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Einführung

Gesundheitsschutz im Gesundheitswesen

Das Gesundheitswesen ist ein dynamischer Wirtschaftszweig mit einem rasanten Wachstum. Neue medizinische Errungenschaften tragen zur Steigerung der Lebenserwartung bei, erhöhen aber auch die Gesundheitskosten. Personalabbau scheint manchen ein probates Mittel zu sein, um Kosten einzusparen. Die Auswirkungen auf die Arbeitssituation im Gesundheitswesen sind dabei allerdings differenziert zu betrachten.

Die Anzahl der durch Gewalt verursachten Arbeitsunfälle ist auffällig, wie die Analyse der Unfalldaten in dem Beitrag von Dana Wendeler und Albert Nienhaus zeigt. Ob Gewalt gegenüber Beschäftigten zugenommen hat oder ob diesem Phänomen nun mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, lässt sich anhand fehlender Vergleichszahlen nicht sagen.

Technischer Fortschritt hat die Einführung sicherer Instrumente zur Vermeidung von Nadelstichverletzungen (NSV) und der Übertragung von blutbedingten Viruserkrankungen ermöglicht. Die Entwicklung der direkt agierenden Agenzien (DAA) ermöglicht eine effektive und nebenwirkungsarme Therapie der chronischen Hepatitis C. Das Gesundheitsrisiko für Beschäftigte im Gesundheitswesen ist dadurch verringert worden, wie im Beitrag zu Hepatitis-C-Virus-Infektionen von Albert Nienhaus dargelegt wird. Trotz sicherer Instrumente bleiben NSV die häufigste Unfallursache im Gesundheitswesen.

Die Arbeit in der Radiologie gilt bei Einhaltung der Strahlenschutzmaßnahmen als sicher. Das Kinderregister des Universitätsklinikums Mainz verzeichnet dennoch eine erhöhte Rate an Fehlbildungen bei Kindern von Müttern, die im Kontrollbereich arbeiten. Awi Wiesel und Kollegen beschreiben daher das Kinderregister und legen die Notwendigkeit für eine detaillierte Untersuchung möglicher teratogener Schädigungen bei Kindern von Müttern, die in der Radiologie arbeiten, dar. Die Durchführung dieser Studie wurde mittlerweile durch eine Förderung der BGW sichergestellt; die Ergebnisse können mit Spannung erwartet werden.

Gewaltsame Übergriffe, aber auch andere kritische Ereignisse oder Unfälle können zu psychischen Beanspruchungen bis hin zum posttraumatischen Belastungssyndrom führen. Um den Betroffenen eine entsprechende Unterstützung zu ermöglichen, wurde das Psychotherapeutenverfahren von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung entwickelt. Wie in dem Beitrag von Claudia Drechsel-Schlund und Kollegen ausgeführt, wird Betroffenen auf eine unbürokratische Weise eine psychotherapeutische Unterstützung in Form von probatorischen Sitzungen angeboten.

Um die psychischen Beanspruchungen nach kritischen Ereignissen möglichst früh zu verringern, wurde ein Konzept zur Ausbildung kollegialer Erstbetreuer entwickelt. Kollegiale Erstbetreuer sollen verhindern, dass sich Betroffene nach kritischen Ereignissen allein gelassen fühlen und sie sollen, falls notwendig, die entsprechende Versorgung in die Wege leiten. Laut der Studie von Claudia Vaupel und Kollegen, die im wissenschaftlichen Teil vorgestellt wird, scheint es möglich zu sein, Erstbetreuer für diese Aufgabe vorzubereiten.

