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Atypische Beschäftigung und psychische Gesundheit

Atypische Beschäftigung und psychische Gesundheit

Atypische Beschäftigungsformen (ATB) wie Teilzeitbeschäftigung, befristete Beschäftigung und Leiharbeit sind aufgrund von wirtschaftlichen und politischen Veränderungen ein weltweit wachsendes Phänomen. In der politischen wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion wird häufig die Frage aufgeworfen, ob es sich bei ATB um prekäre Beschäftigungen handelt und ob mit diesen gesundheitliche Beeinträchtigungen einhergehen.

Der vorliegende Beitrag widmet sich dieser Frage und beleuchtet den Zusammenhang von atypischen Beschäftigungsformen und psychischer Gesundheit. Vorgestellt werden ausgewählte Ergebnisse des Scoping Reviews zu atypischer Beschäftigung im Rahmen des Projekts „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche Standortbestimmung“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

Die systematische Auswertung der bisherigen Forschungslandschaft zu den atypischen Beschäftigungsformen Befristung, Leiharbeit, Teilzeit, (Solo-)Selbstständigkeit sowie Mehrfachbeschäftigung und psychischer Gesundheit zeigt, dass durchaus einzelne Beschäftigungsformen mit bestimmten psychischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergehen können. Die Befundlage weist unter anderem auf einen Zusammenhang von Teilzeitbeschäftigung und Leiharbeit mit Depression hin. Dem hingegen geht befristete Beschäftigung seltener als unbefristete Beschäftigung mit Beeinträchtigungen im psychischen Wohlbefinden einher.

Das Review verdeutlicht, dass nicht durchgängig von einem negativen gesundheitlichen Effekt von ATB ausgegangen werden kann, sondern dies anhand einzelner Beschäftigungsverhältnisse beurteilt werden muss. Darüber hinaus legen die bestehenden Studien nahe, dass das (psychische) gesundheitliche Risiko von ATB durch die Ausgestaltung der Beschäftigungsform sowie deren Passung mit individuellen Bedürfnissen der Erwerbstätigen bestimmt wird.

Schlüsselwörter: psychische Gesundheit – atypische Beschäftigung – prekär – Review

Atypical employment and mental health

Atypical employment such as part-time work, fixed-term employment and temporary agency work is a growing global phenomenon due to economic and political changes. In the political and scientific debate, the questions of whether atypical employment forms are precarious and whether they are associated with health impairments are often raised.

This article focuses on these questions by examining the association of various atypical employment forms and mental health. Selected results of the scoping review on atypical employment within the scope of the “Mental health in the working world“ research project of the Federal Institute for Occupational Safety and Health (BAuA) are presented.

The systematic review of studies on atypical employment (based on fixed-term employment, temporary agency work, part-time employment, (solo) self-employment and multiple job-holding) and mental health shows that individual forms of atypical employment are associated with certain mental health impairments. Among other things, the results indicate a correlation between part-time employment and depression as well a correlation between temporary agency work and depression. In contrast, fixed-term employment is less often linked to impairments of mental well-being than permanent employment.

The review illustrates that atypical employment as a whole is not generally associated with mental health impairments and that the health risk of atypical employment must be evaluated in relation to the specific type of atypical employment.

Furthermore, the existing studies suggest that the (mental) health risk of atypical employment is determined by how the work is designed and how it fits with the individual needs of the employees.

Keywords: mental health – atypical employment – precarious – review

L. Hünefeld

Zielstellung

In den letzten Jahren ist ein stetiger Anstieg von atypischen Beschäftigungsformen (ATB) zu verzeichnen. 2016 waren 40 % der Erwerbsbevölkerung in Deutschland von diesen Beschäftigungsformen betroffen (WSI 2016). Unter ATB werden verschiedene Beschäftigungsformen gefasst, die von einer Normalbeschäftigung (Vollzeit, unbefristet, soziale Absicherung etc.) abweichen, wie zum Beispiel Befristung, Leiharbeit, geringfügige Beschäftigung oder (Solo-)Selbstständigkeit (Statistisches Bundesamt 2014). Die Zunahme solcher Beschäftigungsformen ist zum einen auf wirtschaftliche Veränderungen zurückzuführen, die mit neuen Anforderungen an Unternehmen einhergehen. So verfolgen Unternehmen die Strategie der Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeitszeiten, -formen sowie Beschäftigungsverhältnissen (Voß 1998), um sich den Anforderungen des Marktes, u.a. hinsichtlich Auslastung und spezifischer Kundenbedürfnisse, besser anzupassen. Zum anderen fördert die politische Deregulierung von Beschäftigungsverhältnissen die Verbreitung der verschiedenen Formen atypischer Beschäftigung. Beginnend mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996 über die Hartz-Gesetze wurde der Spielraum für die Flexibilisierung von Beschäftigungsverhältnissen erweitert (Keller u. Seifert 2011). Zudem spielen auch veränderte Flexibilisierungswünsche der Arbeitnehmer eine Rolle für den Wandel der Beschäftigungsformen, da das Normalarbeitsverhältnis allein nicht die heterogenen Präferenzen der Arbeitnehmer, zum Beispiel in Bezug auf Work-Life-Balance, abdeckt (Polzer et al. 2015).

