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Umfragen mit Hilfe eines Online Access Panels — methodische Erkenntnisse aus einer Beschäftigtenbefragung zur Prävention psychischer Erkrankungen

Umfragen mit Hilfe eines Online Access Panels – methodische Erkenntnisse aus einer Beschäftigtenbefragung zur Prävention psychischer Erkrankungen

Hintergrund: Auch in der Forschung werden standardisierte Befragungen immer häufiger mit Hilfe des Internets durchgeführt. Neben „offenen“ Online-Befragungen kann hierzu auch auf sog. Online Access Panels (OAP) von Markt- und Meinungsforschungsinstituten zurückgegriffen werden. Diese Adressenpools von Freiwilligen, die eine geringe Aufwandsentschädigung für die Teilnahme an Befragungen erhalten, bieten einen günstigen Stichprobenzugang mit gesicherter Stichprobengröße und hoher Datengüte, müssen hinsichtlich möglicher Verzerrungen jedoch auch kritisch betrachtet werden. In diesem Beitrag sollen die Erfahrungen aus der Befragung einer Beschäftigtenstichprobe berichtet werden.

Methoden: Im Jahr 2016 erfolgte die überbetriebliche Befragung einer OAP-Stichprobe mit a priori definierten Jobtypen zu Erfahrungen und Einstellungen hinsichtlich psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, ihrer Ursachen und Prävention. Studienabbrecher wurden hinsichtlich persönlicher Merkmale analysiert.

Ergebnisse: Die angestrebte Zielgruppengröße (600 komplette Datensätze) wurde mit einem im Vergleich zur Planung nahezu verdoppelten Oversampling innerhalb zwei Wochen erreicht. Jobtypbezogene Drop-out-Verzerrungen wurden nicht gefunden.

Diskussion: Der überbetriebliche Zugang zu Beschäftigten mittels OAP hat methodische Limitationen (z.B. fehlende Repräsentativität, „Volunteer Bias“, fehlende Merkmale betrieblicher Grundgesamtheiten), aber auch Vorteile im Vergleich zu einer offenen Internetbefragung (z.B. gezielte branchenbezogene Rekrutierung, Drop-out-Analysemöglichkeiten) oder betriebsbezogenen Befragungen (Datenschutzbedenken, fehlende Genehmigung durch die Betriebsleitung). Der geringere Aufwand für Wissenschaftler und eine höhere Planungssicherheit ist ein ernstzunehmender Vorteil gegenüber betrieblichen Erhebungszugängen.

Schlussfolgerungen: Online-Befragungen mit Hilfe eines OAP stellen auch für wissenschaftliche Fragestellungen nicht zuletzt aufgrund des garantierten Rücklaufs eine günstige Kosten-Nutzen-Relation dar. Eine kritische Diskussion methodischer Limitationen bei der Ergebnisinterpretation ist unbedingt erforderlich.

Schlüsselwörter: Stichprobenzugang – standardisierte Befragung – Beschäftigte – Online Access Panel – Methodenvor-/nachteile

Surveys using an online access panel: methodological findings from an employee survey on the prevention of common mental disorders

Background: Standardised surveys are increasingly being carried out using the internet. In addition to “open” online surveys, use can also be made of online access panels (OAPs) from marketing and opinion research institutes. These pools of voluntary respondents, who receive a small fee for taking part in surveys, offer good access to samples with guaranteed sample size and high data quality, but must also be given critical consideration with regard to possible bias. The purpose of this article is to report on the lessons learnt from the survey of an employee sample.

Methods: The inter-company survey of an OAP sample with a priori defined job types took place in 2016 and related to experience of and attitudes to mental and psychosomatic illnesses, their causes and prevention. Study dropouts were analysed for personal characteristics.

Results: The desired target group size (600 complete data sets) was achieved within two weeks with a rate of oversampling that was almost double the planned rate. No cases of job type-related dropout bias were found.

Discussion: Inter-company access to employees by means of an OAP has methodological limitations (e.g. lack of representativeness, volunteer bias, absent characteristics of company populations), but it also has advantages compared to an open internet survey (e.g. targeted sector-specific recruitment, dropout analysis possibilities) or company-specific surveys (data protection concerns, absence of permission from company management). Less effort and expenditure for scientists and a higher level of planning reliability are important advantages compared to company-based approaches.

