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Themenfeld “Arbeitszeit“

Themenfeld „Arbeitszeit“

Im Themenfeld „Arbeitszeit“ des von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin durchgeführten Projekts „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche Standortbestimmung“ wurde im Rahmen von sechs Scoping Reviews untersucht, inwiefern sich unterschiedliche Aspekte der Arbeitszeitgestaltung auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Beschäftigten auswirken.

Dabei wurden zum einen traditionelle Themen der Arbeitszeit, wie Schichtarbeit, Wochenendarbeit, lange Arbeitszeiten, Pausen sowie Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaft, betrachtet. Weiterhin wurden auch die heute zunehmend im Fokus stehende arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit oder andere Formen flexibler Arbeitszeiten, wie Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten auf ihre Arbeitszeit und Vorhersehbarkeit, Variabilität von Arbeitszeit sowie räumliche Mobilität untersucht. Schließlich wurde auch die Rolle der Faktoren Detachment – also das Abschalten von der Arbeit – und Work-Life-Balance genauer analysiert, da sie zentrale vermittelnde Faktoren zwischen konkreter Arbeits(zeit)gestaltung und der psychischen Gesundheit von Beschäftigten darstellen.

Insgesamt zeigen die Analysen, dass Arbeitszeitanforderungen, die an die Beschäftigten gestellt werden, eher mit Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit zusammenhängen, während Aspekte der Arbeitszeit, die mit höherer Autonomie der Beschäftigten sowie der Vorhersagbarkeit und Planbarkeit von Arbeitszeit einhergehen, eher positiv mit dem Wohlbefinden und der psychischen Gesundheit von Beschäftigten zusammenhängen. Aus den Befunden werden Gestaltungsempfehlungen für die einzelnen Arbeitszeitmerkmale abgeleitet.

Schlüsselwörter: Arbeitszeit – Flexibilität – Literaturreview – psychische Gesundheit

Working time

Under the “Working Hours” topic in the project entitled “Mental health in the working world – Determining the current state of scientific evidence”, six scoping reviews were conducted to investigate the effects of very different aspects of working time on the well-being and mental health of employees.

Firstly, traditional aspects of working time such as shift work, weekend work, long working hours and breaks, as well as emergency services and on-call duty, were considered. Secondly, work-related permanent availability and other forms of flexible working hours, such as employees’ ability to influence their working hours and the predictability and variability of working hours, as well as spatial mobility, were also taken into account. Finally, the role of the factors of detachment – which is disconnection from work – and work-life balance have been examined in more detail. Both are central mediating factors between the concrete working (time) design and mental health of employees.

Overall, the analyses show that working-time demands placed on employees tend to be related to poorer mental health, while aspects of working time associated with increased employee autonomy and the predictability of working time tend to be more favourable to the well-being and mental health of employees. Design recommendations regarding the investigated working time characteristics are derived from the findings.

Keywords: working time – flexibility – literature review – mental health

B. Beermann

A. M. Wöhrmann

Einleitung

Der Gestaltung der Arbeitszeit kommt im betrieblichen Kontext besondere Bedeutung zu. Zum einen bestimmt sie in hohem Maße die Expositionszeit, also die Zeit, in der die Beschäftigten spezifische Arbeitstätigkeiten ausführen bzw. spezifischen Belastungen ausgesetzt sind, zum anderen determiniert sie die Zeit, die für private Aktivitäten und Erholung zur Verfügung steht. Um den Beschäftigtenschutz sicherzustellen, sind die Rahmenbedingungen der Arbeitszeitgestaltung im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) festgelegt. Ziel der gesetzlichen Regelungen im ArbZG ist zum einen der Beschäftigtenschutz und zum anderen die Schaffung eines Rahmens für betriebliche Arbeitszeitflexibilität. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zeigt aktuell, dass gerade die Arbeitszeit im Rahmen der technischen Entwicklungen und des Wandels der Arbeit von zentraler Bedeutung ist. In der Diskussion um zukunftsfähige Arbeitszeitgestaltung wird deutlich, dass die dichotome Betrachtung von Arbeitszeit und Ruhezeit als zwei streng voneinander getrennte Bereiche heute nicht mehr die betriebliche Realität widerspiegelt. Die Grenzen von Arbeitszeit und Ruhezeit verschwimmen zunehmend und stellen damit auch neue Anforderungen an die gesundheitsgerechte Gestaltung.

