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Heute Flüchtlinge — morgen Teil unserer Gesellschaft

Die Gewährleistung der medizinischen Versorgung gehörte beim Umgang mit Flüchtlingen zu den zentralen Herausforderungen, die kurzfristig umzusetzen waren. Insbesondere der öffentliche Gesundheitsdienst war und ist hier bis heute gefordert. In Hamburg ist es gelungen, eine Vereinbarung abzuschließen, so dass allgemeinmedizinische und pädiatrische Sprechstunden in Erstaufnahmeeinrichtungen zentral geregelt werden konnten. Darüber hinaus wurde in Hamburg auch die systematische Erfassung von Basis-Gesundheitsindikatoren etabliert sowie mittels Videodolmetscher eine Lösung für Sprachprobleme gefunden. Johannes Nießen und Elke Jakubowski berichten darüber ausführlich.

Solange unser Gesundheitssystem in der Regelversorgung nicht alle diese Menschen erfasst, gibt es dringenden Handlungsbedarf für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Dafür müssen aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden und es muss vor allem auch eine entsprechende Finanzierung erfolgen. Dies kann nicht dem ehrenamtlichen Engagement einzelner Personen oder den Finanzzuwendungen von Kommunen überlassen bleiben.

Seit 2001 gibt es im Gesundheitsamt Frankfurt eine kostenlose ärztliche und psychosoziale Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeit für alle Menschen – unabhängig von Nationalität, Aufenthaltsstatus oder Krankenversicherung. Diese humanitäre Sprechstunde wird zweimal in der Woche angeboten und entspricht denen einer hausärztlichen Praxis. Laura Marscheck und Petra Tiarks-Jungk stellen einzelne Fallbeispiele vor und geben einen detaillierten Einblick in den Ablauf der Sprechstunde.

Menschen, die aus der Fremde gekommen sind, kennen unsere Strukturen und Örtlichkeiten noch nicht und sind der Sprache nicht mächtig. Sie benötigen daher Personen, die sie an die Hand nehmen und zu denen Vertrauen entwickelt werden kann. Gleichzeitig brauchen sie auch Personen, die beständig vor Ort sind, Bedrohung für die psychische Gesundheit erkennen und fachkompetente Hilfe vermitteln können. Ein besonderes Risiko haben dabei Menschen, die traumatische Erfahrungen im Herkunftsland oder auf dem Fluchtweg machen mussten. Menschen, die nicht primär psychisch krank sind, werden im System der medizinischen Regelversorgung oft gar nicht gesehen. Gudrun Widders und Ute Teichert weisen darauf hin, wie dringend eine psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen ist. Aufgrund ihrer Erfahrungen in der Praxis analysieren sie die Bedarfe und benennen viele Angebote.

Spezifische Herausforderungen im Umgang mit Flüchtlingen liegen für alle im Gesundheitssystem Tätigen vor. Es gibt sprachliche Verständigungsprobleme und ein unterschiedliches Verständnis von Gesundheit, Krankheit, Sterben und Tod. Das sind Erfahrungen, die Ärztinnen und Ärzte im Umgang mit Patientinnen und Patienten aus anderen Kulturkreisen alltäglich machen. Transkulturelle Kompetenz bei medizinischem Personal ist wichtig und sehr gefragt. Elisabeth Borg stellt das neu entwickelte Curriculum „Transkulturelle Medizin – kulturelle Kompetenz im klinischen Alltag“ der Ärztekammer Westfalen-Lippe vor. Das Curriculum vermittelt Kenntnisse und Fachkompetenz für die Behandlung der Patienten mit Zuwanderungsgeschichte.

Betriebliche Suchtprävention und Suchthilfe ist ein integraler Bestandteil der Abwendung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren. Dazu gibt es zahlreiche Programme über Betriebs- oder Dienstvereinbarungen. Suchtprobleme am Arbeitsplatz haben negative Auswirkungen in alle Lebensbereiche. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte stärker von Sucht, und anderen Gesundheitsproblemen betroffen sind als die Allgemeinbevölkerung. Dieser Thematik widmet sich der Artikel „Betriebliche Suchtprävention in kultureller Vielfalt“ von Melanie Berg und Solmaz Golsabahi-Broclawski.

Die Zuwanderung von Menschen ist auch eine große Chance, diese zu integrieren und auf ihren mitgebrachten Fähigkeiten aufzubauen. Barbara Rosenthal zeigt auf, wie die beruflichen Anerkennungswege in Deutschland für ausländische Gesundheitsfachkräfte aussehen können.

Ein weiteres Beispiel gelungener Integration findet im Bunten Haus der Jugend in Berlin statt. Jan Eckhoff stellt diese stationäre Jugendhilfeeinrichtung mit der Spezialisierung auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und junge Volljährige vor. Hier werden die Jugendlichen auf den Alltag und die Kultur in Deutschland vorbereitet und die berufliche Qualifikation gebahnt. Diese Art der Versorgung und der Vernetzung mit anderen Institutionen ist hilfreich für eine gelingende Integration.

Das aktuelle ASU-Heft spannt also einen weiten Bogen in der Begutachtung Geflüchteter, benennt die Herausforderungen und weist zugleich auch Lösungswege auf.

    Autorin

    Dr. med. Ute Teichert,MPH

    Leiterin der Akademie fürÖffentliches Gesundheitswesen

    Kanzlerstraße 4

    40472 Düsseldorf

    teichert@akademie-oegw.de