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“Psychosoziale Risiken bei der Arbeit“

„Psychosoziale Risiken bei der Arbeit“ – Eine Aufsichtskampagne der deutschen Arbeitsschutzbehörden

Ziel: 2012 führten die staatlichen Arbeitsschutzbehörden eine Aufsichtskampagne zum Thema „Psychosoziale Risiken bei der Arbeit“ in den Branchen Hotellerie/Gaststätten sowie Transport/Verkehr durch. Im Zentrum der Betriebsbesichtigungen stand die Integration psychischer Belastungsfakto-ren in die Gefährdungsbeurteilung.

Methoden: Dazu wurden verschiedene Erhebungsinstrumente sowie Hilfestellungen für die Unternehmen und die Aufsichtsbeamten entwickelt. Insgesamt fanden in Deutschland 617 Besichtigungen statt, davon 475 in Hotels und Gaststätten und 142 im Bereich Transport und Kurierdienste.

Ergebnisse: Anders als beim herkömmlichen Arbeitsschutz ist das Thema „psychische Belastungen“ in den Betrieben mehrheitlich noch nicht in Angriff genommen worden. Nur in 20–40 % der Fälle waren die psychischen Belastungen in die betriebliche Gefährdungsbeurteilung integriert worden. Schutzmaßnahmen im Hinblick auf psychische Risikofaktoren hatten die Betriebe noch deutlich seltener abgeleitet und umgesetzt. Im Zuge der Besichtigungen erfolgte eine Beratung durch die Gewerbeaufsicht in ca. 80 % der Fälle, ca. 40 % der Unternehmen zudem erhielten ein Aufsichts-/Revisionsschreiben, um Arbeitsschutzdefizite abzustellen.

Schlussfolgerungen: Es bedarf noch erheblicher Anstrengungen, die betrieb-lichen Akteure hinsichtlich der psychischen Belastungen zu sensibilisieren und sie darin zu unterstützen und anzuhalten, umfassende Gefährdungs-beurteilungen in ihren Bereichen zu erstellen und das Thema der psychischen Belastungen in den Köpfen der betrieblichen Akteure und in den Gefährdungs-beurteilungen nachhaltig zu verankern. Dazu wollen die staatlichen Arbeits-schutzbehörden auch zukünftig – etwa im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie – einen Beitrag leisten.

Schlüsselwörter: psychische Belastungen am Arbeitsplatz – Ermittlung und Prävention psychischer Fehlbelastungen – Arbeitsschutzverwaltung – Gefährdungsbeurteilung

“Psychosocial Risks at Work“ – An inspection campaign of the German labour authorities

Objective: In 2012, the federal occupational safety and health authorities carried out a supervision campaign on the topic "psychosocial risks at work" in the business branches such as hotels/restaurants and transport/traffic. The campaign had its focus on the risk assessment with the integration of work-related stress in particular.

Methods: Various questionnaires and survey instruments as well as additional information for the companies and the labour inspectors were developed. A total of 617 companies and businesses were inspected, out of which 475 were hotels and restaurants and 142 of them belonged to the sector "transport and courier services".

Results: Other than the established OSH topics, the issue of work-related stress has not yet been touched upon by the majority of the companies. Only 20–40 % of the businesses visited had included questions concerning psychological factors at the workplace in their internal risk assessment. Protective measures or improvements regarding psychological risk factors have not yet been implemented in the majority of enterprises. During the course of the inspections, the inspectors provided guidance in approximately 80 % of the companies and nearly 40 % of the businesses additionally received a notice of enforcement in order to correct OSH deficiencies.

Conclusions: There is still considerable effort necessary to raise the awareness of the management and OSH experts about the necessity of implementing issues of work-related stress in the risk assessment. The labour authorities want to contribute to this issue, particularly in the context of the “Joint German Occupational Safety and Health Strategy” (GDA), in the future.