Im Rahmen des Projekts „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche Standortbestimmung“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) wurde dementsprechend ein besonderer Fokus auf das Themenfeld „Arbeitszeit“ gelegt. Um die unterschiedlichen Einflussgrößen der Arbeitszeit und der Ruhezeit zu berücksichtigen, wurden folgende Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in die Studie einbezogen: (s. auch Abb.1):

  • atypische Arbeitszeiten – hier: lange Arbeitszeiten, Schichtarbeit, Wochenendarbeit, flexible Arbeitszeiten,
  • Pausen,
  • (räumliche) Mobilität,
  • arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit,
  • Detachment (Abschalten von der Arbeit),
  • Work-Life-Balance.

Wie  Abb. 1 zeigt, bewegen sich die betrachteten Faktoren im Themenfeld „Arbeitszeit“ auf einem Kontinuum. Während Faktoren wie lange Arbeitszeiten oder Schichtarbeit eindeutig dem Bereich Arbeitszeit zuzuordnen sind, stellt sich für den Faktor „erweiterte Erreichbarkeit“ situationsabhängig die Frage, welchem Bereich sie zuzuordnen ist und welche Gestaltungsanforderungen sie unter der Bedingung des Beschäftigtenschutzes erfordert.

Zielsetzung unserer Studie war es dementsprechend, für die traditionellen Themen der Arbeitszeit, wie Länge, Lage und Verteilung, Pausen sowie Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaft, den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich ihres Zusammenhangs zu psychischem Befinden und Gesundheit aufzuarbeiten. Darüber hinaus wurden die heute zunehmend im Fokus stehenden Arbeitszeitfaktoren, wie flexible Arbeitszeiten, die erweiterte Erreichbarkeit oder auch die auf die Gesamtarbeitszeit wirkende Mobilität, in ihrem Zusammenhang zum Wohlbefinden und psychischer Gesundheit betrachtet. Daneben wurden in beiden Kontexten zudem Studien fokussiert, die konkretes Gestaltungswissen oder Gestaltungsempfehlungen generieren.

Ausgehend vom Ansatz der Gesamtbetrachtung der Wirkungen und Gestaltung der Arbeitszeit werden als Einflussgrößen, die außerhalb des Arbeitskontextes liegen, zudem die Faktoren Detachment, also das Abschalten-Können, und Work-Life-Balance betrachtet. Hierbei handelt es sich um psychologische Einflussgrößen im Kontext der Arbeitszeitbetrachtung. Sie sind im Gesamtgefüge von hoher Bedeutung, da sie das Gelingen von Grenzziehung bzw. Integration von Arbeitszeit und Ruhezeit bzw. Erholung reflektieren. Sowohl das Abschalten-Können von der Arbeit als auch die Realisierung einer guten Work-Life-Balance sind häufig Konsequenz der Arbeitsgestaltung. Somit haben sie einen vermittelnden Charakter zwischen konkreter Arbeitsgestaltung und der psychischen Gesundheit von Beschäftigten (Tucker u. Folkard 2012; Caruso 2006) ( Abb. 2).

Methode

Im Rahmen des Projekts „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche Standortbestimmung“ wurde mit der Methode der Scoping Reviews zum Themenbereich Arbeitszeit (Rothe et al. 2017) eine systematische Analyse des Zusammenhangs zur psychischen Gesundheit vorgenommen. Zur Bearbeitung dieser Fragestellung wurde eine systematische Literaturrecherche in den Fachdatenbanken PSYNDEX, PsycINFO, PubMed und WISO durgeführt. Für die einzelnen Faktoren wurden Ein- und Ausschlusskriterien definiert (hierzu ausführlich Amlinger-Chatterjee 2016; Ducki u. Nguyen 2016; Pangert et al. 2016; Wendsche u. Lohmann-Haislah 2016a, b; Wöhrmann 2016). Als abhängige Größen bzw. Kriteriumsvariablen wurden Indikatoren für mentale Gesundheit, allgemeine Gesundheit/Wohlbefinden, gesundheitliche Beschwerden, subjektives Stresserleben, affektive Symptomatik, Burnout, Substanzgebrauch bzw. -missbrauch, Fehlzeiten sowie psychische Funktionsfähigkeit betrachtet. Darüber hinaus wurden auch Kriterien wie Motivation, Leistungsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit sowie Herz-Kreislauf- und Muskel-Skelett-Erkrankungen berücksichtigt. Sie sind zwar im engeren Sinne keine psychischen Erkrankungen, werden aber wissenschaftlich in Bezug auf ihren Beitrag zur Entwicklung psychischer Erkrankungen diskutiert.