Wo die Medizin an ihre Grenzen stößt, ist die palliative Versorgung gefragt. Mit dem Ausbau von spezialisierten Palliativeinrichtungen wurde den besonderen Anforderungen der Sterbebegleitung Rechnung getragen. Hier arbeiten speziell ausgebildete Pflegekräfte und der Personalschlüssel ist günstiger als in den anderen Pflegeeinrichtungen. Trotz der Konfrontation mit Leid und Tod sind die Palliativkräfte mit ihrer Arbeit zufrieden, wie Elisabeth Diehl und Kollegen in ihrer Studie aus Rheinland-Pfalz feststellten. Allerdings ist das System fragil. Wenn zu viele sterbende Patienten betreut werden, steigen die psychischen Beanspruchungen. Die im Vergleich zur Pflege relativ günstigen Angaben zu Belastungen und Beanspruchungen in der spezialisierten Palliativpflege sprechen möglicherweise dafür, dass der Personalschlüssel in der nichtpalliativen Pflege zu gering ist.

Die Novellierung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge hatte zum Ziel, Vorsorge von Eignungsuntersuchungen zu trennen. Die informationelle Selbstbestimmung und das Verhältnis zwischen Beschäftigten und Betriebsärzten sollten dadurch verbessert werden. Diese Novelle hat zu teilweise heftigen Diskussionen geführt, da befürchtet wurde, dass die Selbst- und Fremdgefährdung erhöht wird, wenn im Rahmen der Vorsorge Beschäftigte das Recht haben, Untersuchungen abzulehnen. Zwei Jahre nach der Novelle haben Johanna Stranzinger und Kollegen daher Betriebsärzte zur Umsetzung der neuen ArbMedVV befragt. Danach werden nun Vorsorge und Eignungsuntersuchung getrennt, und Beschäftigte lehnen nur selten Untersuchungen im Rahmen der Vorsorge ab.

Die stärkere Sensibilisierung für psychische Belastungen in der Arbeitswelt hat auch dazu geführt, dass das Führungsverhalten in Bezug auf die Mitarbeitergesundheit vermehrt wissenschaftlich untersucht wird. Grundsätzlich sind sich alle einig, dass Führungsstile die Gesundheit von Mitarbeitern fördern oder belasten können. Aber wie misst man Führungsstile, insbesondere in Hinblick auf die Mitarbeitergesundheit? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Beitrag von Sylvie Vincent-Höper und Kollegen. Die Weiterentwicklung dieses Themenfelds wird neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Mitarbeitergesundheit eröffnen.

Schon heute bereitet es den Unternehmen Probleme, Stellen in der Pflege zu besetzen. Deshalb werden vermehrt Pflegekräfte im Ausland angeworben oder Migranten, die bereits in Deutschland sind, zu Pflegekräften ausgebildet. Der Anteil der Pflegekräfte mit Migrationshintergrund wird daher steigen. Von den Arbeitsmigranten der Boomjahre nach dem zweiten Weltkrieg sind viele in Deutschland geblieben. Einige von ihnen sind mittlerweile pflegebedürftig. Deshalb stellt sich die Frage nach der interkulturellen Öffnung der Pflege nicht nur vonseiten der Pflegenden, sondern auch vonseiten der zu Pflegenden. Diesem Aspekt wurde bisher aber wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Ein Forschungsschwerpunkt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf soll dies ändern. In diesem Zusammenhang ist das von Benjamin Schilgen und Kollegen vorgestellte Literaturreview zur Arbeitssituation von Migranten in der Pflege entstanden. Es ist wenig überraschend, dass die meisten Studien zu diesem Thema aus Ländern mit einer längeren Migrationsgeschichte, wie z. B. den USA, stammen.

Insgesamt ist es in dieser Ausgabe gelungen zu zeigen, dass das Arbeiten im Gesundheitswesen nicht nur von demografischem Wandel, Pflegenotstand und knapper werdenden Ressourcen bestimmt ist, sondern auch durch Fortschritte im Arbeitsschutz und durch neue innovative Konzepte zur Verbesserung der Arbeitsmedizin und des Gesundheitsschutzes.

    Autor

    Prof. Dr. med. Albert Nienhaus

    Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

    Competenzzentrum Epidemiologie und Versorvgungsforschung bei Pflegeberufen (CVcare)

    Martinistraße 52

    20246 Hamburg

    albert.nienhaus@bgw-online.de