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Dezentrale Strukturen als Herausforderung – ein Beispiel der Polizei Nordrhein-Westfalen

Gesundheitsmanagement in der Behörde

Struktur der Polizei Nordrhein-Westfalen

Die über 42 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei NRW, die überwiegend Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte, aber auch Verwaltungsbeamtinnen und -beamte wie auch Regierungsbeschäftigte umfassen, versehen ihren Dienst in insgesamt 50 Polizeibehörden und -einrichtungen des Landes NRW.

Bei weitestgehend identischen Aufbau- und Ablauforganisationen liegt allerdings ein wesentlicher Unterschied in der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der einzelnen Polizeibehörden vor. Das Polizeipräsidium Köln mit 4500 Beschäftigten nimmt die gesetzlich übertragenen Aufgaben ebenso wie die Kreispolizeibehörde Olpe mit etwa 250 Beschäftigen im eigenen Zuständigkeitsbereich wahr.

Beim Vergleich der jeweiligen Alterststrukturen der Kreispolizeibehörden sind jedoch deutliche Parallelen erkennbar. Die starken Einstellungsjahrgänge der 70er Jahre führten zu einem „Altersbauch“ der Polizei, der sich nun der Pensionierungsgrenze nähert bzw. sie in Teilen schon erreicht hat.

Gründe für die Einführung eines Behördlichen Gesundheitsmanagements

Ein entscheidender Druck zu agieren ergab sich vor allem aus der demografischen Entwicklung. Für die Polizei NRW bedeutet dies, dass sich, ebenso wie in anderen Organisationen, der Anteil lebensälterer Beschäftigter an der Gesamtzahl der Beschäftigten erhöht. Bedingt dadurch müssen deshalb künftig lebensältere Beschäftigte länger als bisher Funktionen wahrnehmen, die hohe körperliche und/oder psychische Leistungsanforderungen an die Beschäftigten stellen. So sind mit dem Schicht- und Wechseldienst gesundheitliche Risiken ebenso verbunden wie z. B. mit besonders belasteten Arbeitsplätzen im Ermittlungsdienst und anderen Bereichen. Neben diesen Risikofaktoren kommen unter anderem durch Veränderungen der Arbeitsgestaltung und in Folge immer kürzerer Innovationszyklen neue Belastungen hinzu. Auch Veränderungen im privaten Umfeld und deren Wechselwirkungen mit dem Berufsleben sind zu beachten.1

Problemstellungen und Handlungsoptionen

Vor diesem Hintergrund galt es, angelehnt an Prof. Dr. Badura von der Universität Bielefeld, zu identifizieren, welche Faktoren einen positiven (Salutogenese) respektive negativen (Pathogenese) Einfluss auf die Beschäftigten haben. Eine weitere Betrachtungsebene bezog sich dann auf die Verhältnisse in der Organisation und das individuelle Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Als mögliche Risikofaktoren hinsichtlich der Beschäftigten wurden neben Bewegungsmangel, Fehlernährung und der Konsum von Suchtmitteln auch vorhandene Stressfaktoren identifiziert. Je nach den Verhältnissen in den Organisationen können pathogene Faktoren wie Mobbing, Burnout und „Innere Kündigung“ vorhanden sein.

Abgesehen von den Risikofaktoren stellt sich die Frage nach den Aspekten, die verhaltens- und verhältnisorientiert Wohlbefinden auslösen. Dabei wird deutlich, dass Vertrauen, Anerkennung, Sinnstiftung, Qualifikation, soziale Netzwerke, Unternehmenskultur und das Führungsverhalten maßgeblich sind.

Folgerichtig wurden die Handlungsoptionen zunächst allgemein beschrieben. Fachliche Qualifikationen, Gesundheitsbildung, Teamentwicklungsmaßnahmen, Maßnahmen zur Steigerung der Transparenz und Partizipation in Arbeitsprozessen wurden ebenso benannt wie Maßnahmen zur Fitness, zu Sportangeboten sowie zum Stress- und Zeitmanagement. Als wesentliche Handlungsoption zur Implementierung des Behördlichen Gesundheitsmanagements der Polizei NRW wurden Führungskräftetrainings benannt.

Die administrative Implementierung

Im Oktober 2010 verständigte sich der Oberste Dienstherr der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen, der Minister für Inneres und Kommunales, mit dem Hauptpersonalrat der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen auf eine „Dienstvereinbarung zum Gesundheitsmanagement der Polizei Nordrhein-Westfalen“.