In der politischen wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion wird häufig die Frage aufgeworfen, ob es sich bei ATB zum einen um prekäre Beschäftigungen handelt und zum anderen, ob mit diesen gesundheitliche Beeinträchtigungen einhergehen. Die bisherige Forschung zeigt hier ein eher ambivalentes Bild. So kommen zahlreiche Studien zu dem Ergebnis, dass ATB im Vergleich zum Normalarbeitsverhältnis ein erhöhtes Prekaritätsrisiko (definiert z.B. durch geringes Einkommen, mangelnde soziale Absicherung oder geringe Arbeitsplatzsicherheit) aufweisen. Jedoch zeigt sich auch, dass das Risiko abhängig von der Form atypischer Beschäftigung differiert (z. B. Brehmer u. Seifert 2008; Kalina u. Weinkopf 2008; McKay et al. 2012). Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob ATB ein erhöhtes gesundheitliches Risiko darstellen (Vahle-Hinz u. Plachta 2014). Die Studienlage weist zum Teil erhebliche Unklarheiten insbesondere dahingehend auf, ob und wenn ja, welche Formen der atypischen Beschäftigung eine Gefahr für die Gesundheit darstellen. Der vorliegende Beitrag widmet sich der Frage nach den Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von atypischen Beschäftigungsformen und stellt ausgewählte Ergebnisse des Scoping Reviews zu atypischer Beschäftigung im Rahmen des BAuA-Projekts „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche Standortbestimmung“ vor (Hünefeld 2016).

Methode

Das Scoping Review basiert auf einer systematischen Literatursuche zu ATB. ATB wurde in diesem Scoping Review in Abgrenzung zum Normalarbeitsverhältnis definiert (Eurofound 2017; Statistisches Bundesamt 2014). Sofern eine Beschäftigungsform von einem der folgenden Kriterien abweicht, wurde diese als atypisch bezeichnet:

  • Vollzeitbeschäftigung,
  • unbefristet,
  • Tätigkeit wird direkt in dem Unternehmen, mit dem ein Arbeitsvertrag besteht, durchgeführt,
  • abhängige Beschäftigung,
  • Integration in das soziale Sicherungssystem und/oder
  • nur ein Arbeitsvertrag.

Basierend auf dieser Definition wurden in die Analyse die nachfolgenden Beschäftigungsformen einbezogen: Leiharbeit, befristete Beschäftigung, Teilzeitarbeit, (Solo-)Selbstständigkeit und Mehrfachbeschäftigung. Weitere Beschäftigungsformen, wie Gelegenheitsarbeit, Arbeit auf Abruf oder geringfügige Beschäftigung, konnten aufgrund einer mangelnden Datenbasis nicht mit eingeschlossen werden.

Die Suche erfolgte über die Datenbanken PSYNDEX, PsycINFO, PubMed und WISO. Die Suchbegriffe wurden weitestgehend auf Grundlage der vorhandenen Literatur zum Thema – vor allem bereits vorliegender Reviews – ausgewählt und in den Suchstring mit aufgenommen. Dieser beinhaltet sowohl übergeordnete Suchbegriffe, wie atypische Beschäftigung oder prekäre Arbeit, als auch Begriffe, die bestimmte Arbeitsverhältnisse, wie Leiharbeit oder Befristung bezeichnen.

