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Auswahl und orthopädische Anpassung von Schutz- und Sicherheitsschuhen

Damit der Schuh nicht drückt …

Rechtliche Rahmenbedingungen

Nach § 29 der DGUV Vorschrift 1„Grundsätze der Prävention“ hat der Unternehmer dem Versicherten geeignete persönliche Schutzausrüstungen, also auch Fußschutz, bereitzustellen. Vor der Bereitstellung hat er die Versicherten anzuhören.

Es gilt auch bei Schutz-, Sicherheits- und Berufsschuhen, dass es günstig ist, wenn die späteren Benutzer an der Auswahl beteiligt sind. In vielen Betrieben kann zwischen unterschiedlichen Herstellern und unterschiedlichen Modellen ausgewählt werden. Wenn es dann noch gelingt, dass auch bei Arbeiten im privaten Umfeld, sei es bei Bau-arbeiten, beim Umzug oder beim Rasen-mähen Sicherheits- oder Schutzschuhe getragen werden, dann wird es weniger Fußverletzungen geben.

Für bereitgestellte persönlichen Schutz-ausrüstungen müssen EG-Konformitätser-klärungen vorliegen. Sicherheits-, Schutz- und Berufsschuhe sind persönliche Schutz-ausrüstungen, die der PSA-Richtlinie genügen müssen. Die achte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (8. ProdSV) fordert für Fußschutz das Vorliegen einer EG-Bau-musterprüfbescheinigung. D. h. für solch eine PSA kann vom Hersteller erst nachdem eine gemeldete Stelle für ein PSA-Modell eine EG-Baumusterprüfung durchgeführt hat, die Konformitätserklärung ausgestellt werden. Ebenfalls müssen die in den relevanten Normen enthaltene Anforderungen erfüllt werden. Solchermaßen geprüfte Ar-beitsschutzschuhe dürfen nicht verändert werden, denn sonst verliert die Prüfbescheinigung und damit die CE-Kennzeichnung ihre Gültigkeit.

Anforderungen je nach Arbeits-tätigkeit

Schutz- und Sicherheitsschuhe müssen ent-sprechend den Arbeitsbedingungen ausge-wählt werden. Die typischen Risiken für Fuß-verletzungen sind z. B. auf Baustellen anders ausgeprägt als in eine Küche. Auf Baustellen muss die Zehenpartie geschützt werden und die Sohle muss durchtrittsicher sein, so dass z. B. ein herausstehender Nagel nicht zu einer Fußverletzung führt. In einer Küche kommt hingegen der Rutschsicherheit eine höhere Bedeutung zu. In Betrieben in denen mit elektronischen Bauteilen hantiert wird, spielt die elektrische Leitfähigkeit der Schuhe eine wichtige Rolle. Es darf sich keine Ladungsanhäufung ergeben, die sich durch eine Funkenbildung beim Berühren leitfähiger Teile bemerkbar macht. Die Schuhe und hier insbesondere die Sohlen (und dann selbstverständlich auch der Bodenbelag im Betrieb) müssen elektrisch leitfähig sein, so dass keine Potentialdifferenz entstehen kann. Deutlich gemacht wird dieses mit dem ESD-Zeichen ( Abb. 1), wobei ESD für electrostatic discharge (elektrostatische Ent-ladung) steht.

Zusammengefasste Hinweise zu Schutz- und Sicherheitsschuhe sind in der DGUV Regel 112-191 „Benutzung von Fuß- und Knieschutz“ enthalten. Hier ist auch eine Tabelle abgedruckt, für welche Bedingungen welche Schuhe empfohlen werden.

Orthopädische Hilfsmittel

Bei orthopädischem Fußschutz ist zu unterscheiden, ob es sich um

  • die handwerkliche Herstellung eines neuen Schuhes oder um
  • die orthopädische Änderung (Zurich-tung) eines industriell gefertigten Schuhs handelt.