Ergebnisse

Zu den einzelnen Faktoren im Themenfeld „Arbeitszeit“ lag sowohl in Bezug auf die Quantität als auch Qualität eine sehr unterschiedliche Studienlage vor. Während zu den „traditionellen“ Themen wie Lage, Dauer und Verteilung der Arbeitszeit eine sehr umfangreiche Studienlage vorgefunden wurde, war die Erkenntnislage zu den Themen „erweiterte Erreichbarkeit“ oder „Mobilität“ deutlich schwächer. Für fast alle betrachteten Faktoren gilt, dass überwiegend Querschnittsstudien und nur selten Längsschnitt- oder Interventionsstudien identifiziert werden konnten. Im Folgenden werden die Ergebnisse zu den einzelnen Faktoren vorgestellt. Eine differenzierte Betrachtung kann den vorliegenden Reviews entnommen werden ( www.BAuA.de ).

Lange Arbeitszeiten

Die in den einbezogenen Studien zugrunde liegende Definition des Kriteriums „lange Arbeitszeiten“ bezieht sich in der Regel auf einen Schwellenwert von länger als zehn oder elf Stunden täglich oder eine wöchentliche Arbeitszeit von mehr als – je nach Definition – 40, 48 Stunden oder mehr (Amlinger-Chatterjee 2016). Insgesamt zeigen die Ergebnisse unabhängig von den betrachteten Tätigkeiten einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten und erhöhten gesundheitlichen Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, gastrointestinalen Beschwerden, Stresserleben und Symptomen von Burnout (Amlinger-Chatterjee 2016).

Schichtarbeit

Das Charakteristikum der Schichtarbeit ist die Ausdehnung der Betriebszeiten über die „Normalarbeitszeit“ hinaus. Leider werden in den meisten Studien die untersuchten Schichtsysteme zum Teil kaum oder nur unklar beschrieben, so dass eine Differenzierung im Hinblick auf die Wirkung der spezifischen Gestaltungsaspekte nicht möglich war. Daraus resultiert zwangsläufig eine unscharfe Isolierung von Effekten spezifischer Schichtsysteme. Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen einen engen Zusammenhang von Schichtarbeit und der Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit.

Wochenendarbeitszeit

Die Diskussion zur Arbeitszeitflexibilisierung tangiert auch die Frage der Wochenendarbeit. Übersichtsarbeiten zu Wochenendarbeit und psychischer Gesundheit konnten nicht identifiziert werden. Weiterhin liegen bislang nur wenige Studien vor, die den genuinen Effekt von Wochenendarbeit auf die Gesundheit untersucht haben. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Wochenendarbeit mit Beeinträchtigungen psychischer Gesundheit zusammenhängt.

Flexible Arbeitszeiten

In der gesellschaftlichen Arbeitszeitdiskussion kommt insbesondere der Frage der Flexibilität der Arbeitszeit ein hoher Stellenwert zu. Dabei kann sich Arbeitszeitflexibilität einerseits auf Einflussmöglichkeiten bzw. Zeitsouveränität auf Mitarbeiterseite beziehen; andererseits lässt sich Arbeitszeitflexibilität von Unternehmensseite aus im Sinne einer bedarfsbezogenen Arbeitszeit mit variabler Verfügung über Beschäftigte verstehen. Von Bedeutung sind daher Einflussmöglichkeit, Vorhersehbarkeit und Planbarkeit von Arbeitszeit auf der einen Seite sowie Arbeitszeitvariabilität und die spezifische Betrachtung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft auf der anderen Seite. Die vorliegenden Studienergebnisse zum Zusammenhang der unterschiedlichen Flexibilitätsformen zur psychischen Gesundheit legen eine Differenzierung nach individuumsbezogener und betriebsbezogener Flexibilität nahe (vgl. Amlinger-Chatterjee u. Wöhrmann 2017): Betriebsbezogene Arbeitszeitflexibilität hängt mit Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit zusammen. Einflussmöglichkeiten auf die Arbeitszeit und auch die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit der Arbeitszeit hingegen weisen einen deutlichen Zusammenhang zu besserer psychischer Gesundheit auf.