Dieser Dienstvereinbarung folgte unmittelbar per Erlass des Innenministeriums die Rahmenkonzeption „Behördliches Gesundheitsmanagement der Polizei NRW“ (BGMPol). Die Dienstvereinbarung wie auch die Rahmenkonzeption griffen dabei u. a. die Inhalte der verhaltens- und verhältnisorientierten Aspekte auf.

Über die im Rahmenkonzept BGMPol definierten Erfolgsfaktoren der

  • strategischen Verankerung des BGMPol in den jeweiligen Behördenstrategien,
  • Regelung klarer Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten in den Kreispolizeibehörden,
  • Nutzung dialogischer Instrumente,
  • Bereitstellung von Ressourcen,
  • Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten,
  • Definition des Themas als wesentliche Führungsaufgabe

wurden die drei wesentlichen Aspekte, ohne deren Berücksichtigung ein Scheitern vorprogrammiert ist, unmissverständlich dargestellt. Die „Entscheiderin“ bzw. der „Entscheider“ in Behörden, Organisationen oder Unternehmen muss das Thema wollen. Sie oder er muss Strukturen etablieren und Ressourcen zur Verfügung stellen.

Etabliert im Rahmenkonzept erfolgte die strukturierte Bündelung und Festlegung auf die Handlungsfelder des Behördlichen Gesundheitsmanagements der Polizei NRW ( Abb. 1).

Führung und Führungsverhalten

Die jeweiligen Führungskräfte haben wesentlichen Einfluss auf die erfolgreiche Implementierung des Behördlichen Gesundheitsmanagements in der Polizei NRW. Themenspezifische Fort- und Weiterbildungen von Führungskräften zu Themen des gesundheitsförderlichen Umgangs mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind mit Priorität durchzuführen. Dies ermöglicht den Führungskräften, die Bedeutung des BGMPol für die Polizei Nordrhein-Westfalen über alle Hierarchieebenen zielorientiert zu kommunizieren, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Eigen- und Organisationsverantwortung.

Arbeitsabläufe und Organisation

Neben der Betrachtung der Aufbau- und Ablauforganisation ist die Gestaltung transparenter, beteiligender Prozesse und Abläufe zu gewährleisten. Aufgaben sind für Beschäftigte verstehbar, handhabbar und sinnhaft darzustellen.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Zielsetzung ist die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, um die individuelle Lebenssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soweit wie möglich zu berücksichtigen und damit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern.

Personalentwicklung

Die demografische Entwicklung verdeutlicht die Relevanz eines zukunftsorientierten, strategischen Personalmanagements in Bezug auf die steigenden Anforderungen an die Beschäftigten. Als erfolgssichernd sind in diesem Handlungsfeld Altersstrukturanalysen in den jeweiligen Organisationseinheiten durchzuführen und ein systematisches Wissensmanagement muss implementiert werden. Das Wissensmanagement reflektiert hier insbesondere auf das implizite Wissen.

Sport und Ernährung

Die Polizeibehörden sind gefordert, ein flächendeckendes Dienstsportangebot, ggf. auch unter Einbindung der Sportverbände zur Ausweitung des Sportangebots, zu gewährleisten. Auch Kooperationen mit Krankenkassen und Gesundheitszentren sind nach Möglichkeit anzustreben.

Begleitend zum Sportangebot sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die einer geregelten, stressfreien Aufnahme von Verpflegung entgegenkommen.

Stressmanagement

Für die Prävention von psychischen Belastungen ist entscheidend, dass diesen Belastungen unter dem Gesichtspunkt von Gesundheitsförderung ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Teamentwicklungen, Supervisionen, Coaching von Führungskräften, Angebote Sozialer Ansprechpartner (SAP) sowie Aktivitäten von Kriseninterventionsteams können als Beratungsleistung durch die einzelnen Polizeibehörden angefordert und landeszentral vorgehalten werden.

Polizeiärztlicher Dienst

Das Vorhalten polizeiärztlicher Dienste und deren Aufgabenwahrnehmung in den Bereichen Arbeits-/Betriebsmedizin, vorbeugende Gesundheitsfürsorge und der ärztlichen Versorgung bei Einsätzen der Polizei sowie die Verordnung über die Freie Heilfürsorge der Polizei sind bestehende Teile der behördlichen Gesundheitsförderung und damit auch Teil des BGMPol.

Darüber hinaus können durch die Polizeibehörden zusätzliche präventiv wirkende Aktivitäten initiiert werden, die gesundheitsfördernde Wirkungen entfalten. Diese müssen mit den polizeiärztlichen Diensten abgestimmt werden.

Sicherheit und Fürsorgepflicht

Platziert wurden in diesem Handlungsfeld die Themen Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, Behördliches Eingliederungsmanagement sowie der Umgang mit verwendungseingeschränkten Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten.

