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Herausforderungen bei der Bewertung synergistischer Effekte aus bevölkerungs-bezogenen Studien

Herausforderungen bei der Bewertung synergistischer Effekte aus bevölkerungsbezogenen Studien

Zielstellung: Die Schätzung von Krebsrisiken nach Mehrfachexpositionen, die Synkanzerogenese, ist von Bedeutung für geeignete arbeitsplatzbezogene Präventionsmaßnahmen sowie zur Beurteilung berufsbezogener Risiken im Rahmen des Berufskrankheitenverfahrens. Bisher gibt es jedoch keine generellen Regelungen für die Bewertung des Gesamtrisikos nach Mehrfachexposition gegenüber krebserzeugenden Stoffen. Am Beispiel der internationalen Fall-Kontrollstudie SYNERGY diskutieren wir in diesem Beitrag Möglichkeiten und Limitationen bei der Abschätzung synergistischer Effekte aus bevölkerungsbasierten epidemiologischen Studien.

Methoden: Mit SYNERGY wurde eine umfangreiche Forschungsplattform mit insgesamt 19.370 Lungenkrebsfällen und 23.670 Kontrollen geschaffen, um Fragen zur Synkanzerogenese bei beruflicher Exposition gegenüber Asbest, Quarzfeinstaub, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, Nickel und hexavalentem Chrom zu untersuchen. Ein Vorteil gegenüber früheren Studien liegt in der aufwendigen Expositionsschätzung mit Messwerten zu den fünf Modellkarzinogenen, der Berücksichtigung detaillierter Rauchinformationen sowie der Schätzung von Risiken im Niedrigdosisbereich.

Ergebnisse: SYNERGY kann empirische Evidenz zur Synkanzerogenese für die arbeitsmedizinische Praxis liefern, die konventionsbasierten Bewertungsschemata, wie der Summation von Einzelrisiken, prinzipiell überlegen ist. Als grundlegende designbedingte Limitation ist zu nennen, dass in Fall-Kontrollstudien keine Schätzung der Inzidenz erfolgen kann und somit auch keine des in der Regulation üblichen Exzessrisikos. Eine Herausforderung ist, dass die retrospektive Abschätzung von beruflichen Expositionen auf Basis von Berufstiteln, auch bei Verwendung von Messdaten, einem gewissen Anteil von Unsicherheit unterliegt, die eine verlässliche Abschätzung der Synkanzerogenese erschwert.

Schlussfolgerung: Erkenntnisse von SYNERGY sollten sich primär auf präventive berufliche Aspekte fokussieren.

Schlüsselwörter: berufliche Prävention – Interaktion – Mischexposition – Regulation – Synkanzerogenese – SYNERGY

Challenges in the assessment of synergistic effects from population-based studies

Objective: The estimation of cancer risks due to multiple exposures, or syncarcinogenesis, is crucial not only for the introduction of suitable preventive measures in the workplace, but also for the assessment of work-related risks in compensation lawsuits for occupational diseases. As yet, however, there are no official regulations on the assessment of overall risk after multiple exposures to carcinogens. Taking the international SYNERGY case-control study as an example, we discuss in this article the possibilities and limitations in the assessment of synergistic effects from population-based epidemiological studies.

Methods: SYNERGY has developed into a large research platform (19,370 lung cancer cases and 23,670 control subjects) for the investigation of syncarcinogenesis due to occupational exposure to asbestos, silica, polycyclic aromatic hydrocarbons, hexavalent chromium and nickel. An advantage over previous studies is the complex exposure assessment using measurement data, the consideration of detailed information on smoking habits and the estimation of population-based low-dose risks for the five model carcinogens.

Results: SYNERGY can deliver empirical evidence of syncarcinogenesis for occupational medical practice which is superior to convention-based evaluation schemes such as the addition of single risks. A fundamental, design-related limitation is that cancer incidence cannot be estimated in case-control studies, which means that it is also not possible to assess excess risk, is frequently used in occupational regulation. A particular challenge is that any retrospective assessment of job-based exposure based on job titles is subject to a certain degree of uncertainty, even when applying measurement data, which impedes a reliable assessment of syncarcinogenic effects.

Conclusions: Results from SYNERGY should primarily focus on aspects of occupational risk prevention.

