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Bericht zur Studie “Arbeitsreport Krankenhaus“ – Eine Online-Befragung von Beschäftigten deutscher Krankenhäuser

Die “Arbeitswelt Krankenhaus“ als Forschungsfeld

Suboptimale Arbeitsbedingungen, wie zu viele Aufgaben, häufig keine Zeit fürs Wesentliche, keine Wertschätzung der Arbeit durch den Arbeitgeber und obendrein keine adäquate Bezahlung: Die Mitarbeiter von deutschen Krankenhäusern sind unter dem Strich mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden. Das ist das Ergebnis einer nichtrepräsentativen Online-Befragung des Gelsenkirchener Instituts für Arbeit und Technik (IAT), die im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung sowie der Friedrich Ebert Stiftung erstellt und am 28. September in Berlin vorgestellt wurde.

Viele Krankenhausmitarbeiter sind mit ihrern Arbeitsbedingungen unzufrieden

Für die Studie erhoben die Wissenschaftler Daten von mehr als 2500 Ärzten, Pflegekräf-ten, Physiotherapeuten, Sozialarbeitern und anderem Klinikpersonal in ganz Deutschland. Hierzulande sind rund 5,5 Millionen Menschen im Gesundheitssektor beschäftigt, davon rund 1,1 Millionen in Krankenhäusern. In Deutschlands Kliniken besteht großer Zeitdruck: Hektik ist es, die den Arbeitsalltag in den Kliniken prägt. Dazu haben aus Sicht der IAT-Wissenschaftler nicht nur die umfassenden Stellenstreichungen und steigende Patientenzahlen in den vergangenen Jahren beigetragen.

Von besonderem Interesse der Studie „Arbeitsreport Krankenhaus“ war dabei die Integration einer arbeitssoziologischen und einer berufssoziologischen Perspektive, d. h. die Betrachtung der Arbeitsgestaltung einerseits, der Entwicklung von Facharbeit andererseits sowie insbesondere der Zusammenhang beider Dimensionen. Dieser Zusammenhang ist angesichts der in den letzten Jahren im Krankenhaus zu beobachtenden Veränderungsprozesse zunehmend von Bedeutung. Ziel der Krankenhäuser müsste es sein, qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl mit den passenden Aufgaben zu betrauen und dabei „Gute Arbeit“ für gute Patientenergebnisse zu bieten. Unter „Guter Arbeit“ wird eine Arbeit verstanden, die nicht krank machen, umfassende soziale und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet, kaum Belastungen hat und durch ein angemessenes Einkommen und relative berufliche Zukunftssicherheit charakterisiert werden kann.

Die Ergebnisse einer anderen repräsentativen Umfrage für das Krankenhaus Barometer 2012 des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) zeigen die Selbsteinschätzung der Krankenhausleitungen hinsichtlich der zwischen 2010 und 2012 umgesetzten Veränderungen. Jeweils mehr als drei Viertel der Kliniken geben an, Maßnahmen zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit/Mit-arbeiterbindung, zur Optimierung der Zu-sammenarbeit unterschiedlicher Mitarbeitergruppen, zur Erhöhung der Patientenzufriedenheit oder zur Steigerung der medizinisch-pflegerischen Versorgungsqualität umgesetzt zu haben.

Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen ist in den Kliniken längst Alltag – echte Reorganisation selten

Die Ergebnisse dieses Arbeitsreports Krankenhaus bilden die Sicht der Beschäftigten ab und lassen aus dieser Perspektive starke Zweifel daran aufkommen, dass die Veränderungen der Arbeitsorganisation er-folgreich sind. Weder die Zufriedenheit oder die Qualität der Organisation noch die Verbesserung der Patientenversorgung sind aus ihrer Perspektive zufriedenstellend. Die Einschätzungen der Krankenhausleitungen und die der Beschäftigten auf den Stationen dif-ferieren also deutlich.

