch entstehenden Verausgabung und der dafür zu erhaltenden Belohnung beschrieben. Bei der Belohnung handelt es sich nicht nur um die Höhe der Gehaltszahlung, sondern auch um gezeigte Wertschätzung, berufliche Aufstiegsmöglichkeiten und/oder wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit.
  • Das Konzept der wahrgenommenen Gerechtigkeit: Bei diesem Konzept geht es nicht darum, wie gerecht der Vorgesetzte agiert, sondern wie dies von den Beschäftigten wahrgenommen wird. Entscheidend ist, wie es bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ankommt.

Interessant sind die Beispiele, die Prof. Nowak in seinem Vortrag ansprach. Zum einen gibt es eine Metaanalyse (Ariens et al., Am J Ind Med., 2001) über psychosoziale Risikofaktoren für Nackenschmerzen. Es fanden sich dabei Hinweise auf folgende Beziehungen:

  • Quantitativ hohe Arbeitsbelastung
  • Geringe soziale Unterstützung durch Kollegen
  • Geringe Kontrolle über die Arbeit
  • Geringe Zufriedenheit mit der Arbeit

Zum anderen zeigte sich in einer holländischen Studie (Ijzelenberg u. Burdorf, Spine 2005; 30: 1550–1556) der klare Zusammenhang, dass das Rückenschmerzrisiko bei fehlendem Rückhalt durch den Vorgesetzten verdoppelt wird.

In der Whitehall-II-Studie steigerte sich das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, um 35 %, wenn die Beschäftigten sich ungerecht behandelt fühlten. In einer finnischen Studie mit Krankenhausangestellten erhöhte sich das Risiko sogar um 55–75 %.

Laut der empirischen Untersuchung von Zok u. Dammasch (Fehlzeitenreport 2012) folgen den Rücken- und Gelenkbeschwerden die psychosomatischen Beschwerden. Die Befragten nannten „Erschöpfung“ in 20,8 %, „nicht abschalten können in der Freizeit“ in 20,1 %, „Lustlosigkeit, ausgebrannt sein“ in 16,1 %, „Schlafstörungen“ in 15,3 % und „Wut und Verärgerung“ in 15,1 %. Arbeitsbedingte körperliche Beschwerden spielen dagegen eine vergleichsweise geringe Rolle. Mit steigender Anzahl an Überstunden steigt auch die Prävalenz psychischer Beschwerden und Arbeitsbelastungen. Damit wären wir wieder bei den Rahmenbedingungen, die durch die Vorgesetzten geschaffen werden.

Es gehört zum Allgemeinwissen der Betrieblichen Gesundheitsförderung, dass Arbeitsunfähigkeitsraten in Abhängigkeit zur Qualität der Führungskräfte, zur Unternehmenskultur und zur Motivation der Mitarbeiter stehen. Gute oder schlechte Führungskräfte nehmen „ihren“ Krankenstand zum Teil mit, wenn sie in andere, ähnlich strukturierte Bereiche wechseln (Gravert C, Führung wahrnehmen, Fehlzeitenreport 2011).

Nach J. Hofmanns „Zukunftsmodelle der Arbeit“ (in Fehlzeitenreport 2012) steht dem Satz von den „Mitarbeitern als wesentliche Ressource“ in der Wirklichkeit so gut wie nie ein unternehmerisches Zielsystem gegenüber, das systematisch von der Spitze bis hinunter zum einzelnen Mitarbeiter nachvollziehbare, operationalisierte und adäquat kaskadierte Entwicklungs- und Lernziele vorgibt.

Laut dem Geschäftsführer des Instituts für gesundheitliche Prävention IFGP, Marc Lenze in Münster, sind psychische Belastungen in Verbindung mit Stress heute ein häufiger Grund für berufsbedingte Krankheiten und Erwerbsunfähigkeiten. Führung ist dabei der entscheidende Hebel, um die Arbeitsfähigkeit zu erhöhen. Laut Lenze gehört zum Führen auch, ältere Mitarbeiter adäquat motivieren zu können.

Mittels einer Arbeitssituationsanalyse können sich die Mitarbeiter selbst in altersübergreifenden Workshops zu ihren Belastungen und zu der Frage äußern, was sich an den Arbeitsbedingungen verbessern müsste, damit sie bis zur Rente arbeiten können. Des Weiteren sollte Führungskräften auch wieder mehr Zeit für die Wahrnehmung von Führungsaufgaben und für Präsenz vor Ort zur Verfügung gestellt werden (Krause et al., Fehlzeitenreport 2012).

Aus all dem sollte der Schluss gezogen werden, dass der „Umgang mit kranken Mitarbeitern“ zum Pflichtwissen von Führungskräften zu zählen hat. Es sollte jedem klar sein, dass Arbeitsgestaltung, Mitarbeiterführung und Gesundheit eng zusammenhängen

Der Umgang mit kranken Mitarbeitern zählt zum Pflichtwissen von Führungskräften

Dies fand Eingang in ein Online-Training für Führungskräfte zur Gestaltung des demografischen Wandels in Unternehmen, das im Projekt „Menschen in altersgerechter Arbeitskultur“ (MiaA) entwickelt wurde. Die Lerndauer beträgt etwa zwei Stunden und vertiefendes Zusatzmaterial wird als Download angeboten.

Gute Führung macht zwar nicht gesund, aber sie kann Krankheit verhindern (Hollmann u. Hanebuth, in Fehlzeitenreport 2011).

    Autorin

    Dr. med. Monika Stichert

    Arbeits- und reisemedizinische Praxis, Gelbfieberimpfstelle
    Pestalozzi Str. 3 – 40699 Erkrath
    info@arbeitsmedizin-stichert.de

    Weitere Infos

    Näheres zum Online-Training für Führungskräfte ist beim Institut für gesundheitliche Prävention (IFGP) in Münster (www.ifgp.de/) zu erfahren.

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