Keywords: occupational risk prevention – interaction – mixed exposure – regulation – syncarcinogenesis – SYNERGY

T. Behrens

B. Pesch

T. Brüning

(eingegangen am 22.01.2018, angenommen am 24.05.2018)

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53: 526–529

Einleitung

Das gleichzeitige oder parallele Zusammenwirken mehrerer Karzinogene (Synkanzerogenese) steht im Fokus des wissenschaftlichen Interesses, da krebserzeugende Gefahrstoffe an Arbeitsplätzen häufig in Kombination auftreten. Bislang sind berufliche Kombinationswirkungen von Gefahrstoffen bei der Entstehung von Krebs noch unzureichend untersucht, da hierzu umfangreiche Studien und verlässliche Expositionsabschätzungen erforderlich sind.

Die Bewertung von Gesundheitsrisiken nach Mehrfachexposition ist zum einen für die Einführung geeigneter Präventionsmaßnahmen, zum anderen für die Beurteilung in Berufskrankheitenverfahren wichtig. Bisher sehen jedoch weder die Gefahrstoffverordnung noch die Technische Regel 910 für Gefahrstoffe (Kapitel 4, Nr. 4) eine Bewertung des Gesamtrisikos nach Mehrfachexposition für krebserzeugende Stoffe vor (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2014). Es gibt lediglich eine Bewertung im Rahmen der BK 4114 für die Kombinationswirkung von Asbest und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (Mertens u. Brandenburg 2015).

Wie in der Anlage 3 zur TRGS 910, dem Leitfaden zur Quantifizierung stoffspezifischer Expositions-Risiko-Beziehungen und von Risikokonzentrationen bei Exposition gegenüber krebserzeugenden Gefahrstoffen am Arbeitsplatz dargelegt, werden zur Ermittlung der durch (Misch)Exposition entstandenen Exzessfälle absolute Risikomaße (Inzidenz- oder Mortalitätsraten) benötigt. Diese können in Kohortenstudien ermittelt werden, in denen zu Studienbeginn gesunde Personen im Längsschnitt hinsichtlich des Auftretens einer Krebserkrankung beobachtet werden. Aus dem Verhältnis der Raten exponierter und nicht exponierter Personen wird das relative Risiko (RR) berechnet, das bei einem Wert über 1 eine prozentuale Risikoerhöhung für Exponierte anzeigt (vgl. auch Behrens 2018).

Da das Krebsrisiko in industriebasierten Kohorten meist mit historisch hohen Belastungen untersucht wurde, sind Aussagen für den Niedrigdosisbereich nur schwer ableitbar. Dies ist jedoch für Fragen der Prävention von besonderer Bedeutung. Zudem sind die beobachteten Krebsfallzahlen selbst in großen Kohorten gering und es fehlen häufig belastbare Daten zum Rauchverhalten.

In Fall-Kontroll-Studien werden bereits Erkrankte („Fälle“) mit einer Stichprobe von nicht erkrankten Kontrollen retrospektiv auf das Vorliegen bestimmter Expositionen verglichen. Deshalb können Neuerkrankungsraten nicht direkt berechnet werden. Das relative Risikomaß in Fall-Kontroll-Studien ist die Odds Ratio (OR), die die Chance einer erkrankten Person, exponiert zu sein, im Vergleich zur Chance einer nicht erkrankten Person angibt.

Ziel dieser Arbeit ist es, Möglichkeiten und Limitationen der Ableitung von Risikomaßen für Kombinationswirkungen aus epidemiologischen Studien zu erläutern. Als Beispiel dient die SYNERGY-Studie, die internationale Fall-Kontrollstudien gepoolt hat, um das Zusammenwirken von fünf beruflichen Karzinogenen auf das Lungenkrebsrisiko zu untersuchen.

Die SYNERGY-Studie

Für das das internationale Verbundprojekt SYNERGY wurden nahezu 20.000 Lungenkrebsfälle und rund 24.000 Kontrollpersonen aus 16 Ländern eingeschlossen. Ziel ist die Untersuchung der Synkanzerogenese für fünf Modellsubstanzen (Asbest, Quarzstaub, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), hexavalentes Chrom (Cr(VI)) und Nickel und ihr Zusammenwirken mit dem Rauchen ( www.synergy.iarc.fr ). Alle Studien haben vollständige Berufs- und Rauchbiographien erhoben, um eine Rauchadjustierung der beruflichen Krebsrisiken durchführen zu können. SYNERGY stellt somit eine der größten epidemiologischen Forschungsplattformen zu beruflichem Lungenkrebs dar.

