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Gutes Sehen – Voraussetzung für ergonomisch gute Körperhaltung

Sehvermögen

Gutes Sehen ist für gute Arbeit notwendig. Etwa 30–40 % der Beschäftigten verfügen über ein nicht ausreichendes oder nicht aus-reichend korrigiertes Sehvermögen (Quelle: BAuA-Quartbroschüre „Gutes Sehen im Büro). Jeder Brillenträger weiß, dass sich das Sehvermögen ändert und man regelmä-ßig eine Kontrolle durchführen lassen sollte. Kurzsichtigkeit und Weitsichtigkeit sind die allseits bekannten Arten der Sehschwäche. Es gibt jedoch weitaus mehr Differenzierungsmerkmale, so dass erst ein Sehtest eine qualifizierte Aussage liefert. Je nach Sehschwäche und Art der Arbeit muss die pas-sende Brille ausgewählt werden. Reicht eine Lesebrille, benötigt man eine Bildschirmbrille oder ist eine Gleitsichtbrille sinnvoll? Vor allem bei der Arbeit an Bildschirmgeräten ist eine regelmäßige Kontrolle des Sehvermögens notwendig. Bildschirmarbeitsplätze im Sinne der Bildschirmarbeitsplatzverordnung (BildscharbV) befinden sich tatsächlich überwiegend im Bürobereich. Jedoch ist gutes Sehen auch an Produktionsarbeits-plätzen z. B. in der Feinmechanik und in der Qualitätskontrolle notwendig. Inzwischen ist fast jede Maschine mit einem Bildschirm zur Informationsein- und -ausgabe ausgestattet. Selbst im Heim- und Privatbereich gibt es kaum noch Geräte, ob Stereoanlage, Back-ofen, Waschmaschine oder Kaffeevollautomat, die ohne Menüsteuerung mittels eines Displays auskommen. Gutes Sehen ist also wichtig und mit der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung nach dem DGUV-Grundsatz G 37 können viele Probleme früh-zeitig erkannt und beseitigt werden.

Neben der Kurz- und Weitsichtigkeit muss zukünftig auch verstärkt die Alterssichtigkeit in den Blick genommen werden. So nimmt die Akkommodationsfähigkeit des Auges im Laufe des Lebens kontinuierlich ab. Die Linse ist dann nicht mehr elastisch – folglich können Objekte nur noch in einem größeren Ab-stand scharf gesehen werden. Dieser Abstand liegt jedoch häufig über dem Betrachtungsabstand von Displays und Bildschirmen, wes-halb ein sicheres Ablesen und eine qualitativ hochwertige Arbeit nicht mehr gegeben sind.

Sichtbedingungen

Ausschlaggebende Größen für die Sichtbe-dingungen sind:

  • Sehachse,
  • Sehentfernung,
  • Sehbereiche.

Sehachse

Die Sehachse ist die Verbindungslinie zwi-schen einem fixierten Objekt und dem Mittel-punkt der Netzhautgrube; sie verläuft näherungsweise mit der Blicklinie (Verbindung fixiertes Objekt – mechanischer Augendreh-punkt). Sie ist körperhaltungsabhängig und ergibt sich aus der Auslenkung des Kopfes und der Augen gegenüber der Waagerechten.

Die in  Abb. 1 angegebenen Werte für die Normallage der Sehachse im Stehen und im Sitzen sind durch die entspannte Kopf- und Augenhaltung festgelegt:

  • Augenauslenkung in Ruhelage: ca. 10–15 ° gegenüber der Waagerechten,
  • Neigung des entspannten Kopfes im Stehen: 15–20 °,
  • Neigung des entspannten Kopfes im Sitzen: ca. 25 °.

Die Blicklinie soll nach Möglichkeit senkrecht auf die Betrachtungsebene treffen, um unbequeme Ausgleichhaltungen des Nutzers zu unterbinden.  Abbildung 2 zeigt einige Beispiele für Kopfhaltungen und Blicklinien in Bezug auf verschiedene Arbeitsaufgaben.

Sehentfernung

Akkommodation ist die Fähigkeit des Auges, sich auf unterschied-liche Sehentfernungen einzustellen. Die Akkommodationskraft lässt mit dem Alter nach. 20-Jährige verfügen etwa über eine Akkommodationskraft von 10 Dioptrien, was aussagt, dass sie bis auf eine Nähe von 0,1 m scharf sehen können (1/0,1 m = 10 Dioptrien). Im Gegensatz dazu beträgt die Akkommodationskraft für 50-Jährige lediglich noch etwa 2 Dioptrien. Der Nahpunkt liegt dementsprechend schon bei 0,5 m. Neben dem individuellen Sehvermögen hängt die Sehentfernung von folgenden Faktoren ab:

  • der Art der Sehaufgabe,
  • der Beleuchtungsstärke,
  • Größe, Form, Farbe des Sehobjekts,
  • Struktur (Textur), Kontrast der Sehobjektumgebung.

Abbildung 3 zeigt den qualitativen Einfluss dieser Faktoren auf die Sehentfernung, bevor im Folgenden quantitative Gestaltungsempfehlungen gegeben werden.

