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Zur Lage der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst

Einleitung

Im Öffentlichen Gesundheitsdienst der Bundesrepublik arbeiten laut Ärztestatistik der Bundesärztekammer ca. 2500 Ärztinnen und Ärzte, überwiegend mit den Facharztqualifikationen für Öffentliches Gesundheitswesen (Ende 2015 ca. 700), Innere Medizin, Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendmedizin, Psychiatrie sowie Zahnheilkunde. In den fast 400 Gesundheitsämtern sind nach Angaben des Bundesamtes für Statistik insgesamt ca. 17 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Ärztestatistik der Bundesärztekammer zeigt, dass die Zahl der berufstätigen Fachärztinnen und Fachärzte für Öffentliches Gesundheitswesen als einzige Facharztgruppe im Versorgungssektor „Öffentlicher Gesundheitsdienst“ in den letzten Jahren deutlich rückläufig und ein erheblicher Nachwuchsmangel festzustellen ist. Dies führt dazu, dass eine hohe Zahl der Stellen bei den Gesundheitsämtern unbesetzt ist. Weitere bundesweite Statistiken existieren nicht, so dass eine Bedarfsplanung auf gesicherter Datenbasis derzeit nicht möglich ist.

Zuständigkeiten

Die Zuständigkeiten für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) liegen bei den einzelnen Bundesländern, die die Rahmenbedingungen bestimmen. Die rechtlichen Grundlagen werden in Bundes- und Landesgesetzen geregelt. Das ist auch der Grund, weswegen der Öffentliche Gesundheitsdienst auch als „Versorgungssektor“, als „3. Säule des Gesundheitswesens“ angesehen wird. In Ergänzung der ärztlichen Tätigkeit in Krankenhäusern oder ambulanten Praxen, die vorwiegend individualmedizinisch ausgerichtet ist, sind im ÖGD auch bevölkerungsbezogene Aspekte mit präventivem Ansatz von Bedeutung. Besonderes Augenmerk ist daher im Rahmen der subsidiären und sozialkompensatorischen Ausrichtung auf Bevölkerungsgruppen gerichtet, für die kein oder ein erschwerter Zugang zur gesundheitlichen Regelversorgung gegeben ist.

Aktuelle Situation im Versorgungssektor „Öffentlicher Gesundheitsdienst“

Auch wenn sich die öffentliche Wahrnehmung des ÖGD in der gesundheitspolitischen Diskussion in den letzten Jahren verbessert hat, steht er weiterhin noch häufig im Schatten der ambulanten und stationären Versorgung, die die 1. und 2. Säule im Gesundheitswesen darstellen. Der Öffentliche Gesundheitsdienst – als 3. Säule im Gesundheitswesen – rückt jedoch immer dann verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, wenn die Gesellschaft mit den Gefahren und Herausforderungen von Pandemien konfrontiert oder die Forderung nach verstärkten Kontrollen durch die Gesundheitsämter erhoben wird, um Hygienemängeln in Arztpraxen, Krankenhäusern und Heimen zu begegnen. Im Jahr 2015 wurden die Aktivitäten des ÖGD insbesondere im Zusammenhang mit der Masernwelle sowie vor allem in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2015 im Kontext mit Gesundheitsuntersuchungen und Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge wahrgenommen. Immer bei Herausforderungen, die nicht oder nicht ausreichend im Rahmen der Regelversorgung im ambulanten und stationären Bereich bewältigt werden können, wird dann der Ruf nach der dritten Säule des Gesundheitssystems laut – und der ÖGD damit stärker sicht- und wahrnehmbar.