Für die Expositionsabschätzung wurden 360 000 Messwerte zu den fünf Modellsubstanzen aus Sekundärdatenbanken (z.B. MEGA und COLCHIC ) in einer Datenbank zusammengefasst (Peters et al. 2012a). Davon wurden 100 000 personengetragenen Messdaten in eine Job-Expositions-Matrix (SYN-JEM) überführt (Peters et al. 2016). Die Harmonisierung der epidemiologischen Daten zur Realisierung einer gepoolten Auswertung (Rauchverhalten, Berufsbiographien) sowie die Sammlung, Auswahl, Harmonisierung und Zusammenführung geeigneter Messwerte aus internationalen Messwertedatenbanken bedeuteten einen erheblichen Aufwand, der nur in Kooperation der drei koordinierenden Institutionen (die Internationale Krebsagentur der WHO (IARC), das Institut für Risk Assessment Sciences (IRAS) in Utrecht und das IPA) realisiert werden konnte.

Für die SYN-JEM wurde ein statistisches Modell entwickelt, das wichtige Messparameter und stoffspezifische Informationen (z.B. Zeitpunkt des länderspezifischen Asbestverbots) zusammen mit einem Expertenrating, ob ein Beruf als exponiert anzusehen ist, berücksichtigt. In Kombination mit den Kalenderjahren einer Beschäftigung in exponierten Berufen wurde die kumulative Exposition jedes Studienteilnehmers gegenüber den einzelnen Modellkarzinogenen in Stoffjahren geschätzt.

In SYNERGY wurde somit die größte Datenbasis zur Erforschung beruflicher Lungenkrebsrisiken aufgebaut, um Interaktionen und Dosis-Wirkungs-Beziehungen im Niedrigdosisbereich zu schätzen.

Bislang wurde das Lungenkrebsrisiko für Asbest, Dieselmotoremissionen und organische Stäube (Olsson et al. 2011, 2017; Peters et al. 2012b) sowie für eine Vielzahl von Berufen (u.a. Behrens et al. 2013; Kendzia et al. 2013; Taeger et al. 2015) und den beruflichen Sozialstatus (Hovanec et al. 2018; Behrens et al. 2017) ermittelt.

Herausforderungen bei der Ableitung von Risiken und Mischeffekten aus epidemiologischen Studien

Populationsbasierte Studien wie SYNERGY stellen für die Risikobewertung eine große Chance dar, da diese Studien anders als industriebasierte Kohorten eine Vielzahl von beruflichen Tätigkeiten und variierenden Expositionsszenarien abdecken können (Behrens et al. 2012; Taeger 2017). Weitere Vorteile von SYNERGY sind die großen Fallzahlen (auch unter den Frauen), die Expositionsmodellierung mit Messdaten zur Ableitung stofflicher Risiken und die Möglichkeit, für das Rauchverhalten zu adjustieren. Auch kann das Lungenkrebsrisiko für Nie-Raucher ermittelt werden.

Designbedingt können die durch eine Exposition entstandenen Fälle bzw. assoziierte Exzessrisiken nicht direkt abgeleitet werden. SYNERGY fokussiert auf die Beschreibung von Dosis-Effekt-Beziehungen und Interaktionen auf Basis relativer Risikomaße, die zur qualitativen Begründung von Präventionsmaßnahmen dienen können. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass hieraus auch Erkenntnisse für BK-Verfahren gewonnen werden können. Hierzu wäre z.B. die Ermittlung einer einheitlichen Hintergrundrate für Lungenkrebs erforderlich, die aufgrund der Heterogenität der Daten aus 16 Ländern zu verschiedenen Studienzeitpunkten jedoch eine Herausforderung darstellt.

Aufgrund des starken Einflusses des Rauchverhaltens ist es schwierig, das Krebsrisiko für Gefahrstoffe zuverlässig zu ermitteln. Starke Raucher haben ein 100fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Plattenepithel- oder kleinzelligen Lungenkrebses (Pesch et al. 2012). Aufgrund der hohen Fallzahlen war es in SYNERGY möglich, das Krebsrisiko für Gefahrstoffexpositionen auch für Nie-Raucher zu berechnen. In SYNERGY hatten ca. 2 % der männlichen Lungenkrebsfälle nie geraucht. Männliche Nie-Raucher zeigten bei einer Asbestexposition von mehr als 1,2 Faserjahren im Vergleich zu Nie-Rauchern ohne Asbestexposition eine OR von 1,51; 95 % KI 1,16–1,97 (Olsson et al. 2017).

