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Unternehmenskultur

Sehr geehrter Herr Studiendekan,

ich bin seit 18 Jahren Mitglied Ihrer Medizinischen Fakultät. Zwar bin ich nur ein „außerplanmäßiger“ Professor, stehe also nicht auf der Gehaltsliste der Universität. Dennoch habe ich mich in dieser Zeit regelmäßig, ohne eine einzige Unterbrechung, an der arbeitsmedizinischen Hauptvorlesung beteiligt. Nach Erreichen der Altersgrenze möchte ich dieses Engagement nunmehr beenden und mich dafür bedanken, dass ich dabei sein durfte.

Damals wurde ich unmissverständlich vom Dekan darauf hin-gewiesen, dass ich als Privatdozent und Mitglied der Fakultät auch Lehrveranstaltungen abzuhalten hätte. Das war für mich ein erheb-liches Zeitproblem, da ich einen Fulltime-Job und knapp 100 Kilometer Anfahrt hatte. Allerdings wurden zu dieser Zeit noch Kilometerpauschale und ein bescheidenes Vorlesungsgeld bezahlt. Das fiel dann vor etwa zehn Jahren weg. Der Aufwand nahm jedoch zu. Das neue problemorientierte Lernen in kleineren Gruppen erforderte deutlich mehr Zeit. Seitdem opferte ich sechs Arbeitstage pro Semester für die Alma Mater.

Zur Verbesserung des studentischen Unterrichts wurden didak-tisch-pädagogische Kurse für die Dozenten angeboten. Außerdem wurden die Lehrveranstaltungen durch eine eigens eingerichtete psychologische Supervision begleitet. Die Studenten wur-den gegen Ende des Semesters aufgefordert, die Vorlesung zu beurteilen.

Das waren jedoch alles nur technokratische Maßnahmen ohne wesentliche Wirkungen auf die Qualität der Lehre. Denn um die Wünsche und Bedürfnisse der Dozenten selbst kümmerte man sich nicht. Kein Wort des Dankes oder der Anerkennung. Statt-dessen seitenlange Auswertungen des internen Rankings und der Studieren-denbefragung. Manch einer kühlte sein Mütchen. Da schrieb beispielsweise einer, der wohl nicht richtig aufgepasst hatte: „Der Dozent hat nur etwas über Arbeitsplätze erzählt, anstatt auf die Erkrankungen einzugehen.“

Das alles hat mich nicht davon abgehalten, eine – wie ich glaube – interessante, einprägsame und auch praxisorientierte arbeitsmedizinische Vorlesung zu halten. Allerdings konnte ich es mir bei der Erläuterung der Soft Skills nicht verkneifen, unter Hinweis auf die Führungskultur in Ihrer Universität den Studenten darzustellen, wie man es nicht machen sollte. Corporate Identity und Social Responsibility sehen anders aus.

Doch Sie sind nicht alleine. Ich erinnere mich mit Grausen an die Veranstaltung einer anderen, ebenfalls ehrwürdigen und traditions-reichen deutschen Medizinischen Fakultät. Es ging um die Neu-besetzung des arbeitsmedizinischen Lehrstuhls. Fünf Aspiranten waren zum Vorsingen eingeladen, u. a. auch ich. Die Veranstaltung war geprägt durch Kandidatenverachtung. So war der Einladung keine Wegbeschreibung beigefügt. Hatte man schließlich mühsam den Vorlesungssaal gefunden, erfuhr man per Zufall, dass man sich im Vorbereitungsraum einzufinden hätte. Dort saßen bereits die anderen Kandidaten. Es gab nichts zu trinken und keine Vorinformationen hinsichtlich der Vortragstechnik. Alle dreißig Minuten ging eine Tür auf und der Kommissionsvorsitzende bat den nächsten Kandida-ten in den Vorlesungssaal. Keine verbindlichen Worte, kein Händedruck. Da ist die derzeitige Willkommenskultur bei den Flüchtlingen komfortabler. Nach dem Vortragsteil saß jeder Kandidat einem sechzehnköpfigen Gremium gegenüber, das sich mehr als die heilige Inquisition, denn als Berufungskommission aufführte. Man stelle sich ein solches Szenario bei einer Bewerbung in der Wirtschaft vor. Die Besten wären da schon längst vom Hof gerannt und hätten das Weite gesucht. Beim Ranking der beliebtesten Arbeitgeber dürften sich die Medizinischen Fakultäten um die hintersten Plätze rangeln.

Sehr geehrter Herr Studiendekan, weder Sie noch Ihre Vorgänger habe ich persönlich kennengelernt. Keiner von Ihnen hat mich je-mals zu einem Gespräch eingeladen oder sich bei mir vorgestellt. Es ist Ihnen nicht gelungen, ein Klima des Vertrauens und des Wir-Gefühls zu erzeugen. Wer hier einen Fortbildungskurs besuchen muss, das sind die Dekanatsangehörigen. Mitarbeiterführung, internes Marketing und Stärkung der Motivation wären lohnenswerte Themen, um Ihre Defizite zu beseitigen. Als ein Mann, der Zaungast bei Führungszirkeln in der Deutschen Wirtschaft war, darf ich Ihnen miserable Managementqualitäten bescheinigen.

Mit kollegialen Grüßen

Ihr Dr. Ironymus

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