Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Berufskrankheiten-Todesfälle

Arbeitsbedingte Todesfälle

Unter den arbeitsbedingten Todesfällen neh-men die Berufskrankheiten eine Sonderstellung ein: Sie sind die Todesursache Nr. 1. Wie in  Abb. 1 veranschaulicht, versterben mehr als doppelt so viele Beschäftigte durch Berufskrankheiten (BK) wie durch Arbeitsunfälle und Wegeunfälle.

Abbildung 1 vermittelt in anschaulicher Weise, wie der Kurvenverlauf der drei Todes-arten auseinander strebt.

Für das Jahr 2013 sind amtlich folgende Zahlen ausgewiesen:

  • Tödliche Wegeunfälle: n = 326
  • Tödliche Arbeitsunfälle: n = 606
  • BK-Todesfälle: n = 2357
  • Arbeitsbedingte Todesfälle 2013: n = 3289

Berufskrankheiten-Todesfälle

Veröffentlicht werden die entsprechenden statistischen und finanziellen Fakten gemäß § 79 Abs. 3 SGBVII vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Bericht über die „Gesetzliche Unfallversicherung in der Bundesrepublik Deutschland …“, und zwar zuletzt mit Stand von 2013 Anfang dieses Jahres (BMAS 2015).

Die daraus abzuleitenden Berufskrankheiten-Materialien wurden ab dem Jahre 2006 tabellarisch aufbereitet ( Tabelle 1).

Schwerpunkte-Diskussion

Kausalitätsnexus

Grundsätzlich gilt für die dokumentierten BK-Todesfälle, dass die zugrunde liegende Kausalität in jedem „Einzelfall“ bekannt war und sie retrospektiv in vielen Fällen hätten verhindert werden können. Ausgehend von einer generellen Geeignetheit der Exposi-tionsverhältnisse für eine BK-Verursachung musste die klinische Diagnose bei den betroffenen Versicherten im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Zusammenhangsbeurteilung für das Vorliegen einer BK sprechen (§ 9 Abs. 1 SGBVII). Amtliche Informationen dazu liefern die noch geltenden BK-Merkblätter, für neuere Berufskrankheiten die weniger bekannten „Wissenschaftlichen Begründungen“ des BMAS (vgl. Müsch 2006 und Schönberger et al. 2010).

Durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten

Während das Gesamtaufkommen an BK-Fäl-len in dieser Gruppe ein kleines Hochplateau aufbaut, liefert Benzol als Verursacher klassischer Berufskrankheiten mit den beiden BK-Nrn. 1303 und 1318 die häufigsten Todes-fälle.

Zu der Untergruppe 13 ist ferner anzu-merken, dass auch relativ viele Todesfälle Folge eines Urothelkarzinoms durch krebs-erzeugende aromatische Amine (BK-Nr. 1301) sind.

Bei der BK-Nr. 1302 sind wahrscheinliche Todesursachen das Hämangioendothelsarkom der Leber durch Vinylchlorid, das Nierenzell-karzinom durch Trichlorethen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch TCDD.

Durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten

Die Todesfallstatistik dieser Gruppe wird be-herrscht von den Bergleuten der ehemaligen „Wismut-AG“ (BK-Nr. 2402), die den histori-schen Gegebenheiten entsprechend eine fallende Tendenz zeigt.

Durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten

Mehr als zehn Todesfälle pro Jahr sollte die Ärzteschaft mit ihrem Personal daran erin-nern, dass u. a. AIDS- und Ebola-Infektions-krankheiten (BK-Nr. 3101) auch im Labor-, Praxis- und Klinikalltag auftreten können!

Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells

Trotz bekannter Präventionswirkung von Atemschutzmasken und des Basiswissens von Arbeitsschutzexperten über den Berufs-krebsmultiplikationseffekt durch Zigaretten-rauchen am Arbeitsplatz – die BK-Todesfallquote durch inhalative Noxen ist mit mehr als fünf BK-Opfern tagtäglich immer noch sehr hoch. Hierbei handelt es sich allerdings überwiegend um Spätfolgen einer zum Teil sehr lange zurückliegenden Asbeststaubexposition am Arbeitsplatz (Latenzzeit-Problematik).

Bei Asbestosen oder Pleuraerkrankungen der BK-Nr. 4103 sowie auch bei Lungen- oder Kehlkopfkrebs (BK-Nr. 4104) werden die Todesraten leider nicht nach Lokalisation differenziert bekannt gemacht, die Gesamtsummen bewegen sich jedoch seit längerem auf hohem Niveau.

Zunächst verpflichtet die infauste Prognose des Mesothelioms (BK-Nr. 4105), der hierzulande häufigsten tödlichen BK, alle Verantwortlichen „mit allen geeigneten Mit-teln“ Früherkennungsmaßnahmen zu unterstützen! Insbesondere spätestens dann, wenn ehemals Asbestexponierte bei betriebsmedizinischen Untersuchungen auffallen: (Betriebs-)Ärztliche BK-Anzeige (§ 202 SGBVII).

Varia: Dass die „Quasi“-BK-Todesfälle (§ 9 Abs. 2 SGBVII) eine anhaltend rückläufige Tendenz zeigen, überdeckt leider nicht die Tatsache, dass die vorenthaltenen Informationen über diese BK-Arten in dem zitierten Jahresbericht des BMAS deren zukünftige Präventionschancen nicht befördern.

Bei den auf die DDR-BKVO zurückzuführenden BK-Todesfällen dominiert im Jahre 2013 weiterhin noch die Position „Quarz“ mit n = 35 Todesfällen, wobei aber ein noch ungeklärter letztjähriger Gesamtanstieg der Todesfälle auffällt.

Ausblick

Ausgehend von dem anspruchsvollen wis-senschaftlichen Hintergrund der arbeitsmedizinischen BK-Problematik (vgl. Triebig et al. 2014) fällt ein deutlicher Widerspruch zur geringen Anteilnahme auf, die das Thema sowohl in der medizinischen Fachwelt als auch in den öffentlichen Medien erfährt. Da-her soll der hoffnungsvolle Rückgang der BK-Todesfallhäufigkeit in den beiden zuletzt erfassten Jahren Anlass geben, den Diskurs weiter zu vertiefen – nicht zuletzt, um damit die BK-Präventionsbemühungen in der Arbeits- und Betriebsmedizin positiv zu begleiten.

Literatur

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Die gesetzliche Unfallversicherung in der Bundes-republik Deutschland im Jahre 2013. Bonn: BMAS, 2015.

Müsch FH: Berufskrankheiten-Todesfälle – Mit Toten gewinnt man keine Wahlen. Arbeit und Arbeitsrecht (AuA) 2015; 353–355.

Müsch FH: Berufskrankheiten – Ein medizinisch-juristisches Nachschlagewerk. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (WVG), 2006.

Schönberger A, Mehrtens G, Valentin H: Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Berlin: ESV, 2010.

Triebig G, Kentner M, Schiele R (Hrsg.): Arbeitsmedizin – Handbuch für Theorie und Praxis. Stuttgart: Gentner, 2014.

    Autor

    Dr. med. Franz H. Müsch

    MedDir a. D., OGMR a. D.

    Königsallee 2 b

    40212 Düsseldorf

    www.berufskrankheiten.de

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    + ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
    + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
    + Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

    Premium Mitgliedschaft

    2 Monate kostenlos testen