Da bereits Metaanalysen zu atypischer Beschäftigung sowie gesundheitlichen Outcomes existieren, die den Wissenstand vor dem Jahr 2000 zusammenfassen, wurden ausschließlich Beiträge von 2000 bis 2015 in deutscher und englischer Sprache ohne Einschränkung des Publikationstyps (d. h. Journalartikel, Buchkapitel, Dissertationen etc.) eingeschlossen. Des Weiteren wurden die Studien nur eingeschlossen, wenn sie einen Vergleich zwischen atypisch Beschäftigten und Normalbeschäftigten vorgenommen haben (für weitere Informationen zu Ein- und Ausschlusskriterien siehe Hünefeld 2016). Nach Duplikatskontrolle blieben 2733 Studien zur weiteren Sichtung übrig. Nach Abstract- und Volltextsichtung wurden schließlich 247 Studien eingeschlossen, die insgesamt 853 Zusammenhänge von atypischer Beschäftigung und Gesundheit sowie weiteren Ergebnismaßen (Arbeitszufriedenheit, Motivation, Leistung) berichten. Für ATB und psychische Gesundheit konnten 265 Zusammenhänge extrahiert werden ( Abb. 1).

Die Auswertung zur psychischen Gesundheit der Studien erfolgte anhand von vier Unterkategorien: psychisches Wohlbefinden, Burnout, Depression sowie psychische und Verhaltensstörungen. Um die Studienlage zu bewerten, wurde zum einen betrachtet, wie die Richtung der signifikanten Zusammenhänge ausfällt, zum anderen wurden für bivariate Zusammenhänge ungeachtet dessen, ob sie signifikant sind oder nicht, stichprobengewichtete mittlere Effekte (Cohen’s d) bestimmt (Cohen 1988), da in den Studien vorwiegend Mittelwerte für atypisch Beschäftigte und Normalbeschäftigte berichtet wurden.

Cohen (1988) zufolge können Zusammenhänge als nicht vorhanden (d  0,1), klein (0,2 d  0,4), mittel (0,5 d  0,7) und groß (d  0,8) interpretiert werden. Im Nachfolgenden werden die Ergebnisse der systematischen Literatursuche zu ATB und psychischer Gesundheit dargestellt. Dabei werden einerseits Ergebnisse von Studien vorgestellt, die ganz unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse gemeinsam untersuchen und keine Differenzierung nach verschiedenen Formen atypischer Beschäftigung vornehmen [im Nachfolgenden bezeichnet als ATB (allg.)]. Andererseits werden Ergebnisse berichtet, die sich spezifisch auf einzelne atypische Beschäftigungsformen beziehen.

Ergebnisse

Die Analyse des bisherigen Forschungsstands zu ATB und psychischer Gesundheit ergibt für die einzelnen Formen atypischer Beschäftigung abweichende Ergebnisse. Anhand der Anzahl bereits durchgeführter Studien zwischen 2000 und 2015 wird deutlich, dass Formen atypischer Beschäftigung hinsichtlich der Zusammenhänge mit psychischer Gesundheit bislang in einem unterschiedlichen Maße untersucht wurden. Dabei zählt befristete Beschäftigung zu den am intensivsten untersuchten Formen mit 84 Zusammenhängen ( Tabelle 1), gefolgt von (Solo-)Selbstständigkeit (59) und Teilzeitbeschäftigung (47).

Abbildung 2 verdeutlicht weiterhin erstens, dass nicht alle Studienergebnisse für die verschiedenen Beschäftigungsformen in die gleiche Richtung weisen, und zweitens, dass die Konsistenz der Zusammenhangsrichtung stark zwischen den einzelnen Formen atypischer Beschäftigung variiert.

Die Studien zu ATB (allg.), Leiharbeit, (Solo-)Selbständigkeit und Mehrfachbeschäftigung kommen überwiegend zu dem Ergebnis, dass Personen in den genannten Beschäftigungsformen häufiger von psychischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen berichten als Erwerbstätige in einer Normalbeschäftigung. Hier weisen die Studien zu ATB (allg.) die höchste Konsistenz in der Zusammenhangsrichtung auf (88 % der signifikanten Zusammenhänge weisen auf eine schlechtere psychische Gesundheit bei atypisch Beschäftigten hin). Im Gegensatz dazu zeigt sich in Studien zu Teilzeitbeschäftigung mit 65 % deutlich häufiger, dass Teilzeitbeschäftigte eine bessere psychische Gesundheit aufweisen als Personen in einer Vollzeitbeschäftigung. Bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen ergibt sich auf Grundlage der bisherigen Forschung eher ein inkonsistentes Bild bezüglich der psychischen Gesundheit. Die signifikanten Zusammenhänge, die für eine höhere Betroffenheit von psychischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei befristet Beschäftigten sprechen, liegen nur minimal über dem Anteil von Zusammenhängen, die auf eine höhere Betroffenheit von Normalbeschäftigten hinweisen (55 % vs. 45 %).