Keywords: work-related stress – determination and prevention of psychological stress – occupational health and safety authorities – risk assessment

P. Stadler1

B. Splittgerber2

(eingegangen am 18. 12. 2013, angenommen am 28. 02. 2014)

Eine Aufsichtskampagne der deutschen Arbeitsschutzbehörden

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2014; 49: 522–526

Einleitung und Ziele

Der Ausschuss hoher Aufsichtsbeamter der Europäischen Union (Committee of Senior Labour Inspectors, SLIC) hatte beschlossen, 2012 eine europäische Aufsichtskampagne der staatlichen Arbeitsschutzbehörden zum Thema „Psychosoziale Risiken bei der Arbeit“ ("psychosocial risks at work") europaweit durchzuführen. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass psychische Belastungen im Arbeitsleben eine immer größere Bedeutung gewinnen und immer häufiger Befindlichkeitsstörungen, psychosomatische Erkrankungen und Fehlzeiten (mit)verursachen bzw. begünstigen.

Die deutschen Arbeitsschutzbehörden beteiligten sich an dieser Aufsichtskampagne. Ziel war es, Unternehmen in ausgewählten Branchen zu diesen Fragestellungen zu sensibilisieren und anzuhalten, arbeitsbedingten psychischen Fehlbelastungen wirksam zu begegnen. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Integration psychischer Belastungen in die vom Arbeitsschutzgesetz geforderte Gefährdungsbeurteilung. Dabei sollte die Kampagne an aktuelle nationale Entwicklungen auf diesem Gebiet anknüpfen und insbesondere die Aktivitäten der Länder im Zusammenhang mit der LASI-Veröffentlichung (LV) 52 „Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder“ (2009), weiteren LASI-Veröffentlichungen (2002, 2003) wie auch den einschlägigen Arbeitsprogrammen der „Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA)“ (siehe: http://www.gda-portal.de ) berücksichtigen.

Die Betriebsbesichtigungen fanden in den Branchen Hotellerie/Gaststätten sowie Transport/Verkehr statt. Hier wurde vor allem auf die Arbeitsbedingungen von Kurierdienstfahrern fokussiert.

Kollektiv und Methode

Auf der Basis des EU-Kampagnenmaterials wurden verschiedene Instrumente und Hilfestellungen entwickelt, die den spezifischen Situationsanforderungen von Betriebsbesichtigungen durch Aufsichtsbeamten Rechnung tragen sollten (Stadler et al. 2008):

  • je ein Flyer mit Basisinformationen für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen in der Hotellerie/Gastronomie und im Transportgewerbe,
  • ergänzende Flyer mit dem Titel „Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen“, in denen typischen Risikofaktoren geeignete Maßnahmen zur Verringerung psychischer Fehlbelastungen gegenüber gestellt und Empfehlungen zur Integration psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung gegeben wurden,
  • eine Handlungsanleitung zur Durchführung der EU-Kampagne für das Aufsichtspersonal und
  • je ein Branchenbogen „Gastronomie/Hotellerie“ und „Kurierdienste“, in dem die Besichtigungsergebnisse dokumentiert wurden. Diese Bögen dienten dazu, die betrieblichen Aktivitäten im Zusammenhang mit psychischen Fehlbelastungen und den Maßnahmen der Aufsicht bewerten zu können. Dabei wurden Betriebs- und allgemeine Arbeitsschutzdaten sowie Risikofaktoren für psychische Fehlbelastungen eruiert; darüber hinaus wurden die vom Betrieb durchgeführten Aktivitäten erfasst. Im letzten Teil des Branchenbogens sollten die Aufsichtspersonen die Akzeptanz und Nützlichkeit der eingesetzten Methoden und des Besichtigungsablaufs bewerten.

Die Berücksichtigung psychischer Belastungen ist für Aufsichtsbeamtinnen und -beamte mit einer zumeist technischen Qualifikation ein vergleichsweise neues Aufgabenfeld (Splittgerber u. Stadler 2012). Daher fanden Schulungsveranstaltungen für alle an der Kampagne beteiligten Aufsichtsbeamten statt. Die Betriebsbesichtigungen wurden zwischen Juni und Oktober 2012 durchgeführt. 12 Bundesländer beteiligten sich an der Kampagne, vier Bundesländer sahen sich aus unterschiedlichen Gründen (vor allem wegen zu geringer Personalressourcen und zu enger Zeitvorgaben) nicht in der Lage, an der Kampagne mitzuwirken. Insgesamt fanden in Deutschland 617 Besichtigungen statt, davon 475 in Hotels und Gaststätten und 142 im Bereich Transport und Kurierdienste.

