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Schweiß- bzw. Metallrauch am Arbeitsplatz, Pneumonie und invasive Pneumokokkeninfektion

Schweiß- bzw. Metallrauch am Arbeitsplatz, Pneumonie und invasive PneumokokkeninfektionDer Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankungsrisiko spricht für Pneumokokkenimpfung

Schweiß- bzw. Metallrauchexposition am Arbeitsplatz kann Ursache für ein erhöhtes Risiko für Pneumonien sowie invasive Pneumokokkeninfektionen sein. Seit 2016 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) die Pneumokokkenimpfung bei beruflich Exponierten. Diese Übersichtsarbeit legt den Zusammenhang zwischen einer beruflichen Schweißrauchexposition und einem erhöhten Risiko für Pneumonien und invasive Pneumokokkeninfektionen dar. Der Fokus liegt dabei auf tierexperimentellen Untersuchungen zur Infektabwehr nach Schweißrauchexposition sowie epidemiologischen Studien zum Vergleich von beruflich Exponierten und nicht Exponierten. Die Evidenz spricht für Prävention mittels Pneumokokkenimpfung bei beruflich mit Schweiß- bzw. Metallrauch exponierten Personen. Für die Ableitung einer möglichen Berufskrankheit liefert die wissenschaftliche Literatur jedoch unzureichende Informationen.

Schlüsselwörter: Schweiß-/Metallrauch – Pneumonie – invasive Pneumokokkeninfektion – Immunabwehr – Prävention

Welding or metal fumes at work, pneumonia and invasive pneumococcal diseaseThe association between exposure and disease risk argues for immunization against pneumococci

Exposure to welding or metal fumes at work may cause an increased risk of pneumonia or invasive pneumococcal disease. Since 2016, the German Standing Committee on Vaccination (STIKO) at the Robert Koch Institute (RKI) has recommended vaccination against pneumococci for occupationally exposed groups. This review gives a summary of the relationship between occupational exposure to welding fumes and increased risks of pneumonia and invasive pneumococcal disease. The focus of this work is on experiments with animals on infection defence after welding fume exposure as well as on epidemiological studies comparing occupationally exposed workers with non-exposed ones. The evidence argues for prevention by means of immunization against pneumococcal infection for people with occupational exposure to welding or metal fumes. There is, however, insufficient information in scientific literature for the derivation of an official occupational disease.

Keywords: welding/metal fumes – pneumonia – invasive pneumococcal disease – immune defence – prevention

A. Wendt1

M. Möhner1

S. Wicker2

(eingegangen am 18.08.2017, angenommen am 15.11.2017)

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53: 118–124

doi: 10.17147/ASU.2018-02-07-01

Einleitung

Pneumonien sind mit einer Inzidenz von 2–12 Fällen je 1000 Personen der Gesamtbevölkerung und Jahr eine häufige Erkrankung. In den Industrienationen sind sie die häufigste Todesursache unter den Infektionskrankheiten (Lode u. Höffken 2004). Zudem gehören Pneumonien in Deutschland zu den 10 häufigsten Todesursachen insgesamt. Für das Jahr 2015 weist das Statistische Bundesamt 20.173 Todesfälle durch Pneumonien auf (Statistisches Bundesamt 2017). Im selben Jahr wurden 310.052 vollstationäre Patienten mit der Diagnose Pneumonie im Krankenhaus behandelt (Statistisches Bundesamt 2016). Ungefähr 200.000 der im Krankenhaus behandelten Pneumonien sind ambulant erworben, wobei die Gesamthäufigkeit ambulant erworbener Pneumonien in Deutschland pro Jahr auf 400.000–600.000 geschätzt wird (Höffken et al. 2009).