Die Übersicht der stichprobengewichteten Effektstärken ( Tabelle 2) zeigt, dass kleine bis mittlere Effektstärken für den Zusammenhang von atypischen Beschäftigungsformen und psychischer Gesundheit gefunden wurden. Für ATB (allg.) zeigen sich über alle Unterkategorien der psychischen Gesundheit (d = 0,25) hinweg sowie für die Unterkategorie psychische und Verhaltensstörungen (d = 0,36) kleine gemittelte Effektstärken und für die Unterkategorie Depression mittlere gemittelte Effektstärken (d = 0,61). Diese Effekte weisen darauf hin, dass atypisch Beschäftigte eine schlechtere psychische Gesundheit haben bzw. häufiger von Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens sowie von Depressionen betroffen sind. Bei Betrachtung der einzelnen Formen atypischer Beschäftigung konnten des Weiteren bei Leiharbeit mit einem d von 0,63 ein mittelstarker Effekt für den Zusammenhang mit Depressionen und ein kleiner Effekt für Burnout ermittelt werden. Ebenso konnte ein kleiner stichprobengewichteter Effekt für Teilzeit und Depression ermittelt werden. Auch hier verweisen die Effektstärken auf eine höhere Betroffenheit von Burnout und Depression bei Leiharbeitern bzw. Depression bei Teilzeitbeschäftigten im Vergleich zu Normalbeschäftigten. Im Gegensatz dazu, lässt sich bei befristeter Beschäftigung ein kleiner Effekt (d = –0,21) finden, der daraufhin weist, dass befristet Beschäftigte seltener von Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens berichten als Normalbeschäftigte.

Für alle weiteren Beschäftigungsformen (d.h. (Solo-)Selbstständigkeit und Mehrfachbeschäftigung) konnten keine statistisch bedeutsamen Effekte festgestellt werden.

Schlussfolgerung

Die in diesem Scoping Review eingeschlossenen Studien weisen ein sehr uneinheitliches Bild hinsichtlich der gesundheitlichen Risiken von atypischen Beschäftigungsformen auf.  Tabelle 3 fasst die psychischen gesundheitlichen Effekte der verschiedenen Beschäftigungsformen zusammen.

Hinsichtlich der niedrigeren Prävalenz an psychischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei befristet Beschäftigten verweisen Virtanen et al. (2002) darauf, dass dieser gesundheitlich positive Zusammenhang Resultat eines gesundheitlichen Selektionseffekts sein kann und durchaus Befristung mit negativen gesundheitlichen Effekten einhergehen kann.

Für (Solo-)Selbstständigkeit und Mehrfachbeschäftigung konnten zwar keine statistisch bedeutsamen Effektstärken ermittelt werden, jedoch verweist die Auswertung der signifikanten Zusammenhänge darauf, dass diese Beschäftigungsformen auch mit einer schlechteren psychischen Gesundheit in Zusammenhang stehen könnten.