Outlook: Online surveys using access panels have a good cost-benefit ratio for scientific surveys, not least due to guaranteed response rates. A critical discussion of methodological limitations in the interpretation of results is essential.

Keywords: survey sample access – standardised survey – employees – online access panel – methodology advantages/disadvantages

S. Burgess1

F. Junne2

E. Rothermund3

H. Gündel3

S. Zipfel2

M.A. Rieger1

M. Michaelis1,4

(eingegangen am 16.01.2018, angenommen am 11.07.2018)

Einleitung

Im Zeitalter der Digitalisierung können auch standardisierte Befragungen von der Nutzung des Internets profitieren. „Offene“ Befragungen im World Wide Web und „geschlossene“ Internetbefragungen durch Markt- und Meinungsforschungsinstitute, aber auch eigene Möglichkeiten mittels Online-Umfragetools wie z.B. SoSci Survey, Unipark oder SurveyMonkey sind etabliert.

Markt- und Meinungsforschungsinstitute nutzen Adressenpools von Freiwilligen, die sich gegen eine definierte Belohnung („Incentive“) für Befragungen zur Verfügung stellen (so genannte Online Access Panels, OAP). Bei der Aufnahme in den Adressenpool werden verschiedene Stammdaten erhoben, die eine Vorselektion nach bestimmten Kriterien und Non-Responder-Analysen ermöglichen.

Dieser Stichprobenzugang kann auch für Befragungen zum Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit genutzt werden, deren Ergebnisse für die arbeitsmedizinische Praxis relevant sind. Aus methodischer Sicht sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten und abzuwägen, die im Folgenden am Beispiel einer überbetrieblich ausgerichteten Befragung von Beschäftigten zu Erfahrungen und Einstellungen hinsichtlich psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, ihrer Ursachen und Prävention aufgezeigt werden. Im Rahmen der so genannten PHOEBE-II-Studie erfolgte die Weiterentwicklung einer multiprofessionellen Befragung von Akteuren, die mit der Prävention und Gesundheitsversorgung bei Erwerbstätigen mit psychischen bzw. psychosomatischen Erkrankungen befasst sind (PHOEBE I). Hier wurden 2014 Betriebs- und Hausärzte, Psychotherapeuten und Personalverantwortliche zu entsprechenden Einstellungen und zu ihren Erfahrungen an den interdisziplinären Schnittstellen von Prävention und Versorgung befragt (Michaelis et al. 2016). Das Studienprotokoll von PHOEBE II wurde in Heft 8/2017 der ASU veröffentlicht (Burgess et al. 2017).

In PHOEBE II sollten u.a. Unterschiede im Antwortverhalten von Beschäftigten in verschiedenen Branchen untersucht werden, d.h. zum Beispiel von Arbeitenden in der Produktion (so genannte „Blue Collar Worker“) oder an Büroarbeitsplätzen („White Collar Worker“). Die entsprechenden Stichproben sollten a priori festgelegt werden. Ziel dieses Beitrags ist die Zusammenfassung und Diskussion der bei der Studiendurchführung gewonnenen Erfahrungen mit Hilfe eines Online Access Panels.

Methoden

Der Stichprobenzugang für die Online-Befragung von PHOEBE II erfolgte durch ein international tätiges großes Markt- und Meinungsforschungsinstitut. Diesem ist von den Teilnehmenden des OAP neben Alter und Geschlecht auch der angegebene Beruf bekannt. Bei einer vollständigen Beantwortung des Fragebogens werden die Teilnehmer durch einen geringen materiellen Anreiz („Incentive“) belohnt. Dieser wird auf einem Gutschein-Sammelkonto gutgeschrieben ( https://www.valuedopinions.de/kostenlose-gutscheine/ ).

