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Zeitgemäße Arbeitsschutzbetreuung für KMU

Mit systemischer Beratung passgenaue Lösungen finden

Für Arbeits- und Gesundheitsschutz haben wir keine Zeit und kein Geld! Eine solche Abwehrhaltung kennen wahrscheinlich viele Betriebsärztin-nen und -ärzte. Gerade kleine und mittelständische Betriebe tun sich mit den Anforderungen der Arbeitsschutzvorschriften schwer, da sie nicht über die Strukturen der größeren Unternehmen verfügen und ohne-hin schon mit dem Wandel in der Arbeitswelt an sich einiges zu tun haben.

Zudem erleben sie die steigende Flexibilisierung der Arbeitsschutzgesetzgebung nicht nur als Erleichterung. Schließlich müs-sen die Unternehmer heute infolge der Reduzierung konkreter Detailvorschriften stär-ker selbst analysieren und entscheiden, wie sie den Arbeits- und Gesundheitsschutz in ihrem Betrieb konkret gestalten, um die ver-bindlich vorgegebenen Ziele zu erreichen. Das erfordert neue Denkweisen – einerseits für die Unternehmer, andererseits aber auch für die Arbeitsschutzexperten. Für letztere geht es dabei gleich um zweierlei: zum einen um das gesunde und sichere Arbeiten der Mitarbeiter in den von ihnen betreuten Unternehmen, zum anderen aber auch um betriebswirtschaftliche Aspekte. Der Umfang ihres Einsatzes im Betrieb ist verhandel-barer geworden, seit dem die Einsatzzeiten und Beratungsgegenstände der Betriebsärzte nicht mehr so stark festgelegt sind, wie dies früher der Fall war.

Ein Blick über den Tellerrand

Neben dem arbeitsmedizinischen Wissen, das immer auf dem aktuellen Stand gehal-ten werden muss, benötigen Betriebsärzte heute auch eine ausgeprägte Beratungskompetenz. Hier lohnt ein Blick über den Tellerrand: In der Unternehmensberatung finden sich ganz unterschiedliche Herangehensweisen an die Entwicklung von Unternehmen – etwa die Managementberatung, die Organisationsentwicklung, die Strategieplanung und das Change Management. Viele Aspekte dieser Ansätze sind auch für Arbeitsschutzexperten nützlich.

Nach modernem Verständnis geht Arbeits- und Gesundheitsschutz weit über das Vermeiden von Unfällen und Erkrankungen hinaus und ist Bestandteil einer umfassenden Personal- und Organisationsentwicklung. Dieser ganzheitliche Ansatz basiert u. a. auf den Systemtheorien, aus denen her-aus die systemische Organisationsberatung entwickelt wurde. Ein systemischer Berater, der sich mit dem betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz beschäftigt, würde beispielsweise neben dem Stand der Arbeitsschutzorganisation und der klassischen Ge-fährdungsbeurteilung auch Folgendes ermitteln:

  • Wie wird im Unternehmen kommuniziert?
  • Welche Strukturen der Information und Kommunikation sind vorhanden?
  • Wie wird Verantwortung wahrgenommen?
  • Wie werden Entscheidungen getroffen?
  • Wie interagieren die Beteiligten, zum Bei-spiel Führungskräfte und Beschäftigte, Kollegen untereinander oder Beschäftigte und Kunden oder Lieferanten?

In einer systemischen Arbeitsschutzberatung wird nicht nur auf rechtliche Anforderungen, einzelne Personen oder einzelne Arbeitsschutzmaßnahmen fokussiert. Betrachtet werden auch die jeweiligen An-liegen und Bedarfe des Unternehmens: Was funktioniert bereits? Welche Ressourcen sind im Betrieb verfügbar? Was brauchen die verschiedenen Beteiligten, um der Lösung einen Schritt näher zu kommen?

Eine solche Herangehensweise hilft zu-dem bei der Gefährdungsbeurteilung psychi-scher Belastungen, die neben den Unterneh-men auch die Betriebsärzte vor besondere Herausforderungen stellt. Manche Arbeitgeber und Führungskräfte müssen zunächst einmal überzeugt werden, dieses wichtige Themenfeld zu bearbeiten. Dann sind ein für den Betrieb geeignetes Vorgehen und die entsprechenden Instrumente auszuwählen. Auch die erforderliche Einbindung der Be-schäftigten traut sich nicht direkt jeder Arbeitsschutzexperte zu. Systemisch geschulte Berater verfügen über geeignetes Handwerkszeug für alle diese Aufgaben. Sie ermitteln etwa durch systemische Fragen den Bedarf des Auftraggebers – selbst wenn er diesen von sich aus noch nicht genau formulieren kann. Sie haben Mut, Gruppen-prozesse mit offenen Inhalten und ungewissen Ergebnissen zu begleiten. Die moderierte Gefährdungsbeurteilung ist hierfür ein bewährtes und niedrigschwelliges Vorgehen, um mit dem Ermitteln psychischer Belastungen am Arbeitsplatz zu starten.

