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Wissenschaftliche jahrestagung, 13.–16. März 2013 in Bregenz

Erfolgreiche gemeinsame Tagung der Fachgesellschaften für Arbeitsmedizin

Zu dem Kongress, der im Festspielhaus in Bregenz stattfand, wurden 1000 Teilnehmer aus Deutschland, der Schweiz und Österreich erwartet. Im Mittelpunkt des Kongresses stand die Frage, wie Menschen angesichts längerer Lebenserwartung und damit auch längerer Lebensarbeitszeiten sowohl physisch als auch psychisch gesund bleiben und am Arbeitsprozess teilhaben können.

Die Hauptthemen waren „Arbeitsmedizin in Europa“ sowie „Muskel-Skelett-Erkrankungen und Beruf“. Weitere Themen der Vortragsforen, Workshops und Poster waren u. a Berufsdermatosen, Biologische Belastungen im Gesundheitswesen, Gefahrstoffe und Biomonitoring, Psychomentale Belastungen am Arbeitsplatz, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Gesundheitsförderung und Prävention, Arbeitsphysiologie, Arbeitspsychologie und Ergonomie.

DGAUM, ÖGAM und SGARM gemeinsam

Die Präsidenten der Fachgesellschaften C. Klien, H. Drexler und K.E. Stadtmüller wiesen in ihren Begrüßungsworten auf die große Chance eines intensiven wissenschaftlichen Austausches sowie die Überwindung der nationalen Prägung der arbeitsmedizinischen Praxis hin. „Arbeitsmedizin in Europa“ muss europäische Netzwerke verstärken und relevante Weiterbildungsinhalte des Fachs definieren. Das gemeinsame Kolloquium der Unfallversicherungsträger (DGUV, AUVA und SUVA) verdeutlicht diese grenzüberschreitende Kooperation. Arbeit darf nicht krank machen, gute Arbeitsbedingungen sind Voraussetzung für längere Lebensarbeitszeiten.

Wolfgang Panter, Präsident des Verbandes der Deutschen Betriebs- und Werksärzte (VDBW), betonte in seiner Begrüßung die Bedeutung der betrieblichen Vorsorge. Angesichts begrenzter Ressourcen ist eine evaluierende Forschung zunehmend wichtig: Welche innerbetrieblichen Präventionsmaßnahmen sind sinnvoll, welche sind effektiv und nachhaltig?

Teleky: von der Gewerbehygiene zur Arbeitsmedizin

Helmut Krueger, Vorstand des Instituts für Hygiene und Arbeitsphysiologie an der ETH Zürich, sprach in seinem Festvortrag über die unterschiedlichen Paradigmen im Spannungsfeld „Leistung – Gesundheit“.

Ausgehend von der Gestalt des Sozialmediziners Ludwig Teleky (1872–1957) und der Entwicklung der Gewerbehygiene zur Arbeitsmedizin schlug Krueger den Bogen zur Situation in unserer postindustriellen, globalisierten Wirtschaftsgesellschaft. Bereits als junger Wiener Arzt hatte sich Ludwig Teleky mit häufigen Krankheiten, deren Ursachen und ihren Behandlungsmöglichkeiten auseinandergesetzt. Er beschäftigte sich vor allem mit den Verhältnissen in der Industriegesellschaft und untersuchte, wie sich diese, unter Berücksichtigung von Demografie, Gender, Krieg und Arbeitslosigkeit auf Volkskrankheiten, arbeitsbedingte Erkrankungen und Berufskrankheiten auswirkten. Teleky konzipierte eine ,,soziale Medizin“ in einer Tradition, die wir heute als Public Health bezeichnen würden. Als Landesgewerbearzt in Düsseldorf baute er die Sozialhygienische Akademie auf, förderte Forschung und Lehre. In dem Buch „Industriegesellschaft, Gesundheit und medizinischer Fortschritt“ werden die wichtigsten Texte, Ergebnisse und Folgerungen von Ludwig Teleky vorgestellt (s. auch Buchvorstellung S. 282 in diesem Heft).