Die in Fachkreisen geforderte neue Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen, vor allem zwischen Pflege, Medizin und Assistenzdiensten, ist in den Kliniken längst Alltag, allerdings ohne positive Effekte für Beschäftigte und Patienten. Experimentiert wird nach wie vor überwiegend mit der Verschiebung einzelner Tätigkeiten zwischen Medizin und Pflege sowie dem Einsatz von Assistenz- und Servicediensten. Eine echte Reorganisation der Aufgabenkomplexe ist selten. Im Zuge der neuen Ar-beitsteilung zwischen den Gesundheitsbe-rufen übernehmen Pflegekräfte Aufgaben, die früher vor allem Ärztinnen und Ärzten vorbehalten waren und geben ihrerseits Arbeiten an „Assistenzdienste“ ab. So wider-sprechen mehr als 63 % der Ärzte der Aussage, ihre Arbeitsbedingungen hätten sich in den letzten fünf Jahren verbessert. Mehr als 78 % der befragten Pflegerinnen und Pfleger haben nach eigener Angabe in der letzten Zeit Tätigkeiten vom ärztlichen Dienst übernommen. Pflegekräfte versorgen verstärkt Wunden, sie setzen Spritzen, legen Venenkanülen, geben Medikamente zur Chemotherapie und kümmern sich zudem um die Dokumentation. 47 % bekamen darüber hinaus zusätzliche Verwaltungsaufgaben übertragen. Mehr als 50 % der Befragten glauben aber nicht, dass die Patienten von den Veränderungen der Aufgabenverteilung profitieren.

Im Arbeitsalltag erleben viele Beschäftigte permanente Zeitknappheit. Trotz steigender Patientenzahlen gab jeder zweite Arzt an, in seiner Abteilung seien Arztstellen abgebaut worden. Dagegen berichten nur 28 % von neu geschaffenen Arztstellen. Fast 37 % geben an, dass auf ihrer Station Mediziner als Leih- oder Zeitarbeiter als so genannte Honorarärzte beschäftigt würden. Mehr als die Hälfte der befragten Ärzte und Pflegekräfte können zumindest mehrmals in der Woche nicht die vorgesehenen Pausen machen. Jeder zweite Mediziner ist der Ansicht, dass die Ausbildung auf seiner Station zu kurz komme und nicht genug für die Information, Anleitung und Beratung von Patienten getan werde. Jeder Fünfte spricht von Defiziten bei der Dokumentation.

Die Beschäftigten zeigen zudem ein ho-hes Engagement bei der Fort- und Weiter-bildung. Sie werden dabei aber vielfach von den Arbeitgebern nur unzureichend unterstützt. Das Engagement führt zwar zu steigender Verantwortung, zahlt sich jedoch sel-ten durch eine Gehaltserhöhung oder Verbesserung der beruflichen Position aus. Die Beschäftigten kritisieren, dass sie nur wenig Spielräume und Autonomie bei der Gestal-tung des eigenen Arbeitsplatzes haben und fühlen sich bei strategischen Entscheidun-gen des Krankenhauses nur unzureichend informiert und beteiligt.

Trotz der unbefriedigenden Arbeitsbedingungen und der Reorganisation der Arbeit im Krankenhaus wird in der Studie festge-stellt, dass die Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz eine „sehr hohe Motivation und eine hohe Identifikation mit ihrer Arbeit und den Zielen des Krankenhauses“ aufweisen.

Die Studie steht im Internet zum Down-load bereit (s. „Weitere Infos“). 

    Weitere Infos

    Bräutigam C, Evans M, Hilbert J, Öz F: Arbeitsreport Krankenhaus

    https://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_306.pdf

    Autorin

    Dr. med. A. E. Schoeller

    Bereichsleiterin im Dezernat 5 – Versorgung und Kooperation mit Gesundheitsfachberufen

    Bundesärztekammer, Berlin

    Herbert-Lewin-Platz 1

    10623 Berlin

    annegret.schoeller@baek.de

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