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Eine gesunde Organisation entwickeln, aber Aktionismus vermeiden und Leistungsfähigkeit fördern

Projekt g.o.a.l.

Ausgangssituation

Die Volatilität der Märkte zwingt Unternehmen zu mehr Flexibilität und Adaption in Bezug auf ihre strategische Ausrichtung. Ungeachtet der Marktsituation hat sich ein Kennzeichen erfolgreicher Unternehmen nicht geändert: die Mitarbeiter. Sie sind ausschlaggebend für den Erfolg eines Unternehmens, da ohne Mitarbeiter keine Prozesse umgesetzt und so weder Produkte noch Dienstleistungen angeboten werden können. Um die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten langfristig zu erhalten, insbeson-dere in Zeiten von Belegschaften mit hohem Altersdurchschnitt und einem Engpass an Nachwuchsfachkräften, setzen zunehmend mehr Unternehmen auf das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM; Bechmann et al. 2011).

Studien belegen (z. B. Uhle u. Treier 2013), dass BGM – sofern es planvoll angegangen wird – einen konkreten wirtschaftlichen Nutzen bieten kann. So bestehen beispielsweise Zusammenhänge zwischen diversen Faktoren des Gesundheitszustands und der Arbeitszufriedenheit von Mitarbeiten, die sich wiederum positiv auf die Produktivität auswirkt.

Das Projekt g.o.a.l.

Das Projekt g.o.a.l. hatte zum Ziel, Fach- und Methodenwissen in fünf mittelständi-schen Unternehmen der Metall-, Elektro- und chemischen Industrie zu vermitteln, um die Unternehmen zu befähigen, ein unter-nehmensindividuelles betriebliches Gesundheitsmanagement implementieren zu können. Das Projekt wurde vom Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und vom Europäischen Sozialfonds (ESF) im Rahmen der Initiative „weiter bilden“ gefördert. Projektpartner waren neben dem Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, die Hochschule Fresenius und die Arbeitgeberverbände NORDMETALL und Nordostchemie.

Vorgehensweise im Projekt

Unternehmen sollten bei der Planung von BGM – strategisch und operativ – darauf achten, dass BGM nach der Implementierungsphase zu einem Selbstläufer wird. Die Gesundheit der Beschäftigten muss in der Organisation kontinuierlich Aufmerksamkeit erhalten und darf nicht nach anfänglicher Euphorie in Vergessenheit geraten. Das Einführen von BGM sollte nicht dem Selbstzweck oder dem Erwerb eines Zertifikats dienen, sondern darauf abzielen, die Gesundheit der Beschäftigten zu stärken und in Zeiten des demografischen Wandels das Unternehmen zu einer gesunden Organisation zu entwickeln.

Im Folgenden werden die vier Projektphasen beschrieben:

Sensibilisierungsphase: Zu Beginn des Projekts stand die Sensibilisierung der beteiligten Akteure in den fünf Unternehmen für das betriebliche Gesundheitsmanagement im Fokus, da der Erfolg eines Projekts maßgeblich durch ein einheitliches Verständnis der Beteiligten bestimmt wird. Deshalb war es der erste Schritt, das betriebliche Gesund-heitsmanagement für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar darzustellen. Hierzu wurden in den ersten Monaten verschiedene Workshops durch ein Projektteam in den Unternehmen durchgeführt. Teilnehmer der unternehmensinternen Work-shops waren die Geschäftsführung, Führungskräfte und der Betriebsrat. In diesen Workshops wurden das Rollenverständnis der Akteure und die Verantwortung im Projekt erarbeitet. Dies war eine wichtige Vor-aussetzung für den Veränderungsprozess, der durch die Implementierung von BGM angestoßen wurde.

Realisierungsphase: Diese Phase gliederte sich in drei Schwerpunkte und machte den größten Teil der zweieinhalbjährigen Projektlaufzeit aus.

