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Die Rolle des Betriebsarztes

Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter

Die verschiedenen Formen der Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen

Für die Entwöhnung Abhängigkeitserkrankter können Rehabilitationsleistungen unter Berücksichtigung der Schwere der Erkrankung und des sozialen Umfelds in unterschiedlicher Form erbracht werden.

Ambulante Rehabilitation Abhängigkeitskranker

Die ambulante Rehabilitation Abhängigkeitskranker, die in der Regel wohnortnah in ambulanten Fachstellen oder Kliniken durchgeführt wird, ist die Behandlungsform, in der ein großer Anteil von Erwerbstätigen zu finden ist. Die Behandlung erfolgt für 12 bzw. 20 Wochen ganztägig ambulant oder ambulant neben dem Beruf durch Bewilligung von 40 + 4 Therapieeinheiten über einen Zeitraum von sechs Monaten.

Stationäre Behandlung

Aufgrund der häufig sehr langen Krankheitsverläufe, die eine umfassende verhaltenstherapeutische Behandlung erfordern, ist die stationäre Rehabilitation in den meisten Fällen geboten. Die Behandlungszeiten variieren hier zwischen 15 Wochen bei Alkoholabhängigkeit und 26 Wochen bei illegalen Drogen.

Adaptionsbehandlung

Bei arbeitslosen Rehabilitanden kann eine Adaptionsbehandlung von bis zu 12 Wochen als letzte Phase einer stationären Rehabilitation erforderlich sein. Sie wird in speziellen Adaptionseinrichtungen und Abteilungen durchgeführt und soll den Rehabilitanden, die ihre sozialen Bezüge, wie Arbeit, Wohnung und Bekanntenkreis weitgehend neu aufbauen müssen, die nötigen Fähigkeiten vermitteln. Dort erproben sie die Schritte, die nötig sind, um sich drogenfrei am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen.

Nachsorge im Anschluss an die Rehabilitation Abhängigkeitskranker

Nach einer abgeschlossenen Entwöhnung kommen neben der Selbsthilfe Nachsorgeangebote der Rentenversicherung in Betracht, um den Erfolg der medizinischen Rehabilitation zu sichern. Die alltagbegleitenden Gespräche unterstützen Abhängigkeitskranke beim Transfer der in der Rehabilitation erarbeiteten Vorhaben und Vorsätze, die auch die Erwerbstätigkeit betreffen.

Unterstützung durch die Betriebsärzte

Sowohl beim Zugang in eine Entwöhnungsbehandlung als auch bei der Rückkehr in den Arbeitsprozess können Betriebs- und Werksärzte wesentlich zum Erfolg der Behandlung beitragen.

Im Folgenden wird dargestellt, welche berufsbezogenen Schwerpunkte in der Entwöhnungsbehandlung gesetzt werden, um die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen.

Berufliche Orientierung der Rehabilitation: die Besonderheiten in der Suchtbehandlung

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) fordert generell für alle Indikationsbereiche eine Weiterentwicklung der Konzepte von Rehabilitationseinrichtungen an, um den Grundsatz der beruflichen Orientierung zu stärken und ihre Wirksamkeit zu steigern und unterstützt diese Entwicklung (s. „Weitere Infos“: Deutsche Rentenversicherung 2015; Bethge et al. 2010). Das von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Vertretern der Suchtfachverbände und Vertretern der DRV erarbeitete Konzept der „Beruflichen Orientierung in der Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter“ (BORA) trägt den Besonderheiten der Entwöhnungsbehandlung Rechnung (s. „Weitere Infos“: Deutsche Rentenversicherung 2014; Buschmann 2014; Peters u. Fischer 2015).

Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass

  • besondere erwerbsbezogene Problemlagen im Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen zum Regelfall gehören,
  • erwerbsbezogene Leistungen während der längeren Behandlungszeiten von bis zu 16 Wochen bei Alkohol und bis zu 26 Wochen bei illegalen Drogen einen deutlich höheren zeitlichen und inhaltlichen Umfang aufweisen als in anderen Indikationsbereichen und
  • die Adaption als mögliche letzte stationäre Phase der Rehabilitation im Bereich der Abhängigkeitserkrankungen die Möglichkeit anbietet, die berufliche (Re-)Integration der Rehabilitanden zu unterstützen.