Eine Pneumonie kann durch über 100 verschiedene Bakterien, Viren und Pilze ausgelöst werden. In den westlichen Industrienationen sind Pneumokokken die häufigsten Erreger ambulant erworbener Erkrankungen (Lode u. Höffken 2004). Das virulente Agens dieser Erreger stellen kapselbildende Pneumokokkenstämme (S-Varianten) dar. Sie werden im Gegensatz zu unbekapselten Erregern (R-Varianten) nur unzureichend durch polymorphkernige Leukozyten phagozytiert. Es konnten bislang über 90 verschiedene serologische Pneumokokkentypen identifiziert werden. Je nach Jahreszeit treten Pneumokokken bei ca. 30–70 % aller gesunden Personen im Pharynx auf, insbesondere im Winter. Obwohl es sich meist um virulente Stämme handelt, ist das Immunsystem in der Regel in der Lage, eine Infektion zu unterdrücken (Lode u. Höffken 2004).

Neben der Grundimmunisierung im Säuglingsalter und der Standardimpfung für Personen ab 60 Jahren empfiehlt die STIKO die Pneumokokkenimpfung für Personen mit bestimmten Risikofaktoren für schwere Pneumokokken-Erkrankungen (Indikationsimpfung z. B. bei Immundefizienz bzw. -suppression oder bei chronischen Erkrankungen des Herzens oder der Atmungsorgane; STIKO 2016a).

Seit 2016 gibt es eine Pneumokokken-Impfempfehlung der Kategorie „B“ (berufliches Risiko). Darunter fallen Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeiten wie Schweißen und Trennen von Metallen gegenüber Metallrauchen einschließlich metalloxidischen Schweißrauchen exponiert sind (STIKO 2016a,b).

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen einer Exposition mit Schweißrauch am Arbeitsplatz und einem erhöhten Erkrankungsrisiko für Pneumonien und invasive Pneumokokken-Infektionen. Er erläutert, welche Konsequenzen daraus für die Praxis abgeleitet werden können.

Methoden

Die Suche von Studien zum Zusammenhang zwischen Schweißrauch und Pneumonien erfolgte mit der biomedizinischen Literaturdatenbank PubMed. Die Suche umfasste die Begriffe „welding“ sowie „welders“ in Kombination mit „pneumonia“, „mortality“ und „infection“. Bis zum 15.08.2017 ergab die Suche insgesamt 224 Treffer.

Die Beschreibung der Beeinträchtigung der Immunabwehr bzw. einer erhöhten Infektionsneigung beruht auf der Übersichtsarbeit von Zeidler-Erdely et al. (2012) und einigen zusätzlichen Originalarbeiten (Grigg et al. 2017; Suri et al. 2016). In die Diskussion epidemiologischer Studien gingen die Studien ein, in denen berufliche Betätigung als Schweißer oder Schweiß- bzw. Metallrauch als konkrete Exposition definiert wurden. Die PubMed-Suche ermittelte die meisten der epidemiologischen Untersuchungen direkt; vier weitere Untersuchungen (Torén et al. 2011; Palmer u. Coggon 1997; Fawer et al. 1982; Washington State Department of Health 2011) konnten über die ermittelten Studienberichte und Übersichtsartikel identifiziert werden. In einigen Fällen wurden zusätzliche Schätzer für das PMR (proportionales Mortalitätsverhältnis), das SMR (standardisiertes Mortalitätsratenverhältnis), das IRR (Inzidenzratenverhältnis) und/oder die dazugehörigen 95 %-Konfidenzintervalle berechnet. Die Berechnung erfolgte mit der Statistiksoftware Stata (StataCorp 2015) unter Nutzung spezieller Programme zur Berechnung von SMR (Sasieni 1995) und IRR (StataCorp 2013).

Beschreibung der Exposition bei schweißtechnischen Verfahren

Beim Schweißen und verwandten schweißtechnischen Verfahren entstehen Gase (z.B. Stickoxide, Kohlenmonoxid, Ozon) und Stäube – je nach Art des Verfahrens und der eingesetzten Werkstoffe in unterschiedlichen Konzentrationen. Die partikelförmigen Stäube (auch: Schweißrauche) sind dabei überwiegend alveolengängig. Die Bestandteile des Schweißrauchs stammen aus den Schweißelektroden und deren Umhüllungen oder Füllmitteln oder den zu bearbeitenden Grundwerkstoffen. Sie umfassen vorwiegend Metalle bzw. deren Oxide (z. B. Eisen, Mangan, Chrom, Nickel; DGUV 2012; AGS 2009).  Tabelle 1 zeigt eine grobe Unterteilung verschiedener Schweißverfahren nach ihrer emittierten Schweißrauchmenge.