  • Vorbereitung: Zu Beginn der Realisierungsphase galt es, den Ist-Zustand in den Unternehmen gründlich zu analysie-ren anhand vorhandener Zahlen, Daten und Fakten, wie Fehlzeitenerhebungen, Mitarbeiterbefragungen (Sandrock u. Prynda 2012) und Altersstrukturanalysen. Zusätzlich wurde ein vom Projektteam entwickelter Fragebogen eingesetzt, um Schwachstellen beziehungsweise Verbesserungspotenziale der Organisationen zu identifizieren und entsprechend Handlungsmaßnahmen abzuleiten. Die-ser Fragebogen deckte Themen wie Stra-tegie, Umgang mit Veränderungen, Rah-menbedingungen für Führungskräfte und Mitarbeiter und vorhandene Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung ab. Auf Basis der Analyseergebnisse wurde mit der Geschäftsführung und anderen Projektbeteiligten eine Gesundheitsvision ( Abb. 1) entwickelt, die den gewünschten zukünftigen Zustand des Unternehmens, bezogen auf Gesundheit, darstellte. Die Gesundheits-vision diente den Unternehmen als Ziel-richtung für die Ausrichtung des unternehmensindividuellen BGM. In dieser Phase wurde auch ein Qualifizierungsplan für die sog. Multiplikatoren (s. Abschnitt „Multiplikatorenkonzept“) erstellt, angelehnt an die betrieblichen Bedarfe.
  • Qualifizierung: Ausgewählte Führungskräfte und Mitarbeiter wurden als sog. Multiplikatoren in den Handlungsfel-dern des betrieblichen Gesundheitsmanagements ausgebildet. So wurde inter-nes Wissen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement aufgebaut, das über die Projektlaufzeit hinaus in den Unter-nehmen verfügbar ist und damit die lang-fristige Orientierung des Projektes unter-stützt. Als Grundlage diente der zuvor er-stellte Qualifizierungsplan.
  • Implementierung: Aufbauend auf der Qualifizierung der Multiplikatoren fanden praxisnahe und anwendungsorientierte Schulungsmaßnahmen durch die Multiplikatoren für Mitarbeiter und Führungskräfte in den Unternehmen statt. Dabei entstanden konkrete Umsetzungsprojekte, die durch die Multiplikatoren initiiert und durch das Projektteam begleitet wurden, z. B. die Umgestaltung von Arbeitsplätzen, Einführung neuer Arbeitszeitmodelle oder Erstellung eines Kommunikationskonzeptes für das BGM.

In der Realisierungsphase wurden auch Maß-nahmen der betrieblichen Gesundheitsför-derung eingeführt, beispielsweise Ernährungsberatung, aktive Pausen oder Massagen am Arbeitsplatz.

Stabilisierungsphase: Die entwickelten Strukturen wurden gefestigt und Kennzahlen zu den ersten eingeführten Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) erhoben, so dass in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung und Anpassung der BGF stattfinden kann. Um darüber hinaus den aktuellen Stand des BGM abbilden zu können, wurde auf Grundlage des Analyse-Fragebogens ein Excel-basiertes Selbstbewertungsinstrument ( Abb. 2) entwickelt, das die Ergebnisse im Zeitverlauf visualisiert, Verbesserungspotenziale aufzeigt und somit als Grundlage für eine regelmäßige Weiterentwicklung des BGM dient.

Moderierte Erfahrungsaustausche mit den Projektunternehmen dienten dazu die Entwicklungen untereinander zu diskutieren und voneinander zu lernen. Dies wurde von den Teilnehmern als sehr hilfreich und nützlich bewertet.

Die gesunde Organisation: Mit der dritten Phase endete nach zweieinhalb Jahren das Projekt g.o.a.l., nicht aber das betriebliche Gesundheitsmanagement in den Unterneh-men. Durch den Aufbau betrieblicher Rou-tinen und Strukturen, wie beispielsweise BGM als Tagesordnungspunkt in Bereichsleiterbesprechungen, regelmäßigen Treffen der Multiplikatoren, Auswertung von Kennzahlen, BGM als Rubik in der Betriebszei-tung und Aufnahme von BGM in die jährliche Budgetplanung. Dadurch kann das BGM kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert und die Unternehmen zu gesunden Organisationen werden.

Multiplikatorenkonzept

So genannte Multiplikatoren wurden zu internen Experten für betriebliches Gesund-heitsmanagement ausgebildet, mit den Zie-len als interne Berater zu fungieren, Umsetzungsprojekte zu initiieren und Kollegen zum Mitmachen zu motivieren. Darüber hin-aus dienten die Multiplikatoren als Vorbild für die Belegschaft und nahmen Anregungen und Kritik aus der Belegschaft auf, um so das BGM weiterzuentwickeln.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Multiplikatoren war es, der Geschäftsleitung oder Personalleitung über die Entwicklungen des BGM Bericht zu erstatten und somit eine Entscheidungsgrundlage, z. B. für Budgetfestlungen, zu liefern.

Die Unternehmen waren dazu angehal-ten, bei der Zusammenstellung ihrer Multiplikatoren-Teams folgende Auswahlkriterien zu berücksichtigen:

  • Motivation für die Teilnahme am Projekt g.o.a.l.,
  • Vorbildfunktion (gut integriert, sozialkompetent),
  • Interesse an Gesundheitsthemen,
  • Interesse an Wissensvermittlung,
  • Bereitschaft zur Übernahme einer Lotsenfunktion,
  • aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen stammend.

Abhängig von der Unternehmensgröße wur-den drei bis sieben Multiplikatoren ausgewählt. Neben der Personalabteilung wurden Mitarbeiter aus den Bereichen Assistenz, Forschung und Entwicklung, Logistik, Qualitätsmanagement, Softwareentwicklung, Verkauf und dem Betriebsärztlichen Dienst ausgewählt. Auch Sicherheitsfachkräfte und Betriebsräte waren in den Multiplikatoren-Teams der fünf Unternehmen vertreten.

Wie bei jedem Veränderungsprozess beziehungsweise Organisationsentwicklungs-prozess brauchen die Akteure in den Organisationen die volle Akzeptanz und Unter-stützung der Geschäftsführung und der Füh-rungskräfte. Aus diesem Grunde wurden im Projekt g.o.a.l. die Führungskräfte in diesen Prozess von Beginn an mit einbezogen. Fehlt die nötige Unterstützung seitens des Managements, ist es praktisch unmöglich für die Multiplikatoren, einen Veränderungsprozess in Richtung „gesunde Organisation“ anzustoßen bzw. umzusetzen.

Für die Arbeit als Multiplikator ist es elementar zu wissen, welche Ziele die Geschäftsführung mit der Einführung eines BGM verfolgt. Folglich bedarf es einer kon-kreten Definition der Rolle sowie der Verantwortlichkeiten der Multiplikatoren. Als sinnvoll erwiesen sich eingeplante und vom Tagesgeschäft befreite Zeitfenster, um der Rolle des Multiplikators nachgehen zu kön-nen. Um das langfristige Ziel einer gesunden Organisation nicht aus den Augen zu verlieren, sollte sich das Unternehmen Meilensteine setzen und Erfolge im Rahmen von BGM „feiern“.

Erkenntnisse aus dem Projekt g.o.a.l.

Der Nutzen von betrieblichem Gesundheits-management kann vielfältig sein. Damit dieser eintritt, müssen allerdings einige Vor-aussetzungen erfüllt sein.