Die Arbeitsorientierung hat bei Entwöhnungsbehandlungen bereits bisher einen erheblichen Stellenwert in den Therapiekonzepten der Reha-Einrichtungen eingenommen. Schon lange wurde die Arbeit als ein stabilisierender Faktor für den Reha-Erfolg bei Abhängigkeitserkrankten anerkannt. Arbeit hat sich daher traditionell im Leistungsgeschehen von Rehabilitationskliniken niedergeschlagen. Die Kliniken halten hierfür z. B. Holz- und Metallwerkstätten vor, in denen die Rehabilitanden im Rahmen der Arbeitstherapie unter Anleitung von Ergotherapeuten tätig sind.

Die im neuen Konzept BORA dargestellte weitere Stärkung der beruflichen Orientierung erfolgt nunmehr über die interne Arbeitstherapie hinaus durch eine stärkere Außenorientierung, z. B. durch eine intensive Vorbereitung und Planung der Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz oder der Suche nach einer neuen beruflichen Tätigkeit. Alles wird unternommen, damit eine berufliche Tätigkeit oder Teilhabe am Erwerbsleben im Sinne der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) realisiert wird.

Orientierung der therapeutischen Angebote an den einzelnen Zielgruppen

Grundsätzlich lassen sich als Zielgruppen zunächst Rehabilitanden, die über einen Arbeitsplatz verfügen, von solchen, die arbeitslos sind, unterscheiden:

Für Rehabilitanden mit Arbeit geht es im Rahmen der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker vorrangig darum, den Arbeitsplatz zu erhalten, bestehende Probleme am Arbeitsplatz zu erkennen, aufzugreifen und entsprechende berufsbezogene Ressourcen zu stärken sowie die berufliche Wiedereingliederung zu unterstützen. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise die Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber von Bedeutung.

Bei arbeitslosen Rehabilitanden stehen hingegen beispielsweise die Entwicklung einer erwerbsbezogenen Perspektive, das Training von grundlegenden und spezifischen Fertigkeiten des Erwerbslebens sowie die Planung konkreter Schritte zur Förderung der beruflichen Teilhabe im Anschluss an die Rehabilitation im Vordergrund. Um die Zielsetzung der beruflichen (Re-)Integration zu erreichen, ist gerade bei arbeitslosen Rehabilitanden auch eine frühzeitige und enge Kooperation mit Partnern aus angrenzenden Leistungssektoren erforderlich (zum Beispiel Agenturen für Arbeit, Jobcenter), deren Aufgabenstellungen und Handlungsstrategien auf der beruflichen Wiedereingliederung liegen.

Individuelle Therapieplanung/Entwicklung von Therapiezielen

Für jeden Rehabilitanden sind eine individuelle Therapieplanung und die Entwicklung individueller Therapieziele erforderlich. Bei der klinikinternen Therapieplanung soll die Festlegung der therapeutischen Leistungen unter Berücksichtigung der psychischen, psychomentalen und somatischen Teilhabehindernisse des Rehabilitanden erfolgen (z. B. Einzelpsychotherapie, Gruppenpsychotherapie, indikative Angebote wie soziales Kompetenztraining, Stressbewältigung, Achtsamkeitstraining und Freizeitplanung).

Mögliche therapeutischen Angebote und Leistungsinhalte

Der Stellenwert der erwerbsbezogenen Behandlungsanteile in allen Phasen der medizinischen Rehabilitation darf nicht nachrangig sein, sondern ist – genauso wie die Behandlung von suchtbedingten gesundheitlichen Störungen – von zentraler Bedeutung. Folgende Angebote kommen in Betracht:

  • Problembewältigung am Arbeitsplatz:

Spezifische Risikofaktoren erkennen und bearbeiten, Festlegen von Verhaltensstrategien zur Sicherung des Arbeitsplatzes, Autoritätskonflikte, Über-/Unterforderung, Verfügbarkeit von Suchtstoffen, Selbstunsicherheit, Arbeitszufriedenheit/Perspektiven, Teamfähigkeit/Kommunikation, Kritikfähigkeit, Stressbewältigung.

  • Motivierung zur Wiederaufnahme einer Arbeit, Umgang mit Ängsten:

Psychotherapeutische Motivierungsarbeit in der Gruppe, Psychoedukation, spezieller Umgang mit Gefühlsregungen wie Ängsten.