Zur Befragung wurden die OAP-Teilnehmenden per E-Mail mit dem unbestimmten Hinweis „Sozialforschung“ eingeladen. Inhalte der Teilnehmerinformation waren, analog zur Studieninformation bei einer postalischen Befragung, Hinweise zum Hintergrund der Befragung, zum Datenschutz und zu den beteiligten Forschungseinrichtungen sowie eine Definition der Begrifflichkeit „psychische und psychosomatische Erkrankungen“. Vor Beginn der Befragung bestand nach der einleitenden Information die Möglichkeit der aktiven Verweigerung der Teilnahme an der Befragung. Während der Erhebung selbst wurden unvollständige Datensätze durch eine im Online-Tool implementierte Ausfüllkontrolle vermieden. Es bestand jedoch die Möglichkeit, die Befragung an jeder Stelle abzubrechen. Durch ein individuelles Login-Passwort und einen standardmäßig durchgeführten Identitätsabgleich mittels des so genannten „digitalen Fingerabdrucks“ (IP-Adresse, Browserkonfiguration und weitere technische Informationen) konnten Plausibilitätskontrollen durchgeführt werden. So können Mehrfachteilnahmen und andere Manipulationen verhindert werden.

Die zu erzielende Stichprobengröße zur Absicherung einer ausreichenden Datenbasis für multivariate korrelative Analysen wurde auf jeweils 300 „Blue Collar Worker“ und zunächst nicht weiter differenzierte „Non-Blue Collar Worker“ festgelegt. Als „Blue“ wurden hierbei Beschäftigte mit körperlich anstrengender Arbeit gewertet d.h. verarbeitendes, produzierendes und Baugewerbe. Als „Non-Blue“ galten Beschäftigte sowohl mit einer Bürotätigkeit als auch im Dienstleistungssektor in den Branchen Handel, Instandhaltung/Reparaturen, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, Banken und Versicherungen, Grundstücks- und Wohnungswesen, Öffentliche Verwaltung, Erziehung und Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen. Das Befragungsinstitut ordnete die Teilnehmer zuvor aufgrund der in der Adressdatenbank hinterlegten Berufsangaben a priori grob diesen beiden Jobtypen zu und strebte darüber hinaus auch die bevölkerungsrepräsentative Verteilung von Geschlechts- und Altersquoten an (Letztere in den Gruppen 18–24, 25–34 etc.). Zur Quotierung wurden diese Merkmale zu Beginn der Erhebung erfragt und nicht zur Zielgruppe gehörende Teilnehmer noch vor der Beantwortung inhaltlicher Fragen vom Ausschluss informiert. Durch das quotenbezogene Nachziehen zufällig ausgewählter Adressen im Rahmen der knapp zwei Wochen dauernden Feldzeit konnten nicht zur Zielgruppe gehörende Teilnehmer (z.B. Berufswechsler, nicht (mehr) Erwerbstätige etc.), Studienverweigerer und -abbrecher ausgeglichen werden.

Ergebnisse

Zur Erreichung der angestrebten Gesamtstichprobengröße wurden durch das beauftragte Marktforschungsinstitut insgesamt 1104 Personen adressiert, was einem Oversampling von nahezu 50% entspricht. Letztlich lagen nach der quotenbezogenen Stichprobenausschöpfung des vorhandenen Access Panels für 610 Teilnehmer analysierbare Daten vor; das entspricht 75% der „Starter“stichprobe nach der Elimination von stichprobenneutralen Ausfällen (siehe Bruttostichprobe II in  Abb. 1). Alters- und Geschlechtsquoten wurden weitestgehend erfüllt. Im bereinigten Datensatz mit einer Gesamtabbruchquote von 9% liegen entsprechend der groben A-priori-Klassifizierung des Befragungsinstituts Angaben von 270 „Blue“ und 340 „Non-Blue Collar Worker“ vor.

Eine Drop-out-Analyse nach Jobtyp konnten nur für zwei Drittel der Befragungsabbrecher erfolgen: jene, die die entsprechende Frage zu Beginn des Fragebogens noch ausgefüllt hatten (n=45 von insgesamt 73). Zwischen vollständigen und unvollständigen Datensätzen konnten keine systematischen jobtypbezogenen Verzerrungen identifiziert werden, genauso wenig wie eine Abbruchhäufung bei möglicherweise „heiklen“ Fragen, z.B. nach der eigenen Erfahrung mit psychischen Erkrankungen; 29 von 44 Abbrüchen erfolgten am Anfang bei verschiedenen soziodemografischen/berufsbiografischen Fragen und insgesamt ohne spezifisches Muster. Weitere Variablen (Geschlecht, Alter), auf deren Grundlage weitere Verzerrungsanalysen möglich gewesen wären, wurden vom Befragungsinstitut nicht zur Verfügung gestellt.

