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1. ASU-Präventionskongress setzt neue Maßstäbe

In seiner Einführung beschrieb Prof. Dr. Kastner, Herdecke, den oft unkritischen Umgang mit der dramatischen Digitalisierung, die die psychische Gesundheit des Menschen in ihrer Dynamik und Komplexität („Dynaxität“) zunehmend beeinträchtigt und Ängste und Ausgeliefertsein erzeugt. Er sah die Zukunft des Menschen in einem erfolgreichen Management von Gesundheit und Vielfalt mit optimierter Leistungserfüllung und unter Berücksichtigung von Demografie und Innovation. Er empfahl eine Emotionalisierung und Motivierung zu Selbstverantwortung und -management und die Schulung von Methoden wider die Selbstausbeutung, um eine Balance auf persönlicher, Organisations- und Gesellschafts-ebene zu finden. „Gesundmacher“ wie Orientierung, Vorherseh- und -sagbarkeit mit Planbarkeit, Transparenz und Sinn seien bedroht, vielmehr neigten wir dazu, immer weniger vorauszusagen und zu planen und „fahren auf Sicht“.

Die Chancen und Risiken der Zukunft für die Wirtschaft waren auch Inhalt der Betrachtungen von Dr. Martin Braun, Fraun-hofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart, aus der Sicht einer digitalisierten „Arbeitswelt 4.0“. Hier steuern sich Aufträge selbst durch cyberphysikalische Systeme, sich selbst organisierende Produktionseinheiten ersetzen vom Menschen vorgeplante Produktionssysteme und die Mitarbeiteranwesenheit folgt individuellen Verfügbarkeitskalendern. Die Rolle des Menschen in der Wirtschaft 4.0 sei abschließend aber noch nicht ge-klärt.

Mit „Präventionskultur“ führte Frau Prof. Dr. Gabriele Elke von der Ruhr-Universität in Bochum einen neuen Zielbegriff für den Arbeitsschutz ein. Ausgehend vom Modell der Kulturebenen nach Schein forderte sie neben der Sicherheits- und Gesundheitskultur eine Verhaltenssteuerung im Arbeitsschutz durch explizite und implizite Regeln und ein nachhaltiges Verhaltens-management, das in der Verbindung die nachhaltige Präventionskultur im Unternehmen schaffen könnte.

Konkret mit der Software-Ergonomie befasste sich Christian Richter von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft in Stuttgart. Auf der Basis der DIN EN ISO 9241 zeigte er Gestaltungsgrundsätze und Dialogprinzipien auf, die auf der Erwartungskonformität des Menschen aufbauen würden. Im Zeitalter der Vielfalt der heute verfügbaren Plattformen und der „digitalen Nomaden“ gebe es weiterhin viel zu tun.

Die Beraterkompetenz an der Schnittstelle Belastung – Beanspruchung beleuchtete Prof. Dr. Jürgen Trimpop von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Er räumte mit einigen Mythen auf, die sich hartnäckig in der psychischen Gefährdungsbeurteilung hielten und forderte für eine gesunde, vitale Organisation Handlungsspielräume, psychi-sche, physische, wirtschaftliche, dynamische und Imagegesundheit mit Chance der regel-mäßigen Zielerreichung. Allgemeine Screening-Methoden zu psychischen Belastungen und Fehlbeanspruchungen sah er in der Hand der Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte gut aufgehoben, in spezifischen Fragen sollten allerdings Arbeitspsychologen und andere Spezialisten hinzugezogen werden.

Mit Haftung und Verantwortung im Arbeitsschutz befasste sich Ass. jur. Michael Behrens von der BG Rohstoffe und Chemische Industrie in Köln. Ausgehend von der Gesamtverantwortung des Unternehmers und der sich daraus ableitenden Linienverantwortung für nachgeordnete Teilbereiche beschrieb er die Formen der Haftung und zeigte an aktuellen Beispielen die Folgen fahrlässigen Handelns auf.

Dr. Dirk Watermann, Leiter der KAN-Geschäftsstelle in St. Augustin sprach über die Auswirkungen des Handelsabkommens TTIP für Arbeitsschutz und die soziale Sicherheit. Sowohl die Stellung der Unfallversicherer als selbstverwaltete, beitragsfinanzierte Körperschaften öffentlichen Rechts, als auch die unterschiedlichen Ansätze in der Normungsphilosophie schürten derzeit Unsicherheit. Damit nicht unterschiedliche Rechtsvorschriften und Normen eines Tages als „nicht tarifäre Handelshemmnisse“ eingestuft werden, bedarf es weiterer intensiver Verhandlungen.

Aus der Praxis der Reisemedizin berichtete Dr. Burkhard Rieke, Düsseldorf. Zwar würden bei der Risikoanalyse Unterkunft, der Weg zur Arbeit, die Baustelle selbst, die sicheren Nachrichtenverbindungen und etwaige stationäre Behandlungsmöglichkeiten meist geprüft, doch blieben die sich aus Langzeitaufenthalten zwangsläufig ergebenden persönlichen Risiken des Gastlandes auf der Strecke. Er lenkte dabei den Fokus auf Freizeitaktivitäten mit Einheimischen, die einer verstärkten Aufmerksam-keit bedürften.

