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HCV-Risiko | Therapie der akuten und chronischen Infektion

Hepatitis-C-Virus-Infektionen im Gesundheitswesen

Berufliches HCV-Risiko

Beschäftigte im Gesundheitswesen haben ein erhöhtes Risiko für eine Hepatitis-C-Virus-(HCV-)Infektion ( Abb. 1). Das Infektionsrisiko ist besonders hoch, wenn Tätigkeiten mit medizinischen Instrumenten durchgeführt werden, die ein Verletzungsrisiko bergen. In einer Metaanalyse, in die vier Publikationen einbezogen werden konnten, ergab sich für Beschäftigte mit diesen Tätigkeiten ein Odds Ratio von 2,7 (95 %-CI 1,64–4,24) (Westermann et al. 2015). Gegen eine HCV-Infektion gibt es keine Impfung. Deshalb steht die Vermeidung der Infektion durch die Verhütung von Nadelstichverletzungen (NSV) im Vordergrund. Dies scheint in den vergangenen Jahren zunehmend gelungen zu sein, wenn man die Anzahl der gemeldeten beruflich bedingten Infektionen zur Grundlage nimmt. Im Jahr 2016 wurden 42 HCV-Infektionen als Berufskrankheiten angezeigt und 16 anerkannt. Im Jahr 2006 waren es noch 163 gemeldete und 62 anerkannte Fälle. Anders verhält es sich mit den gemeldeten NSV. Deren Anzahl ist in den vergangenen Jahren weiterhin angestiegen, wie Dana Wendeler in ihrem Beitrag zu den Unfällen und Berufskrankheiten in diesem Heft berichtet. Es handelt sich aber um einen Anstieg der Meldungen und nicht um einen Anstieg der Anzahl der NSV. Wie Dulon et al. (2017) zeigten, werden nun auch vermehrt NSV mit Nadeln zur subkutanen Injektion aus der Altenpflege gemeldet. Für diesen Bereich gib es noch keine klare Regelung zum Einsatz von sicheren Instrumenten und zur eventuellen Übernahme der Mehrkosten. Allerdings gibt es in der Literatur auch nur wenige Hinweise darauf, dass durch diese Nadeln eine HCV-Infektion übertragen werden kann. Neben der Vermeidung von NSV ist die Behandlung der Hepatitis C ein wichtiger Beitrag zur Prävention von weiteren Übertragungen und zur Ausheilung der chronisch verlaufenden Infektion.

Interferonfreie Therapie der chronischen Hepatitis C

In den vergangenen Jahren hat die Entschlüsselung des Genoms des HCV zur Entwicklung von neuen, direkt antiviral wirksamen Medikamenten („direct-acting antiviral agens“, DAA) geführt. Therapien mit diesen Medikamenten weisen bei kürzerer Therapiedauer Erfolgsquoten von über 90 % auf. Im Gegensatz zu den interferonhaltigen Therapien scheint die Rate schwerer Nebenwirkungen bei den DAA deutlich geringer zu sein (DGVS 2016, s. „Weitere Infos“). Auch bei Patienten, die in der Vergangenheit erfolglos behandelt wurden oder bereits eine fortgeschrittene Leberzirrhose haben, ist die DAA-Therapie fast so erfolgreich wie bei Patienten ohne Anzeichen einer Zirrhose (90 versus 98 %, p = 0,07) (Westermann et al. 2017). Deshalb wird für alle HCV-Typen empfohlen, nur noch interferonfreie Therapien der chronischen HCV-Infektion durchzuführen (DGVS 2016, s. „Weitere Infos“).

