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Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales– Folge 5 –

Arbeitsmedizinische Regeln (AMR)

Einleitung

Arbeitsmedizinische Regeln (AMR) geben den Stand der Arbeitsmedizin und sonstige gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnisse wieder. Sie werden vom Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) ermittelt oder angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) bekannt gegeben. Sie finden sich auch auf der Homepage des AfAMed (s. Weitere Infos). Bei Einhal-tung der AMR kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die in der AMR konkretisierten Anforderungen der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) erfüllt sind (Vermutungswirkung, § 3 Absatz 1 Satz 3 ArbMedVV). Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen.

Im Rahmen dieser Serie werden folgende (und weitere) AMR abgedruckt:

Folge 1: AMR Nr. 1 zu § 5 ArbMedVV Anforderungen an das Angebot von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen (GMBl 35/36 2011, S. 712–713)

Folge 2: AMR Nr. 1 zu § 6 ArbMedVV Fristen für die Aufbewahrung ärztlicher Unterlagen (GMBl 35/36 2011, S. 714–715)

Folge 3: AMR Nr. 2.1 Fristen für die Veranlassung/das Angebot von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen (GMBl 2012, 1285–1291; zuletzt geändert und ergänzt: GMBI 2013, S. 906–907)

Folge 4: AMR Nr. 3.1 Erforderliche Auskünfte/Informationsbeschaffung über die Arbeitsplatzverhältnisse (GMBl 65/66 2012, S. 1291–1293, zuletzt geändert: GMBl 5, 2014, S. 86ff.)

Folge 5: AMR Nr. 6.2 Biomonitoring (GMBI 2013, S. 623–628; GMBI 2013, S. 951, zuletzt geändert: GMBl 5, 2014, S. 91ff.)

Folge 6: AMR Nr. 13.1 Tätigkeiten mit extremer Hitzebelastung, die zu einer besonderen Gefährdung führen können (GMBl 65/66 2012, S. 1293–1295, zuletzt geändert: GMBl 5, 2014, S. 87ff.)

Folge 7: AMR Nr. 6.3 Vorsorgebescheinigung (GMBI 5, 2014, S. 100ff.)

Folge 8: AMR Nr. 14.1 Angemessene Unter-suchung der Augen und des Sehvermögens (GMBI 63, 2013, S. 1264).

Der Abdruck der AMR in ASU ist möglich durch die freundliche Genehmigung des Carl Heymanns Verlags – einer Marke von Wolters Kluwer Deutschland. 

AMR 6.2 „Biomonitoring“

Bekanntmachung von Arbeitsmedizinischen Regeln des BMAS vom 02. 12. 2013 – IIIb1-36628-15/1 –; hier: AMR 6.2 „Biomonitoring“; inhaltliche Abschrift der im GMBL formulierten Fassung (GMBL Nr. 5, 2014, S. 91).

Gemäß § 9 Absatz 4 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge macht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die anliegende vom Ausschuss für Arbeitsmedizin beschlossene Arbeitsmedizinische Regel bekannt. Die Bekanntmachung berücksichtigt die Änderungen der ArbMedVV durch die Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 23. 10. 2013 (BGBl. I, S. 3882 ff.). Mit dieser Bekanntmachung verliert die Bekanntmachung vom 11. 06. 2013 (GMBl. S. 623 ff., Korrektur S. 951) ihre Gültigkeit.

Arbeitsmedizinische Regel (AMR) Biomonitoring AMR Nummer 6.2

Die Arbeitsmedizinischen Regeln (AMR) geben den Stand der Arbeitsmedizin und sonstige gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnisse wieder. Sie werden vom Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) ermittelt oder angepasst und vom Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl.) bekannt gegeben.

Diese AMR konkretisiert im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die Anforderungen des § 6 Absatz 2 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Bei Einhaltung der AMR kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er da-mit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Der Arzt oder die Ärz-tin im Sinne des § 7 ArbMedVV hat diese AMR als dem Stand der Arbeitsmedizin entsprechende Regel zu berücksichtigen (§ 6 Absatz 1 Satz 1 ArbMedVV).