Der Aspekt des Umgangs mit verwendungseingeschränkten Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten ist äußerst sensibel, da sich oft ein Spannungsfeld zwischen den Interessen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Interessen der Organisation ergibt. Eine landesweite Arbeitsgruppe setzt sich mit diesen Fragestellungen auseinander.

Die praktische Umsetzung

Aufgrund der Komplexität des Themas wurde bei der Polizei NRW eine schrittweise Vorgehensweise bei der Implementierung des BGMPol präferiert. Nahezu jede der 50 Polizeibehörden oder -einrichtungen in Nordrhein-Westfalen hatte sich schon vor der strukturierten, zentralisierten Befassung dem Behördlichen Gesundheitsmanagement in Einzelthemen gewidmet. Diese Ansätze unterstützend ließ das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) hier weitere individuelle Handlungsspielräume für die einzelnen Kreispolizeibehörden offen. Aufgrund der dezentralen Organisationsstruktur wurde darüber hinaus die Wichtigkeit einer zentralen Steuerung erkannt.

Vereinbart zwischen dem Innenministerium und dem Hauptpersonalrat wurde eine themenbezogene Lenkungsgruppe im Ministerium eingesetzt. Diese Lenkungsgruppe bestimmt die grundsätzliche strategische Ausrichtung und koordiniert die Aktivitäten u. a. durch die Fortschreibung des Rahmenkonzeptes des BGMPol. Dies wiederum entfaltet für alle Polizeibehörden in NRW Bindungswirkung.

Durch einen Erlass des MIK NRW im April 2011 erfolgte eine erste Priorisierung mit Blick auf die Handlungsfelder des BGMPol. Danach hatten die einzelnen Behörden ihre geplanten Maßnahmen auf die Schwerpunkte „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, „Sport“ und „Führung“ auszurichten. Neben den Erlassvorgaben steht und stand es den einzelnen Polizeibehörden frei, weitere Handlungsfelder zu thematisieren.

Als ein Erfolgsfaktor bei der Implementierung des BGMPol kann die zentrale Unterstützungsleistung durch das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP NRW) angesehen werden. Das Dezernat 31 „Personalentwicklung und Kompetenztraining“ unterstützt und berät auf Anforderung die Kreispolizeibehörden fachlich und inhaltlich in allen relevanten Themen des BGMPol.

Neben der dezentralen Aufgabenwahrnehmung bietet das LAFP NRW zentrale Fortbildungsveranstaltungen zu den unterschiedlichsten Themen- und Handlungsfeldern des BGMPol NRW an. Hierzu gehören auch Führungskräftetrainings. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Führungsfunktionen unterschiedlichster Polizeibehörden des Landes NRW kommen zentral zusammen und werden fortgebildet. Diese Vorgehensweise unterstützt den Blick „über den Tellerrand“ der eigenen Behörde.

Viele Behörden entschieden sich auch für ein alternatives Vorgehen. Vor dem Hintergrund, dass diejenigen Führungskräfte, die hierarchieübergreifend im Behördenalltag zusammen agieren, über ein vergleichbares Know-how im Bereich BGMPol verfügen sollen, wurden Führungskräftetrainings dezentral in den Behörden angeboten. Zielgruppe waren hier alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Führungsaufgaben. In der Regel wurden in zweitägigen Seminaren wesentliche Inhalte zum Behördlichen Gesundheitsmanagement vermittelt. Hier steht und stand das individuelle Führungsverhalten und dessen Wirkung deutlich im Vordergrund. Vorteilhaft – im Vergleich zu den zentralen Fortbildungsveranstaltungen mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus unterschiedlichen Behörden – ist hier, dass auch spezifische behördliche Herausforderungen mit den Führungskräften einer Behörde problemorientiert erörtert werden können.

Fazit

Die Polizei Nordrhein-Westfalen hat das Behördliche Gesundheitsmanagement erfolgreich eingeführt. Es wird kontinuierlich fortgeschrieben. Erfolgssichernde Strukturen wurden etabliert und Ressourcen zur Verfügung gestellt. Erkannt wurde die wesentliche Rolle der Führungskräfte in der Polizei NRW. Die durchgeführten Trainings für diese Zielgruppe waren und werden weiterhin als erfolgssichernd bewertet.

Fußnoten

1 Rahmenkonzeption „Behördliches Gesundheitsmanagement der Polizei NRW“

    Autor

    Thomas Funke

    Polizeioberrat

    Direktionsleiter Gefahrenabwehr/Einsatz der Kreispolizeibehörde Coesfeld

    thomas.funke2@polizei.nrw.de

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