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Wozu das alles?

Allerdings seien die Schleimbeutelentzündungen an beiden Knien wahrscheinlich berufsbedingt. Er solle sich deswegen noch einmal an seine Berufsgenossenschaft wenden. Tatsächlich bestanden unter-halb der Kniescheiben handtellergroße Verhornungen und Indurationen, Folge der rezidivierenden Bursitiden mit mehreren Operationen zur Entfernung des entzündeten Gewebes.

Also wandte er sich zum wiederholten Mal an die Berufsgenos-senschaft. Man müsse das prüfen, wurde ihm gesagt, hier bestünde der Verdacht auf eine Berufskrankheit Nr. 2105. Es handele sich dabei um chronische Erkrankungen der Schleimbeutel durch ständigen Druck. Da er aber als mitarbeitender Unternehmer auch aufsichtführende Tätigkeiten inne habe und außerdem das Fliesenlegen nicht ausschließlich im Knien erledigt würde – schließlich sind ja auch Wände mit Fliesen zu belegen –, müsste man erst mal eine Analyse der Arbeitsplatzexposition erstellen.

Wie das denn gehen soll, wollte der Handwerksmeister darauf hin wissen.

Er müsse Aufzeichnungen vorlegen, wie viele Stunden er arbeits-täglich gekniet hätte. Das Kriterium des ständigen äußeren Drucks auf seine Knie müsse zweifelsfrei belegt werden. Man würde ihm hierfür ein Formblatt zusenden, was ihm die entsprechende Auflistung erleichtern würde. Am besten wäre es, wenn er nun die fünf Jahre vor seiner letzten Bursektomie dokumentieren könnte.

Also setzte sich der brave Fliesenlegermeister hin, vor ihm ein Stapel von Aktenordnern mit den Rechnungen aus dem besagten Zeitraum. Er stellte fest, dass es Lücken gab. Natürlich, nicht jeder Auftrag war über die Bücher gelaufen. Nachdem er das erste Tätigkeitsjahr durchgearbeitet und die Zeitabschnitte in die Formulare ein-getragen hatte, in denen er aus sei-ner Erinnerung gekniet hatte, wurde es ihm zu bunt. Die restlichen vier Jahre extemporierte er und trug irgendwelche Zahlen ein. Da die Berufsgenossenschaft für jeden Tag mit knienden Aktivitäten ein Formblatt forderte, kam am Schluss ein Ordner mit über fünfhundert Seiten zustande. Der Meister packte ihn in ein Paket und sandte es an den Unfallsachbearbeiter der Berufsgenossenschaft. Dann hörte er lange Zeit nichts.

Nach mehreren Monaten erhielt er einen Brief, in dem man ihm drei Gutachter vorschlug. Dieses Prozedere kannte er schon vom ersten Berufskrankheitenverfahren wegen seiner Gonarthrose. Er wählte den Gutachter aus, dessen Praxis am nächsten lag. Wieder vergingen Wochen, bis er endlich einen Begutachtungstermin erhielt.

Der Gutachter war ein niedergelassener Orthopäde. Die Untersuchung dauerte keine fünf Minuten. Der Orthopäde warf nur einen flüchtigen Blick auf die Knie und tastete die Knie ab. „Hart wie Leder“, stellte er fest. „Wieso lassen die das begutachten? Fliesenleger und Bursitis, das kann man doch vom Schreibtisch aus entscheiden. Ganz klar ist das berufsbedingt.“ Vor ihm lag der dicke Ordner mit den Protokollen. „Haben sie das alles ausgefüllt?“, fragte er.

„Ja, habe ich. Das hat mehrere Tage gedauert.“

„So ein Aberwitz“. Der Arzt schüttelte verständnislos den Kopf. „Haben die nichts anderes zu tun?“

„Und wie geht es nun weiter?“, fragte der Handwerker verzagt.

„Ganz einfach. Ich mache ein Gutachten. Da wird drinstehen, dass bei Ihnen eine BK 2105 vorliegt und zwar dem Grunde nach.“

„Was bedeutet das für mich?“

„Gar nichts. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit resultiert da-raus nicht. Sie sehen also kein Geld. Für Sie geht das aus wie das Hornberger Schießen.“

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