Evidenz für eine erhöhte Infektionsneigung durch Schweißrauch

Zeidler-Erdely et al. (2012) haben in ihrem Übersichtsartikel den Stand des Wissens zur Beeinträchtigung der Immunabwehr durch Schweißrauch aufgearbeitet. In verschiedenen Studien (Antonini et al. 2004, 2007, 2009; Antonini u. Roberts 2007) wurden Ratten mit Schweißrauch und nachfolgend intratracheal mit Listeria monocytogenes exponiert. Dabei kam Schweißrauch zum Einsatz, der dem Lichtbogen-Hand-Verfahren mit legierter Elektrode oder dem Schutzgasverfahren mit legierter oder mit nicht legierter Elektrode entstammt. Die Exposition der Tiere mit Schweißrauch erfolgte entweder durch intratracheale Instillation oder in einer Respirationskammer. Als Kontrollsubstanzen dienten Kochsalzlösung beziehungsweise normale Luft. Unter Schweißrauchexposition nahm die Anzahl bakterieller Ansiedlungen (kolonieformender Einheiten) im Lungengewebe generell zu. Generell lag einer erhöhten Infektionsneigung ein verändertes Profil pulmonaler immunmodulatorischer Zytokine zugrunde. Zum Beispiel war eine verringerte Konzentration von Interleukin-2 in der bronchoalveolaren Lavage zu beobachten – eine Veränderung, die mit einer Abnahme regulatorischer T-Lymphozyten einhergeht. Außerdem spielt wohl eine reduzierte Aktivität lokaler als auch zirkulierender Leukozyten eine Rolle für die verringerte Immunkompetenz (hierzu auch: Erdely et al. 2014). Oxidativer Stress wird als mögliche Ursache immunmodulatorischer Vorgänge bei Schweißrauchexposition vermutet. Weitere postulierte Ursachen sind ein Überfluss an freiem Eisen als begünstigendes Milieu für Mikroorganismen bzw. eine gestörte Eisenhomöostase mit eisendefizienten, dysfunktionalen Makrophagen und überschüssigem freien Eisen im Lungengewebe. Neben Metallen können auch Stickstoffdioxid und Ozon mögliche immunmodulatorische Faktoren sein (hierzu auch: Coggon et al. 1994; Beaumont u. Weiss 1980). Über die beschriebenen tierexperimentellen Untersuchungen hinaus liefern weitere Studien beim Tier und beim Menschen auch Hinweise auf die Beeinträchtigung der systemischen Immunabwehr durch Schweißrauche (z. B. Anderson et al. 2007; Antonini et al. 2012; Borská et al. 2003; Tuschl et al. 1997; Boshnakova et al. 1989).