Sehbereiche

Das Gesichtsfeld ist der visuelle Wahrnehmungsbereich bei unbewegtem Kopf und unbewegten Augen.

In Abhängigkeit davon, ob Augen und/oder Kopf bewegt werden, ergeben sich verschiedene Sehbereiche für den Menschen. Es wird zwischen den folgenden drei grundsätzlichen Bereichen unterschieden:

  • Gesichtsfeld,
  • Blickfeld,
  • Umblickfeld.

Bei allen Bereichen muss zwischen monokularem und binokularem Sehen unterschieden werden. Die im Folgenden angegebenen Werte beziehen sich auf das binokulare Sehen.

Der Raum, in dem scharf gesehen werden kann, ist im Vergleich zu dem gesamten Gesichtsfeld relativ klein und bildet einen Kegel von ca. 1 ° Sehwinkel ( Abb. 4).

Außerhalb dieses kleinen Bereichs werden nur noch starke Kontraste und Bewegungen der Sehobjekte wahrgenommen. Es ist zu beachten, dass die maximale Ausdehnung des Gesichtsfelds inter-individuell verschieden ist. Im Gesichtsfeld sind Sehobjekte anzuordnen, die gleichzeitig überwacht werden müssen.

Im Gegensatz zum Gesichtsfeld, das über den Wahrnehmungsbereich definiert wird, ist für das Blickfeld der Sehbereich ausschlag-gebend, der vom Menschen fixiert werden kann. Im Blickfeld können bei ruhendem Kopf und bewegten Augen die Sehobjekte nacheinander fixiert werden.

Das um Kopfbewegungen erweiterte Blickfeld bezeichnet man als Umblickfeld. Das Umblickfeld ist der bei ruhendem Körperrumpf, bewegtem Kopf und bewegten Augen fixierbare Raumsektor des Sehraums. In diesem Bereich sind Objekte anzuordnen, die in häufi-gem Wechsel nacheinander anzublicken sind.

Gute Ergonomie durch optimale Sichtbedingungen

Für eine gute ergonomische Arbeitsplatzgestaltung muss also zunächst ein gutes bzw. optimal korrigiertes Sehvermögen vorhanden sein. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes orientiert sich an der Sehaufgabe. Sehachse, Sehentfernung und die Sehbereiche müssen berücksichtigt werden. Arbeitshöhe und Sitz-höhe müssen entsprechend der Sehaufgabe eingestellt werden. Erst dann kann in einer ergonomisch günstigen Körperhaltung gearbeitet werden.

Arbeitstische/Büroarbeitsplätze

Bei Arbeitsplätzen im Büro ergibt sich neben der Sicht auf den Bildschirm die Arbeitshöhe auch aus der Haltung der Unterarme. Günstig 0ist es, wenn die Oberarme locker herabhän-gen und die Unterarme waagerecht sind, so das z. B. eine Tastatur ohne Abwinkelung des Handgelenks bedient werden kann. Auch die Verwendung von Bürostühlen mit Armauf-lagen ist günstig, da hier die Unterarme ab-gestützt werden. Von den drei Maßen Tisch-höhe, Sitzhöhe und Fußstützenhöhe müssen zwei auf den Benutzer eingestellt werden können.

Bei fester Arbeitshöhe richtet sich diese nach dem größten Nutzer der Nutzergruppe. Kleinere Personen benötigen eine entsprechend höhere Sitzhöhe. Der Bodenkontakt muss über eine ebenfalls höhenverstellbare Fußstütze hergestellt werden. Optimal ist es, wenn die Arbeitshöhe und Sitzhöhe variabel nach dem größten und kleinsten Nutzer der Nutzergruppe verstellbar ist. Die Verstellung muss hier nicht dynamisch stufenlos erfolgen, sondern kann mittels Distanzelementen realisiert werden. Es ist ja im Büro nicht so, dass die Arbeitshöhe laufend geändert werden muss, sondern es genügt, wenn jedem Mitarbeiter seine optimale Arbeitshöhe einmalig eingestellt wird.

Anders sieht es bei den Sitz-Steharbeits-plätzen aus. Diese sind zu empfehlen, da eine wechselnde Körperhaltung aus ergonomi-scher Sicht anzuraten ist. Der Wechsel von Sitzen zu Stehen und zurück muss allerdings ohne größeren Verstellaufwand möglich sein.  Abbildung 5 zeigt die Zusammenhänge auf und verdeutlicht insbesondere auch die Größenunterschiede zwischen dem 5. Perzen-til Frau („kleine Frau“ mit 153,5 cm Körperhöhe) und dem 95. Perzentil Mann („großer Mann“ mit 185,5 cm Körperhöhe).

    Autor

    Prof. Dr.-Ing. M. Schmauder

    Professur Arbeitswissenschaft

    Institut für Technische Logistik und Arbeitssysteme

    Technische Universität Dresden

    Dürerstraße 26 – 01062 Dresden

    martin.schmauder@tu-dresden.de

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