Breites Aufgabenspektrum

Prävention

Der ÖGD – die dritte Säule des Gesundheitswesens – leistet einen bedeutenden Beitrag in den Bereichen Prävention, Gesundheitsförderung und Gesundheitsschutz. Diese Aufgaben sind neben den bundesgesetzlichen Regelungen auch in allen Ländergesetzen über den Öffentlichen Gesundheitsdienst verankert. Aufgaben sind z. B. eine unabhängige, frühzeitige und fachlich fundierte Aufklärung der Öffentlichkeit, u. a. im Rahmen der Förderung eines gesundheitsbewussten Lebensstils, der Aufklärung über Infektionskrankheiten und deren Vorbeugung oder im Rahmen der Suchtprävention. Dem ÖGD kommt eine Schlüsselfunktion bei der Prävention in Lebenswelten wie Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sowie bei der Ansprache sozial benachteiligter Gruppen zu. Diese Fokussierung lässt sich insbesondere damit begründen, dass diese Gruppen vom primär individualmedizinisch ausgerichteten Regelversorgungssystem schlechter erreicht werden.

Ein Beispiel für die Notwendigkeit einer versorgungssektorenübergreifenden Kooperation ist die Feststellung von Impflücken bei Schulkindern durch den ÖGD, verbunden mit einer Information an die Eltern und der nachfolgenden Impfung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Gleiches gilt für die frühzeitige Feststellung und Vermeidung von Zahnschäden im Bereich der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe für Kinder und Jugendliche. Die Umsetzung der Präventionsbestrebungen durch den ÖGD erfolgt auf kommunaler Ebene in enger Abstimmung mit weiteren präventiv tätigen Akteuren u.a. Krankenkassen, Arbeitsmedizinern und niedergelassenen Ärztinnen/Ärzte.

Präventionsgesetz

Im Rahmen der Umsetzung des Mitte 2015 verabschiedeten Präventionsgesetzes hätte dem besonderen Stellenwert und den spezifischen Kompetenzen des ÖGD und seiner Beschäftigten in den Gesundheitsämtern vor Ort in stärkerem Maße Rechnung getragen werden müssen. Die Bundesärztekammer schließt sich der Forderung der 89. GMK 2016 im Beschluss 4.1 an, den ÖGD bei der Umsetzung der Landesrahmenvereinbarungen nach §20 f SGB V zum Präventionsgesetz einzubeziehen und bittet die Sozialversicherungsträger um Zusammenarbeit mit dem ÖGD. Unter den neuen Rahmenbedingungen gilt es, gemeinsam auf die Nutzung und die Weiterentwicklung vorhandener tragfähiger Strukturen für die Prävention und Gesundheitsförderung auf kommunaler bzw. regionaler Ebene hinzuwirken und dazu beizutragen, dass der ÖGD dabei sein Potenzial zur Wirkung bringen kann. Der Koordinierung der regionalen Gesundheitsförderung und Prävention kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu, z. B. mit Blick auf die Bedarfsfeststellung, orientierende Rahmenkonzepte oder die Qualitätssicherung. Die GMK schlägt vor, diese Entwicklung in regelmäßigen Statuskonferenzen zu begleiten und bittet den Bund und die anderen Partner hierbei um Unterstützung.

Expertise im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung

Der Öffentliche Gesundheitsdienst bietet die Möglichkeit des fachlichen datenbasierten Informationsaustauschs. So werden beispielsweise in den jährlich in allen Bundesländern durchgeführten Schuleingangsuntersuchungen Gesundheitsdaten und Daten zum Gesundheits- und Risikoverhalten erhoben, die den gesellschaftlichen Querschnitt in einer Altersstufe im Kindesalter abbilden. Diese Untersuchung ist bundesweit die einzige standardisierte Querschnittsuntersuchung, bei der ein gesamter Jahrgang komplett untersucht wird. Der ÖGD kann und soll bei der Planung und Gestaltung regionaler Versorgungskonzepte eine aktive Rolle spielen. Er besitzt mit seiner Kernkompetenz im Bereich der Gesundheitsberichterstattung (GBE) hierzu die erforderlichen Fachkenntnisse. Dies gilt insbesondere in ländlichen Regionen und sozialen Brennpunkten, die einerseits durch einen hohen Versorgungsbedarf und andererseits durch Verknappung von Grundversorgungsanbietern geprägt sind. Auch die Bundesärztekammer appelliert neben der GMK an die kommunalen Entscheidungsträger, dem wachsenden Aufgabenprofil entsprechende personelle Ressourcen bereitzustellen.

