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Aktuelles zur Impfprophylaxe beruflich Reisender

Einleitung

Internationale Reisen sind für die Mitarbei-ter stark exportorientierter oder rohstoffabhängiger Unternehmen heute eine alltägliche Notwendigkeit. Die Sorgen vor gesundheitlichen Folgen kreisen dabei zumeist um das Auftreten von Infektionserkrankungen, deren Wahrscheinlichkeit – zumindest subjektiv – durch das Reisen stark anzusteigen scheint. Bei der Prävention stehen die Impfungen als vertikale Maßnahme oft sehr im Fokus, während präventive Verhaltensweisen rund um MERS-CoV, Chikungunya oder Lues dem Berater wie dem Beratenen als unrealistische „Einmischung in innere Angelegenheiten“ vorkommen. Ohne diese etwas fatalistische Einschätzung zu teilen, widmen wir uns hier der jährlich im Sommer neu zu stellenden Frage, welche Neuerungen auf dem Impfsektor zu berücksichtigen sind.

Jede Prüfung der Vollständigkeit des Impfschutzes beginnt immer bei den reiseunabhängigen Standardimpfungen (STIKO 2015). Hier hat es lediglich eine Änderung gegeben ( Tabelle 1).

Pneumokokken

Säuglinge erhalten jetzt eine Dosis des Kon-jugatimpfstoffes weniger, sofern sie termingerecht geboren wurden. Für die Standardimpfung von Erwachsenen ab 60 Jahren wird dagegen weiterhin der 23-valente Polysac-charidimpfstoff empfohlen. Dazu hat die STIKO bereits 2012 eine Erläuterung abge-geben. Zwar sind Konjugatimpfstoffe hoch immunogen, doch führt der Herdenschutz zunehmend zu einer Verlagerung der zirku-lierenden Stämme auf die nicht im Konjugat-impfstoff enthaltenen Serotypen ( Abb. 1). Da sich auch – ungewöhnlich in sonsti-gen Fällen der Auswahl zwischen Konjugat- und Polysaccharidimpfstoff gegen denselben Erreger – die Schutzdauer nicht unterschei-det, ist die Empfehlung des breiteren Impfschutzes für Personen ab 60 Jahren oder mit Grundkrankheiten gut nachvollziehbar.

Eine Nachimpfung alle 5 Jahre erfolgt un-verändert nur beim Vorliegen recht schwerwiegender Grunderkrankungen.

Meningokokken

Bei der Indikationsimpfung gegen Meningokokken werden in die Zielgruppe neu auf-genommen die Patienten, die (wegen einer paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie) mit Eculizumab behandelt werden, da ihr Meningokokken-Infektionsrisiko dramatisch höher liegt als das der Allgemeinbevölkerung. Für die Indikationsgruppe mit Immundefekten und das in Labors gegenüber Meningokokken exponierte Personal gilt zudem neu, dass gegen Meningokokken der Serogruppen ACWY „und/oder“ gegen Meningokokken der Gruppe B geimpft wer-den soll. Damit wird angesichts der noch bestehenden Unsicherheiten um die klinische Schutzwirkung und -dauer des MenB-Impf-stoffes eine Möglichkeit eröffnet, ohne eine Verpflichtung zu schaffen. Für die durch eine solche Infektion sehr gefährdete Patientengruppe ist jeder Vorteil von großem gesund-heitlichem Wert, selbst wenn er sich als klein herausstellen würde. Ähnliche Neuregelun-gen werden auch für den Fall eines Meningo-kokken-B-Ausbruchs getroffen.

Varizellen

Zur Postexpositionsprophylaxe werden ein paar Klarstellungen vorgenommen, die hier nicht näher ausgeführt werden sollen.

Gelbfieber

Ohne die an anderer Stelle zusammengefasste (Rieke 2014, 2015) ausführliche Diskussion der vergangenen zwei Jahre zu wiederholen, ergibt sich folgendes Bild: Mehr und mehr Staaten setzen die neue Regel der WHO um, eine einmalige Gelbfieberimpfung lebenslang als erfüllte Impfpflicht anzuerkennen. Die WHO publiziert den Stand der Rückmeldungen aus den Ländern über ihre Internetseiten (WHO 2015, s. „Weitere Infos“). Ob die Interpretation auch an allen Grenzen eines Landes so erfolgt, wie vom Gesundheitsministerium an die WHO gemeldet, muss die Erfahrung zeigen.