1 Vorbemerkungen und Zielsetzung

  1.  1. Biomonitoring ist Bestandteil der arbeits-medizinischen Vorsorge, soweit dafür arbeitsmedizinisch anerkannte Analyse-verfahren und geeignete Werte zur Beurteilung zur Verfügung stehen (§ 6 Absatz 2 Satz 1 ArbMedVV). Biomonitoring darf nicht gegen den Willen des oder der Beschäftigten durchgeführt werden (§ 6 Absatz 2 Satz 2 ArbMedVV). Über Indikation und Art des Biomonitorings entscheidet der nach § 7 ArbMedVV beauftragte Arzt oder die beauftragte Ärztin. Der Arzt oder die Ärztin hat die Erkenntnisse aus dem Biomonitoring auszuwerten. Die Erkenntnisse können unter Wahrung der ärztlichen Schweige-pflicht in die Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers einfließen.
  2.  2. Diese AMR legt fest, wann und unter welchen Bedingungen ein Biomonitoring bei Beschäftigten, die mit Gefahrstoffen umgehen, durch den vom Arbeit-geber beauftragten Arzt oder die beauf-tragte Ärztin angeboten werden soll und wie die Ergebnisse zu bewerten und dem oder der Beschäftigen zu vermitteln sind. Die Organisation obliegt dem Arbeitgeber.

2 Begriffsbestimmungen

2.1 Biomonitoring

Biomonitoring ist die Untersuchung biolo-gischen Materials der Beschäftigten zur Bestimmung von Gefahrstoffen, deren Metaboliten oder deren biochemischen bzw. biologischen Effektparametern. Dabei ist es das Ziel, die Belastung und die Gesundheitsgefährdung von Beschäftigten zu erfassen, die erhaltenen Analysewerte mit entsprechenden Werten zur Beurteilung (siehe 2.5) zu vergleichen und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, um die Belastung und die Gesundheitsgefährdung zu reduzieren. Die Erkenntnisse aus dem Biomonitoring können eine wichtige Informationsquelle zur Beurteilung der Wirksamkeit vorhandener Schutzmaßnahmen sein.

2.2 Biologisches Material

Unter biologischem Material versteht man körpereigenes Material des oder der zu untersuchenden Beschäftigten. Der Untersuchungsparameter (siehe 2.3) muss in diesem Material mit hinreichender Zuverlässig-keit (Reliabilität) bestimmbar sein. In der Regel handelt es sich um Urin oder Blut.

2.3 Untersuchungsparameter

Der Untersuchungsparameter ist derjenige chemische Stoff oder der biologische Indika-tor, dessen Gehalt im biologischen Material bestimmt wird. Von einem für das Biomonitoring geeigneten Untersuchungsparameter ist zu fordern, dass er die Belastung und/oder Beanspruchung durch den Gefahrstoff zuverlässig, empfindlich und möglichst spezifisch anzeigt.

2.4 Analyseverfahren

Ein vollständiges Analyseverfahren umfasst

  • die präanalytische Phase,
  • die analytische Phase einschließlich Qualitätssicherung (siehe 5.1).

Anerkannte Analyseverfahren werden von der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft veröffentlicht (Hart-wig u. Drexler 2011).

2.5 Werte zur Beurteilung

  1.  1. Werte zur Beurteilung sind Werte, die eine fachgerechte und auf die jeweilige Fragestellung bezogene Beurteilung von Bio-monitoringbefunden ermöglichen.
  2.  2. Werte zur Beurteilung nach dieser AMR sind:

 a) biologische Grenzwerte (BGW) der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 903; die BGW werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe festge-legt und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der TRGS 903 veröffentlicht;

 b) Biologische Arbeitsstoff-Toleranz-Werte (BAT-Werte), Biologische Leit-Werte (BLW) der Senatskommis-sion zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft, biological limit values-Werte (BLV) des Scientific Committee on Occupational Ex-posure Limits (SCOEL);

 c) Äquivalenzwerte in biologischem Material zum Akzeptanz- und Tole-ranzrisiko; die Äquivalenzwerte werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe festgelegt und vom Bundesminis-terium für Arbeit und Soziales in der Bekanntmachung 910 veröffent-licht;

 d) Expositionsäquivalente für krebserzeugende Arbeitsstoffe (EKA) der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft;

 e) Referenzwerte der Human-Biomo-nitoring-Kommission des Umweltbundesamtes, die Biologischen Arbeitsstoff-Referenzwerte (BAR) der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