  • Gespräche mit Vertretern des Arbeitgebers, dem Betriebsarzt oder den Reha-Fachberatern während der Rehabilitation:

Rückkehrgespräche mit dem Arbeitgeber/der betrieblichen Suchtkrankenhilfe, Information über die Suchterkrankung für den Arbeitgeber, Konflikt Monitoring, Vorbereitung der beruflichen Wiedereingliederung und Erstellung eines Wiedereingliederungsplans, Weiterbildungsberatung, falls erforderlich, Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

  • Einbindung des Betriebsarztes:

Nicht nur bei Maßnahmen, die mit Unterstützung des Betriebsarztes initiiert wurden, ist die Kontaktaufnahme zum Betriebsarzt sinnvoll. Generell ist ein Kontakt zwischen Klinik und Betriebsarzt wünschenswert.

  • Interne Belastungserprobung:

In der internen Belastungserprobung erfolgt durch die Simulation und Erprobung verschiedener Tätigkeitsbereiche und den Einsatz von praktisch orientierten Diagnose- und Testverfahren in der Klinik eine Einschätzung und Überprüfung von psychischen oder berufsbezogenen Fähigkeiten. Sie dient ferner dazu, nach länger andauernder und schwerer Erkrankung unter fachlicher Begleitung in einem zunächst noch geschützten Rahmen realistische Arbeitsbedingungen zu simulieren und auf diese Weise den Übergang in eine Berufstätigkeit oder weiterführende Maßnahme zu erleichtern.

Ein weiteres Ziel ist die Überprüfung von bisherigen Behandlungserfolgen und von neu erworbenen sozialen Kompetenzen, Ermittlung von Leistungsbereitschaft und sozialer Anpassungsfähigkeit, realitätsnahe Konfliktbewältigung, Überprüfung und Anerkennung der berufsspezifischen Kompetenzen und Ressourcen, Erfassung der beruflichen Eingliederungschancen.

  • Externe Belastungserprobung (auch am bisherigen Arbeitsplatz):

Hier erfolgt die realitätsnahe Überprüfung des körperlichen, geistigen und seelischen Leistungsvermögens in Form betrieblicher Praktika zur Überprüfung von Arbeitsverhalten und -leistung unter realen Bedingungen, die Überprüfung der Dauerbelastbarkeit unter Mehrfachanforderungen zur Entwicklung konkreter Hilfestellungen zum Umgang mit Einschränkungen am Arbeitsplatz bis hin zur stufenweisen Aufnahme eines noch bestehenden Arbeitsvertrags

Alternativ ist die Erprobung neuer Arbeitsbereiche möglich.

  • PC-Schulungskurse:

Qualifizierungsleistungen zum Erwerb von Grund- und Fortgeschrittenenkenntnissen, Überwindung von Schwellenangst (Einsteiger/Rückkehrer), Vermittlung von Kenntnissen zur Internetnutzung im Hinblick auf Stellensuche und Bewerbung.

  • Umgang mit Arbeitslosigkeit/Bewerbungstraining:

Auseinandersetzung mit dem Problembereich Arbeitslosigkeit, Überprüfung der Veränderungsmotivation, Vermittlung von Bewerbungsmethoden, Erstellen einer Bewerbungsmappe, Stellenangebotsanalyse, Vorbereitung auf Bewerbungsgespräch zum Beispiel im Rollenspiel, Realisierung einer Bewerbung, Arbeitssuche und -vermittlung.

  • Sozialberatung:

Sozialrechtliche Beratung, Beratung zur Teilhabe am Arbeitsleben, Abklärung beruflicher und persönlicher Qualifikationen und Perspektiven, Nachsorgeeinleitung.

Kooperation / Vernetzung / übergreifende Zusammenarbeit

Die mit den Leistungen zur Teilhabe angestrebte dauerhafte berufliche (Re-)Integration abhängigkeitskranker Menschen erfordert ein frühzeitiges, schnittstellenübergreifendes und vernetztes Handeln aller beteiligten Kooperationspartner, um beispielsweise berufliche Hintergründe der Rehabilitanden zu klären, Anpassungen am (bisherigen oder künftigen) Arbeitsplatz anzustoßen oder Informationen über den Rehabilitationsverlauf und das Rehabilitationsergebnis zeitnah an relevante Kooperationspartner – unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Regelungen – weiterzugeben.