Pausen

Die Bedeutung der Arbeitspausen für den Beschäftigtenschutz ist unstrittig. Arbeitspausen dienen der Erholung in der Arbeitszeit. Sie lassen sich nach zahlreichen Kriterien differenzieren, z.B. nach Länge, Lage und Verteilung (Pausenregime), ihrem Formalisierungsrad (selbst- versus fremdorganisiert) und ihrer inhaltlichen Ausgestaltung sowie dem Ort der Pausennahme. Studien zu Arbeitspausen basieren sehr häufig auf quasiexperimentellen Interventionsdesigns. Das Review zeigt, dass Kurzpausen positive Zusammenhänge mit Aspekten psychischer Gesundheit aufweisen – hier mit Befinden, Leistung und insbesondere auch körperlichen Symptomen.

Mobilität

Räumliche Mobilität im Kontext von Erwerbstätigkeit gewinnt in der Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung. Ein Aspekt dieses Faktors ist die Frage der arbeitsgebundenen Zeit und der Work-Life-Balance. Die Studienlage zum Themenbereich ist noch sehr eingeschränkt. Die vorliegende Heterogenität der Mobilitätsformen, z.B. Pendeln, Businesstrips, und die oftmals auch eingeschränkte Studienqualität lassen eine umfängliche Bewertung des Zusammenhangs von Mobilität und psychischer Gesundheit aktuell nicht zu. Hier besteht somit noch akuter Forschungsbedarf.

Arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit

Die Digitalisierung und die zunehmende Verbreitung Informations- und Kommunikations-Medien fördern die Verfügbarkeit von Beschäftigten für arbeitsbezogene Belange auch außerhalb der festgelegten Arbeitszeit und unabhängig vom Arbeitsort (Beermann et al. 2017). Die vorliegenden Studien betrachten unterschiedliche Erreichbarkeitsfacetten und gesundheits- und privatlebensbezogene Indikatoren. Zusammenfassend zeigt sich, dass die arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit in negativem Zusammenhang mit gesundheitlichen und privatlebensbezogenen Aspekten steht.

Detachment

Mit der Berücksichtigung von Detachment, also des von der Arbeit Abschalten-Könnens, folgt die Studie der Fragestellung, ob die Erholzeit zur Rückstellung der im Arbeitsprozess entstandenen Beanspruchungsfolgen als Voraussetzung für eine beeinträchtigungsfreie dauerhafte Beschäftigung reicht. Das Abschalten-Können von der Arbeit wird als Bindeglied zwischen Arbeitsbedingungsfaktoren und der Gesundheit sowie dem Wohlbefinden der Beschäftigten betrachtet. Die vorliegenden Studienergebnisse zeigen, dass das Konzept für die Frage zu Arbeits- und Ruhezeiten sowie zur Frage der Nachwirkung ungünstiger Arbeitsgestaltung und ihrer Wirkung auf die psychische Gesundheit von zentraler Bedeutung ist (vgl. Wendsche u. Lohmann-Haislah 2017).

Work-Life-Balance

Die Frage der Work-Life-Balance hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Work-Life-Balance wird – ebenso wie Detachment – als vermittelnder Faktor zwischen Arbeitsbedingungen und der Gesundheit von Beschäftigten betrachtet. Dabei werden insbesondere Konflikte zwischen Arbeitsanforderungen und Privatleben fokussiert. Die Analysen zeigen, dass eine bessere Work-Life-Balance mit besserer psychischer Gesundheit und Zufriedenheit eingeht.

Zusammenfassend haben die Reviews im Themenfeld „Arbeitszeit“ gezeigt, dass die untersuchten Bedingungsfaktoren für sich allein betrachtet alle eine Rolle in Bezug auf die psychische Gesundheit von Erwerbstätigen spielen.