In einer Podiumsdiskussion mit Dr. Ulrike Hein-Rusinek, Leitende Betriebsärztin der REWE-Group, Prof. Dr.-Ing. Rainer von Kiparski, Vorsitzender des Verbandes für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit (VDSI), Dr. med. Matthias Kluckert, Leiter des Ausschusses Arbeitsmedizin der DGUV, Prof. Dr. med. Monika Rieger, Direktorin des Instituts für Arbeitsmedizin und Versorgungsforschung in Tübingen, Dr. med. Annegret Schöller, Leiterin der Abt. Arbeitsmedizin der Bundesärztekammer und Dr. med. Stephan Schlosser, stv. Vorsitzender des Verbandes der deutschen Betriebs- und Werksärzte, diskutierten die Gäste mit Moderator Dr. med. Hanns Wildgans, München, über die aktuellen Entwicklungen bei Vorsorge und Eignung. Überein-stimmend stellten sie fest, mit dem Haupt-augenmerk auf dem Beratungsaspekt des Arz-tes und einer Auswahl der Untersuchungsbestandteile mit verstärktem ärztlichem Sach-verstand könnten die Ärzte dem Vorsorgeanspruch individueller gerecht werden, als dies früher der Fall war. Zusätzliche AMR als Ausführungsbestimmungen erachteten die Teilnehmer nicht als zielführend, forderten jedoch zunehmende Forschungsprojekte, besonders im Gefahrstoffbereich, und eine konsequente Leitlinienarbeit, um mittelfristig die in die Jahre gekommenen G-Grundsätze zu überprüfen und zu aktualisieren. Hierfür schien eine Förderung der Unfallversicherungsträger ebenso erforderlich, wie der wissenschaftliche „Blick über den Zaun“ zu den europäischen Nach-barn und in die USA. Leider stünden den arbeitsmedizinischen Instituten derzeit dafür keine ausreichenden Mittel zur Verfügung. Die AMR 6.4 „Mitteilungen an den Arbeitgeber“ biete auch genügend rechtlichen Rahmen, trotz Datenschutz und Schweige-pflicht im Unternehmen auf Sicherheits-defizite hinzuweisen. Mit Blick auf die der-zeit in zahllosen Gesetzen und Verordnungen enthaltene Forderung nach „Eignungsuntersuchungen“ sahen die Teilnehmer durchaus noch Handlungsbedarf bei der Eignungsdefinition.

In den beiden abschließenden Vorträgen befassten sich Prof. Dr. rer. nat. Thomas Gebel von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund und Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Hermann Bolt vom Leib-niz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund mit dem aktuellen Stand der tech-nischen und medizinischen Erkenntnisse der Nanotechnologie. Zwar könnten freie partikuläre Nanomaterialien als A-Staub tief in die Lunge eindringen, ihre Tendenz zur Verklumpung würde jedoch größeren Schaden verhindern. Eine systemische Toxizität konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Faserartige, biobeständige Nanomaterialien würden – wie herkömmliche Fasern – von alveolären Makrophagen angegriffen, und können wegen ihrer Biobeständigkeit kanzerogen wirken. Technische und persönliche Maßnahmen zur Minderung der Staubexposition stehen daher im Vordergrund. Mit einem Ausblick auf medikamentös be-schichtete Kohlenstoff-Nano-Röhrchen in der Medizin, die noch nicht ausreichend untersucht seinen, schloss Prof. Dr. Dr. Bolt die Tagung.

Insbesondere die neuen Erlebnisformate der Tagung wie der ASU-Ideentreff, bei dem alle Teilnehmer an drei großen Postern zu „Gesundem Führen“, „Sozial Media im Arbeitsschutz“ und zur Stärkung des „Resilienzgedankens“ ihre persönlichen Ansichten einbringen konnten und der Öffnung der Podiumsdiskussion zu Vorsorge und Eignung für eigene Beiträge begeisterten die Teilnehmer.

Wie die visuellen Protokolle des ASU-Ideentreffs in Echtzeit erstellt wurden, zeigt ein kurzer Film. Die Protokolle können auch im Internet heruntergeladen werden (s. „Weitere Infos“).

Es geht weiter!

Wegen des tollen Erfolges wird es in 2016 einen 2. ASU-Präventionskongress geben. Geplant sind Donnerstag, der 16.06. und Freitag, der 17.06.2016 wiederum in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen. Thematisch wird sich der Kongress erneut mit aktuellen Themen betrieblicher Präventionsarbeit auseinandersetzen und dabei neue Lernformate anbieten.

    Weitere Infos

    Entstehen der visuellen Protokolle des ASU-Ideentreffs

    https://www.youtube.com/watch?v=8OgmUy8PH80&feature=youtu.be

    Visuelles Protokoll "Resilienz"

    goo.gl/04fV3N

    Visuelles Protokoll "Gesundes Führen"

    goo.gl/ceXC0e

    Visuelles Protokoll "Social Media"

    goo.gl/l9CLLI