In arbeitsepidemiologischen Studien liegen meist keine direkt am Teilnehmer erhobenen Messwerte vor. In SYNERGY wurden daher Messwerte aus sekundären Messdatenbanken genutzt, um eine typische mittlere Exposition abzuschätzen, deren Messungen auch für die Expositionsabschätzung in anderen Ländern verwendet wurden. Weiterhin fehlten personenbezogene Messdaten für länger zurückliegende Berufsphasen. Viele Messungen erreichten nicht die analytische Nachweisgrenze und mussten daher imputiert werden. Heute stehen statistische Verfahren zur Verfügung, diese Daten anhand der Datenverteilung abzuschätzen (Peters et al. 2012c, 2016).

Anders als in Industriekohorten kommen Hochrisikoberufe in bevölkerungsbasierten Studien nur selten vor, z.B. Arbeiter in der Asbesttextilindustrie oder Asbestzementherstellung (Peters et al. 2016). Die meisten Asbestmessungen in SYNERGY stammten jedoch aus diesen Berufen. Um die Messdatenbasis zu vergrößern, wurden auch diese sowie Messwerte in Berufen, die üblicherweise nicht exponiert sind, verwendet (Peters et al. 2016).

Generell ist die Abschätzung der Exposition mit gewissen Unsicherheiten verbunden, wobei unerheblich ist, ob Expertenschätzungen, Job-Expositions-Matrizen oder Messdaten zum Einsatz kommen (Teschke et al. 2002, Behrens und Taeger 2012). Eine in den Vergleichsgruppen identische Fehlklassifikation („nicht-differentiell“) führt überwiegend zu einer Abschwächung der Risikoschätzer. Die Stärke des Fehlklassifikationsbias hängt entscheidend von der Prävalenz des Risikofaktors (je seltener, desto stärker) und von der Spezifität der Expositionsabschätzung ab. Die Fehlklassifikation von nicht-exponierten Personen als exponiert erzeugt dabei eine stärkere Verzerrung als die Fehlklassifikation von Exponierten als nicht exponiert (Höfler 2005). In SYNERGY wurde eine hohe Sensitivität der Expositionsabschätzung angestrebt, was zu einer hohen Expositionsprävalenz (z.B. 40 % der Männer jemals asbestexponiert) und tendenziell abgeschwächten Risikoschätzern führt (Olsson et al. 2017).

In SYNERGY hatten ca. 1000 Teilnehmer als Schweißer gearbeitet (Kendzia et al. 2013). Der Berufstitel Schweißer lässt dabei keine zuverlässige Aussage über die Höhe der Exposition zu: Die mittleren Cr(VI)-Konzentrationen können je nach Schweißverfahren um den Faktor 150 schwanken (0,05 g/m3 für Laserschweißen und 7,9 g/m3 für Lichtbogenhandschweißen, Pesch et al. 2015). Wenn nicht nach Schweißverfahren unterschieden werden kann, führt das geometrische Mittel über alle Schweißverfahren von 2,1 g/m3 zu einer nicht-differenziellen Über- bzw. Unterschätzung des tatsächlichen Expositionsniveaus.

Eine genauere Expositionsschätzung für Schweißer erfordert die Erfassung tätigkeitsspezifischer Jobmodule (Behrens et al. 2012). Solche Zusatzmodule wurden nur in einem Teil der SYNERGY-Studien erhoben. Das IPA wertet derzeit Zusatzbögen zur Schätzung des Lungenkrebsrisikos bei einer Exposition gegenüber Cr(VI), Nickel und Schweißrauch in Abhängigkeit vom Schweißverfahren für zwei deutsche Studien aus. Eine Aufteilung des Krebsrisikos auf Einzelstoffe ist zudem schwierig, wenn Stoffe in Stoffgemischen gemeinsam vorkommen: So korrelieren Gesamtchrom und Nickel im Schweißrauch hoch (Weiss et al. 2013), aber auch Cr(VI) und Nickel können eng korrelieren.