Einstufung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach erfolgreicher Therapie

Bei einer beruflich verursachten HCV-Infektion erhält der Versicherte eine Rentenleistung in Abhängigkeit vom Ausmaß der Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE). Diese orientiert sich an der entzündlichen Aktivität und am Grad der Fibrose oder Zirrhose. Je höher die Virenlast und damit die entzündliche Aktivität und je fortgeschrittener die Fibrose oder die Zirrhose ist, desto größer ist die MdE (Selmair u. Manns 2007). Nach erfolgreicher Therapie der HVC-Infektion sind keine Viren mehr nachweisbar, die entzündliche Aktivität geht zurück und die zirrhotischen Umbauten schreiten nicht weiter fort. Deshalb wird von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung (UVT) nach einer erfolgreichen Therapie die MdE neu bewertet. Dieses erfolgt per Gutachtenauftrag an erfahrene Hepatologen. Um zu erfahren, wie die Gutachter bei der Einstufung der MdE nach erfolgreicher DAA-Therapie verfahren, wurden 29 solcher Gutachten im Rahmen einer Bachelor-Arbeit an der Universität Siegburg ausgewertet (Kroh 2017) ( Abb. 2).

In 17 Fällen wurde eine Reduktion der MdE empfohlen, in zehn Fällen blieb diese gleich und in zwei Fällen wurde eine Heraufsetzung aufgrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustands empfohlen. In allen 29 Fällen lag eine virologische Ausheilung der chronischen Hepatitis C (CHC) vor. In den 17 Fällen, in denen eine Reduzierung der MdE empfohlen wurde, bewerteten die Gutachter die virologische Ausheilung der CHC als wesentliche Änderung der BK-Folgen. In 16 dieser Fälle wurde diese Änderung mit einer Reduzierung der MdE um mindestens 20 v. H., in einem Fall um 10 v. H. bewertet. Diese Reduktion der MdE bedeutete für zehn Versicherte den Wegfall der Rentenleistung. In einem Fall lag die MdE vor Beginn der Therapie bei 100 v. H.; der Versicherte stand auf der Warteliste für eine Lebertransplantation. Aufgrund der erfolgreichen Therapie ist eine Transplantation vorerst nicht mehr erforderlich; die MdE des Patienten wird nun mit 80 v. H. bewertet.

In den zehn Fällen, in denen die MdE gleich geblieben ist, sahen die Gutachter in der virologischen Ausheilung der CHC keine wesentliche Änderung der BK-Folgen. In neun der zehn Fälle bewerteten sie die durch die teilweise über Jahrzehnte bestehende CHC verursachten Veränderungen an der Leber und die damit verbundenen Spätfolgen mit einer gleichbleibenden MdE. Sie empfahlen jedoch eine Nachuntersuchung nach ein bis zwei Jahren, da sie davon ausgehen, dass es durch die fehlende entzündliche Aktivität zu einer Erholung der Leber kommen kann. In einem der zehn Fälle war es seit der letzten Begutachtung zu einer Verschlimmerung der Zirrhose gekommen, deshalb wurde trotz virologischer Ausheilung eine unveränderte MdE von 60 v. H. empfohlen.

In allen Gutachten standen medizinische Kriterien für die Einstufung der MdE im Vordergrund. Die Beeinträchtigung der beruflichen Situation durch die chronische Infektion und den Verlust an Qualifikation durch eine HCV-bedingte Erwerbsunfähigkeit erörterten die Gutachter nicht. Im Sozialgesetzbuch (SGB) VII § 46 heißt es jedoch zu den Voraussetzungen und der Höhe des Rentenanspruchs: „Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.“ Ein Versicherter, der aufgrund der CHC z. B. für längere Zeit nicht mehr im OP-Saal arbeiten konnte, hat seine Qualifikation für diese Tätigkeit im Laufe der Jahre verloren. Wenn die CHC erfolgreich therapiert wird, ist der Verlust an Qualifikation bzw. mangelnder Weiterqualifikation aufgrund der Tätigkeitsunterbrechung noch nicht behoben. Hier wären also berufsfördernde Maßnahmen durch die UVT zu prüfen. Sollte es dadurch z. B. wegen des Alters des Versicherten nicht gelingen, die Nachteile bei der beruflichen Qualifikation auszugleichen, so wäre zu prüfen, ob diese Nachteile bei der Einschätzung der MdE zu berücksichtigten sind.

