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Schwerpunkt | UV-Belastung am Arbeitsplatz im Freien — eine lange Zeit wenig beachtete Noxe

Licht und Schatten bei der Arbeit in der Sonne

UV-Strahlung hat bekanntermaßen auch positive Effekte, wie beispielsweise die Vitamin-D-Synthese. Dennoch ist ultraviolette Strahlung ein potentes und komplettes Kanzerogen, das sowohl die Initiation (DNA-Schaden) als auch die Progression (Entwicklung entarteter Zellen) und die Promotion (Tumormanifestation) verursacht.

Die Dosis-Wirkungs-Beziehung ist insbesondere bei den Plattenepithelkarzinomen der Haut und deren Vorstufen, den aktinischen Keratosen, gut charakterisiert. Es besteht ein exponentieller Dosis-Wirkungs-Zusammenhang, d.h. eine Verdopplung der kumulativen UV-Dosis ist mit einem größer als verdoppelten Risiko assoziiert. Für andere Tumorarten (Basalzellkarzinome, maligne Melanome) ist der Dosis-Wirkungs-Zusammenhang wesentlich komplexer und weitere Faktoren (u. a. Konstitution, frühkindliche Bestrahlung, intermittierende Bestrahlung) spielen eine bedeutsame Rolle.

Aufgrund dieser Erkenntnisse wurden das Plattenepithelkarzinom der Haut und die aktinischen Keratosen 2015 in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Noch im gleichen Jahr wurden bereits über 5000 Verdachtsfälle gemeldet und die Zahl der Meldungen ist seither steigend. Plattenepithelkarzinome der Haut sind somit die am häufigsten angezeigten berufsbedingten Krebserkrankungen.

Eine der Kernaufgaben der Arbeitsmedizin ist es, arbeitsbedingte Erkrankungen und Berufskrankheiten zu verhüten. Nach dem TOP-Prinzip gibt es eine Vielzahl von präventiven Ansätzen, die bislang an Arbeitsplätzen noch immer nicht voll ausgeschöpft sind. Den ersten Schritt der arbeitsmedizinischen Vorsorge stellt stets eine adäquate Gefährdungsbeurteilung dar.

Peter Knuschke et al. geben wichtige Hinweise für die primäre Prävention epithelialer Hauttumoren an Arbeitsplätzen mit solarer UV-Belastung. Nach dem TOP-Prinzip werden technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen in Bezug auf ihre Wirksamkeit sachkompetent vorgestellt und bewertet.

Im Beitrag von Marc Wittlich finden sich wichtige Messergebnisse und Informationen, mit denen es möglich sein sollte, die Gefährdung exakt abzuschätzen. Beide Beiträge sind somit ein wichtiger Bestandteil für die durchzuführende Gefährdungsanalyse an vielen Arbeitsplätzen. Ein weiterer Beitrag von Peter Knuschke et al. gibt wichtige Hinweise zur Durchführung einer belastbaren Gefährdungsbeurteilung und vermittelt wichtige Fachkenntnisse zu dieser Thematik.

Derzeit gibt es in Deutschland Grenzwerte für künstliche optische Strahlung und Anlässe zur Pflichtvorsorge bei Exposition durch künstliche optische Strahlung im UV-Bereich. Für natürliche UV-Strahlung, auf die sich die Berufskrankheit bezieht, existieren derzeit weder Grenzwerte noch Anlässe zur Pflicht- und Angebotsvorsorge.

Vergleicht man das Krebsrisiko, das von natürlicher UV-Strahlung ausgeht, mit den Risiken, die nach Gefahrstoffverordnung als tolerabel bzw. akzeptabel bezeichnet werden, so lässt sich errechnen, dass sich das Toleranzrisiko alleine für die Plattenepithelkarzinome mit 4 Krebserkrankungen auf 1000 Exponierte, einer kumulativen Jahresexposition von ca. 140 SED zuordnen lässt. Die von Marc Wittlich dargestellten Expositionen liegen für zahlreiche Tätigkeitsfelder weit oberhalb dieser Dosis. Wenn man für die physikalische Noxe UV-Strahlung die gleichen Maßstäbe anlegt, wie für chemische Kanzerogene, dann ist hier u. a. die arbeitsmedizinische Vorsorge begründet angezeigt.

Mit diesem sehr wichtigen Thema beschäftigt sich der Beitrag von Susanne Völter-Mahlknecht et al. Am Beispiel der Einwirkung von UV-Belastung bei Outdoor-Workern lässt sich gut nachvollziehbar der Unterschied zwischen betriebsärztlicher Tätigkeit, arbeitsmedizinischer Vorsorge und arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchung erläutern. Teil der betriebsärztlichen Tätigkeit ist die Mitwirkung bei der Gefährdungsanalyse und die Empfehlung technischer, organisatorischer und persönlicher Maßnahmen. Die arbeitsmedizinische Vorsorge sollte zu Beginn der Tätigkeit bereits erstmalig durchgeführt werden, um den Beschäftigten auf die Risiken hinzuweisen, das individuelle Risiko (Hauttyp) festzustellen und ihn entsprechend zu beraten. Bei einer ersten Wiederholungsuntersuchung wird man zwar keinen arbeitsbedingten Hautkrebs finden können, jedoch zeigt der Bräunungsgrad sehr gut an, wie das textile Lichtschutzverhalten praktiziert wird, so dass entsprechend beraten werden kann. Würden nur Früherkennungsmaßnahmen, fälschlicherweise als Hautkrebs“vorsorge“untersuchung bezeichnet, nach jahrzehntelanger Tätigkeit durchgeführt, wäre eine Prävention zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich, weil die kumulative UV-Dosis ja bereits unwiderruflich erworben wurde.

Mit diesem Heft sollen die verschiedenen Aspekte solarer UV-Strahlung beleuchtet und die Bedeutung für den praktischen Arbeitsschutz aufgezeigt werden. Durch die Aufnahme der Plattenepithelkarzinome der Haut in die Liste der Berufskrankheiten wurde ein zunehmendes Bewusstsein für die früher oft vernachlässigte Gefährdung durch Sonnenstrahlung am Arbeitsplatz geschaffen. Angesichts des hohen Risikos für die Hautkrebsentstehung wäre eine arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge aus Sicht der Wissenschaft gut begründbar.

    Autor

    Prof. Dr. med. Hans Drexler

    Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin

    Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Schillerstraße 25/29

    91054 Erlangen

    hans.drexler@fau.de