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Impfungen für Landwirte

Evidenzbasierte Empfehlungen auch zu beruflich indizierten Impfungen gibt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI). Standardimpfungen für Erwachsene gemäß Impfkalender sollten selbstverständlich auch bei Landwirten regelhaft durchgeführt werden (STIKO 2013). Abhängig von der Art der beruflichen Tätigkeit ergeben sich jedoch u. U. weitere Impfindikationen für Beschäftigte in der Landwirtschaft.

Influenza (Grippe)

Personen, die durch den direkten Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, wird die jährliche Influenzaimpfung mit aktueller – von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegter – Antigenkombination empfohlen (STIKO 2013).

Schweine können – wenn sie gleichzeitig mit humanen und aviären (Vogel) Influenzaviren infiziert sind – über Reassortment „neue Viren“ produzieren. Das Schwein ist ein „Mischgefäß“ für aviäre und menschliche Influenzaviren, da es Rezeptoren für beide Viren hat. Je nach Rezeptorbedürftigkeit bzw. Grundvoraussetzungen können aviäre Influenzaviren aber gegebenenfalls auch direkt auf den Menschen übergehen und befallen dort meist eher die tieferen Regionen des Respirationstrakts (dort sind nämlich auch Rezeptoren, die für aviäre Influenzaviren geeignet sind).

Die saisonale Influenzaimpfung soll ver-hindern, dass sich Menschen gleichzeitig mit tierischen und menschliche Viren infizieren (MacMahon et al. 2008, Trajman u. Menzies 2010).

Große Influenzaausbrüche in der Landwirtschaft wurden in den vergangen Jahren wiederholt beschrieben. Beispielsweise kam es 2003 zu einem Ausbruch von Influenza A H7N7 in mehr als 250 Geflügelfarmen in den Niederlanden. Ein exponierter Tierarzt, bei dem H7N7 nachgewiesen wurde, verstarb an einer Pneumonie mit respiratorischer Insuffizienz (Koopmans et al. 2004).

FSME (Frühsommer-Meningo-enzephalitis)

Die FSME-Impfung stellt neben schützender Kleidung (hell, langärmlig) und Repellents die wichtigste Schutzmaßnahme gegenüber FSME-Infektionen dar (Frank et al. 2014). Personen, die durch FSME beruflich gefährdet sind, wie beispielsweise exponiertes Laborpersonal, sowie in den Risiko-gebieten z. B. Forstarbeiter und Exponierte in der Landwirtschaft sollten gegen FSME geimpft werden (STIKO 2013). Im Epidemio-logischen Bulletin des RKI werden regelmäßig die aktualisierten FSME-Risikogebiete veröffentlicht. Im April 2014 wurden insgesamt 142 Kreise als FSME-Risikogebiete ausgewiesen (s. „Weitere Infos“).

Hepatitis

Gemäß den aktuellen STIKO-Empfehlungen sollten sich Kanalisations- und Klärwerkarbeiter mit Abwasserkontakt gegen Hepatitis A impfen lassen (STIKO 2013).

Sollte es bei Landwirten zu Abwasserkontakt kommen, empfiehlt sich auch hier u. U. eine Hepatitis-A-Impfung.

Bisher galt die Hepatitis E ausschließlich als Reiseinfektion, in den letzten Jahren werden in Deutschland zunehmend auch autochtone Fälle registriert. Im Jahr 2013 wurden dem RKI insgesamt 458 Erkrankungen gemeldet (2012: 388 Erkrankungen). Die Übertragung erfolgt über verunreinigtes Trinkwasser, eine wahrscheinliche Infek-tionsquelle sind Schweine. In Deutschland existieren momentan noch keine kommerziell verfügbaren Hepatitis-E-Impfstoffe, Studien aus Nepal und China belegten jedoch eine sehr gute Wirksamkeit und Verträglichkeit. Sollten auch in Deutschland Hepatitis-E-Impfstoffe zugelassen werden, wäre eine Impfung von exponierten landwirtschaftlichem Personal etc. in Erwägung zu ziehen (Haffar et al. 2014).

Die Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt und wird von Mensch zu Mensch übertragen. Ein gut verträglicher und effektiver Impfstoff ist seit vielen Jahren verfügbar. Seit Oktober 1995 besteht neben der Impfempfehlung für Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko (z. B. medizinisches Personal) eine generelle Hepatitis-B-Impfempfehlung für das Säug-lings- und Kleinkindalter; versäumte Impfungen sollen möglichst noch vor der Puber-tät bzw. bis spätestens dem 18. Lebensjahr nachgeholt werden. Eine erfolgreiche Hepatitis-B-Impfung schützt auch vor einer Hepatitis-D-Virus-Infektion.

Tetanus

Clostridium tetani ist ein sporenbildendes, obligat anaerobes Stäbchenbakterium und weltweit in der Natur verbreitet (Erde, Staub, normale Darmflora von Mensch und Tier). Infektionen entstehen durch das Eindringen der ubiquitär verbreiten Tetanussporen selbst über kleinste Verletzungen (die in der Landwirtschaft jederzeit vorkommen können).