Zusammenfassung zentraler Ergebnisse

Besichtigungsergebnisse in Hotels und Gaststätten

Allgemeiner Arbeitsschutz: 85,5 % der besichtigten Betriebe hatten eine sicherheitstechnische Betreuung und 80,8 % eine betriebsärztliche Betreuung. In 52,0 % der Betriebe wurde die Arbeitsschutzorganisation vom Aufsichtspersonal als „geeignet“ bezeichnet, als teilweise geeignet wurden 35,5 % der Betriebe eingestuft, und bei 12,6 % der Betriebe wurde die Arbeitsschutzorganisation als ungeeignet bewertet. In 48,8 % der Fälle wurde die Gefährdungsbeurteilung – allerdings ohne das Thema der psychischen Belastungen – als angemessen eingestuft. Nicht angemessen war sie in 22,7 % der Fälle. 28,5 % der Betriebe konnten keine Gefährdungsbeurteilung vorlegen.

Risikofaktoren für psychische Fehlbelastungen: Als zentrale psychische Risikofaktoren kristallisierten sich im Bereich Hotellerie und Gaststätten personelle Engpässe heraus, die insbesondere zu Stoßzeiten zu starkem Zeitdruck und Stress bei den Beschäftigten führen.  Abbildung 1 zeigt, welche Risikofaktoren aus Sicht der besichtigten Unternehmen zu Zeitdruck führen.

Daneben erhöhen auch ungünstige Arbeitszeiten, Schichtarbeit, Nachtarbeit und häufige kurzfristige Änderungen der Dienstpläne sowie geteilte Dienste die Belastungssituation der Mitarbeiter. Ein weiterer Belastungsfaktor können Gäste sein, die überzogene Erwartungen an den Service und das Servicepersonal richten. Dieser Stressor hat besondere Bedeutung, weil er eine relevante emotionale Dimension beinhaltet. Teilweise werden Gäste aggressiv oder beleidigen das Personal; körperliche Übergriffe waren in den besichtigten Betrieben jedoch selten. Die  Abb. 2 zeigt im Überblick, in wie vielen Unternehmen dieser Stichprobe spezifische Arbeitsbedingungen zu einer Erhöhung von Arbeitsbelastung und Arbeitsaufkommen beitragen.

Ermittlung und Prävention psychischer Fehlbelastungen: In 29,4 % der besichtigten Betriebe wurde die Gefährdungsbeurteilung bezüglich psychischer Risiken von den Aufsichtsbeamten/innen als angemessen eingestuft, in 20,2 % der Fälle wurde sie als nicht angemessen bewertet. In 50,3 % der Fälle war den Angaben der Aufsichtsbeamten/innen zufolge keine entsprechende Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden.

In 41,7 % der Betriebe, die psychische Risiken erhoben hatten, wurden Schutzmaßnahmen im Hinblick auf psychische Risikofaktoren abgeleitet. In Ansätzen tätig geworden sind 40,7 % der Betriebe. In den Fällen, in denen Unternehmen aktiv geworden sind, um psychische Belastungen zu reduzieren, waren das

  • in 53,6 % der Fälle Maßnahmen der Arbeits- und Organisationsgestaltung,
  • in 19,8 % Maßnahmen zu kritischen Ereignissen (Vor-/Nachsorge-konzepte) und
  • in 30,9 % verhaltensbezogene Maßnahmen.

Die folgenden Maßnahmen wurden während der Besichtigungen seitens der Aufsicht ergriffen: Eine Beratung erfolgte in 77,9 % der Fälle, Aufsichts-/Revisionsschreiben gab es in 45,4 % der Fälle und Auflagen/Fristen wurden in 21,3 % der Fälle erteilt. Weiter-gehendes Verwaltungshandeln (z. B. Bußgeld) erfolgte bei 6 Unternehmen (1,3 %).