Die dargestellten Ergebnisse sind vor allem auf die Diversität der verschiedenen Beschäftigungsformen zurückzuführen, die mit ganz unterschiedlichen Risiken und Ressourcen einhergehen. So kann nicht per se von einem negativen gesundheitlichen Effekt von atypischen Beschäftigungsformen ausgegangen werden bzw. dieser ausgeschlossen werden, sondern eine differenzierte Betrachtung einzelner Beschäftigungsformen ist notwendig sowie die Analyse der dahinter liegenden Mechanismen. Dabei sind Einflussfaktoren sowohl innerhalb als auch außerhalb der Arbeit, wie die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen, zu beachten. Einerseits weisen bereits bestehende Studien darauf hin, dass einzelne atypische Beschäftigungsformen wie Befristung oder Leiharbeit häufiger mit schlechten Arbeitsbedingungen in Zusammenhang stehen, wie mangelndem Handlungsspielraum, einer mangelnden Einbindung ins Unternehmen und dass atypisch Beschäftigte häufiger monotone oder gefährliche Tätigkeiten ausführen müssen als Normalbeschäftigte (u.a. Aronsson 1999; Bodin et al. 2012a, b; Nienhüser u. Matiaske 2003). Ebenso gehen diese Beschäftigungsformen auch häufiger mit einer erhöhten Arbeitsplatzunsicherheit einher (Hünefeld 2016; Köper u. Gerstenberg 2016), deren negative gesundheitliche Auswirkungen bereits sehr gut belegt sind (Sverke u. Hellgren 2002). Ferner verweisen Studien darauf, dass die Passung zwischen dem Beschäftigungsverhältnis und den individuellen Wünschen der Erwerbspersonen eine bedeutsame Rolle für deren gesundheitlichen Auswirkungen spielt. Nikolova und Graham (2014) sowie Oishi et al. (2015) zeigen anhand eines Vergleichs von freiwilligen und unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigten sowie Vollzeitbeschäftigten, dass die Freiwilligkeit für das Arbeiten in einer atypischen Beschäftigung für das (psychische) Wohlbefinden zentral ist. Darüber hinaus wird in den Studien von Holtom et al. (2002), van Emmerik et al. (2005) und Russo (2012) deutlich, dass ein Mismatch zwischen den gewünschten und den tatsächlichen Arbeitsstunden ebenfalls zu negativen Erfahrungen führen kann und somit zu (psychischen) gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Andererseits kann eine atypische Beschäftigungsform auch mit positiven Effekten für die psychische Gesundheit einhergehen, wenn sie zum Beispiel eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit- und Privatleben ermöglicht (Almer u. Kaplan 2002; Hyland 2000; Possenriede u. Plantenga 2014). Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse, dass nicht durchgängig von einem negativen gesundheitlichen Effekt von atypischen Beschäftigungsformen auszugehen ist, sondern die jeweilige Beschäftigungsform einzeln beurteilt werden muss. Darüber hinaus legen bereits vorhandene Studien nahe, dass besonders die Ausgestaltung von atypischen Beschäftigungsformen sowie deren Passung mit den individuellen Bedürfnissen das gesundheitliche Risiko bestimmen (Aletraris 2010; Hünefeld u. Köper 2016; Wagenaar et al. 2012).

Zukünftig besteht zum einen der Bedarf, einzelne Beschäftigungsformen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die psychische Gesundheit intensiver zu untersuchen. Zum anderen müssen Untersuchungen zu den Moderatoren und Mediatoren des Zusammenhangs zwischen ATB und psychischer Gesundheit durchgeführt werden, um aufzudecken, welche gesundheitlichen Effekte kausal auf atypische Beschäftigungsformen und welche Effekte beispielsweise auf die Arbeitsbedingungen und -gestaltung atypischer Beschäftigung zurückzuführen sind. Ebenso sind in diesem Zusammenhang auch Einflussfaktoren außerhalb der Arbeit zu betrachten, wie zum Beispiel die Verantwortung für die Pflege von Angehörigen. Erste tiefergehende Erkenntnisse zu den dahinter liegenden Mechanismen liefert beispielsweise die BAuA in Zusammenarbeit mit der Philipps-Universität Marburg hinsichtlich der Beschäftigungsformen (Solo-)Selbstständigkeit und Mehrfachbeschäftigung. In dem Projekt „Belastungsfaktoren und Ressourcen bei (Solo-)Selbstständigkeit und Mehrfachbeschäftigung“ wird die Arbeits- und Gesundheitssituation von Erwerbstätigen in diesen Beschäftigungsformen beleuchtet. Die Ergebnisse verweisen darauf, dass die gesundheitliche Situation der (Solo-)Selbstständigen und Mehrfachbeschäftigten aus einem komplexen Zusammenspiel von Arbeitsbedingungen und -Anforderungen, Kontextfaktoren (z.B. Art und Anzahl der Tätigkeiten oder Marktposition) und private/individuelle Faktoren (z.B. Unterstützungssysteme und Motivation) resultiert (BAuA, in Vorbereitung).

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

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Verfasserin

Dr. Lena Hünefeld

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Gruppe 1.2 Arbeitsweltberichterstattung

Friedrich-Henkel-Weg 1–25

44149 Dortmund

Huenefeld.Lena@baua.bund.de

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53 (Sonderheft): 32–37

Fußnoten

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Gruppe 1.2 Arbeitsweltberichterstattung, Dortmund