Mit Einlagen oder Schuhzurichtungen begegnet man den beschriebenen Problemen und unterstützt die physiologisch günstige Fuß und Körperhaltung. Als Schuhzurichtung wird die individuelle Anpassung des Schuhs an die Bedürfnisse des Trägers bezeichnet. Bei einer Schuhzurichtung wird der vorhandene Schuh so umgestaltet, dass durch die Bearbeitung nach orthopädischen Vorgaben bestimmte Fußbeschwerden beseitigt oder gemindert werden können. Typische orthopädische Zurichtungen sind z. B.:

  • Ausgleichsbettung
  • Stufenbettung
  • Schuherhöhung
  • Innen- und Außenranderhöhung
  • Orthopädische Abrollhilfen
  • Schuhbodenversteifung
  • Schuhbodenverbreiterung
  • Erhöhter Absatz
  • Seitlich versetzter Absatz
  • Schaftversteifung
  • Laschenversteifung
  • Polsterung

Schuhe für lose Einlagen

Schuhe für lose Einlagen sind für Personen gedacht, die orthopädische Einlagen tragen müssen und für die daher die „normalen“ Sicherheits-, Schutz- oder Berufsschuhe nicht verwendet werden können, da diese eben als PSA die EU-Vorgaben erfüllen müs-sen und deshalb nicht verändert bzw. ergänzt werden dürfen. Das Tragen von Einlagen kommt oft noch vor der Anforderung, dass Schuhe individuell gefertigt bzw. angepasst werden müssen.

Die Schuhersteller haben für dieses Pro-blem eine zielführende Lösung gefunden: Wenn ein zertifizierter Schuh mittels eines zertifizierten Verfahrens und der Verwendung von zertifizierten Materialien verändert, d. h. angepasst wird, dann ist die CE-Zertifizierung gegeben. Das heißt, die Sicherheitsschuhe werden im Vorfeld der Veränderung zertifiziert wenn die dafür aufgestellten Regeln eingehalten werden. Jeder renommierte Hersteller von Schutzschuhen hat dafür geeignete Schuhmodelle sowie Materialien für Einlagen und Verfahrensweisen für die Umgestaltung im Angebot.

Die Verwendung von anderen Materialien als das vom Schuhhersteller vorgesehe-nen Schuheinlagenmaterial ist unzulässig, weil dadurch der Schuh gegenüber dem geprüften Baumuster verändert wird. So kann z. B. durch ungeeignete Einlagen der notwen-dige Freiraum unter der Zehenkappe nicht ausreichend oder die elektrische Leitfähigkeit kann beeinträchtigt sein.

In  Abb. 2 wird die Vorgehensweise auf-gezeigt. Die Kostenübernahme muss extra geklärt werden. Oft ist es sinnvoll, dass zwei Paar Schuhe vorhanden sind, so dass arbeits-täglich gewechselt werden kann.

Schuharten

Nicht jeder Arbeitsschuh ist ein Sicherheitsschuh. Es wird nach Berufs-, Schutz- und Sicherheitsschuhen, an die steigende Anforderungen gestellt werden, differenziert.

Der prinzipielle Aufbau eines Schuhs ist in  Abb. 3 dargestellt.

Sicherheitsschuhe enthalten eine Zehen-kappe, die für hohe Belastungen geeignet ist. Die Schutzwirkung wird für stoßartige und druckartige Belastungen geprüft (Kurzbezeichnung S).

Schutzschuhe enthalten eine Zehenkappe, die für mittlere Belastungen geeignet ist. Die Schutzwirkung wird ebenfalls für stoßartige und druckartige Belastungen ge-prüft (Kurzbezeichnung P).

Berufsschuhe sind Schuhe mit Schutzmerkmalen zum Schutz des Trägers vor Ver-letzungen, die bei Unfällen auftreten könnten. Sie müssen nicht über eine Zehenkappe verfügen (Kurzbezeichnung O).