Unabhängig davon wissen wir inzwischen, dass in einzelnen Gruppen auf Gelbfieberimpfung hin nicht immer eine Serokonversion auftritt, so dass bei diesen aus medizinischer Indikation eine – zumindest einmal durchgeführte – Auffrischungsimpfung sinnvoll erscheint. Diese Gruppen hat nun auch die STIKO entsprechend benannt (STIKO 2015):

  • Kinder, die bei der Gelbfieberimpfung unter 2 Jahre alt waren,
  • in der Schwangerschaft gegen Gelbfieber Geimpfte,
  • HIV-Infizierte,
  • Personen, die zeitgleich mit der Gelb-fieberimpfung auch gegen MMR geimpft wurden.

Auf die relative Kontraindikation in der Schwangerschaft und die absolute in der Stillperiode wird hingewiesen.

Hepatitis A

Die WHO-Regelungen rund um die Gelbfieber-Impfung, die im Übrigen kombiniert sind mit der bemerkenswerten Empfehlung, die gesamte Bevölkerung in Ländern mit Gelbfieber dagegen zu impfen (WHO 2013), liegt auf einer Linie mit anderen Positions-papieren, die eine Verlängerung der Schutzzusage nach kompletter Grundimmunisierung zum Thema haben. So war bereits 2012 eine Stellungnahme zur Hepatitis-A-Impfung erschienen (WHO 2012), die – bei inter-national unterschiedlich angegebenen Cut-off-Werten für die Annahme eines persis-tierenden Schutzes – dennoch von einer Schutzdauer von 25 Jahren für komplettierte Grundimmunisierungen ausgeht. Die Impfstoffe gelten als im Prinzip austauschbar. Man wird sich an die in den Fachinformatio-nen angegebenen Impfschemata dennoch halten, die ja nicht völlig identisch sind.

Tollwut

Auch bei Tollwut gibt es von Seiten der WHO eine Stellungnahme (WHO 2010), die den Impfschutz für deutlich belastbarer hält als gemeinhin angenommen, wenn er mit Zell-kultur- oder aus embryonierten Eiern ge-wonnenem Impfstoff induziert wurde. Die präexpositionelle Impfung sollte allen angeboten werden, die durch ihren Beruf (Labor, Umgang mit Tieren), durch Reise in medizinisch schlecht versorgte Gebiete oder durch ihren kontinuierlichen Aufenthalt dort gefährdet sind. Diese Grundimmunisierung, und jede postexpositionell korrekt durchgeführte Impfung, sei länger als 10 Jahre wirk-sam und bedürfe nicht der routinemäßigen Auffrischung. Bei Personen mit anhaltender beruflicher Gefährdung sei eine serologische Kontrolle der Auffrischung vorzuziehen, und zwar im Abstand von jeweils 2 Jahren, bei Umgang mit hochkonzentrierten Tollwut-viren, z. B. im Labor alle 6 Monate. Ein Titer von über 0,5 IE/ml sei als ausreichend anzusehen. Lediglich nach einem Biss oder einer anderen Gefährdung der bekannten Kategorie II oder III (s. Beipackzettel) sei an den Tagen 0 und 3 nachzuimpfen. Für Un-geimpfte, die gebissen werden, ändern sich die Empfehlungen nicht. Allerdings wird für alle Situationen auf die Alternative der intra-dermalen Impfung mit 0,1 ml Volumen verwiesen, sofern der Impfstoff geeignet ist.

Gerade in unklaren, irregulären Situationen kann die WHO-Stellungnahme eine Hilfe sein. Auch die serologische Kontrolle statt der pauschalen Nachimpfung zum kalendarischen Termin ist umsetzbar und über-zeugend. Im Expositionsfall wird man sich nur schwerlich auf die WHO berufen können, solange die Fachinformationen der ver-wendeten Impfstoffe und die STIKO-Empfehlungen unverändert bleiben.

Hepatitis B

Auch in der STIKO-Empfehlung hat sich seit 2013 (STIKO 2013) die Aussage zur Hepatitis B geändert. Für den „Normalfall“ der gelegentlichen Exposition, und darunter wird auch der Reisende zu zählen sein, ist es ausreichend, nach einer kompletten Grund-immunisierung einen dokumentierten anti-Hbs-Titer von 100 IE/l erreicht zu haben. Folge-Titer und Auffrischungsimpfungen entfallen dann, was die Rolle der Titerbestimmung deutlich aufwertet. Für hochgradig Exponierte, also Beschäftigte im medizinischen Bereich, i. v.-Drogenkonsumenten oder Anwender von Blutprodukten, bleibt es bei der bisherigen Praxis, den Titer mit serologischen Kontrollen und ggf. Nachimpfungen über 100 IE/l zu halten.