  1.  3. Die in Absatz 2 genannten Werte zur Beurteilung unterscheiden sich in ihren Definitionen und ihrer Aussagekraft.

 a) Der Biologische Grenzwert (BGW) ist der Grenzwert für die toxikologisch-arbeitsmedizinisch abgeleitete Konzentration eines Stoffes, seines Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im entsprechenden biologischen Material. Er gibt an, bis zu welcher Konzentration die Gesundheit von Beschäftigten im All-gemeinen nicht beeinträchtigt wird (§ 2 Absatz 9 GefStoffV).

 b) Der Biologische Arbeitsstoff-Toleranz-Wert (BAT-Wert) beschreibt die arbeitsmedizinisch-toxikologisch abgeleitete Konzentration eines Arbeitsstoffes, seiner Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im entsprechenden biologischem Mate-rial, bei der im Allgemeinen die Gesundheit eines Beschäftigten auch bei wiederholter und langfristiger Exposition nicht beeinträchtigt wird (s. Weitere Infos [1]).

 c) Der Biologische Leit-Wert (BLW) ist die Quantität eines Arbeitsstoffes bzw. Arbeitsstoffmetaboliten oder die dadurch ausgelöste Abweichung eines biologischen Indikators von seiner Norm beim Menschen, die als Anhalt für die zu treffenden Schutzmaßnahmen heranzuziehen ist. Biologische Leitwerte werden nur für solche gefährlichen Stoffe benannt, für die keine arbeitsmedizinisch-toxikologisch begründeten Biologischen Arbeitsstoff-Toleranz-Werte (BAT-Werte) aufgestellt werden kön-nen (beispielsweise für krebserzeugende oder krebsverdächtige Stoffe der Kategorie 1 bis 3 und für nicht krebserzeugende Stoffe, bei denen die vorliegenden Daten für die Ableitung eines BAT-Wertes nicht ausreichen) (s. Weitere Infos [1]).

 d) Biological Limit Values (BLV) sind vom Scientific Committee on Occupational Exposure Limits (SCOEL) wissenschaftlich begründete Werte zur Beurteilung potenzieller gesund-heitlicher Risiken, die sich durch eine berufliche Exposition ergeben. Expositionen, die dem BLV äquivalent sind, führen im Allgemeinen nicht zu gesundheitsschädigenden Effekten bei den Beschäftigten, reguläre Arbeitsbedingungen (acht Stunden pro Tag, fünf Tage pro Woche) vorausgesetzt. Die Variabilität von Konzentrationen in biologischen Proben ist bei der Messergebnisinterpretation zu berücksichtigen (s. Weitere Infos [4]).

 e) Der Äquivalenzwert zum Akzeptanz-risiko bzw. Toleranzrisiko ist diejenige Konzentration eines krebserzeugen-den Arbeitsstoffes bzw. seines Meta-boliten in Körperflüssigkeiten, die bei einer ausschließlich inhalativen Exposition der Konzentration des Arbeitsstoffes in der Luft entspricht, bei der das Akzeptanzrisiko bzw. das Toleranzrisiko erreicht ist (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2014).

 f) Die Expositionsäquivalente für krebs-erzeugende Arbeitsstoffe (EKA) stel-len für krebserzeugende Arbeitsstoffe, für die keine BAT-Werte aufgestellt werden, die Beziehung zwischen der Stoffkonzentration in der Luft am Arbeitsplatz und der Stoff- bzw. Metabolitenkonzentration im biologischen Material dar. Aus ihnen kann entnommen werden, welche innere Belastung sich bei ausschließ-lich inhalativer Stoffaufnahme ergeben würde (s. Weitere Infos [1]).