Meldewesen und Ausbruchsmanagement bei Infektionskrankheiten

Bei Infektionskrankheiten, insbesondere bei gehäuftem Auftreten und Ausbrüchen, sind Schutzmaßnahmen in enger und zeitnaher Abstimmung mit den regional zuständigen Gesundheitsämtern zu treffen. Hierzu gehören u.a. Umgebungsuntersuchungen im Umfeld der Erkrankten. Gerade die enge Verbindung zwischen der eingehenden Meldung und dem Einleiten der notwendigen Folgemaßnahmen durch das Gesundheitsamt vor Ort ist ein Kernelement des Meldesystems in Deutschland. Häufig können nur durch die Kenntnisse der regionalen Besonderheiten entsprechende Schutzmaßnahmen eingeleitet werden. Dabei spielt auch die Prüfung und Qualitätssicherung im Rahmen des Meldeverfahrens eine wesentliche Rolle. Daher ist die klar strukturierte gegliederte Aufgabenverteilung, bei der Informationen zu qualitätsgesicherten Fällen vom Gesundheitsamt über eine Landesmeldestelle an die nationale Ebene weitergeleitet werden, ein Gütemerkmal des deutschen Meldewesens.

Auch für die kommunalen Entscheidungsträger, für Krankenhäuser und Altenheime sowie die lokalen Medien sind die Gesundheitsämter im Rahmen der Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes erste Ansprechpartner vor Ort, wodurch sich ein erheblicher zusätzlicher Arbeitsaufwand ergibt. Aufgrund der häufig vorzufindenden personellen Unterbesetzung in den Gesundheitsämtern muss dies zunehmend zulasten der übrigen Aufgaben erfolgen.

Eher selten werden lokale Ausbrüche von Erkrankungen auch überregional wahrgenommen. Es ist jedoch zu erwarten, dass auch in Zukunft Herausforderungen wie die Influenzapandemie im Zeitraum 2009/2010, der EHEC-Ausbruch im Frühsommer 2011 oder die durch Tiefkühlerdbeeren ausgelöste Epidemie mit Noroviren im Herbst 2012 sowie verstärkte Masernausbrüche in 2014/2015 als jüngste Beispiele ein Bundesland übergreifendes Handeln der Gesundheitsämter erfordern.

Gesundheitliche Versorgung von flüchtenden Menschen

Die Bundesärztekammer hat auf dem 119. Deutschen Ärztetag 2016 unterstrichen, dass die Koordination und subsidiäre Versorgung von Flüchtlingen für den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) auch zukünftig eine große zusätzliche Herausforderung darstellen wird. Neben der Entwicklung und regelmäßigen Anpassung von Konzepten zur medizinischen Versorgung der Flüchtlinge stellen die Organisation und Durchführung von Versorgung und Impfungen eine große Herausforderung dar. Diese Aufgaben müssen zusätzlich zu den Kernaufgaben des ÖGD geleistet werden. In einer solchen Krisensituation zeigt sich immer wieder, dass ein funktionierender, ausreichend ausgestatteter ÖGD für die Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung eine unabdingbare Voraussetzung ist.

Krankenhaushygiene

Die aktuelle bundesweite gesundheitspolitische Diskussion über Verbesserungen im Bereich der Krankenhaushygiene und entsprechende gesetzgeberische Neuregelungen im Bereich des Infektionsschutzes mit Blick auf nosokomiale Erkrankungen und den Gefahren durch antibiotikaresistente Keime (z.B. methicillinresistente Staphylokokken (MRSA) haben auch hier den ÖGD verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Nach den modifizierten Regelungen des Infektionsschutzgesetzes liegt die infektionshygienische Überwachung von medizinische Einrichtungen, wie Kliniken, Altenheimen und Arztpraxen bei den Gesundheitsämtern. In den Einrichtungen werden vor Ort nicht nur besonders gefährdete Funktionsbereiche geprüft, sondern sämtliche Bereiche hinsichtlich der Einhaltung der rechtlichen und technischen Mindesterfordernisse in den Blick genommen.

