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Prävention setzt an den betrieblichen Quellen an

Arbeitsbedingte psychische Erkrankungen

Psychische Belastungen im Regelwerk

Psychische Belastungen haben den Eingang in das Regelwerk des Arbeitsschutzes gefun-den. Obwohl im Arbeitsschutzgesetz schon immer implizit selbstverständlich auch die psychischen Belastungen bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen waren, wurde im Jahr 2013 der § 5 explizit um die psychischen Belastungen ergänzt. Auch in der in 2015 novellierten Betriebssicherheits-verordnung wurde aufgenommen, dass bei der Gefährdungsbeurteilung die psychischen Belastungen mit zu berücksichtigen und ins-gesamt bei der menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu integrieren sind. Auch in der nach wie vor geplanten Novelle der Ar-beitsstättenverordnung ist eine Berücksichti-gung der psychischen Belastung enthalten. Damit wird im Vorschriftenwerk die gesellschaftliche Diskussion aufgegriffen und für die Arbeitswelt die Berücksichtigung der psychischen Belastungen bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen verbindlich gemacht.

Krankwerdungsprozesse

Eine erste Unschärfe besteht in der Wahl der Begriffe. Handelt es sich um psychische Be-lastungen oder um Gefährdungen? Psychi-sche Belastungen können durchaus positive Wirkungen zeigen, in der DIN EN ISO 10075 werden Anregung und Aktivierung genannt. Ohne psychische Belastungen kann deshalb kaum ein Qualifikationserwerb erfolgen. Wie so oft heißt es also auch hier: Die Dosis macht das Gift. Aus den Belastungen können kurzfristige Fehlbeanspruchungen d. h. Gefährdungen entstehen, die sich dann lang-fristig als Krankheiten manifestieren. Auch hier kann die Erkrankungspyramide als Er-klärungsmodell dienen ( Abb. 1). Aus ei-ner anfänglichen Beeinträchtigung des Wohl-befindens kann sich schlussendlich eine Erkrankung entwickeln.

Quellen psychischer Belastungen

Um wirksame Präventionsmaßnahmen zu er-greifen, müssen zunächst die Quellen der Ge-fährdungen ermittelt werden. Wissenschaftlich von Interesse ist es, welche Anteile die Quellen für psychische Erkrankungen aus Betrieb und privaten Lebensumständen ha-ben. Beim Verlassen des Arbeitsplatzes ist eben nicht wie bei manch anderen Belastun-gen (z. B. Lärm) eine sofortige Veränderung der Wirkung auf den Menschen, d. h. der Be-anspruchung zu verzeichnen. Umgekehrt gilt natürlich das Gleiche. Auch Belastungen aus dem Privatleben verschwinden nicht beim Be-treten des Betriebs. Das Work-Life-Balance-Konzept trennt z. B. nicht explizit zwischen den jeweiligen Anforderungen und Ressour-cen, da der arbeitende Mensch ganzheitlich gesehen wird. In vielen Betrieben gibt es z. B. eine Sozialberatung, in der betriebliche und private Themen angesprochen werden können. Dies ist aber kein allgemeiner Standard und erfordert eine gewisse Betriebsgröße.

Für die betriebliche Prävention psychi-scher Gefährdungen muss an den im Betrieb vorhandenen (und beeinflussbaren) Quellen angesetzt werden. In der gemeinsamen Er-klärung „Psychische Gesundheit in der Ar-beitswelt“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sowie dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) werden die (betrieblichen) Quellen verschiedener psychischer Belastungen aufgeführt ( Tabelle 1).

Wenn man die in der Tabelle aufgeführten Quellen der psychischen Belastung be-trachtet, dann wird deutlich, dass es im Betrieb viele konkrete Ansatzpunkte für die Prävention psychischer Erkrankungen gibt. Auch ohne eine ganz detaillierte Kenntnis der Ursache-Wirkungs-Beziehungen können Maßnahmen durchgeführt werden, mit denen die Situation verbessert wird.

Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastungen

Es besteht das methodische Problem der Beurteilung psychischer Belastungen. Messverfahren wie z. B. bei der Lärmmessung oder anerkannte orientierende Bewertungsverfahren wie z. B. die Leitmerkmalmethode zur Beurteilung von Hebe- und Tragetätigkeiten liegen nicht oder nur auf Expertenniveau vor. Methodisch wichtig ist es, dass die Belastungen ermittelt werden und nicht die Wirkungen, d. h. die Beanspruchungsfolgen (s. „Weitere Infos“: IAG-Report „Ge-fährdungsbeurteilung psychischer Belas-tungen“). Hierzu gibt es unterschiedliche methodische Herangehensweisen die in  Tabelle 2 mit ausgewählten Vor- und Nachteilen zusammengestellt sind. Oft ist es günstig, wenn die einzelnen Methoden mittels externer Unterstützung im Betrieb angewandt werden.

Fazit

Die Prävention psychischer Erkrankungen im Betrieb ist eine vergleichsweise neue Auf-gabe des betrieblichen Arbeitsschutzes. Nicht alle Zusammenhänge sind bekannt, weshalb die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Ar-beitsmedizin derzeit im Auftrag der Bundes-regierung umfassend den Wissensstand zusammenträgt. Man steht aber andererseits auch nicht am Anfang der Erkenntnisse. Erhebungsmethoden sind bekannt und auch die Quellen der psychischen Belastung im Betrieb sind im Überblick identifiziert. Es gibt also konkrete Ansatzpunkte für die Prä-vention psychischer Erkrankungen bzw. der Beeinträchtigung des Wohlbefindens.

    Weitere Infos

    IAG-Report 1/2013: Gefährdungs-beurteilung psychischer Belastun-gen

    publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/iag-report-2013-01.pdf

    Autor

    Prof. Dr.-Ing. M. Schmauder

    Professur Arbeitswissenschaft

    Institut für Technische Logistik und Arbeitssysteme

    Technische Universität Dresden

    Dürerstraße 26 – 01062 Dresden

    martin.schmauder@tu-dresden.de

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