Besichtigungsergebnisse im Bereich Transport und Kurierdienste

Allgemeiner Arbeitsschutz: 81,7 % der besich-tigten Betriebe hatten eine sicherheitstechnische Betreuung und 78 % eine betriebsärztliche Betreuung. In 61,2 % der Betriebe wurde die Arbeitsschutzorganisation vom Aufsichtspersonal als „geeignet“ bezeichnet, als teilweise geeignet wurden 25,2 % der Betriebe eingestuft, und bei 13,7 % der Betriebe wurde die Arbeitsschutzorganisation als ungeeignet bewertet. In 60,6 % der Fälle wurde die Gefährdungsbeurteilung – allerdings ohne das Thema der psychischen Belastungen – als angemessen eingestuft. Nicht angemessen war sie in 14,1 % der Fälle. 25,4 % der Betriebe konnten keine Gefährdungsbeurteilung vorlegen.

Risikofaktoren für psychische Fehlbelastungen: Als zentrale psychische Risikofaktoren kristallisierten sich im Bereich Transport und Kurierdienste ungünstige Witterungseinflüsse und fehlende Parkmöglichkeiten heraus.  Abbildung 3 zeigt, welche Risikofaktoren aus Sicht der Kurierdienstunternehmen zu Zeitdruck führen.

Eine hohe Anzahl an Sendungen pro Tag, unhöfliche Kunden und physische Be-lastungen (z. B. schwere Pakete) sind Bedingungen, die vergleichsweise häufig zu einer Erhöhung von Arbeitsbelastung und Arbeitsaufkommen beitragen ( Abb. 4).

Ermittlung und Prävention psychischer Fehlbelastungen: In 39,6 % der besichtigten Betriebe wurde die Gefährdungsbeurteilung bezüglich psychischer Risiken von den Aufsichtsbeamten/innen als angemessen eingestuft, in 16,4 % der Fälle wurde sie als nicht angemessen bewertet. In 44,0 % der Fälle war den Angaben der Aufsichtsbeamten/innen zufolge keine entsprechende Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden.

In 45,7 % der Betriebe, die psychische Risiken erhoben hatten, wurden Schutzmaßnahmen im Hinblick auf psychische Risikofaktoren abgeleitet; in Ansätzen tätig geworden sind in etwa ebenso viele Betriebe. Das heißt, in knapp 9 % der Betriebe folgte der psychischen Erfassung von Risiken keine Ableitung entsprechender Schutz-maßnahmen. In den Fällen, in denen Unternehmen Maßnahmen er-griffen hatten, um psychische Belastungen zu reduzieren, waren das in 54,9 % der Fälle Maßnahmen der Arbeits- und Organisationsgestaltung, in 19,7 % Maßnahmen zu kritischen Ereignissen (Vor-/Nachsorgekonzepte) und in 31,7 % verhaltensbezogene Maßnahmen.

Folgende Maßnahmen wurden im Zuge der Besichtigungen seitens der Aufsicht ergriffen: Eine Beratung erfolgte in 83,8 % der Fälle, Aufsichts-/Revisionsschreiben gab es in 38 % der Fälle und Auflagen/Fristen wurden in 19,7 % der Fälle erteilt. Weiteres Verwaltungshandeln (z. B. Bußgeld) erfolgte bei 4 Betrieben (2,8 %).

Bewertung der Kampagne durch Aufsichtspersonal und Betriebe

Die Kampagne stieß überwiegend auf eine positive Resonanz bei den besichtigten Betrieben. Eine hohe Akzeptanz des Betriebs stellten die Aufsichtsbeamten in 65,1 % der Fälle fest, eine „mittlere Akzeptanz“ in 28,3 %, und gering war sie in 6,6 %. Das Vorgehen und die verwendeten Instrumente beurteilten 27,4 % der Aufsichtsbeamten als „sehr nützlich und hilfreich“, „teilweise nützlich und hilfreich“ wurden sie von 62,6 % der Beamten empfunden und „wenig nützlich und nicht hilfreich“ von 10 %. Defizite sahen die Aufsichtsbeamten bei dieser Kampagne vor allem in der sehr knappen Terminierung der Projektphasen.