Neue Entwicklungen

Zu den etablierten Impfstoffen gibt es jenseits der oben angesprochenen Punkte wenig Neues. Beim Impfstoff gegen die Japanische Enzephalitis (Ixiaro®) ist ein Schnellimpfschema in der Zulassung, das voraussichtlich die Impfung an Tag 0 und 7 ermöglichen wird, mit einem Booster nach einem Jahr bei Erfordernis eines Langzeitschutzes. Die Den-gue-Impfung bleibt ein spannendes Thema, einer der Kandidaten wird mit großer Sicher-heit zum neuen, breit einzusetzenden Produkt werden. Die Typhus-Konjugat-Vakzine, die die relativ kurz wirksame Polysaccharid-Vakzine ablösen könnte und in Indien für Kinder ja schon auf dem Markt ist, lässt weiter auf sich warten. Auch gegen Hepatitis E kann man schon impfen, z. B. in China. Da die Erkrankung außer bei Schwangeren meist milde verläuft, ist eine breite reisemedizinische Rolle gegenwärtig nicht zu erkennen. Eine Impfung gegen das Chikungunya-Virus ist in Entwicklung und hat angesichts der raschen, teils epidemieartigen Ausbreitung des Virus und der erheblichen klinischen Be-einträchtigung Infizierter hohes Potenzial. Das Mosquirix®, die Impfung gegen Plasmo-dium-falciparum-Malaria, hat für Reisende keine Bedeutung. Es kann aber Kleinkindern in den Verbreitungsgebieten einen mäßigen Schutz verleihen und das Reservoir der Para-siten (in diesen Kindern) so reduzieren, dass dem Impfstoff eine Fähigkeit zur regionalen Ausrottung der Malaria zuzutrauen ist.

Für die meisten Schlagzeilen gesorgt hat allerdings die Impfstoffentwicklung gegen Ebola. Diese bekommt durch Ausbrüche im-mer einen Schub, zum einen weil die politi-sche und wirtschaftliche Priorisierung davon beeinflusst wird, zum anderen da eine klinische Schutzwirkung jenseits von Serokonversion und Tiermodell bei einer tödlichen Erkrankung immer erst durch die Zu-fallsexposition Geimpfter im Ausbruch nach-gewiesen werden kann. Dennoch muss man sich fragen, für wen diese Impfung eigent-lich gedacht ist. Wird ein innovatives Produkt millionenfach an Leute gegeben werden, die dafür sicher nicht bezahlen können? Hätte man, wäre die Impfung vor drei Jah-ren schon auf dem Markt gewesen, sie wirk-lich in Westafrika angewandt, wo es noch nie Ebola-Ausbrüche gab? Oder ist sie am Ende gar nur für eine relativ kleine Gruppe privilegierter Helfer, Forscher und Militärs gedacht, die sich Schutz erkaufen, wo alle anderen schutzlos sind? Geht es evtl. auch um Gegenmaßnahmen bei Bioterrorismus? Die Annahme, das Ziel sei der Schutz der Bevölkerung in Westafrika vor der nächsten Epidemie, ist recht blauäugig. Im langjähri-gen Mittel sind die beiden relevanten viralen hämorrhagischen Fieber in Westafrika das Gelbfieber und das Lassafieber. Gegen eines davon gibt es eine sichere Impfung, die gleichwohl der Bevölkerung nicht flächen-deckend zur Verfügung steht. Gegen das an-dere gibt es keine ernsthaften Anstrengungen zur Impfstoffentwicklung.

Literatur

Rieke B: Aktuelles zur Impfprophylaxe beruflich Reisender. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2014; 49: 878–882.

Rieke B: Die Gelbfieberimpfung im internationalen Reiseverkehr. FTR 2015; 22: 44–49.

STIKO: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut/Stand August 2013. Epidemiologisches Bulletin 2013; 34.

STIKO: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut/Stand August 2015. Epidemiologisches Bulletin 2015; 34.

STIKO: Stellungnahme der STIKO zur Impfung Er-wachsener gegen Pneumokokken. Epidemiologisches Bulletin 2012; 7.

WHO: Rabies Vaccines. WHO Position Paper. WER 2010; 85 (32).

WHO: Vaccines and vaccination against yellow fever. WHO Position Paper. WER 2013; 88 (27).

WHO: WHO position paper on hepatitis A vaccines. WER 2012 87 (28/29).

    Weitere Infos

    Pneumoweb des RKI (2015)

    www.rki.de/pneumoweb

    WHO (2015): Yellow Fever Vaccination Booster

    who.int/entity/ith/updates/20140605/en/index.html

    Autor

    Dr. med. Burkhard Rieke

    Tropen- und Reisemedizinische Praxis, Gelbfieberimpfstelle

    Oststraße 115

    40210 Düsseldorf

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