 g) Biologische Arbeitsstoff-Referenzwerte (BAR) beschreiben die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Referenzpopulation aus nicht beruflich gegenüber dem Arbeitsstoff exponierten Personen im erwerbsfähigen Alter bestehende Hintergrundbelastung mit in der Umwelt vorkommenden Arbeitsstoffen. Sie orientieren sich am 95. Perzentil, ohne Bezug zu nehmen auf gesund-heitliche Effekte. Durch den Vergleich von Biomonitoring-Messwerten bei beruflich Exponierten mit den Bio-logischen Arbeitstoff-Referenzwerten kann das Ausmaß einer beruflichen Exposition erfasst werden (s. Weitere Infos [1]).

 h) Der Referenzwert für einen chemi-schen Stoff in einem Körpermedium ist ein Wert, der aus einer Reihe von entsprechenden Messwerten einer Stichprobe aus einer definierten Be-völkerungsgruppe nach einem vorgegebenen statistischen Verfahren abgeleitet wird. Es handelt sich dabei um einen rein statistisch definierten Wert, der die Konzentration dieses Stoffes im betreffenden Körpermedium für diese Bevölkerungsgruppe zum Zeitpunkt der Durchführung der Untersuchung beschreibt. Ihm kommt per se keine gesundheitliche Bedeutung zu (Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes 1996).

3 Allgemeines zum Biomonitoring

3.1 Voraussetzungen

Biomonitoring unterliegt als Ausübung der Heilkunde den Bestimmungen des ärztlichen Berufsrechts. Danach sind die Beschäftigten, die sich einem Biomonitoring unterziehen, vorher umfassend über die Durchführung und die Zielsetzung der Untersuchung und über die Verwendung der Analyseergebnisse aufzuklären. Biomonitoring bedarf der Einwilligung des oder der Beschäftigten. Eine besondere schriftliche Zustimmungserklärung des oder der Beschäftigten ist dagegen nicht notwendig.

3.2 Zielsetzung

Biomonitoring dient dem Ziel, die innere Be-lastung durch Gefahrstoffe bzw. die daraus resultierende Beanspruchung exponierter Beschäftigter zu messen und hinsichtlich der gesundheitlichen Relevanz zu bewerten. Biomonitoring ist insbesondere angezeigt, wenn eine oder mehrere in 3.4 Absatz 2 genannten Bedingungen erfüllt sind.

3.3 Zweck des Biomonitorings

  1.  1. Das Biomonitoring gestattet Rückschlüsse auf
  • die Gefahrstoffmengen, die vom Be-schäftigten durch Einatmung (inhala-tiv), über die Haut (dermal) oder durch Verschlucken (oral) aufgenommen worden sind,
  • spezifische biochemische und biologische Effekte einer Gefahrstoffbelastung,
  • individuelle Unterschiede bei der Verstoffwechselung von Gefahrstoffen,
  • die Wirksamkeit technischer, organi-satorischer und persönlicher (individueller) Schutzmaßnahmen,
  • die individuelle Hygiene beim Umgang mit Gefahrstoffen.
  1.  2. Die Erkenntnisse aus dem Biomonitoring können geeignet sein, Hinweise für die Gefährdungsbeurteilung und die Überwachung von Arbeitsplätzen zu liefern. Dazu sind die Ergebnisse zu anonymisieren (s. Abschnitt 6).

3.4 Anlass zur Durchführung des Biomonitorings

  1.  1.  Biomonitoring ist dem oder der Beschäf-tigten anzubieten, wenn
  • arbeitsmedizinische Vorsorge nach Anhang Teil 1 ArbMedVV durchge-führt wird (auch hinsichtlich einer eventuellen Vorbelastung) und
  • arbeitsmedizinisch anerkannte Analyseverfahren (2.4) sowie
  • Werte zur Beurteilung (2.5) vorliegen.
  1.  2. Biomonitoring ist insbesondere angezeigt bei Tätigkeiten

 a) bei denen unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen besteht, die in toxikologisch relevanter Menge über die Haut aufgenommen werden (Stoffe mit der Bemerkung „H“ in der TRGS 900),

