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Leistungsbeurteilung – Fluch oder Segen?

Leistungsbeurteilungen sind inzwischen in fast allen Unternehmen fester Bestandteil der Personalführung und in der Regel mit individuellen Zielvereinbarungen verknüpft. Denn anders als im Werkvertragsrecht schuldet ein Arbeit-nehmer vertraglich keinen Erfolg, sondern lediglich die Arbeitsleistung an sich. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass ein Arbeitnehmer die „angemessene Ausschöpfung“ seiner persönlichen Leistungsfähigkeit schuldet. Es gibt also keinen objektiven Maßstab, anhand dessen beurteilt werden kann, ob der Arbeitnehmer „genug“ arbeitet. Er schuldet eine Leistung, die seiner persönlichen Leistungsfähigkeit entspricht.

Naturgemäß gibt es Arbeitnehmer, die aus Sicht des Arbeitgebers mehr leisten als andere. Um einen Anreiz für die Maximalleistung eines jeden Arbeitnehmers zu schaf-fen, nutzen Unternehmen regelmäßige Leis-tungsbeurteilungen, die bei Erreichung von zuvor gesetzten, individuellen Zielen nicht nur in einer positiven Bewertung münden, sondern auch an den Erhalt eines Bonus ge-knüpft sind.

Die Leistungsbeurteilungen dienen also nicht allein dazu, die Leistungen eines Arbeitnehmers an einem „Normalmaß“ zu messen, sondern sie sollen die Leistungen der Mitarbeiter steigern. Dies ließe sich teilweise allein durch den Vergleich mit anderen Mitarbeitern erreichen. Die Möglichkeit, gesetzte Ziele zu erreichen, wirkt in diesen Fällen auch dann effektiv, wenn nicht unmittelbar eine Bonuszahlung an die Zielerreichung geknüpft ist. Aber wie schon im gewerblichen Bereich, wo Akkord- und Prämienlohn schon lange feste Bestandteile des Entlohnungssystems sind, setzen sich auch bei angestellten Beschäftigten leistungsabhängige Anteile im Entgeltsystem durch. Was als Motivation der Mitarbeiter und ihrer Leistungssteigerung gedacht ist, entpuppt sich in der Praxis jedoch häufig als Ursache für Probleme und Konflikte.

Zielkonflikte

Ziele sind häufig zu unspezifisch formuliert, sind also nicht ohne weitere Ausformung verständlich oder sie beziehen sich oft gar nicht auf eine konkrete Aufgabe oder sie beziehen sich auf eine bestimmte Aufgabe, die in der betreffenden Position jedoch nicht wirklich relevant ist. Nicht selten ist zudem das Erreichen einiger Ziele individuell gar nicht beeinflussbar. Auch die Anzahl der Ziele kann unangemessen sein – zu hoch oder zu niedrig – oder in der Mischung mit Team- oder Gruppenzielen unausgewogen. Auf später veränderte Rahmenbedingun-gen wird nicht rechtzeitig reagiert und Leistungseinschränkungen bzw. Abwesenheiten werden nicht berücksichtigt.

Bewertungskonflikte

Daneben erschweren die Spaltung der Vor-gesetztenrolle in eine fachliche und eine dis-ziplinarische Führungskraft, eine dauernde räumliche Entfernung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft, chronische Zeitnot oder ständiger Termindruck den Abgleich zwischen Zielerreichung und Leistungsbeurtei-lung. Außerdem können sehr profane Effekte eine „objektive“ Beurteilung verzerren:

  • ein besonderes Ereignis überstrahlt die Leistung positiv oder negativ,
  • die Leistung wird kurz vor dem Beurteilungszeitpunkt gezielt erhöht,
  • das Ergebnis der Beurteilung ist bei intensivem Kontakt zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten in der Regel besser oder schlechter,
  • frühere Beurteilungen dienen zu stark als Vorlage,
  • die eigene Leistung des Beurteilenden hängt von der Leistung der zu Beurteilenden ab,
  • es existieren Verteilungsvorgaben (gekappte Budgets für Boni),
  • Sympathie/Antipathie.

Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat hinsichtlich der Gestaltung der vom Arbeitgeber geplanten Beurteilungsgrundsätze ein Mitbestimmungsrecht. Er kann daher mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung schließen, um eine möglichst gerechte Lösung zu finden. Die größte Schwierigkeit besteht dabei in der Erarbeitung einer Regelung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die den konkreten betrieblichen Umständen gerecht wird. Zu oberflächliche Regelungen können leicht als Freibrief des Vorgesetzten aufgefasst werden. Sind hingegen die Vereinbarungen zu kompliziert, steht oftmals der gute Wille der Betriebspartner hinter bürokratischen Reibungsverlusten zurück, die sich bei der Umsetzung ergeben.