Kinder- und Jugendgesundheit

Das im Januar 2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz unterstreicht den politischen Stellenwert und die Notwendigkeit des Kinderschutzes. Die Tätigkeit des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes (KJGD) mit seinen vielfältigen Funktionen zählt seit jeher zu den Aufgabenschwerpunkten der Gesundheitsämter mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche gesund aufwachsen zu lassen und ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung zu fördern. Als multiprofessioneller Dienst mit direkter Einbindung in die Kommunalverwaltung steht er in engen Beziehungen zu den öffentlichen Kinder-, Jugend- und Bildungseinrichtungen, besitzt vielfältige Kontakte zum medizinischen Versorgungssystem mit aufsuchender Wirkungsmöglichkeit und hat fachlich beratenden Zugang zu den kommunalen politischen Gremien, so dass ihm eine bedeutende multiaxiale Schnittstellenfunktion zukommt. Dabei hat der KJGD immer sowohl individualmedizinische als auch epidemiologische Aspekte zu beachten. Zu seinen Aufgaben gehören u.a. gutachterliche Tätigkeiten im Rahmen der Eingliederungshilfe, der Sonderpädagogik und Frühförderung sowie (Reihen-)Untersuchungen in Krippen, Kindertageseinrichtungen und Schulen, zum Teil mit betriebsärztlicher Funktion (Unfallprävention, Infektionsschutz). Durch seine multiprofessionelle Besetzung erfüllt der ÖGD wichtige präventive Aufgaben im Kinderschutz

Sozialpsychiatrischer Dienst

Beratung und Hilfen für psychisch kranke Bürgerinnen und Bürger und ihre Angehörigen sowie die Koordination der psychiatrischen Versorgungsangebote in einer Stadt oder einem Kreis sind eine der zentralen Aufgaben des ÖGD. In der Regel wird diese Aufgabe durch den Sozialpsychiatrischen Dienst als einem multiprofessionellen, ambulant aufsuchenden Fachdienst unter ärztlicher Leitung, erfüllt. In den Sozialpsychiatrischen Diensten beraten und untersuchen Ärztinnen und Ärzte Menschen mit einer psychischen Störung, einer Suchterkrankung, mit seelischen Problemen oder mit Behinderung und fördern deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Der Umgang mit akuten psychiatrischen Erkrankungen, ggf. mit konkreter Eigen- und/oder Fremdgefährdung, und einer daraus resultierenden einstweiligen Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik oder deren Vermeidung stellt regelmäßig eine besondere Herausforderung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialpsychiatrischen Dienste dar.

Fazit

Der Öffentliche Gesundheitsdienst wird zu Recht als „Versorgungssektor“, als „3. Säule des Gesundheitswesens“ angesehen. Er ergänzt die ärztliche Tätigkeit in Krankenhäusern oder ambulanten Praxen, die vorwiegend individualmedizinisch ausgerichtet ist durch seinen bevölkerungsmedizinischen Ansatz. Die stationären und ambulanten Versorgungssektoren des Gesundheitswesens stellen die 1. und 2. Säule des Gesundheitswesens dar. Dem steht die 4. Säule im Gesundheitswesens, die präventivmedizinisch ausgerichtete Arbeitsmedizin in der Arbeitswelt zur Seite.

Im ÖGD sind auch bevölkerungsbezogene Aspekte mit präventivem Ansatz von Bedeutung. Besonderes Augenmerk ist daher im Rahmen der subsidiären und sozialkompensatorischen Ausrichtung auf Bevölkerungsgruppen gerichtet, für die kein oder ein erschwerter Zugang zur gesundheitlichen Regelversorgung gegeben.

Diese vielfältigen Aufgabengebiete können von keinem anderen Versorgungssektor geleistet werden. Sie sind Ausdruck der gelebten Daseinsfürsorge Deutschlands für alle Bürgerinnen und Bürger. Dem sollte durch eine adäquate finanzielle und personelle Personalausstattung Rechnung getragen werden.

    Für die Autoren

    Dr. med. Ute Teichert, MPH

    Leiterin der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen

    Kanzlerstraße 4

    40472 Düsseldorf

    teichert@akademie-oegw.de

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