Gestaltungsaussagen

Gut gestaltete Arbeitszeit ist den Ergebnissen der Reviews zufolge nicht nur die Dosierung von Anforderungen, sondern auch die Bereitstellung von Ressourcen. Hier sind insbesondere auch die Schnittstelle zum Privatleben (erweiterte Erreichbarkeit), die Kompatibilität der Arbeitszeit zu anderen Bereichen des Lebens (Work-Life-Balance) und die Möglichkeit des Abschalten-Könnens von zentraler Bedeutung.

Im Folgenden werden für die einzelnen Arbeitszeitmerkmale entsprechende Gestaltungsempfehlungen dargestellt. Dabei werden neben der Berücksichtigung der Erkenntnisse in Bezug auf die psychische Gesundheit auch Aspekte von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit berücksichtigt, wie z.B. das Unfallgeschehen und Leistungsaspekte als Indikatoren der Fehlbeanspruchung.

Differenzierte Aussagen zum Gestaltungswissen finden sich primär für die Faktoren lange Arbeitszeiten, Schicht-/Nachtarbeit und Rufbereitschaft. Für die langen Arbeitszeiten ist auf der Basis der vorliegenden Erkenntnisse eine Quantifizierung der Belastungsgrenzen möglich. Die wöchentliche Arbeitszeit sollte nicht erheblich über 40 Stunden liegen, da sich hier – und noch klarer für Arbeitszeiten von 50 Stunden und mehr – deutlich negative Auswirkungen im Bereich der psychischen Gesundheit zeigen. Dieser Effekt tritt unabhängig von den in den Studien betrachteten Tätigkeiten auf. Neben Auswirkungen auf die psychische Gesundheit weisen lange Arbeitszeiten deutliche Zusammenhänge zu einem erhöhten Unfallrisiko auf. Ab einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 8 Stunden steigt das Unfallrisiko, anfangs moderat dann exponentiell (Folkard u. Lombardi 2006). Besonders ungünstig wirkt sich darüber hinaus die Kumulation belastender Arbeitszeitaspekte wie z.B. lange Arbeitszeiten und erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit oder aber auch zusätzliche lange Pendelzeiten (arbeitsgebundene Zeit) aus. Günstig ist hingegen der kompensierende Effekt z.B. durch eine effiziente Pausengestaltung und hinreichende Erholzeit nach der Arbeit zum Abschalten-Können.

Die bekannten negativen Auswirkungen der Schichtarbeit mit Nachtarbeit wurden durch die vorliegenden Studien bestätigt. Wie oben bereits beschrieben, war die Anzahl der Studien, die eine differenzierte Beschreibung des Arbeitszeitregimes vorgenommen haben, begrenzt. Wo entsprechende Informationen zu Gestaltungsaspekten vorlagen, bestätigten sie die vorliegenden arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zur Schichtplangestaltung. Schichtarbeit sollte so gestaltet sein, dass sie möglichst wenig zur Disruption von zirkadianen Rhythmen und des Soziallebens führt. Dementsprechend sollte die Anzahl aufeinander folgender Nachtschichten begrenzt sein. Auch für die Schichtplangestaltung gilt die zusätzlich aus der Unfallforschung bekannte Berücksichtigung des steigenden Unfallrisikos mit zunehmender Anzahl aufeinander folgender Nachtschichten (Tucker u. Folkard 2012: Anstieg des Unfallrisikos bei direkt folgenden Nachtschichten in der zweiten Nacht um etwa 6 %, in der dritten um 17 % und in der vierten um 36 %).

Auch für die Wochenendarbeit findet sich ein negativer Zusammenhang zur psychischen Gesundheit. Für das Wochenende gilt trotz zunehmender Flexibilisierung ein hoher sozialer Wert der Zeit (soziale Integration). Arbeit am Wochenende sollte demzufolge möglichst vermieden werden.

In Bezug auf eine mögliche Quantifizierung sind die vorliegenden Erkenntnisse zur Gestaltung von Pausen und Rufbereitschaft weniger klar. Für Pausen gilt, dass sie einen positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit haben, da sie Erholung innerhalb der Arbeitszeit ermöglichen. Verteilung und Länge der Pausen sollten sich an den organisationalen Abläufen orientieren. Für die Rufbereitschaft ist bekannt, dass sie negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Aussagen zur Anzahl tolerabler Rufbereitschaften in Folge oder innerhalb eines definierten Zeitraums sind dagegen eher schwierig. Hier müssen Einflussfaktoren wie die Inanspruchnahme, die Integration in bestehende Arbeitszeitregime etc. berücksichtigt werden.