Zusätzlich zu der bei Zeidler-Erdely et al. (2012) dargestellten Übersicht wurden kürzlich zwei Untersuchungen zu Streptococcus pneumoniae veröffentlicht. Hier zeigte sich ein weiterer Mechanismus, der vermutlich eine Infektion des Lungengewebes begünstigt. Eine Exposition mit Schweißrauch führte sowohl bei menschlichen Zellen des Lungengewebes als auch bei Mäusen nach intranasaler Instillation zu oxidativem Stress und zu einer vermehrten Expression des PAF-Rezeptors. Dieser Rezeptor dient Pneumokokken als „Eingangstor“ in die Zellen der unteren Atemwege. Die Studienautoren erwähnten, dass dieses PAF-Rezeptor-Prinzip auch für andere phosphorylcholinbildende Bakterien wie nicht typisierbare Haemophilus influenzae und Acinetobacter-Spezies gilt. Des Weiteren zeigten frühere Untersuchungen auch eine Zunahme des PAF-Rezeptors nach Exposition mit Feinstaub und Tabakrauch. Der untersuchte Schweißrauch entstammte dem Lichtbogen-Hand-Verfahren mit nicht legierter Elektrode (Suri et al. 2016). In einer Folgestudie zeigte sich eine erhöhte Expression des PAF-Rezeptors in der Nasenschleimhaut von Schweißern im Vergleich zu Nicht-Schweißern. Außerdem zeigte sich in vitro, dass Pneumokokken infolge unterschiedlicher Schweißrauche vermehrt an Atemwegszellen andocken. Die Rauche hatten einen deutlich höheren Anteil an Chrom, Nickel, Eisen oder Mangan als ein dem Lichtbogen-Hand-Verfahren mit nichtlegierter Elektrode entstammender Rauch. Zuletzt zeigte sich die Hochregulierung des „hypoxia-inducible factor-1 “ (HIF-1) und in Folge die Hochregulierung des PAF-Rezeptors durch schweißrauchinduzierten oxidativen Stress (Grigg et al. 2017).

Epidemiologische Studien zum Zusammenhang zwischen Schweiß- bzw. Metallrauch, Pneumonie und invasiver Pneumokokkeninfektion

Die umfangreichste epidemiologische Auswertung zu Pneumonie bei schweiß- bzw. metallrauchexponierten Personen wurde anhand der amtlichen Registrierung von Todesfällen in England und Wales vorgenommen (Coggon et al. 1994; Palmer et al. 2009; Coggon et al. 2015). Dabei zeigte sich eine erhöhte pneumoniebezogene Sterblichkeit in der Berufsgruppe der Schweißer sowie auch in anderen Berufen mit Metallrauchexposition ( Tabelle 2). Die Beobachtung einer erhöhten Pneumoniesterblichkeit war dabei auf Personen im berufstätigen Alter beschränkt. Dies verdeutlicht, dass sich das Erkrankungsrisiko nach Ausbleiben der Exposition (wie etwa beim Renteneintritt) wieder normalisiert. Im Hinblick auf den Erregertyp bzw. die Morphologie zeigten sich erhöhte Risiken für die Pneumokokken- bzw. Lobärpneumonie (ICD-9: 481, ICD-10: J13 + J18.1) sowie andere und nicht spezifizierte Pneumonie (ICD-9: 480, 482-83, 486), jedoch nicht für die Bronchopneumonie (ICD-9: 485). Die Daten aus England und Wales weisen auf ein erhöhtes Pneumonierisiko bei unterschiedlichen Expositionen hin (Palmer u. Coggon 1997). Erhöhte Risiken zeigten sich für „definitiv“ metallrauchexponierte Schweißer, Formzieher/Formbauer und Gießereiarbeiter am Hochofen, aber auch für Personen, die „möglicherweise“ mit Metallrauch oder mit Metallstaub exponiert waren. Die erste der beiden Gruppen umfasste Gießereiarbeiter, Blechschlosser, Verzinner und Galvaniseure. Die metallstaubexponierte Gruppe umfasste Metallschleifer und Polierer.

In England, West Midlands, wurde von 1996–1999 eine Fall-Kontroll-Studie mit 525 Männern im Alter von 20–64 Jahren mit einer im Krankenhaus behandelten Pneumonie sowie mit 1122 Krankenhaus-Kontrollpersonen durchgeführt (Palmer et al. 2003). Das Pneumonierisiko war bei beruflich kürzlich mit Metallrauch exponierten Personen signifikant erhöht (OR 1,6, 95 %-KI 1,1–2,4). Das Risiko für eine nachgewiesene Pneumokokken-Pneumonie war gleichermaßen erhöht wie das Risiko für eine Pneumonie durch andere Erreger.

Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Ergebnisse weiterer epidemiologischer Untersuchungen. Die Auswertungen auf Basis der amtlich registrierten Todesfälle in Washington (Washington State Department of Health 2011), einer Bauarbeiterkohorte in Schweden (Torén et al. 2011), den Arbeitern einer Schiffswerft in England (Newhouse et al. 1985) und den Mitgliedern einer Metallberufe-Gewerkschaft in Seattle (Beaumont u. Weiss 1980) weisen auf ein erhöhtes Risiko für Pneumonietodesfälle bei Schweiß- bzw. Metallrauchexposition hin. In einer kanadischen Studie wurde bei Schweißern ein erhöhtes Risiko für invasive Pneumokokken-Infektionen beobachtet (Wong et al. 2010). Zudem hatten in einem petrochemischen Betrieb 4 von 36 Schweißern verglichen mit 0 von 36 anderen Beschäftigten krankheitsbedingte Fehlzeiten aufgrund einer ambulanten Pneumonie (Fawer et al. 1982). Einige Studien zeigten für Schweißer allerdings kein erhöhtes Pneumonierisiko. Dies betrifft eine europäische Studie zur Mortalität bei Schweißern im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung (Simonato et al. 1991). In einer Studie mit kalifornischen Werftarbeitern wurden Inzidenz und Mortalität bezüglich stationär behandelter Pneumonien bei Schweißern und den anderen Berufsgruppen verglichen (Collen 1947). Die Inzidenz erwies sich zwar als leicht erhöht, jedoch lag die Pneumoniemortalität der Schweißer etwas unter jener der Vergleichsgruppe. In zwei weiteren Studien hatten Schweißer ebenfalls kein höheres Pneumonierisiko als die Vergleichsgruppen; die Anzahl der erwarteten Pneumonie-Todesfälle in diesen Studien war jedoch niedrig (McMillan u. Pethybridge 1983; Polednak 1981).

Diskussion

Tierexperimentelle Studien

Tierexperimentelle Studien liefern ausreichende wissenschaftliche Evidenz dafür, dass eine Exposition gegenüber Schweißrauchen eine Infektion mit bakteriellen Erregern, u.a. mit Pneumokokken, begünstigt (Zeidler-Erdely et al. 2012; Suri et al. 2016; Grigg et al. 2017). Die Studien untersuchten beispielhaft die Exposition in Zusammenhang mit dem Lichtbogen-Hand-Verfahren oder dem Schutzgasverfahren. Die darauf beruhenden Ergebnisse sind dem Grunde nach auch auf andere schweißtechnische Verfahren übertragbar, da bei allen Verfahren Schweißrauche aus den Zusatz- und/oder Grundwerkstoffen entstehen.

Epidemiologische Studien

Die meisten epidemiologischen Studien weisen auf ein erhöhtes Risiko für Pneumonien sowie invasive Pneumokokkeninfektionen bei Metallrauchexposition hin (z. B. Coggon et al. 1994; Palmer et al. 2003; Wong et al. 2010). In den Studien bleiben jedoch zumeist wichtige Confounder unberücksichtigt. Als einer der wichtigsten Confounder gilt das Rauchen. So hatten aktive Raucher im Vergleich zu Nie-Rauchern in einer Fall-Kontroll-Studie in Nordamerika insgesamt ein vierfach erhöhtes Risiko für invasive Pneumokokken-Infektionen, wobei der Risikoanstieg mit der Zahl der täglich gerauchten Zigaretten korreliert war (Nuorti et al. 2000). In der hier berichteten kanadischen Studie auf Basis des Registers für invasive Pneumokokken-Infektionen waren deutlich mehr erkrankte Schweißer jemals Raucher als die restlichen Erkrankten (OR = 3,0; 95 %-KI 0,9–9,7; Wong et al. 2010). Lediglich in der Fall-Kontroll-Studie zu Metallrauch und Pneumonien in England (Palmer et al. 2003), der schwedischen Bauarbeiter-Kohorten-Studie (Torén et al. 2011) und der Auswertung zu Fehlzeiten aufgrund ambulanter Pneumonien (Fawer et al. 1982) wurde der Raucherstatus durch Adjustierung bzw. Matching berücksichtigt.