 b) bei denen der orale Aufnahmeweg von Gefahrstoffen von Bedeutung sein kann,

 c) bei denen eine Exposition gegenüber Gefahrstoffen mit langen biologischen Halbwertszeiten vorliegt (Kennzeichnung im Sicherheitsdaten-blatt),

 d) mit Exposition gegenüber krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fruchtbarkeitsgefährdenden Stoffen,

 e) bei denen die Gefahrstoffe luftmess-technisch schwer erfassbar sind (Reparaturarbeiten, Stördienste, Arbeiten im Freien, stark schwankende Raumluftkonzentrationen, häufig wechselnde Stoffe im Chargenbe-trieb),

 f) bei denen die innere Gefahrstoff-belastung durch körperliche Arbeit mit erhöhtem Atem-Minuten-Volumen modifiziert sein kann,

 g) unter (Arbeits-)Bedingungen, die die Hautresorption fördern (beispielsweise Temperatur, Stoffgemische, Hautkrankheiten),

 h) mit alternativen Arbeitszeitmodellen (mehr als acht Stunden pro Tag; mehr als fünf Tage pro Woche).

  1.  3. In den in Absatz 2 genannten Fällen ist eine Beurteilung der Gefährdung und der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen allein auf der Grundlage der Luftmessungen in der Regel nicht ausreichend.
  2.  4. Biomonitoring kann der Beurteilung der Wirksamkeit präventiver, risikominimierender Maßnahmen bei besonders gefährdeten Arbeitnehmern (Personen mit Ausscheidungsstörungen, Stoffwechselbesonderheiten, Vorerkrankungen und anderen) dienen.
  3.  5. Biomonitoring ist auch nach unfallarti-gen Expositionen sinnvoll, insbesondere wenn keine Ergebnisse aus Luftmessungen vorliegen. Hier ist auf eine situa-tionsadäquate Beurteilung zu achten; die auf chronische Wirkungen abzielen-den Beurteilungswerte können nicht un-mittelbar herangezogen werden.

4 Durchführung des Biomonitorings

4.1 Messstrategie und Messplan

  1.  1. Bei der Bestimmung der Konzentration von Gefahrstoffen, ihrer Metaboliten oder anderer biologischer Indikatoren in biologischem Material sowie der arbeits-medizinischen Beurteilung anhand von Werten nach 2.5 sind die allgemein anerkannten Regeln der Arbeitsmedizin zu beachten.
  2.  2. Die Untersuchungsintervalle für den be-treffenden Parameter werden in Abhängigkeit von der Tätigkeit und den stoffspezifischen Kriterien des Gefahrstoffes festgelegt. Dabei sind die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung sowie vorangegangene Messergebnisse des Biomonitorings zu beachten. Für die zu bestimmenden Untersuchungsparameter wird ein entsprechender Messplan aufgestellt und dokumentiert.

4.2 Auswahl des biologischen Materials, der Untersuchungs-parameter und des Analyse-verfahrens

  1.  1. Das für das Biomonitoring vorgesehene biologische Material muss derart zur Ver-fügung stehen, dass es unter Routinebedingungen und für den Beschäftigten oder die Beschäftigte zumutbar gewon-nen werden kann. Diese Kriterien treffen derzeit im Wesentlichen auf Urin und Blut zu.
  2.  2. Der Arzt oder die Ärztin hat diejenigen biologischen Materialien, Untersuchungs-parameter und Analyseverfahren auszuwählen, die zur Beurteilung des zu erwartenden gefahrstoffbedingten Gesundheitsrisikos und der Exposition am geeignetesten sind. Er oder sie kann sich dabei von dem Laboratorium beraten lassen, das die Analyse in seinem oder ihrem Auftrag durchführen soll. Die Vorgaben der TRGS 903 sind zu beachten.