Für die flexiblen Arbeitszeiten und ihren Zusammenhang zur psychischen Gesundheit zeigt sich ein deutlicher Effekt der individuellen Einflussmöglichkeit. Demzufolge ist zwischen flexiblen Arbeitszeiten mit hoher oder geringer Gestaltungsautonomie zu unterscheiden. Die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu beeinflussen, ist entscheidend in Bezug auf ihre Wirkung auf die Gesundheit sowie die Work-Life-Balance. Flexible Arbeitszeiten, die ausschließlich von betrieblichen Belangen definiert werden, weisen einen deutlichen negativen Zusammenhang zur psychischen Gesundheit auf. Für die Gestaltung der Arbeitszeit bedeutet das, dass betriebsbezogene Flexibilitätsanforderungen ohne Einschluss der Beschäftigten möglichst vermieden werden sollten und – wo immer möglich – ein individueller Einfluss auf die Arbeitszeitgestaltung eingeräumt werden sollte.

Erweiterte arbeitsbezogene Erreichbarkeit führt zu einer zusätzlichen Beanspruchung der Beschäftigten. Die vorliegenden Erkenntnisse weisen darauf hin, dass neben der konkreten Inanspruchnahme auch das Erwartungsmanagement von Bedeutung ist. Ist eine Inanspruchnahme nicht zu vermeiden, müssen klare Regeln/Verabredungen für die Kontaktierung ausgehandelt werden. Inanspruchnahme sollte nicht der Ersatz für schlechte Planung sein.

Sowohl eine gute Work-Life-Balance als auch ein gelungenes Abschalten-Können stehen in direkt positivem Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten psychischer Gesundheit. In ihrer vermittelnden Rolle werden sie durch Aspekte der Arbeitszeit, wie z.B. lange Arbeitszeiten ungünstig beeinflusst und zeigen dann einen deutlichen negativen Zusammenhang zur psychischen Gesundheit und Aspekten der Zufriedenheit und Motivation. Auch hier gilt, dass der Arbeitszeitautonomie ein günstiger Einfluss zukommt. Das gilt insbesondere für die Work-Life-Balance. Eine gute Möglichkeit des Abschalten-Könnens, was auch durch eine gute Arbeitszeitgestaltung (mit)beeinflusst werden kann, ist Kernelement der Erholung.

Die Berücksichtigung der Aspekte guter Arbeitszeitgestaltung findet immer im betrieblichen Kontext statt. Die Organisation der Arbeitszeit muss auf die betrieblichen Anforderungen zugeschnitten werden. Die Arbeitszeitgestaltung sollte dementsprechend als Prozess gesehen werden, in dem sowohl betriebliche als auch individuelle Anforderungen berücksichtigt werden. Ein solcher partizipativer Prozess setzt voraus, dass die Beschäftigten über Aspekte guter oder auch schlechter Gestaltungsmerkmale aufgeklärt sind.

Ausblick

Der Wandel der Arbeit ist spätestens mit der Diskussion um Industrie 4.0 oder Arbeiten 4.0 zum Gegenstand sowohl der politischen als auch wissenschaftlichen Diskussion geworden.

Mit Bezug auf die Arbeitszeit und die Anforderungen an die Arbeitszeitgestaltung lassen sich schon seit einiger Zeit verschiedene Entwicklungstrends beobachten. Es ist eine kontinuierliche Zunahme flexibler Anteile bei der Arbeitszeitgestaltung zu beobachten (Wöhrmann et al. 2016).

Gleichzeitig mit den veränderten Anforderungen an die Arbeitszeit ist eine Intensivierung der Arbeit zu beobachten, deren direkte Auswirkungen auch im Bereich der Arbeitszeiten zu beobachten sind. Überlange Arbeitszeiten und ausfallende Pausen werden von Beschäftigten genutzt, um Belastungssituationen entsprechen zu können (Wöhrmann et al. 2016).