Nach diesem historischen Rückblick und einem durch einen längeren Türkei-Aufenthalt ermöglichten Perspektivenwechsel analysiert Helmut Krueger die aktuelle Arbeitssituation in Europa: 62 % aller Europäer würden glauben, dass ihr Arbeitsplatz nicht sicher sei! Neben dieser elementaren sozialen Verunsicherung schüren zusätzliche Faktoren Sorgen und Ängste der beschäftigten Bevölkerung: Arbeitsverdichtung und steigender Stress am Arbeitsplatz sowie die Sorge, mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Schmerzsyndromen bis in höhere Alter erwerbstätig bleiben zu müssen. Dies gehe, so Krueger, mit einem Verlust an Wirtschaftsethik einher, wie er auch in florierenden Schweizer Unternehmen zu beobachten sei: Gewinnmaximierung statt Erhalt von Arbeitsplätzen, drohende Entlassungen trotz erwirtschafteten Gewinns. Das Ideal einer auf einem Gemeinsinn gründenden Wirtschaftsethik in einer florierenden Wirtschaft weiche in Europa einer Misstrauenskultur. Hatten wir nicht einmal eine Soziale Marktwirtschaft?

Europa: statt Wirtschaftsethik nun Misstrauenskultur!

Globalisierung bedeute einerseits Verlagerung riskanter Arbeitsprozesse und arbeitshygienischer Probleme in ferne Länder, aber auch eine Ländergrenzen überschreitende wirtschaftliche Machtkonzentration, die undemokratische Züge habe und politisch entgrenzt sowie mittlerweile unkontrollierbar geworden sei. Welche Auswirkungen habe dieser „Fortschritt“ – fragte Krueger – auf die Arbeitnehmer? Arbeitsplatzsicherheit würde zunehmend unabhängig von Leistung. Prekäre Arbeitsverhältnisse nähmen zu und Arbeitnehmer konkurrierten untereinander. Wissen verliere angesichts moderner und jedem zugänglicher Informationstechnologien sowie eines rasanten Wissens-Umsatzes an Wert, Fertigkeiten und Erfahrungswissen gewönnen an Bedeutung. Dies könne ein Wertewandel sein, von dem ältere Beschäftigte durchaus profitieren könnten.

Pause = Erholung?

Gleichzeitig sei ein Wandel in den Arbeitsprozessen zu beobachten: Nicht die Ergonomie sei etwa für Rückenverspannungen am Bildschirmarbeitsplatz heutzutage ursächlich, sondern die mangelnde „Usability“ von Computerprogrammen. Die Beschäftigten würden durch ständige mehr oder weniger sinnvolle Neuerungen bei steigender Anforderung an die Taktung der Arbeitsprozesse permanent überfordert. Auch festgelegte Pausenzeiten garantierten keine Erholung mehr. Es finde ein Bedeutungswandel von Erholungsprozessen statt: Sie seien aktive Prozesse und müssten bewusst gestaltet werden. Um den sich rasend schnell ändernden Prozessen im Arbeitsleben standhalten zu können, forderte Krueger ein „human-centred-design“, also mehr qualitativ-spezifische Bewertung, statt quantitativ-allgemeiner. Arbeitsmedizinisches Agieren müsse „ante“ statt wie bisher „post“ eingreifen. Ökonomie und Wirtschaftsethik müssten wieder verbunden werden.

Together we will be stronger – Arbeitsmedizin in Europa

Bei einer zunehmenden Globalisierung haben die Veranstalter in dieser Konstellation bewusst „Arbeitsmedizin in Europa“ als eines der Hauptthemen der Jahrestagung ausgewählt. Der abschließende Samstag war diesem Themenblock überwiegend gewidmet. Jeder Arzt in Europa sollte zumindest über arbeitsmedizinisches Basiswissen verfügen, um die Beziehung von Arbeit und Gesundheit bei seinen Patienten richtig erkennen und einordnen zu können. Um die arbeitsmedizinische Ausbildung von Medizinstudenten in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf ein adäquates Niveau heben zu können, wurde ein Ausbildungsmodul EMUTOM entwickelt, das nun in englischer Version vorliegt und geeignet ist für Präsenzveranstaltungen als auch im Selbststudium. Es besteht aus den vier Themengebieten Grundlagen der Arbeitsmedizin, mögliche Effekte der Arbeit auf Gesundheit, „Fitness for work“ und betriebliche Gesundheitsförderung. Das Material ist unter http://www.emutom.eu verfügbar.