Diskussion

Die Teilnahme der deutschen Aufsichtsbehörden an der EU-Kampagne „Psychosoziale Risiken bei der Arbeit“ hat dazu geführt, dass das Thema der psychischen Belastungen intensiver bearbeitet wurde. Die Besichtigungen fanden in Branchen – wie der Gastronomie und im Kurierdienst – statt, in denen bislang das Thema der psychischen Belastungen kaum aufgegriffen wurde. Somit konnte die Kampagne einen Beitrag dazu leisten, Unternehmen zu sensibilisieren und anzuhalten, arbeitsbedingten psychischen Fehlbelastungen wirksamer zu begegnen als bisher. Für die beteiligten Aufsichtsbeamten/innen bot die Kampagne Gelegenheit, sich stärker mit arbeitsbedingten psychischen Belastungen vertraut zu machen und in diesem Themenfeld praktische Erfahrungen bezüglich Beratung und Aufsicht zu sammeln. Um den Bezug zu bereits bewährten Aufsichtsstrategien herzustellen, wurde in einigen Bundesländern in Verbindung mit der Durchführung der SLIC-Kampagne eine Schwerpunktaktion zur Kontrolle des Arbeitszeitgesetzes durchgeführt. Die Schwerpunktaktion erbrachte eine Fülle an methodologischen und inhaltlichen Erkenntnissen zum Status Quo des psychischen Arbeitsschutzes in diesen Branchen sowie Optimierungsmöglichkeiten und gute Praxisbeispiele. Überwiegend positiv war auch die Resonanz der Betriebe und der beteiligten Aufsichtsbeamten.

Die besichtigten Hotels und Gaststätten hatten in 85,5 % der Fälle eine sicherheitstechnische Betreuung und 80,8 % eine betriebsärztliche Betreuung, bei den Kurierdiensten waren es etwas weniger. Die Arbeitsschutzorganisation wurde in 52 % der Fälle (Hotels und Gaststätten) von den Aufsichtspersonen als angemessen eingestuft, im Kurierdienst häufiger (61,2 %). Eine Gefährdungsbeurteilung (allerdings ohne das Thema der psychischen Belastungen) konnten die Betriebe in 50–60 % der Fälle vorlegen. Allerdings ist anzumerken, dass nur recht selten in der Gefährdungsbeurteilung die psychischen Belastungen adäquat untersucht worden sind, in Hotels und Gaststätten in knapp 20 % der Fälle, im Kurierdienst bei etwa jedem 4. Unternehmen. Dies zeigt, dass es noch erheblicher Anstrengungen bedarf, die betrieblichen Akteure hinsichtlich der psychischen Belastungen zu sensibilisieren und sie darin zu unterstützen, umfassende Gefährdungsbeurteilungen in ihren Bereichen zu erstellen.

Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass die Aussagekraft der Ergebnisse begrenzt ist. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Beobachtungen der Betriebsabläufe und Arbeitssituationen im Rahmen der Besichtigungen meist nur punktuell bzw. situativ möglich waren. Hinzu kommt, dass – bedingt durch die gesetzlich geregelten Verantwortlichkeiten im Arbeitsschutz – im Wesentlichen mit dem Arbeitgeber sowie mit die Fachkräften für Arbeitssicherheit gesprochen wurde. Informationen seitens der Beschäftigten konnten nur in wenigen Fällen erhoben werden, da Arbeitnehmervertretungen in diesen Branchen (kleine Betriebsgrößen!) nur in wenigen Unternehmen existieren.

Bei der Bewertung der Ergebnisse sollte berücksichtigt werden, dass einige zentrale Problembereiche des Arbeitsschutzes im Gastro-nomiebereich nicht untersucht werden konnten, da z. B. die Zimmer-reinigung in vielen Fällen an externe Firmen ausgelagert worden ist. Es gab deutliche Hinweise darauf, dass in diesen Bereichen insbeson-dere die zu knappen Zeitvorgaben für die Zimmerreinigung einen großen Belastungsfaktor darstellen.