Diskussion

Der Stichprobenzugang mit Freiwilligen eines Online Access Panels, die üblicherweise vor dem Hintergrund materieller Anreize an Umfragen aus dem Bereich der Markt- und Meinungsforschung teilnehmen, birgt Limitationen, aber auch Chancen:

  • Access Panel versus Zufallsstichprobe: Der gewählte Zugang über ein definiertes Access Panel ist unter methodischen Gesichtspunkten vorteilhafter als eine vollständig „offene“ Befragung, zu der z.B. durch Aufrufe im Internet oder Zeitschriften eingeladen wird. Letztere erlaubt weder eine Verzerrungskontrolle der Grundgesamtheit durch Non-Responder- und Drop-out-Analysen noch im Hinblick auf die Verteilung definierter Ein- und Ausschlusskriterien. Auch ist bei offenen Befragungen mit niedrigeren Antwortquoten zu rechnen als bei der direkten Einladung von Access Panels (für Web-Befragungen siehe hierzu Bosnjak 2001). Zum Vergleich: Die Rücklaufquoten in den PHOEBE-I-Kollektiven professioneller Akteure zum selben Thema lagen bei 30% bzw. 26% (Betriebsärzte und Psychotherapeuten) und jeweils 12% bei Hausärzten und Personalverantwortlichen (Michaelis et al. 2016). Allerdings sind die Teilnehmer an Online Access Panels von Markt- und Meinungsforschungsinstituten häufig eher sehr kurze Befragungen gewöhnt; bei anderen Themen bzw. umfangreicheren Befragungen sollte die geplante Herangehensweise unbedingt mit den Erfahrungen des Anbieters abgestimmt werden.
  • Betrieblicher versus überbetrieblicher Zugang: Für unser Vorhaben scheint ein überbetrieblicher gegenüber einem betrieblichen Zugang von Vorteil, da zum einen eine deutlich höhere Fallzahl nötig geworden wäre, um die nötige Branchenvarianz zu erzeugen und die geplanten multivariaten Analysen durchführen zu können. Zum anderen war bei der vorliegenden Fragestellung zu befürchten, dass eine Befragung mit den betrieblichen Erhebungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen nach dem Arbeitsschutzgesetz kollidiert, wobei mit Verzerrungen bei der Teilnahmebereitschaft einzelner Betriebe zu rechnen ist, in die auch Branchenzugehörigkeit, Betriebsgröße und ggf. auch Qualitätsmerkmale z.B. beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement hineinspielen können.
  • Online- statt papierbasierten Befragungen: Bei Online-Befragungen besteht generell die Gefahr, dass Menschen mit Internetzugang und besonderer Internetaffinität und damit weiteren Risiken der Stichprobenverzerrung überrepräsentiert sind. Internetzugang haben aktuell zwar bereits 84% der Wohnbevölkerung in Deutschland (Koch u. Frees 2016); eine besondere Internetaffinität besteht jedoch vielfach bei Jüngeren mit vergleichsweise geringerem sozioökonomischen Status und niedrigerer Bildung (Pötschke 2009); die Letzteren sind – wie auch Frauen – jedoch deutlich weniger bei offenen Internetbefragungen vertreten (Schoen 2002). Kurze Feldzeiten, ein professionelles Befragungsmanagement und die gute Datenqualität im Hinblick auf fehlende Werte sind auf der anderen Seite gute Argumente für eine Online-Befragung mit Ausfüllkontrolle, wie sie in der vorgestellten Studie verwendet wurde. Die Antwortzuverlässigkeit (Reliabilität) von elektronisch gesteuerten und papierbasierten Befragungen ist nach Batinic (2001) vergleichbar, ebenso wie die Validität (Treiblmaier 2011).
  • Repräsentativität: Eine repräsentative Abbildung der erwerbstätigen Bevölkerung ist durch Untersuchungen mittels geschlossener Access Panels genauso eingeschränkt wie bei Zufallsstichproben, z.B. im Rahmen offener (Internet-)Befragungen, da die Motivation für die Teilnahme bei Ersteren unterschiedlich ist. In Studien finden sich Hinweise, dass Incentives insgesamt offensichtlich nicht die entscheidende Motivation darstellen, zumal die meisten Anbieter mit Lotterien und Spendenmöglichkeiten arbeiten (Brüggen et al. 2011). Insgesamt aber können monetäre und nichtmonetäre Anreize die Antwortwahrscheinlichkeit von Befragungen bis um fast das Doppelte erhöhen (Edwards et al. 2009; Pforr 2015). Dem Nachteil eines „Volunteer Bias“ (Theobald et al. 2001), bei dem sich in unserer Studie z.B. der statistische Einfluss einer beruflichen Leitungsfunktion auf bestimmte Fragestellungen durch den Mangel an Teilnehmern nicht angemessen abbilden lässt, steht der Vorteil einer Ausschöpfung auch von Quoten mit geringerem Bildungsstand (z.B. „Blue Collar Worker“) in einem Access Panel entgegen. Insgesamt scheint nach Batinic u. Moser (2005) die Gewinnung der Zielgruppe für eine wissenschaftliche Fragestellung aus einem kommerziellen Umfragebereich jedoch ein eher vernachlässigbares Problem zu sein.
  • Antworten im Sinne „sozialer Erwünschtheit“: Angesichts des nach wie vor vorhandenen gesellschaftlichen Stigmas von psychischen Erkrankungen (Angermeyer et al. 2013) sollte insbesondere bei heiklen Fragen, im vorliegenden Fall z.B. nach eigenen Erfahrungen in diesem Bereich, ein im Sinne der sozialen Erwünschtheit verzerrtes Antwortverhalten bedacht werden. In der Literatur finden sich Angaben, dass mit Online-Befragungen ein geringer Grad an sozialer Präsenz und ein hoher Grad an subjektiv wahrgenommener Anonymität verbunden werden; bezüglich des Phänomens der sozialen Erwünschtheit scheinen die Ergebnisse widersprüchlich zu sein (Taddicken 2009). Durch die Einführung der Antwortmöglichkeit „Ich möchte diese Frage nicht beantworten“, wie in unserer Befragung vorgegeben, kann jedoch von einem hohen Wahrheitsgehalt der weiteren Antwortmöglichkeiten (z.B. „trifft zu“ vs. „trifft nicht zu“) ausgegangen werden.