Eine frühzeitige und koordinierte Zusammenarbeit wird geprägt durch die Herstellung und Pflege der erforderlichen Kontakte, z. B. mit dem Betriebsarzt, sowie gute Kommunikationsstrukturen mit kurzen Informationswegen. Hierfür sind eine ausreichende Motivation und der Kooperationswille aller Beteiligten erforderlich.

Die Rolle des Betriebsarztes im Rehabilitationsverfahren

Direkter Zugang zur Suchtrehabilitation über den Betriebsarzt

Die DRV Nord und der Verband der Betriebs- und Werkärzte haben für die Region Nord eine Vereinbarung getroffen, die die Zusammenarbeit erleichtert und die Rolle des Betriebsarztes als Initiator für medizinische Rehabilitation stärkt. Das Verfahren, das eine direkte Veranlassung von Rehabilitationsmaßnahmen durch den Betriebsarzt vorsieht, kann auch für die Behandlung von Abhängigkeitserkrankten eingesetzt werden. Die für die Praxis erforderlichen Informationen sind auf der Homepage der DRV Nord zu finden (s. „Weitere Infos).

Unterstützung des Übergangs aus der Klinik in den Betrieb

Mit dem Konzept „Berufliche Orientierung in der Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter“ (BORA) sind die Rehakliniken aufgefordert, gemeinsam mit dem Rehabilitanden die Übergänge aus der Rehabilitationsmaßnahme in den Alltag der Menschen vorzubereiten und umzusetzen.

Für Rehabilitanden, die über einen Arbeitsplatz verfügen, kann der Betriebsarzt als Mittler zwischen der Rehaklinik und dem Betrieb eine wichtige Rolle einnehmen und die Beschäftigten bei der Übertragung der in der Therapie erlernten Strategien in den Alltag unterstützen.

Hierfür ist eine gute Kenntnis der in der Rehabilitation eingesetzten Methoden und der damit erarbeiteten Ziele eine wichtige Grundlage, um, ggf. auch gemeinsam mit den betrieblichen Suchtkrankenhelfern, dazu beitragen, die Verknüpfung mit der Arbeitswelt des Betriebes zu unterstützen und durch stabile Alltagsstrukturen den langfristigen Reha-Erfolg zu sichern.

Literatur

Bethge M, Herbold D, Trowitzsch L, Jacobi C: Berufliche Wiedereingliederung nach einer medizinisch-beruflich orientierten orthopädischen Rehabilitation. Die Rehabilitation 2010; 49: 2–12.

Buschmann H: Medizinisch-berufliche Aspekte und sozialmedizinische Leistungsbeurteilung als interdisziplinäre Aufgabenstellung in der Suchtbehandlung. SuchtAktuell 2014; 1: 44–50.

Peters A, Fischer T: Stationäre Entwöhnungsbehandlung für Menschen mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) – ein Bericht aus der Praxis. In: DRV Bund (Hrsg.): Psychische Störungen – Herausforderungen für Prävention und Rehabilitation. Berlin: DRV Bund, Eigenverlag, 2015, S. 52–53.

    Weitere Infos

    Deutsche Rentenversicherung: Empfehlungen zur Stärkung des Erwerbsbezugs in der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker vom 14. November 2014

    www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/3_Infos_fuer_Experten/01_sozialmedizin_forschung/downloads/konzepte_systemfragen/konzepte/gemeinsame_empfehlung_BORA_2014.pdf?__blob=publicationFile&v=3

    Deutsche Rentenversicherung: Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation: das Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. Stand 2015

    www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/207024/publicationFile/50641/mbor_datei.pdf

    Deutsch Rentenversicherung Nord (Pfad: Infos für Experten Sozialmedizin & Forschung Sozialmedizin Fachinformationen Rehabilitation Informationen für Betriebsärzte)

    www.Deutsche-Rentenversicherung-Nord.de

    Für die Autoren

    Steffen Dannenberg

    Deutsche Rentenversicherung Nord

    Stabsstelle Reha-Strategie und Steuerung

    Ziegelstraße 150

    23556 Lübeck

    Steffen.Dannenberg@DRV-Nord.de

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