Bei den Kurierdiensten nehmen prekäre Beschäftigungsverhält-nisse und selbständige Tätigkeit sowie Werkverträge tendenziell zu, sodass hier die klassische Arbeitsschutzorganisation nicht greift bzw. diese Kuriere von den Arbeitsschutzverwaltungen als „Einzelpersonen“ nicht erreichbar sind. Zu bedenken ist auch, dass der (staatliche) Arbeitsschutz bestimmte psychische Belastungsfaktoren, die gesamtgesellschaftlichen bzw. globalen Wirkfaktoren geschuldet sind, nicht im Rahmen seiner Zuständigkeit ansprechen kann (ungeachtet der Tatsache, dass es sich um sehr bedeutsame Risikofaktoren wie Arbeitsplatzunsicherheit, prekäre Beschäftigung, Armut etc. handelt; Seiler u. Splittgerber 2010).

Eine ausführliche Ergebnisdarstellung, eine umfangreiche Bewertung der Kampagne sowie daraus abgeleitete Empfehlungen für die GDA-Periode 2013–2018 mit dem Arbeitsprogramm „Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung“ enthält der LASI-Abschlussbericht „Psychosoziale Risiken bei der Arbeit – eine europäische Kampagne der Arbeitsschutzbehörden 2012“ ( http://lasi.osha.de/docs/slic_kampagne_psychosocial_risks_lasibericht.pdf ).

Literatur

Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik: Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention (LV 28). LASI, 2002 (Elektronische Publikation: http://lasi.osha.de/docs/lv28.pdf ).

Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik: Handlungsanleitung für die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder zur Ermittlung psychischer Fehl-belastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention (LV 31). LASI, 2003 (Elektronische Publikation: http://lasi.osha.de/docs/lv31.pdf ).

Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik: Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder (LV 52). LASI, 2009 (Elektronische Publikation: http://lasi.osha.de/docs/lv52.pdf ).

Seiler K, Splittgerber B: Die andere Seite der Medaille: Belastungskonstellationen und Gesundheitsförderung jenseits von Normalarbeitsverhältnissen. In: Trimpop R, Gericke G, Lau J (Hrsg.): Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit. 16. Workshop 2010. Kröning: Asanger, 2010, S. 275–278.

Splittgerber B, Stadler P: Psychische Belastungen „drinnen“ und „draußen“ – das Rollenbild der staatlichen Arbeitsschutzinspektion im Wandel. In: Athanas-siou G, Schreiber-Costa S, Sträter O (Hrsg.): Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit. 17. Workshop 2012. Kröning: Asanger, 2012, S. 321–325.

Stadler P, Mühlbach S, Flake C, Richter R: Methoden und Instrumente zur Er-mittlung psychischer Belastungen: Überlegungen zur Anwendung durch die Auf-sichtsdienste. In: Schwennen C, Elke G, Ludborzs B, Nold H, Rohn S, Schreiber-Costa S, Zimolong B (Hrsg.): Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit. 15. Workshop 2008. Kröning: Asanger, 2008, S. 251–254.

The Committee of Senior Labour Inspectors (SLIC): Psychosocial Risk Assessments: SLIC Inspection Campaign 2012 – Final Report, 2013 (Elektronische Publikation: http://www.av.se/slic2012/index.aspx ).

Für die Verfasser

Dipl.-Psych. Dr. phil. Peter Stadler

Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit

Landesinstitut für Arbeitsschutz und Produktsicherheit / Umweltbezogener Gesundheitsschutz

Pfarrstraße 3 – 80538 München

peter.stadler@lgl.bayern.de

Fußnoten

1 Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Landesinstitut für Arbeitsschutz und Produktsicherheit, München

2 Hessisches Sozialministerium, Referat III 1 B "Arbeitsschutzpolitik, menschengerechte Arbeitsgestaltung", Wiesbaden