Insgesamt ist, wie schon erwähnt, die fehlende Möglichkeit aussagekräftiger Non-Responder-Analysen kritisch zu betrachten. Dennoch lässt der geringe Anteil aktiver Verweigerer von knapp 6% der Starterstichprobe auf ein Interesse der Adressierten an dem Thema der Befragung schließen, das zugleich auch eine hohe gesellschaftliche Relevanz hat. Auch die Abbruchquote von 9% im Befragungsverlauf ist nach den Erfahrungen des kooperierenden Marktforschungsinstituts im Vergleich zu anderen Erhebungen vergleichsweise gering. Zustimmende Anmerkungen in einer offenen Frage am Ende der Erhebung unterstützen die Befunde.

Schlussfolgerungen

Für vergleichbare eigene Fragestellungen sollten

  • Vorteile der professionellen Datenerhebung (leichter, auch überbetrieblicher Stichprobenzugang mit ausreichenden Fallzahlen, kurze Feldzeiten, unkomplizierte Drop-out-Analysemöglichkeit vorhandener Strukturdaten im Rahmen einer „geschlossenen“ Grundgesamtheit) und
  • Nachteile (Unterrepräsentativität bestimmter Alters-, ggf. Geschlechts- und Berufsgruppen und beruflicher Stellungen, im vorliegenden Fall keine Möglichkeit zu angemessenen Non-Responder-Analysen)

kritisch gegeneinander abgewogen und auch mit dem Anbieter diskutiert werden. Offene Befragungen mit Zufallsstichproben eignen sich aus methodischen Gründen nicht. Hinsichtlich Kosten-Nutzen-Aspekten können Online-Access-Panel-Befragungen unter Einbindung professioneller Anbieter selbst durchgeführten Zielgruppenrekrutierungen überlegen sein. Unter der Voraussetzung einer kritischen Methodendiskussion eignet sich aus Sicht der Autoren der Zugang für eine Vielzahl an Fragestellungen auch in der arbeits- und sozialmedizinischen Forschung.