Um das „trockene Image der Disziplin“ zu verbessern, haben Schweizer Arbeitsmediziner eine attraktivere Unterrichtsgestaltung entworfen: Arbeitswelt „Spital“ verbindet die bereits vorhandenen praktischen Erfahrungen der Studierenden mit dem neuen Lernstoff der Arbeitsmedizinischen Wissenschaft.

Im Forum stellte sich die Europäische Gesellschaft für Umwelt-und Arbeitsmedizin (EOM) vor. Sie wurde im Jahr 2011 von einer Gruppe europäischer Wissenschaftler gegründet. Die kooperative europäische Anstrengungen im Forschungsbereich Umwelt-und Arbeitsschutz fordern. Gesundheitliche Probleme sind zunehmend beeinflusst von Veränderungen der Arbeits- und Umweltbedingungen. Die Globalisierung von Produktion, Handel, Logistik und wirtschaftlichen Aktionsfeldern bringt wachsende Herausforderungen für die Europäer, als Arbeitnehmer und Verbraucher (mehr dazu unter: http://www.EOMSociety.org ).

Muskel-Skelett-Erkrankungen und Beruf

Mit dem zweiten Hauptthema „Muskel-Skelett-Erkrankungen und Beruf“ wurde eine Krankheitsgruppe in den Mittelpunkt der Tagung gestellt, die mit über zwanzig Prozent den größten Anteil an Arbeitsunfähigkeitstagen in Deutschland ausmachen. Die Bedeutung beruflicher Einflussfaktoren als Ursache oder Mitursache dieser Erkrankungen wird derzeit in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. In den vergangenen Jahren wurden hierzu mehrere Forschungsprojekte in Deutschland – beispielsweise die Deutsche Wirbelsäulenstudie – durchgeführt. Deren Ergebnisse wurden in Bregenz diskutiert. Aktuelle Auswertungen sollen „Schwellenwerte“ identifizieren, ab denen spezifische physische Belastungen als relevant für das Erkrankungsrisiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen anzusehen sind. Verschiedene Instrumente als praxistaugliche Verfahren zur Expositionsermittlung im Feststellungsverfahren zur BK 2108 wurden vorgestellt (DWS-Richtwertestudie). In den Vortragsforen wurde über die Praktikabilität des DGUV-Grundsatzes 46 reflektiert und die Rolle der Arbeitsmedizinischen Beratung in der betrieblichen Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen beschrieben.

Beim Arbeitsmedizinischen Kolloquium der Unfallversicherungsträger wurde die Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ und verschiedene Projekt- und Forschungsaktivitäten der Unfallversicherungsträger vorgestellt.

Unter folgendem Link finden Sie das gesamte Kongressheft 2013 mit allen Abstracts der Vorträge und Poster: http://www.asu-arbeitsmedizin.com/kongressheft2013.

ASU-Relaunch: gelungen!

Wie bereits in der letzten Ausgabe berichtet, wurden bei der feierlichen Eröffnungsveranstaltung Dr. med. A. Schlieter und Dr. med. S. Webendörfer für ihre Arbeit „Healthyskin@work – Ergebnisse einer globalen konzernweiten Gesundheitsaktion für die Haut mit dem ASU Best Paper Award ausgezeichnet. Auf Einladung des Gentner-Verlages konnte der erste Kongresstag im Rahmen eines „Get together“ im Seefoyer stilvoll ausklingen. Eine angenehme Gelegenheit zum kollegialen Austausch. In diesem Rahmen präsentierten Verlagsvertreter die neugestaltete Zeitschrift „ASU – Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin. Zeitschrift für medizinische Prävention“. Die Resonanz auf die neue ASU während des Kongresses war durchweg positiv. Fazit: Der ASU-Relaunch ist gelungen!

    INFOEinladung zur 54. Wissenschaftlichen Jahrestagung der DGAUM

    02.–05. April 2014, Dresden, Deutsches Hygiene-Museum

    Themenschwerpunkte: Evidenzbasierte Arbeitsmedizin und Physikalische Einflussfaktoren in Arbeitswelt und Umwelt

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