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Editorial

Macht Arbeiten im Gesundheitswesen krank? Ist Telemedizin die Behandlungsform der Zukunft?

Die Auswirkungen der Agenda 2010 des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder zeigen eineinhalb Jahrzehnte später verheerende gesellschaftliche Auswirkungen, wie bereits durch Jens Holst in Heft 4 („Global Health“) der ASU –Zeitschrift für medizinische Prävention deutlich dargestellt wurde. Mit dieser neoliberalen Wirtschaftsreform hat sich seither der Staat bei der Daseinsfürsorge für die Bevölkerung sukzessiv zurückgezogen, wie beim sozialen Wohnungsbau. Das Resultat ist, dass die Wohnungsmieten für den Normalverdiener nicht mehr zu bezahlen sind. Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander und die Arbeit wurde entwertet, Hartz-IV-Empfänger befinden sich an der Armutsgrenze; Arbeitgeber, Konzerne werden gestärkt. Der Leidensdruck der Bevölkerung ist mittlerweile so groß, dass sie nicht mehr diese gesellschaftlichen Missstände ertragen können und nun dagegen demonstrieren.

Diese gesellschaftlichen Missstände werden auch im Gesundheitswesen sichtbar. Die Krankenkassen müssen in Wettbewerb treten, der Staat hat sich bei den kommunalen Krankenhäusern zurückgezogen, Krankenhäuser müssen Rendite abwerfen und es hat den Anschein, dass deren kaufmännische Führungskräfte ihre Gestaltungsmacht in Krankhäusern nach monetären Interessen ausüben. Dabei sind Krankenhäuser personell chronisch unterbesetzt. Aufgrund dieser Situation werden in Kliniken seit einigen Jahren zunehmend externe Ärzte auf Zeit eingestellt, sog. „Honorarärzte“. Nunmehr ist es gerichtlich klargestellt, dass die Einbindung des Honorararztes eine abhängige Beschäftigung darstellt. Dies wird hoffentlich Anreiz genug für Krankenhausmanager sein, von vornherein ausreichend Personal regulär einzustellen. Dennoch ist zu fordern, dass der Gemeinsame Bundesausschuss des Bundesgesundheitsministeriums Personaluntergrenzen festlegt, um Krankenhäusern einen Hinweis zu geben, ab wann eine gute Patientenversorgung nicht mehr gewährleistet werden kann.

Die in ASU vorgestellten Umfragen zeigen, dass nur wenige Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal den Eindruck haben, für ihre Leistungen und ihren Einsatz ausreichend Anerkennung zu bekommen. Es ist gang und gäbe, Überstunden in Krankenhäuser nicht oder nur teilweise zu erfassen; das Arbeitszeitgesetz wird nicht erfüllt. Neben den genannten spezifischen physischen und psychischen Belastungen, denen die Mitarbeiter in hohem Maße ausgesetzt sind, belastet Ärztinnen und Ärzten die intensive und tagtägliche Beschäftigung mit emotionalen und inhaltlich anspruchsvollen Aufgaben. Die Erhebungen spiegeln insgesamt systemimmanente suboptimale Arbeitsbedingungen wider, die seit Jahrzehnten bestehen und von Ärztinnen und Ärzten sowie dem Pflegepersonal ertragen werden und die bewirken, dass die Berufszufriedenheit und die Gesundheit der Mitarbeiter im Gesundheitswesen deutlich sinken. Aber es besteht Hoffnung, denn wir finden eine neue Situation vor: In der heutigen Zeit gibt es eine junge Ärztegeneration, die gute Arbeit leisten will, aber auch ein planbares Privatleben mit Familie und Freizeit führen möchte. Hierdurch kann eine Gestaltungskraft entstehen, die es ermöglicht, diese suboptimalen Arbeitsbedingungen auch gegen große Widerstände zu verbessern. Ein Vertreter dieser jungen Ärztegeneration, Matthias Raspe, wird in diesem Schwerpunkt die Arbeitsbedingungen analysieren und aus Sicht seiner Generation Lösungswege für diese Generation vorstellen. Eine spannende Zeit!

Zur Erleichterung der Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen für Ärztinnen und Ärzte und Gesundheitsberufe muss noch viel getan werden. Eine Möglichkeit ist, sich dem globalen Wandel im Hinblick auf Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu öffnen und aus der Ärzteschaft heraus zu gestalten. Die Bundesärztekammer unterstützt Ärztinnen und Ärzte – auch in Form eines Fortbildungscurriculums „Digitale Gesundheitsanwendungen in Praxis und Klinik“ – und bereitet diese auf Veränderungen durch die digitale Technik vor. Dies ist eine Chance, die ergriffen werden muss. Dabei ist festzuhalten, dass die persönliche Arzt-Patienten-Beziehung immer noch den wichtigsten Arzt-Patienten-Kontakt darstellt.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre der „Themen der Zeit: Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen und Telemedizin“ der Zeitschrift ASU – Zeitschrift für medizinische Prävention.

Ihre Annegret Schoeller

Chefredakteurin