Nach der Tetanusgrundimmunisierung und Auffrischungsimpfungen im Kindesalter sollten alle Erwachsenen alle 10 Jahre geimpft werden. Erwachsene sollten die nächste fällige Tetanusimpfung einmalig als Tdap-Kombinationsimpfung (Tetanus, Diphtherie, Pertussis) erhalten, weitere Auffrischungsimpfungen sollten mit Td-Impfstoff (Tetanus, Diphtherie) erfolgen (STIKO 2013).

Empfehlungen zur postexpositionellen Tetanusimmunprophylaxe im Verletzungsfall finden sich in den aktuellen STIKO-Empfehlungen (s. „Weitere Infos“).

Tollwut

Neben Laborpersonal mit Expositionsrisiko gegenüber Tollwutviren sollten auch Tierärzte, Jäger, Forstpersonal und andere Personen mit Umgang mit Tieren in Gebieten mit neu aufgetretener Wildtollwut sowie Personen mit beruflichem oder sonstigem Umgang zu Fledermäusen gegen Tollwut geimpft werden (STIKO 2013).

Informationen zur Tollwutepidemiologie finden sich im Epidemiologischen Bulletin des RKI. Empfehlungen zur postexpositionel-len Tollwut-Immunprophylaxe ( Tabelle 1) finden sich in den aktuellen STIKO-Empfehlungen (s. „Weitere Infos“).

Die Liste der möglichen Zoonosen ist lang, aber nur ein kleiner Anteil der Infektionen ist impfpräventabel. Für wichtige Infektionserreger ist kein Impfstoff verfügbar. Beschäftigte in der Landwirtschaft können durch Infektionseindämmung bei Tieren, die Vermeidung arbeitsbedingter Expositionen und Schulungsmaßnahmen zur Arbeitsplatz-sicherheit geschützt werden. Dabei ist das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung von besonderer Bedeutung (MacMahon et al. 2008). Die wirksamste Präventionsmaßnahme z. B. in Bezug auf Hantavirusinfektionen besteht in der Vermeidung des Einatmens von Staub, der mit Exkrementen bestimmter „Reservoirtiere“ (in Deutschland Übertragung v. a. durch Rötelmaus und Brandmaus) kontaminiert ist (Frank et al. 2014).

Aber auch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) treten bei Nutz-tieren auf und können in Lebensmittel nach-gewiesen werden (sog. "livestock associated MRSA", laMRSA). Bei Tierärzten, die beruflich Kontakt zu landwirtschaftlichen Nutztieren (insbesondere Schweine) hatten, fand eine Studie aus Niedersachsen bei etwa 25 % MRSA (s. „Weitere Infos“). Eine Impfung ist auch hier nicht verfügbar.

Um arbeitsbedingte Infektionsrisiken in der Landwirtschaft besser einschätzen zu können, ist somit eine konsequente epidemiologische Auswertung berufsbedingter Infektionen sowie des Berufskrankheiten-Geschehens (BK 3102: von Tieren auf den Menschen übertragbare Krankheiten) erforderlich. 

Interessenkonflikt: Die vertretenen Positionen entsprechen der persönlichen Einstellung der Autorin und repräsentieren nicht zwangsläufig die Position der medizinischen Organisationen oder Institutionen, denen sie angehört.

Literatur

Frank C, Faber M, Hellenbrand W, Wilking H, Stark K: Wichtige, durch Vektoren übertragene Infektionskrankheiten beim Menschen in Deutschland. Bundes-gesundheitsbl 2014; 57: 557–567.

Haffar S, Bazerbachi F, Lake JR: Making the case for the development of a vaccination against hepatitis E virus. Liver Int 2014; Epub ahead of print.

Koopmans M, Wilbrink B, Conyn M et al.: Trans-mission of H7N7 avian influenza A virus to human beings during a large outbreak in commercial poultry farms in the Netherlands. Lancet 2004; 363: 587–593.

MacMahon K, Delaney LJ, Kullmann G, Gibbins JD, Decker J, Kiefer MJ: Protecting poultry workers from exposure to avian influenza viruses. Public Health Rep 2008; 123: 316–322.

Trajman A, Menzies D: Occupational respiratory infections. Curr Opin Pulm Med 2010; 16: 226–234.

    Weitere Infos

    FSME: Risikogebiete in Deutschland

    https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2014/15/Art_01.html

    STIKO: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut

    https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2013/Ausgaben/34_13.pdf?__blob=publicationFile

    Fragen und Antworten zu Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA)

    http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_methicillin_resistenten_staphylococcus_aureus__mrsa_-11172.html

    Autorin

    Prof. Dr. med. S. Wicker

    Universitätsklinikum Frankfurt

    Betriebsärztlicher Dienst

    Theodor-Stern-Kai 7

    60590 Frankfurt

    sabine.wicker@kgu.de

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