Zusammenfassend bedeuten diese Entwicklungen, dass der Wandel der Arbeit zu einer zunehmenden Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort beiträgt. Gleichzeitig nimmt auch die Intensivierung von Arbeit weiter zu. Es ist mit einem Anstieg von langen Arbeitszeiten, beschäftigten- und betriebsbezogenen variablen Arbeitszeiten, Mobilitätsanforderungen und erweiterter Erreichbarkeit zu rechnen. Abschalten von der Arbeit und Erholung werden durch diese Entwicklungen tendenziell erschwert, während die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben je nach Ausmaß des Einflusses der Beschäftigten auf ihre Arbeitszeit sowohl dadurch erleichtert als auch erschwert werden kann. Die konkrete Gestaltung der Schnittstelle von Arbeit und Privatleben unterliegt dabei vor dem Hintergrund der gleichzeitig steigenden außerberuflichen Arbeitsteilung (Kindererziehung, Pflege etc.) aufgrund der zunehmenden Erwerbsbeteiligung von Frauen neuen Aushandlungsprozessen.

Diese Entwicklung fordert eine „vorausschauende“ Arbeitszeitdiskussion, die Grenzen und Möglichkeiten für die Realisierung dieser Flexibilitätsanforderungen im Kontext der Arbeitszeitgestaltung kritisch und zukunftsorientiert beleuchtet. Dabei kommt insbesondere der Thematik der Rückstellung der Beanspruchungsfolgen im Sinne der Sicherung hinreichender Regenerationsmöglichkeiten und der individuellen Einflussmöglichkeit auf die Arbeitszeitgestaltung zur Verbesserung der Verzahnung unterschiedlicher Lebensbereiche eine hohe Bedeutung zu.

Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Literatur

Amlinger-Chatterjee M: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Atypische Arbeitszeiten. 1. Aufl. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2016.

Amlinger-Chatterjee M, Wöhrmann AM: Flexible Arbeitszeiten. Z Arb Wiss 2017; 71: 39–51.

ArbZG: Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170, 1171), zuletzt geändert durch Artikel 12a des Gesetzes vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500).

Beermann B, Amlinger-Chatterjee M, Brenscheidt F, Gerstenberg S, Niehaus M, Wöhrmann AM: Orts- und zeitflexibles Arbeiten: Gesundheitliche Chancen und Risiken. 1. Aufl. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2017.

Caruso C: Possible broad impacts of long work hours. Ind Health 2006; 44: 531–536.

Costa G: Flexible working hours, health, and well-being in Europe: Some considerations from a SALTSA project. Chronobiol Int 2016; 21: 831–844.

Ducki A, Nguyen HT: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Mobilität. 1. Aufl. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2016.

Folkard S, Lombardi DA: Modelling the impact of the components of long working hours on injuries and “accidents”. Am J Ind Med 2006; 49: 953–963.

Pangert B, Pauls N, Schüpbach H: Die Auswirkungen arbeitsbezogener erweiterter Erreichbarkeit auf Life-Domain-Balance und Gesundheit. 2. Aufl. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2016.

Rothe I, Adolph L, Beermann B, Schütte M, Windel A, Grewer A, Lenhardt U, Michel J, Thomson B, Formazin M: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche Standortbestimmung. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2017.

Tucker P, Folkard S: Working time, health and safety: A research synthesis paper. Genf: International Labour Organization, 2012.

Vahle-Hinz T, Bamberg E: Flexibilität und Verfügbarkeit durch Rufbereitschaft – die Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden. ARBEIT – Zeitschrift für Arbeitsforschung 2009; 4: 327–339.

Wendsche J, Lohmann-Haislah A: A meta-analysis on antecedents and outcomes of detachment from work. Front Psychol (Online Journal) 2017; 7: No. 2072.

Wendsche J, Lohmann-Haislah A: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Detachment. 1. Aufl. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2016a.

Wendsche J, Lohmann-Haislah A: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Pausen. 1. Aufl. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2016b.

Wöhrmann AM: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Work-Life-Balance. 1. Aufl. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2016.

Wöhrmann AM, Gerstenberg S, Hünefeld L, Pundt F, Reeske-Behrens A, Brenscheidt F, Beermann B: Arbeitszeitreport Deutschland 2016. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2016.

Für die Verfasserinnen

Dr. phil. Beate Beermann

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Friedrich-Henkel-Weg 1–25

44149 Dortmund

beermann.beate@baua.bund.de

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53 (Sonderheft): 20–24

Fußnoten

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Dortmund