Die Wechselwirkungen von CHC und der Persönlichkeitsentwicklung wurden in den Gutachten ebenfalls nicht diskutiert. So berichten einige Versicherte von einer großen Erleichterung darüber, nun endlich geheilt zu sein, während andere eher weiterhin verängstigt und unsicher sind (persönliche Kommunikation). Persönlichkeitsstörungen aufgrund der CHC sollten bei der Einstufung der MdE auch nach erfolgreicher Therapie weiterhin berücksichtigt werden. Daher erscheint es notwendig, den Gutachtern entsprechende Hinweise zur Begutachtung zu geben.

Therapie der akuten Hepatitis C

Nach einer NSV wird eine HCV-Prophylaxe mit Interferon nicht empfohlen, da die Therapie der akuten Hepatitis C (AHC) für effektiver gehalten wird. Die Therapie der AHC wurde bisher empfohlen, da sie erfolgreicher war als die Therapie der CHC. Lediglich über den Zeitpunkt der Therapie wurde diskutiert. Einige Autoren befürworteten eine möglichst frühzeitige Therapie, da sie diese für am erfolgreichsten hielten und da sie den Zeitraum, in dem der Beschäftigte infektiös ist, möglichst kurz halten wollten (Hughes u. Henderson 2016). Nach einer NSV kann bei Verdacht auf eine HCV-Infektion bereits nach zwei Wochen die Virus-RNA bestimmt werden und bei einem positiven Ergebnis mit der Therapie der akuten Infektion begonnen werden. Bei negativem Ergebnis wird die Virus-RNA-Bestimmung mittels PCR bis zum sicheren Ausschluss einer Infektion nach sechs Monaten wiederholt. Die Frühtherapie wurde bisher mit PEGyliertem Interferon durchgeführt. Diese Therapie war erfolgreich, aber auch nicht frei von Nebenwirkungen. In einer Inferioritätsstudie wurde daher getestet, ob eine verzögerte Therapie sechs Wochen nach Diagnose der Infektion nicht ebenso erfolgreich ist. Berücksichtigt man die Spontanheilungsrate von 25 % in der Studie und die Erfolgsrate der Therapie, so ist ein abwartendes Verhalten der Frühtherapie nicht unterlegen. Bei der verzögerten Therapie der AHC wurde die HCV-RNA mittels PCR bestimmt und die Therapie erst begonnen, wenn nach sechs Wochen weiterhin ein positiver Befund bestand (Deterding et al. 2013).

Die Diskussion über die frühe oder verzögerte Therapie der AHC ist nun aber obsolet, da ein wichtiges Argument für die Therapie wegfällt. Die DAA-Therapie der CHC ist mindestens so erfolgreich wie die jetzige Therapie der AHC. Die Anzahl und Schwere der Nebenwirkungen dürften bei der DAA-Therapie jedoch geringer sein als bei der interferonhaltigen Therapie der AHC. Für die Therapie der AHC sind die DAA noch nicht zugelassen. Erste Studien zu ihrem Einsatz sind aber vielversprechend. Im Rahmen des Leber-Netzwerks wurden 25 Patienten mit einer AHC vom Genotyp 1 mit einer fixen Kombination aus Ledipasvir und Sofosbuvir sechs Wochen lang behandelt. Bei allen Patienten war der HCV nach der Therapie nicht mehr nachweisbar (Deterding et al. 2017).

Ausblick

Die S3-Leitlinie zur Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion, Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) wird zurzeit überarbeitet. Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten soll die neue Version der Leitlinie demnächst veröffentlicht werden. Man darf sehr gespannt sein, ob und wenn ja, welchen Konsens die Experten angesichts der wenigen Literatur zur Therapie der AHC erreichen.