Spezifische Kompetenzen systemischer Berater

Systemische Arbeitsschutzberater verfügen über vielfältige kommunikative Fähigkeiten. Sie haben Know-how in professioneller Ge-sprächsführung und im Konfliktmanagement und sind erfahren in der Moderation von Gruppen sowie im Selbstmarketing bei der Kundenansprache und -gewinnung. In der Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen können sie verschiedene Rollen einnehmen: Sie

  • sind Fachexperten,
  • können Hilfe zur Selbsthilfe geben,
  • coachen ihre Aufraggeber,
  • können Prozesse zielgerichtet begleiten und moderieren und
  • haben Ideen für die kreative Gestaltung der Gegenwart und Zukunft eines Unter-nehmens.

Arbeitsschutzexperten, die ihre Beratungskompetenz gezielt in diese Richtung weiter-entwickelt haben, berichten unter anderem, dass sie Kundenanfragen sensibler wahrnehmen und so schon aus den Fragen mehr heraushören, dass sie Stress und Belastun-gen der Mitarbeiter bei ihren Kunden eher ansprechen und dass sie besser zu Themen wie Kommunikation im Team und Einbindung der Beschäftigten beraten können. Das zahlt sich im Berufsalltag aus: So resümieren Absolventen einer systemischen Fortbildung für Arbeitsschutzexperten beispielsweise, dass der Umgang mit „schwierigen“ Kunden leichter geworden sei, sich die Zu-sammenarbeit mit den Kunden vertieft habe und neue Aufgabenfelder entwickelt wor-den seien. Gleichzeitig berichten Teilnehmer von einer insgesamt gestiegenen Arbeitszufriedenheit.

Qualifizierung zum „Systemischen Arbeitsschutzberater“

Die üblichen Fortbildungsangebote für Ar-beitsschutzakteure sind in der Regel fachbezogen. Neue methodische, soziale oder persönliche Kompetenzen werden dabei selten vermittelt. Die persönliche Weiter-entwicklung mit der Möglichkeit zur Reflektion und Selbsterfahrung bleiben bislang eher anderen Berufsgruppen wie Personalentwicklern, Trainern oder Psychologen vor-behalten. Angesichts dieser Lücke im Fortbildungsangebot hat die Berufsgenossen-schaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) eine Qualifizierung für Arbeitsschutzexperten zum „Systemischen Arbeitsschutzberater“ entwickelt und bereits erprobt. Diese spezielle Weiterbildungsveranstaltung läuft über ein Jahr und gliedert sich in folgende Themenfelder:

  • die effektive Kommunikation innerhalb der Beratung,
  • das Gestalten und Steuern des Beratungsprozesses,
  • das Anleiten und Moderieren der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen,
  • das Gestalten der Kooperation und Vernetzung im Beratungsprozess und
  • das erfolgreiche Selbstmanagement als Berater.

Zu diesen Themengebieten wird in sechs zweitägigen Präsenzveranstaltungen gearbeitet. Darüber hinaus lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbstgesteuert über das elektronische Lernportal der BGW. Diese Selbstlernphasen ermöglichen u. a. den Erfahrungsaustausch zwischen den Präsenzphasen. So entsteht ein Netzwerk, das sich auch nach Abschluss der Qualifizierung weiter zum Austausch über Praxisfälle und zur gegenseitigen kollegialen Beratung nutzen lässt.

Während der Qualifizierung setzen die Teilnehmenden die gelernten Inhalte in eigenen betrieblichen Praxisprojekten um. So wird eine enge Verzahnung der theoretischen Lerninhalte der sechs Module mit der konkreten Praxis der Teilnehmenden sichergestellt. Sie überprüfen direkt, wie das Gelernte für sie in der Umsetzung funktioniert. Bei Bedarf werden gemeinsam Alternativen entwickelt, entweder in den Präsenzveran-staltungen oder über das Lernportal. Auf diese Weise erfahren und trainieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer genau das, was sie in ihrem konkreten Arbeitsalltag benötigen. Mithilfe eines Kompetenzprofils reflektieren sie ihren Kompetenzzuwachs und nehmen so ihre persönliche Weiter-entwicklung selbst in die Hand. 

Literatur

Luhmann N: Soziale Systeme. Grundriß einer allge-meinen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1984.

Von Schlippe A, Schweitzer J: Lehrbuch der systemi-schen Therapie und Beratung I – Das Grundlagen-wissen, 4. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2012.

    Info

    Anfang November 2014 findet eine kosten-lose und unverbindliche Informationsveranstaltung zu diesem Qualifizierungsangebot statt. Für weitere Informationen stehen die Autorinnen als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung.

    Weitere Infos

    Brennert C, Müller-Bagehl S, Bauer-Sternberg D, Säckl W: Moderierte Gefährdungs-beurteilung, Initiative Neue Qualität der Arbeit, 2009.

    http://www.inqa.de/SharedDocs/PDFs/DE/Publikationen/pflege-hh-moderierte-gefaehrdungsbeurteilung.pdf;jsessionid=2423A22915697FF9DFC71BF018724C22?__blob=publicationFile

    Für die Autorinnen

    Carola Brennert

    Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)

    Pappelallee 33/35/37

    22089 Hamburg

    carola.brennert@bgw-online.de

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