Aufgrund der großen Fallzahlen und des bevölkerungsbasierten Designs war es in SYNERGY möglich, Risiken im Niedrigdosisbereich zu schätzen. So betrug die OR für eine kumulative Asbestexposition über 0,5 Faserjahren 1,26 (95 % KI 1,15–1,37). Aufgrund der geringfügig erhöhten Lungenkrebsrisiken (für Asbest OR=1,38; 95 % KI 1,27–1,50 in der höchsten Expositionskategorie >2,8 Faserjahren) und der schwierigen Expositionsquantifizierung von Gefahrstoffen im Niedrigdosisbereich sind Kombinationswirkungen eine besondere Herausforderung, die durch umfangreiche Studien wie SYNERGY adressiert werden können. Bei Unregelmäßigkeiten in Studiendesign oder Expositionsabschätzung steigt allerdings die Unsicherheit der Risikoschätzungen. Dennoch war es in SYNERGY möglich, eine Interaktion von Asbestexposition und Zigarettenrauchen auf einer additiven Skala zu beschreiben: Männliche Raucher ohne Asbestexposition zeigten ein OR von 9,2 (95 % CI 8,13–10,5), das im Falle einer Asbestexposition auf 11,9 (95 % CI 10,5–13,3) anstieg. Bei asbestexponierten männlichen Nie-Rauchern wurde ein 1,3fach höheres OR gegenüber nicht-exponierten Nie-Rauchern beobachtet. Das relative Risiko beim Zusammenwirken übersteigt den erwarteten additiven Effekt (OR=9,2+1,3–1=9,5) um den Wert 2,4 und ist somit Folge des Synergismus dieser beiden Faktoren (relatives Exzess Risiko) (Olsson et al. 2017). Die weitere Auswertung des Zusammenwirkens der beruflichen Karzinogene untereinander und mit dem Rauchen wird derzeit vorangetrieben.

Fazit

Mit SYNERGY wurde eine bedeutende Forschungsplattform geschaffen, um Fragen zur Synkanzerogenese und arbeitsmedizinischen Prävention bei Exposition gegenüber Asbest, Quarzstaub, PAK, Cr(VI) und Nickel zu untersuchen. Lungenkrebsrisiken konnten im Niedrigdosisbereich anhand von Messwerten und unter Kontrolle für das Rauchverhalten untersucht werden (Behrens et al. 2018).

SYNERGY kann empirische Evidenz zur Synkanzerogenese fünf wichtiger Karzinogene für die arbeitsmedizinisch Praxis liefern und ist damit einfachen Bewertungsschemata wie der Summation von Einzelrisiken als Konvention überlegen, auch wenn das Fall-Kontrolldesign keine direkte Aussage über Exzessrisiken erlaubt.

Erkenntnisse aus SYNERGY fokussieren dabei auf präventive berufliche Aspekte. Die quantitative Abschätzung von beruflichen Expositionen ist eine große Herausforderung, da die retrospektive Abschätzung von beruflichen Expositionen Unsicherheiten unterliegt, die eine verlässliche Abschätzung des Risikos von Mischexpositionen erschwert. SYNERGY kann hierbei aufzeigen, wo die Datenlage zur Exposition zukünftig verbessert werden sollte.

Offene Fragen sind die Bewertung der Zeitlichkeit einer Exposition. Dieses betrifft die Abgrenzung echter Mischexpositionen von zeitlich unabhängigen Expositionsszenarien, wenn kumulative Expositionsmaße berechnet werden, die eine konstante Exposition über das gesamte Berufsleben unterstellen. SYNERGY bietet auch hier die Möglichkeit, derartige Abschätzungen des Lungenkrebsrisikos mit den erhobenen Daten zu modellieren.

Interessenskonflikt: Die Autoren erklären keinen Interessenskonflikt.

Die Autoren sind beschäftigt am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität (IPA) und Angestellte der “Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie” (BG RCI), die Mitglied der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ist. Die DGUV ist der Hauptsponsor von SYNERGY. Das IPA ist ein unabhängiges Forschungsinstitut der Ruhr-Universität Bochum. Die Autoren sind unabhängig von der DGUV hinsichtlich Studiendesign, Datenzugang, Verantwortlichkeit für die Datenanalyse und -interpretation und dem Recht zu publizieren. Die Ansichten in diesem Artikel sind die der Autoren und nicht notwendigerweise die des Sponsors.

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Für die Verfasser

Prof. Dr. med. Thomas Behrens, MPH

Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA)

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

behrens@ipa-dguv.de

Fußnoten

Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) (Direktor: Prof. Dr. med. Thomas Brüning)