Zum jetzigen Zeitpunkt scheint ein situationsabhängiges Vorgehen sinnvoll. Bei großem Infektionsrisiko nach einer NSV (z. B. Indexpatient positiv oder unbekannt, aber potenzieller Risikopatient, großlumige Nadel, tiefe Verletzung) und bei einem großem Risiko für eine Weiterübertragung von HCV (z. B. Verletzter ist Chirurg) sollte eine frühzeitige Diagnose der AHC und eine Therapie erfolgen. Diese Therapie erfolgt am besten nach Bestimmung des Genotyps und in enger Abstimmung mit einem Zentrum für Hepatologie, das Erfahrungen mit der DAA-Therapie bei CHC hat. Sicherheitshalber sollte eine Abstimmung mit dem zuständigen UVT-Träger erfolgen, um bei der Kostenübernahme keine bösen Überraschungen zu erleben. Angesichts der geringen Erfahrung mit der Therapie der AHC wäre es auch sinnvoll, wenn die UVT solche Fälle systematisch dokumentieren und somit für die Auswertung zugängig machen würden, so wie dieses für die Behandlung der CHC bereits geschieht (Westermann u. Nienhaus 2017).

Literatur

Deterding K, Grüner N, Buggisch P et al.; Hep-Net Acute HCV-III Study Group: Delayed versus immediate treatment for patients with acute hepatitis C: a randomised controlled non-inferiority trial. Lancet Infect Dis 2013; 13: 497–506.

Deterding K, Spinner CD, Schott E et al.; HepNet Acute HCV IV Study Group: Ledipasvir plus sofosbuvir fixed-dose combination for 6 weeks in patients with acute hepatitis C virus genotype 1 monoinfection (HepNet Acute HCV IV): an open-label, single-arm, phase 2 study. Lancet Infect Dis 2017;17: 215–222.

Dulon M, Lisiak B, Wendeler D, Nienhaus A: Unfallmeldungen zu Nadelstichverletzungen bei Beschäftigten in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen. Gesundheitswesen 2017 [online first].

Hughes HY, Henderson DK: Post-exposure prophylaxis after hepatitis C occupational exposure in the interferon-free era. Curr Opin Infect Dis 2016; 29: 373–380.

Kroh IN: Verbesserte Heilungschancen durch neue direkt antivirale Therapien bei Hepatitis C – Auswirkungen auf die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst? Abschlussarbeit zur Erlangung des Bachelor of Arts (B.A.) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, University of Applied Sciences, Fachbereich Sozialversicherung Hennef. Januar 2017.

(Selmair M, Manns MP: Virushepatitis als Berufskrankheit – Ein Leitfaden zur Begutachtung. Landsberg: ecomed, 2007

Westermann C, Nienhaus A: Hepatitis C bei Beschäftigten im Gesundheitswesen: Sekundärdatenanalyse zu den Neuen Therapien (direkt antiviral wirksame Medikamente). DGAUM, Poster 100 Abstraktband DGAUM – 57. Wissenschaftliche Jahrestagung 2017, S. 162.

Westermann C, Peters C, Lisiak B, Lamberti M, Nienhaus A: The prevalence of hepatitis C among healthcare workers: a systematic review and meta-analysis. Occup Environ Med 2015;72: 880–888.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Weitere Infos

    DGVS (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten): Aktuelle Empfehlung zur Therapie der chronischen Hepatitis C. Online-Vorabveröffentlichung des Therapieteils der AWMF S3-Leitlinie zur Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion; Prophylaxe; Diagnostik und Therapie, Dezember 2016

    https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2016/11/2016-AG4-Therapie-Leitlinie-Hepatitis-C_23.11.2016_FINAL.pdf

    Autor

    Prof. Dr. med. Albert Nienhaus

    Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

    Competenzzentrum Epidemiologie und Versorvgungsforschung bei Pflegeberufen (CVcare)

    Martinistraße 52

    20246 Hamburg

    albert.nienhaus@bgw-online.de

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