  • BGM stellt einen Veränderungsprozess dar. Dies bedeutet, dass zu Beginn eine Vision bzw. ein Ziel durch die Geschäfts-führung erarbeitet werden muss, was als Orientierung für die Ausgestaltung des BGM dient (z. B. Marks 2015). Die Vision oder das Ziel sollten stets im Fokus jeglicher Aktivitäten stehen und allen Mit-arbeitern transparent kommuniziert wer-den.
  • Voraussetzung für den Erfolg von BGM ist eine Sensibilisierung der Führungskräfte zum Thema Gesundheit sowie eine Definition ihrer Rolle im Rahmen des Gesundheitsmanagements. Dies kann beispielsweise im Rahmen eines Workshops geschehen und stellt die Grundlage für ein Commitment zum BGM dar.
  • Aktionismus vermeiden: Es ist entscheidend, zu Beginn gründlich die Ursachen für bestimmte Phänomene (z. B. hohe Fluktuation, hoher Krankenstand, geringe Mitarbeiterzufriedenheit) zu erforschen, im weiteren Verlauf regelmäßig relevante Daten zu erheben und die Besonderheiten der Unternehmenskultur sowie die der Organisation zu hinterfragen. Diese sind die Grundlage für die Planung und Einführung ursachenbezogener Maßnahmen.
  • Einige personenbezogene Daten zur Erkennung der Ursachen stehen nicht zur Verfügung. Es besteht die Möglichkeit mit Hilfe von Mitarbeiterbefragungen, durch verallgemeinerte Auskünfte der Betriebsärzte oder durch ausführliche Berichte der Krankenkassen anonymisierte Daten zu erhalten.
  • Das Tagesgeschäft und damit die Prioritäten anderer Themen werden häufig als Hürde zur Einführung oder Fortführung des BGM genannt. Aus diesem Grund ist es hilfreich, BGM in bestehende Prozesse und Strukturen zu integrieren, was nach anfänglichem Aufwand langfristig Zeit spart und Routine fördert.
  • BGM sollte durch die Organisation entwickelt und getragen werden. Die Rahmenbedingungen für die Implementierung können in Zusammenarbeit mit externen Experten geschaffen werden. Es erwies sich als sinnvoll, zunächst die Erwartungshaltung der Unternehmen an Produkte und Dienstleistungen zu definieren und auf Grundlage dessen externe Dienstleister anzufragen, um so eine größtmögliche Identifikation der Beschäftigten mit dem BGM zu erreichen.
  • Der Projektfortschritt wurde aus Perspektive der Unternehmen teilweise als zu langsam angesehen, da die Erwartungen an die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements kurzfristig orientiert waren. Das Projektteam lenkte den Fokus auf die dafür notwendigen organisationalen Rahmenbedingungen (wie definierte Verantwortlichkeiten, zeitliche und finanzielle Ressourcen etc.). Im Verlauf des Projekts wurde erkenntlich, dass eine kontinuierliches Erinnern an den Nutzen sowie die mit BGM verfolgten Zielen bzw. die Gesundheitsvision sinnvoll war, da es ansonsten vorkam, dass die Ziele in der Hektik des Tagesgeschäfts aus den Augen verloren wurden.
  • BGM ist vor allem kein endliches Projekt, dies sollte allen Beteiligten bewusst sein. Ein erfolgreiches BGM erfordert eine kontinuierliche Weiterentwicklung in Richtung „gesunde Organisation“. Instrumente des Projektmanagements sind dennoch sehr hilfreich und helfen BGM strukturiert zu planen und umzusetzen.
  • BGM ist ein langfristiges Thema und wird deshalb in der Regel keinen kurzfristigen positiven Return on Invest (RoI) darstellen.
  • Entscheidend ist, dass das Thema Gesundheit im Unternehmen omnipräsent wird und insbesondere das psychische sowie physische Wohlbefinden jedes Mitarbeiters durch seinen direkten Um-kreis (insbesondere die Führungskraft) wahrgenommen wird. Wichtig ist es, alle Mitarbeiter auf dem Weg der Veränderung frühzeitig einzubeziehen und an dem Thema Gesundheit „dran zu bleiben“.

Es wurde in allen Projektunternehmen deut-lich, dass die Implementierung von BGM den Willen und die Bereitschaft zur Veränderung, das Schaffen von Rahmenbedingungen (Ent-scheidungsbefugnis) und das Bereitstellen von Ressourcen (personell und finanziell) erfordert.

Literatur

Marks T: Betriebliche Gesundheitsförderung – Von der Analyse bis zur Evaluation. In: Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (Hrsg.): Leistungsfähigkeit im Betrieb. Kompendium für den Betriebspraktiker zur Bewältigung des demografischen Wan-dels. Berlin: Springer, 2015.

Sandrock S, Prynda M, Institut für angewandte Ar-beitswissenschaft (Hrsg.): Mitarbeiterbefragungen in kleinen und mittleren Unternehmen gezielt richtig durchführen. Heidelberg: Dr. Curt Haefner-Verlag, 2012.

Uhle T, Treier M: Betriebliches Gesundheitsmanage-ment: Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt – Mit-arbeiter einbinden, Prozesse gestalten, Erfolge messen. 2. Aufl. Berlin: Springer, 2013.

    Weitere Infos

    Bechmann S, Jäckle R, Lück P, Herdegen R, Initiative Gesundheit und Arbeit (Hrsg.): iga-Report 20. Motive und Hemmnisse für BGM, 2011.

    www.iga-info.de/fileadmin/Veroeffentlichungen/iga-Reporte_Projektberichte/iga_report_20_Umfrage_BGM_KMU_final_2011.pdf

    Für die Autoren

    Anna Peck

    Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V.

    Uerdinger Straße 56

    40474 Düsseldorf

    a.peck@ifaa-mail.de

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