Im Rahmen einer Betriebsvereinbarung sollte in jedem Fall klargestellt sein, welchen Charakter die Verankerung von Zielen hat und nach welchen Prinzipien die Ziele zustande kommen. Im Idealfall entsteht eine Zielvereinbarung durch einen vorangegangenen Dialog, bei dem der Arbeitnehmer an der Gestaltung des Inhalts mitwirken kann. Gleichzeitig führt eine solche – von beiden Seiten getragene – Zielvereinbarung dazu, dass der Arbeitnehmer bestimmte Inhalte seiner Arbeit festschreibt und sich zur Erbringung eines bestimmten Erfolgs verpflichtet.

Wirkungsfelder der Leistungs-beurteilung

Eine Verpflichtung für Arbeitnehmer, eine Zielvereinbarung zu schließen, besteht nicht. In diesem Fall steht es dem Arbeitgeber je-doch frei, den Inhalt der Arbeitsleistung durch Zielvorgaben zu bestimmen. Diese müssen von der im Arbeitsvertrag als geschuldet geregelten Arbeitsleistung gedeckt sein und im Übrigen billigem Ermessen ent-sprechen.

Personalakte

Auch ohne eine entsprechende Betriebsvereinbarung oder eine Zielvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber gehalten, Leistungsbe-urteilungen seiner Arbeitnehmer durchzu-führen und diese in der jeweiligen Personalakte festzuhalten. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall das Recht, die Personalakte einzusehen. Ein Anspruch auf Herausgabe der schriftlichen Leistungsbeurteilung besteht jedoch nicht. Ist der Arbeitnehmer mit der Beurteilung nicht zufrieden, so hat er die Möglichkeit, eine schriftliche Erklärung hier-zu abzugeben, die ebenfalls in die Personalakte aufzunehmen ist.

Zeugnis

Eine Leistungsbeurteilung kann ferner für die Erstellung von Zeugnissen herangezogen werden. Sind sich Arbeitgeber und Arbeit-nehmer über den Inhalt und die Bewertung eines Zeugnisses uneinig, so obliegt in einem diesbezüglichen Rechtsstreit dem Arbeitnehmer die Beweislast für solche Tat-sachen, die seine Leistung besser als befriedigend darstellen. Möchte der Arbeitgeber ein Zeugnis mit der Note „ausreichend“ aus-stellen, so muss er darlegen und beweisen, weshalb dem Arbeitnehmer eine schlechtere als eine befriedigende Beurteilung zu-steht. Können Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf regelmäßige Leistungsbeurteilungen zurückgreifen, wird der entsprechende Beweis leichter zu führen sein.

Rechte der Arbeitnehmer

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer ein Recht auf die Erörterung ihrer beruflichen Leistungen und ihrer Aufstiegschancen im Betrieb. Arbeitgeber hingegen dürfen Arbeitnehmer im Rahmen ihres Direktionsrechtes anwei-sen, an einem Personalgespräch bezüglich dieser Themen teilzunehmen. Hierzu darf der Arbeitnehmer ein Betriebsratsmitglied seiner Wahl hinzuziehen. Das Betriebsrats-mitglied unterliegt hierbei der Schweige-pflicht.

Ein Arbeitnehmer, der sich durch den Arbeitgeber unfair behandelt fühlt – was im Zusammenhang mit Leistungsbeurteilungen häufig vorkommt –, hat das Recht, sich formal beim Betriebsrat zu beschweren. Hält der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt, soll er gemäß § 85 BetrVG beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinwirken.

Fruchtet eine solche Beschwerde nicht oder existiert im betreffenden Betrieb kein Betriebsrat, so besteht die gleiche Situation wie bei einer ungerechtfertigten Abmahnung: Der Arbeitnehmer kann seinen Anspruch auf Entfernung der unrichtigen Leistungsbeurteilung aus der Personalakte gerichtlich geltend machen. Problematisch ist hierbei jedoch, dass solche Beurteilungen nur darauf hin kontrolliert werden können, ob der Beurteilende alle wesentlichen Um-stände berücksichtigt und ein angemessenes Verfahren eingehalten hat. Dem Arbeitnehmer obliegt allerdings die Beweislast, darzustellen, welche Punkte der Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht falsch sind bzw. welche Bewertungen nicht nach einem angemessenen Verfahren erfolgt sind und deshalb unangemessen sind.

Trotz aller aufgezeigten Schwierigkeiten in der Umsetzung sind Leistungsbeurteilungen für Arbeitnehmer wie Unternehmen hilfreich, da sie zur Klärung gegenseitiger Erwartungen zwingen und den innerbetrieblichen Dialog stärken. 

    Autorin

    Lara Sherman

    Fachanwältin für Arbeitsrecht

    Pflüger Rechtsanwälte GmbH

    Kaiserstraße 44

    60329 Frankfurt

    info@k44.de

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