Auch ein Vergleich innerhalb der Studien fehlt, der Aufschluss darüber geben könnte, welches Expositionsprofil zum höchsten Risiko innerhalb der exponierten Personengruppe führt. Für die europäische Schweißer-Kohorten-Studie, deren Hauptaugenmerk auf der Abklärung der Krebsrisiken lag, wurde eine Untergliederung nach der Zeit seit erster Exposition durchgeführt (Simonato et al. 1991). Dieses Merkmal dürfte jedoch kaum geeignet sein, zur Differenzierung des Risikos für Pneumonien und invasive Pneumokokkeninfektionen beizutragen. Es darf auch bezweifelt werden, ob kumulative Maße, wie sie oftmals für die Abgrenzung von Berufskrankheiten benutzt werden, Rückschlüsse auf die Höhe des Erkrankungsrisikos zulassen.

Die Untersuchungen unter anderem von Coggon et al. (1994, 2015) geben jedoch Anlass zu der Vermutung, dass die Suszeptibilität für ein erhöhtes Infektionsrisiko reversibel ist, so dass das Risiko nach dem Ausscheiden aus der Exposition deutlich zurückgeht. Zukünftigen Studien bleibt es vorbehalten zu untersuchen, ob Risikounterschiede zwischen den verschiedenen Schweißverfahren bestehen und inwieweit die Intensität der Exposition in einem relativ kurzen Zeitraum vor Auftreten der ersten Symptome oder die verwendeten Materialien eine Rolle spielen.

Schlussfolgerung

Verschiedene epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass Beschäftigte, die gegenüber Schweiß- und andere Metallrauchen exponiert sind, ein erhöhtes Risiko für Pneumonien und invasive Pneumokokkeninfektionen haben. Darüber hinaus liefern tierexperimentelle Studien ausreichende wissenschaftliche Evidenz dafür, dass eine Exposition gegenüber Schweißrauchen eine Infektion mit bakteriellen Erregern, u. a. mit Pneumokokken, begünstigt.

Im Sinne der arbeitsmedizinischen Prävention ist auf Basis dieser Befunde eine Impfprävention gegen Pneumokokkeninfektionen bei allen Beschäftigten zu empfehlen, die gegenüber Metallrauchen exponiert sind. Die STIKO empfiehlt bei beruflich mit Schweiß- bzw. mit Metallrauch exponierten Personen alle 6 Jahre (solange die Exposition andauert) eine Immunisierung mit dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (STIKO 2016a,b). Auch in anderen europäischen Ländern wurde eine Immunisierung von metallrauchexponierten Personen mittlerweile in nationale Impfempfehlungen zur Ergänzung arbeitsschutztechnischer Maßnahmen aufgenommen oder von Fachkreisen empfohlen (Public Health England 2017; Health and Safety Executive 2014; Ewing et al. 2017; Sjögren u. Johanson 2014; Flodin et al. 2017).

Für weitergehende Maßnahmen, wie etwa eine mögliche Anerkennung dieser Erkrankungen als Berufskrankheit nach deutschem Berufskrankheitenrecht (§ 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch), reichen die bisherigen Erkenntnisse jedoch nicht aus. Unter Würdigung der bisher vorliegenden Erkenntnisse hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen einer Vorprüfung beschlossen, keine weiteren Beratungen zu dieser Thematik vorzunehmen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2017).

Literatur

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Interessenskonflikt: Prof. Wicker ist Mitglied der STIKO. Die Autoren haben keine weiteren Interessenskonflikte zu deklarieren.

Für die Verfasser

Dr. sc. hum. Andrea Wendt

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

Nöldnerstr. 40-42

10317 Berlin

wendt.andrea@baua.bund.de

Fußnoten

1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin

2 Betriebsärztlicher Dienst, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main