Finanzierung und Interessenskonflikt: Die vorliegende Beschäftigtenbefragung wurde durch Eigenmittel der beteiligten Institutionen finanziert. Das Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Tübingen erhält eine institutionelle Förderung durch den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall). Zu weiteren Details hinsichtlich Studiendesign und Fragestellungen siehe Burgess et al. (2017).

Die Autoren geben an, keinen Interessenkonflikt zu haben.

Literatur

Angermeyer MC, Matschinger H, Schomerus G: Attitudes towards psychiatric treatment and people with mental illness: changes over two decades. Br J Psychiatry 2013; 203: 146–151.

Batinic B: Datenqualität bei internetbasierten Befragungen. In: Theobald A, Theobald AM, Starsetzki T (Hrsg.): Online-Marktforschung. Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen. Wiesbaden: Gabler, 2001, S. 115–132.

Batinic B, Moser K: Determinanten der Rücklaufquote in Online-Panels. Z Medienpsych 2005; 17 (N.F. 5) 2: 64–74.

Bosnjak M: Teilnahmeverhalten bei Web-Befragungen – Nonresponse und Selbstselektion. In: Theobald A, Theobald AM, Starsetzki T (Hrsg.): Online-Marktforschung. Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen. Wiesbaden: Gabler, 2001, S. 79–95.

Brüggen E, Wetzels M, de Ruyter K: Individual differences in motivation to participate in online panels: the effect on reponse rate and reponse quality perceptions. Int J Market Res 2011: 53: 369–390 ( https://www.mrs.org.uk/resources/ijmr ).

Burgess S, Rieger MA, Junne F, Rothermund E, Gündel H, Zipfel S, Michaelis M: Psychische und psychosomatische Erkrankungen im Erwerbsalter. Studienprotokoll. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2017; 52: 605–612.

Edwards PJ, Roberts I, Clarke MJ, Diguiseppi C, Wentz R, Kwan I, Cooper R, Felix LM, Pratap S: Methods to increase response to postal and electronic questionnaires. Cochrane Database Syst Rev 2009; 8: MR000008.

Koch W, Frees B: Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2016: Dynamische Entwicklung bei mobiler Internetnutzung sowie Audios und Videos. Media Perspektiven 2016; 9: 418–437.

Michaelis M, Lange R, Junne F, Rothermund E, Zipfel S, Gündel H, Rieger MA: Prevention of common mental disorders in employees – conception, study design and sample characteristics of a multi-target survey. Mental Health & Prevention 2016: 4: 88–95.

Pforr K: Incentives. Mannheim: GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (GESIS Survey Guidelines), 2015.

Pötschke M: Potentiale von Online-Befragungen: Erfahrungen aus der Hochschulforschung. In: Jackob N, Schoen H, Zerback T (Hrsg.): Sozialforschung im Internet. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009, S. 75–90.

Schoen H: Online-Umfragen – schnell, billig, aber auch valide? Ein Vergleich zweier Internetbefragungen mit persönlichen Interviews zur Bundestagswahl 2002. ZA –Information/ Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung 2004; 54: 27–52.

Taddicken M: Die Bedeutung von Methodeneffekten der Online-Befragung: Zusammenhänge zwischen computervermittelter Kommunikation und erreichbarer Datengüte. In: Jackob N, Schoen H, Zerback T (Hrsg.): Sozialforschung im Internet. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009, S. 91–108.

Theobald A: Sinn und Unsinn von Incentives in der Online-Marktforschung. In: Theobald A, Theobald A. M, Starsetzki T: Online-Marktforschung. Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen. Wiesbaden. Gabler, 2001, S. 179–190.

Treiblmaier H: Datenqualität und Validität bei Online-Befragungen. markt 2011; 50: 3–1.

Für die Verfasser

Stephanie Burgess

Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung

Universitätsklinikum Tübingen

Wilhelmstraße 27– 72074 Tübingen

stephanie.burgess@med.uni-tuebingen.de

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53: 537–540

Fußnoten

1Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung (Direktorin: Prof. Dr. med. Monika A. Rieger), Universitätsklinikum Tübingen

2Abt. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (Direktor: Prof. Dr. med. Stephan Zipfel), Medizinische Universitätsklinik Tübingen

3Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (Direktor: Prof. Dr. med. Harald Gündel), Universitätsklinikum Ulm

4FFAS – Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg