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VORSCHAU ASU 06/2017

Telemedizin und Telemaktik

Die  große  Mehrheit  der  Ärztinnen und Ärzte  gehe  davon  aus, dass  sowohl  die  Telematik  als  auch die  Telemedizin  im  Gesundheitswesen  generell  an  Bedeutung  gewinnen  werden und die Versorgungslandschaft in Deutschland im großem Ausmaß prägen werde,  schreibt Chefredakteurin Dr. Annegret Schoeller im Editorial. Die Digitalisierung der Arbeitswelt sei die Grundlage und der Motor für das Bestreben, telemedizinische Strukturen aufzubauen. Im kurativen und mittlerweile auch im präventivmedizinischen Bereich würden bereits heute zahlreiche telemedizinische Versorgungskonzepte geschaffen, ganz abgesehen von Gesundheits-Apps in der Prävention. Das Heft möchte die Frage beantworten, welche Chancen und Risiken bestehen.

In einzelnen medizinischen Fachdisziplinen ist die Telemedizin bereits fester Bestandteil des ärztlichen Leistungsangebotes, so Prof. Stephan Letzel vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Mainz. In anderen medizinischen Bereichen, wie z.B. der Arbeitsmedizin, ist die Telemedizin noch nicht weit verbreitet. Bei der betriebsärztlichen Betreuung der ca. 43 Millionen Beschäftigten in Deutschland – insbesondere in kleinen und mittelgroßen Unternehmen ohne eigene betriebsärztliche Einrichtungen – könnten telemedizinische Verfahren jedoch in Ergänzung zu dem bereits bestehenden arbeitsmedizinischen Angebot einen wesentlichen Beitrag zur betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung leisten.

Einleitend werden von Annegret Schoeller berufsrechtliche Gesichtspunkte der Telematik in der Prävention dargestellt. Hier sind allgemeine berufsrechtliche und auch berufspolitische Prinzipien und Regelungen einzuhalten, was bei der Einführung bzw. Anwendung telemedizinischer Verfahren in der Arbeitsmedizin und Präventivmedizin ebenso beachtet werden muss.

Nach §7 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung ist den in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzten eine ausschließliche ärztliche Fernbehandlung untersagt. Oliver Erens stellt hierzu unter dem Titel „Paradigmenwechsel in der ärztlichen Behandlung: Grünes Licht für die Telemedizin“ ein Modellprojekt der Landesärztekammer Baden-Württemberg vor, in dem nach der landesspezifischen Berufsordnung im Rahmen der Telemedizin die Fernbehandlung ermöglicht wird.

Praktische Erfahrungen zur Anwendung telemedizinischer Verfahren liegen aus der Berufsdermatologie sowie bei der Mitbetreuung von Arbeitsunfällen und Notfallsituationen im Rahmen beruflichen Reisen vor. Wobbeke Weistenhöfer und Hans Drexler stellen die teledermatologischen Anwendungen und die damit verbundenen Chancen für die Arbeitsmedizin dar.

Stefan Esser und Eva-Christine Dahlke berichten darüber, dass telemedizinische Assistance bei Arbeitsunfällen und anderen medizinischen Notfällen von beruflich Reisenden im Ausland ein wichtiges Versorgungstool darstellt und wie hierdurch die Betreuung der Mitarbeiter im Ausland wesentlich unterstützt werden kann.
Jens Petersen geht der Frage nach, ob Telemedizin die betriebsärztliche Versorgung von Beschäftigten in der Zeitarbeit verbessern kann. Er kommt zu dem Fazit, dass Telemedizin bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung, bei Arbeitsplatzbegehungen, bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie bei der Beratung von Arbeitgebern und Beschäftigten eine unterstützende Rolle spielen kann.

Telearbeit und damit auch telemedizinische Leistungen können sowohl vom Arbeitsplatz im Unternehmen als auch von einem Telearbeitsplatz zu Hause erbracht werden. Bei der Arbeit im Homeoffice müssen auch Gesichtspunkte des Versicherungsschutzes bedacht werden. Reinhard Holtstraeter rät in seinem Beitrag jedem Versicherten, der in seinem häuslichen Umfeld verunglückt, eine Unfallanzeige zu erstatten und sich vorsorglich beim Durchgangsarzt vorzustellen. Dies gelte auch bei nur gelegentlicher oder einmaliger Arbeit in häuslicher Umgebung.

Die Lehre bzw. Ausbildung im Medizinstudium ist in manchen Bereichen noch relativ konservativ ausgerichtet. Neue digitale medizinische Anwendungsverfahren werden den Studierenden im Unterricht nur punktuell vermittelt. Besonders anerkennenswert ist daher der Ansatz von Sebastian Kuhn, der in seinem Beitrag darstellt, was das digitale Zeitalter für das Medizinstudium bedeutet und zudem Vorschläge unterbreitet, wie das Studium an die digitalen Möglichkeiten adaptiert werden kann.

Im Wissenschaftsteil thematisiert Urs-Vito Albrecht zusammen mit Ute von Jan die Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps in der Prävention. Da das Angebot an Gesundheits-Apps in allen Bereichen der Medizin und verwandter Sachgebiete rasant zunimmt, ist es Ziel dieses wissenschaftlichen Beitrages, den Lesern Informationen und Hilfestellungen zu geben, wenn es um die Planung und Anwendung von App-unterstützen Präventionsmaßnahmen geht.

Sabine Sedlaczek hat eine onlinebasierte Befragung unter Betriebsärzten durchgeführt, um den Stellenwert und die Perspektiven der Telemedizin in der Arbeitsmedizin zu eruieren. Insgesamt haben 190 Kolleginnen und Kollegen an der Befragung teilgenommen. Die Ergebnisse zeigen, dass der Telemedizin in der Arbeitsmedizin eine zunehmende Bedeutung vorausgesagt wird.

Klaus Schöne stellt zusammen mit seinen Koautoren die Möglichkeiten einer Online-Analyse als Einstieg in die Gefährdungsbeurteilung an staatlichen Schulen in Rheinland-Pfalz vor. Mit Blick auf die beschränkten Ressourcen im schulischen Umfeld stellt das entwickelte Onlinetool einen praktikablen, effizienten und zukunftsorientierten Zugang in ein schulisches Risiko- und Gesundheitsmanagement dar.

Bei der Zunahme psychischer Diagnosen in unserer Gesellschaft und dem häufig damit verbundenen vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sind adäquate und frühzeitige Behandlungsangebote von entscheidender Bedeutung. Rüdiger Zwerenz stellt zusammen mit Manfred Beutel die Ansätze und Erfahrungen von Online-Interventionen zur Behandlung psychischer Erkrankungen vor. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Online-Interventionen für psychisch kranke Menschen eine wichtige Ergänzung und eine Bereicherung in der Versorgung darstellen, diese aber keinen Ersatz für reguläre Behandlungen sein können. Insbesondere wird darauf hingewiesen, das schwere psychische Erkrankungen die Expertise von Psychotherapeuten und den persönlichen Kontakt erfordern.