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Mentale Gesundheit in der Agrarbevölkerung fördern

Fit bis ins hohe Alter

Im Agrarsektor ist nachhaltige Arbeits-fähigkeit eine der Voraussetzungen für ein erfolgreiches Arbeiten bis ins hohe Alter. Hierzu gehören auch der Aspekt Gesundheit und ein guter Umgang mit Alltagsbelastungen. Land- und Forstwirte gehören Studien zufolge einer Berufsgruppe an, die nicht nur stark ausgeprägten körperlichen Arbeitsbelastungen, sondern auch überdurchschnittlich hohen Arbeitsunfall- und Stressrisiken ausgesetzt ist (Kallioniemi 2013; Badura et al. 2012; Lovelock et al. 2008; Rosmann 2007). Bei Arbeitsunfähigkeiten durch Arbeitsunfälle führt der Bereich Land- und Forstwirtschaft mit einem prozentualen Anteil von 9,2 % (vor dem Baugewerbe [8,3 %] und Verkehr und Transport [5,5 %]; Badura et al. 2012).

Mentale Fehlbeanspruchungen korrelieren positiv mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen, Arbeitsunfähigkeiten und (tödlichen) Arbeitsunfällen (Hapke et al. 2013; Siegrist 2013; Hapke et al. 2010; Rosmann 2007; Glasscock et al. 2006; Thomas et al. 2003; Manninen et al. 1997). Überbeanspruchende Belastungssituationen können darüber hinaus zu stressassoziierten Erkrankungen wie Burnout und Depressionen führen (Siegrist 2013).

Ältere Arbeitnehmer fallen im Vergleich zu ihren jüngeren Kollegen zunehmend we-niger häufig aus, dafür erhöht sich aber die Ausfalldauer. Gründe hierfür werden insbe-sondere in der Multimorbidität und der Ver-änderung des Krankheitsspektrums gesehen (Badura et al. 2012).

Hohe Kostenbelastungen, Prävalenzen und Innovationschancen

Schwere Depression ist eine der EU-weit am häufigsten vorkommenden psychischen Stö-rungen (Wittchen et al. 2011; Mladovsky et al. 2009). Die gesamtwirtschaftlichen Kosten von Depression allein werden von Matrix (2013) auf mehr als 600 Milliarden Euro ge-schätzt. Diese verteilen sich auf vier Bereiche: Arbeitgeber (€ 272 Milliarden durch Fehlzeiten und Präsentismus), Wirtschaft (€ 242 Milliarden durch verlorene Produktionsleistungen), Gesundheitssystem (€ 63 Milliarden durch Behandlungskosten) und Sozialversicherungssysteme (€ 39 Milliarden durch Arbeitsunfähigkeitsleistungen).

Mehr als jeder dritte EU-Bürger (38,2 %) leidet konservativen Schätzungen zufolge ein Mal pro Jahr an mentalen Störungen. Im direkten Vergleich zu Menschen ohne mentale Erkrankung haben Arbeitnehmer mit einer solchen Störung eine dreifach höhere totale Anzahl an Arbeitszeitverlust (in Tagen und über einen Zeitraum von 12 Monaten; Wittchen et al. 2011). Ein Drittel aller Anträge auf Arbeitsunfähigkeitsleistungen in OECD-Ländern wird heutzutage mit psychosozialen Problemen in Verbindung gebracht (OECD 2011).

Hauptstressoren im Agrarbereich sind u. a. Überarbeitung, Generationenkonflikte, Erkrankungen, finanzielle Probleme sowie legislative und administrative Aufgaben-verpflichtungen (Strauss et al. 2014; Rosmann 2007; Gregoire 2002; Booth u. Lloyd 2000).

Die enge Verbindung der beruflichen und privaten Lebenswelten auf landwirtschaftlichen Familienbetrieben birgt besondere interpersonelle und intrapsychische Konfliktpotenziale (Hetzel 2014). Deshalb spielen gerade in strukturschwachen ländlichen Regionen mit geringerer Versorgungsdichte an psychosozialen Diensten, Versorgungs- und Präventionsinnovationen einen wichtige Rolle.

Ein Blick auf die fragmentierte Versorgungslage erklärt zumindest teilweise die Schwierigkeiten, die bei der Interaktion von Hausärzten, Fachärzten und anderen Multi-plikatoren bestehen. Nur etwa ein Zehntel aller depressiven Personen wird laut einer deutschlandweiten Studie (n = 20 000) in spezialisierte Behandlungsangebote überwiesen (Klauber et al. 2014; Jacobi et al. 2002). Vor dem Hintergrund dieser eklatanten Unterversorgung ist viel Potenzial aus innovativen Interventionen speziell unter Einbezug telemedizinischer Programme her-auszuholen. Insbesondere in den ländlichen Regionen könnten so geografische, schnittstellen- und vertraulichkeitsbezogene Zugangsbarrieren abgebaut werden.

Interventionen lohnen sich

Wir werden immer mehr Ältere und immer älter. Um ein gesundes Altern zu unterstützen, gilt es, in diesem Arbeits- und Lebenskontext, Resilienz (Schutzfaktoren) durch gezielte Gesundheitsförderung zu stärken sowie Vulnerabilität (Risikofaktoren) präventiv zu minimieren. Hohe Lebenszufriedenheiten, große Entscheidungsspielräume und auch der soziale Zusammenhalt bei selbständigen Landwirten bilden etwa eine ausgezeichnete, anschlussfähige Basis an Schutzfaktoren für gezielte gesundheitsfördernde Maßnahmen (Hetzel 2013; Kallioniemi 2013).

Die Entwicklung praxisrelevanter Forschungsinnovationen im Bereich mentale Gesundheit in der Agrarbevölkerung ist des-halb eine absolut sinnvolle Investition in die Zukunft der Sozialversicherungssysteme, in ländliche Lebensqualität, in Arbeitssicher-heit und Erhalt der Leistungsfähigkeit. Zusätzlich weisen Studien für Maßnahmen zur Förderung der mentalen Gesundheit, Prävention und des Versorgungsmanagements einen überwiegend sehr positiven Return on Investment nach (Matrix 2013; Knapp et al. 2011). 

Literatur

Das Literaturverzeichnis kann beim Verfasser oder im ASU-Redaktionsbüro (asu@hvs-heidelberg.de) angefordert werden.

    Weitere Infos

    Hetzel C: Arbeit, Gesundheit und Pläne fürs Alter in der Land- und Forstwirtschaft – Ergebnisse der Befragung 55plus. 2013

    http://www.svlfg.de/30-praevention/prv011-aktuelles/prv0080/55plus_bericht.pdf

    Knapp M, McDaid D, Parsonage M: Mental health promotion and mental illness prevention: The economic case. 2011

    http://www.lse.ac.uk/business-and-consultancy

    Matrix: Economic analysis of workplace mental health promotion and mental disorder prevention programmes and of their potential contribution to EU health, social and eco-nomic policy objectives. 2013

    http://ec.europa.eu/health/mental_health/docs/matrix_economic_analysis_mh_promotion_en.pdf

    Für die Autoren

    Julia Anna Deipenbrock, M.Sc. Public Health

    Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau

    Stabsstelle Selbstverwaltung/Öffentlichkeitsarbeit

    Weißensteinstraße 70–72

    34131 Kassel

    julia-anna.deipenbrock@svlfg.de

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