Neben der Zehenkappe aus Stahl, Kunst-stoff oder Aluminium gibt es noch weitere Merkmale wie z. B. eine durchtrittsichere Einlage (Zwischensohle), die das Eindringen von Nägeln und anderen Spitzen Gegenständen verhindert,

  • Knöchelschutz und Polsterkragen bei Stiefeln,
  • ein kälte- bzw. wärmeisolierender Unter-bau für Arbeiten in kalten und heißen Um-gebungen.
  • eine Überkappe zum Schutz vor Beschä-digungen
  • Zusatzanforderungen wie z. B. Schnittschutz oder die Beständigkeit gegenüber Chemikalien.

Je nach Anforderungen werden die Schuhe unterschiedlich klassifiziert. So steigen z. B. bei Sicherheitsschuhen auch die Anforderungen bzw. Eigenschaften mit zunehmender Klasse:

  • S 1: Sicherheitsschuh mit Zehenschutzkappe, antistatischen Eigenschaften, einem geschlossenen Fersenbereich und einem bestimmten Energieaufnahmevermögen
  • S 2: Sicherheitsschuh wie S 1, jedoch zusätzlich mit besonderen Anforderungen an Wasserdurchtritt und Wasseraufnahme der Materialien
  • S 3: Sicherheitsschuh wie S 2, jedoch zusätzlich mit durchtritthemmende Zwischensohle und profilierter Laufsohle.

Wenn also, wie z. B. auf Baustellen auch die Durchtrittsicherheit wichtig ist, dann müssen Schuhe der Klasse S 3 gewählt werden. Die Auswahl der Klasse ist das Ergebnis einer Gefährdungsbeurteilung und es können auch Auswahlhilfen verwendet werden, in denen für typische Tätigkeiten die zu verwendenden Klassen zugeordnet werden.

Trageeigenschaften

Im Hinblick auf Trageeigenschaften müssen bei der Auswahl und Beschaffung von Schu-hen ergonomische Anforderungen berücksichtigt werden (vgl. DGUV Regel 112-191).

  • Passform: Gleiche Schuhgrößen verschie-dener Hersteller haben nicht immer die gleiche Passform. Teilweise gibt es auch Weitensysteme, die unterschiedliche Fuß-formen berücksichtigen.
  • Zehenkappen: Die Zehenkappen dürfen z. B. bei knienden Tätigkeiten keinen un-akzeptablen Druck auf den Fuß ausüben.
  • Polsterung: Zur Vermeidung von Druckstellen sollten der Bein- und Knöchelbereich sowie die Lasche mit einer Polsterung versehen sein.
  • Klimamembran: Sie ist geeignet, sowohl die Wasserundurchlässigkeit von außen nach innen zu gewährleisten, als auch die Wasserdampfdurchlässigkeit von innen nach außen zu erhalten.
  • Gewicht: Unter Berücksichtigung des not-wendigen Schutzes sowie der Einsatz-bedingungen sollte ein möglichst leichter Schuh gewählt werden.
  • Schuhform: Halbschuh oder knöchel-hoher Schuh
  • Eignung für Einlagen: Durch Einlagen ver-ändern sich die Eigenschaften des Schuhs, weshalb hier individuelle Lösungen not-wendig sind.

Mit den inzwischen verfügbaren Schuhmodellen, Materialien und Vorgehensweisen ist es möglich, dass auch bei Fußproblemen eine individuelle Lösung gefunden wird die den Anforderungen des Arbeitsschutzes genügt.

Fazit: Auswahl und Anpassung von Schutz- und Sicherheitsschuhen sind schlussendlich das Ergebnis eines Abstimmungsprozesses zwischen den Schutzanforderungen des Ar-beitsplatzes und den Bedürfnissen des Be-nutzers. Durch die vielfältigen Möglichkeiten müssen hier kaum noch Kompromisse ein-gegangen werden und es ist bei einem optimalen Schutz eine hohe Nutzerzufriedenheit möglich.

    Autor

    Prof. Dr.-Ing. M. Schmauder

    Professur Arbeitswissenschaft

    Institut für Technische Logistik und Arbeitssysteme

    Technische Universität Dresden

    Dürerstraße 26 – 01062 Dresden

    martin.schmauder@tu-dresden.de

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