Die Arbeitswelt wird sich durch Automatisierung und Digitalisierung rasant verändern, vor allem aber ist sie bereits flexibler geworden (Kionke/Stecker 2018). Dieser wachsenden Autonomie kann eine dauerhaft hohe psychische Belastung gegenüberstehen, mit Auswirkungen auf krankheitsbedingte Fehlzeiten in beide Richtungen. Daher will der Gesetzgeber mit dem Präventions- und dem Flexirentengesetz die Gesundheit der Beschäftigten erhalten und eine möglichst lange Erwerbsbeteiligung fördern. Und es gibt Wege aus der Stressfalle, wie der Untertitel des hier besprochenen Buches verspricht.
Im Präventionsprogramm „Gesundheitsförderung und Selbstregulation durch individuelle Zielanalyse“ – GUSI® steht das ressourcenorientierte Selbstmanagement nach dem Züricher Ressourcenmodell (ZRM®-Training) im Mittelpunkt. Die Funktionsweise stellen Maja und Johannes Storch vom Züricher Institut für Selbstmanagement und Motivation Zürich (ISMZ) sowie der ärztliche Direktor Dieter Olbrich des Rehazentrums Bad Salzuflen der Deutschen Rentenversicherung Bund in ihrem Sachbuch höchst unterhaltsam und zugleich wissenschaftlich fundiert vor.
In den ersten sieben von insgesamt neun Kapiteln werden die Grundlagen und individuellen Hilfsmittel für das ressourcenorientierte Selbstmanagement anhand der Erlebnisse einer GUSI®-Präventionsgruppe vorgestellt. Zentral ist hierbei die Bedeutung des Unbewussten als menschliches Entscheidungssystem, liebevoll als „Strudelwurm“ bezeichnet. Warum scheitern viele gute Vorsätze regelmäßig, helfen weder moralische Appelle noch verstandesbezogene Argumente für eine nachhaltige Lebensstiländerung? Das liegt am Unbewussten, dem so genannten Bauchgefühl, mit einer Reaktionsgeschwindigkeit der somatische Marker von 200–300 Millisekunden und der Option „mag ich nicht“. Das GUSI®-Präventionsprogramm arbeitet daher mit positiven Emotionen, um Verhaltensänderungen herbeizuführen.
In den letzten beiden Kapiteln erfolgt die noch ausstehende kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Burn-out“ und der Wirkung von GUSI® in einem angenehmen Mix aus Informationen und Wissenschaftlichkeit. GUSI® wurde zunächst ab 2009 pilotiert und vier Jahre lang evaluiert. Anhand beispielsweise des Fragebogens zu Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmustern (AVEM) und dem Work Ability Index (WAI) wurde die Wirksamkeit empirisch nachgewiesen. Bei einer Drop-out-Quote von Null der inzwischen rund 450 Teilnehmer (ASU 2017) spricht das Programm aber auch so für sich.
Das Buch will – vielleicht schon allein durch die Lektüre – Handlungshilfen zum Selbstmanagement anbieten (Begleitmaterialien unter www.ismz.ch ) und zur Prävention ermuntern. Mit einer entsprechenden Flankierung im betrieblichen Setting im Rahmen der Arbeitssicherheit, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) kann so das unternehmerische Interesse an gesunden, motivierten und leistungsfähigen Mitarbeitern verknüpft werden (BMAS 2016). Werks- und Betriebsärzte können hier eine besondere Rolle bei der Gestaltung gesundheitsgerechter Arbeit und bei der direkten Vermittlung von Angeboten der Sozialleistungsträger übernehmen. Das vorliegende Sachbuch bietet dafür beides: Fachinformationen für die betriebliche Beratungspraxis über das Präventionsangebot GUSI® sowie Hilfestellung für betroffene Beschäftigte und potentielle Patienten der Deutschen Rentenversicherung.
Literatur
ASU – Zeitschrift für medizinische Prävention: Ein Beratungsangebot der Deutschen Rentenversicherung, Interview mit Dr. D. Olbrich „Wir wissen, Prävention wirkt“, Heft 4-2017, S. 244-245
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS, Hrsg.): Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt, Arbeitsmedizinische Empfehlung, a450, 2016
Kionke, M.-E./Stecker, C.: Anforderungen digitaler Arbeit im öffentlichen Dienst – Die Dimensionen Arbeit, Werte und Kompetenz als personalpolitische Führungsstrategien zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Deutsche Rentenversicherung, Heft 1-2018, S. 65–101