4.3 Zeitpunkt der Probengewinnung

  1.  1. Der Zeitpunkt der Probengewinnung ist abhängig von der Halbwertszeit des Gefahrstoffs im Körper und den dies-bezüglichen Angaben zu dem jeweiligen Untersuchungsparameter in der TRGS 903 zu entnehmen.
  2.  2. Fehlen Hinweise nach Absatz 1, ist die Probengewinnung zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, bei dem die innere Belastung des oder der Beschäftigten repräsentativ für die Exposition ist.
  3.  3. Wenn Tätigkeiten nur kurzzeitig ausge-führt werden (beispielsweise Reparaturarbeiten, Entstördienste) ist die Probengewinnung am Ende der betreffenden Tätigkeit vorzunehmen.

4.4 Art und Weise der Probengewinnung

Die Probengewinnung sollte kontaminations- und verlustfrei erfolgen. Der von den Analyselaboratorien angebotene Service sollte durch den Arzt oder die Ärztin in An-spruch genommen, Entnahmebestecke, Ver-sandgefäße und Informationen zur Proben-gewinnung sollten angefordert werden.

Gewinnung von Urinproben

  1.  1. Für die Gewinnung von Urinproben sind Einmalkunststoffgefäße zu verwenden. Die Probe ist direkt in das Gefäß zu las-sen.
  2.  2. Es ist darauf zu achten, dass die Proben-gewinnung nicht in Arbeitskleidung und erst nach Reinigung der Hände erfolgt. Eine Kontamination durch Stäube, Gase oder Dämpfe des Arbeitsplatzes ist unbedingt zu vermeiden.
  3.  3. Zur Bestimmung leichtflüchtiger organischer Substanzen sind zirka zwei Milli-liter einer frischen Spontanurinprobe mit einer Einmalspritze in eine Stech-ampulle zu geben. Die Stechampullen dienen als Lager- und Transportgefäß.

Gewinnung von Vollblut oder Plasmaproben

  1.  1. Für die analytische Untersuchung sind Proben von venösem Blut mit Zusatz von Antikoagulans erforderlich. Als Ent-nahmebestecke eignen sich Einmalkanü-len und Einmalspritzen, die Antikoagulanzien enthalten. Diese dienen auch als Transport- und Lagergefäße. Eine Koagulation muss durch gründliches Schwenken der Probengefäße vermieden werden.
  2.  2. Bei der Entnahme der Blutprobe zur Bestimmung leichtflüchtiger organischer Substanzen verbietet sich die Desinfektion an der Punktionsstelle mit lösungsmittelhaltigen Desinfektionsmitteln. Die Desinfektion der Haut kann mit einer dreiprozentigen wässrigen Wasserstoffperoxidlösung erfolgen.
  3.  3. Zur Bestimmung leichtflüchtiger organi-scher Substanzen sind zirka zwei Milliliter einer frischen Blutprobe mit einer Einmalspritze in eine Stechampulle zu geben. Die Stechampullen dienen als Lager- und Transportgefäß.
  4.  4. Für die Gewinnung von Serum- und Plasmaproben sind die Proberöhrchen unmittelbar nach der Blutentnahme zu zentrifugieren.
  5.  5. Zur Bestimmung von Hämoglobin-Addukten ist die Waschung der Erythrozyten zeitnah zur Blutgewinnung zu veranlassen.

4.5 Lagerung und Transport des biologischen Materials

  1.  1. Die Lagerung und der Transport des bio-logischen Materials sind so durchzuführen, dass Störfaktoren, die das Analyseergebnis in vitro verändern, auf ein Minimum reduziert werden. Dazu ist gegebenenfalls Rücksprache mit dem analysierenden Laboratorium erforderlich. Insbesondere ist zu prüfen, ob ein gekühlter Transport erforderlich ist.
  2.  2. Der Transport muss den Anforderungen an die Versendung von medizinischem und biologischem Untersuchungsgut genügen. Verpackungen müssen grundsätzlich so beschaffen sein, dass sie allen üblicherweise beim Transport auftretenden Belastungen standhalten und jegliches Freisetzen des Inhaltes verhindert wird. Biologisches Material, bei dem eine minimale Wahrscheinlichkeit besteht, dass es Krankheitserreger enthält, kann bei Einhaltung der folgenden Verpackungsbedingungen als freigestellte medizinische Probe versendet werden (s. Weitere Infos [2]):
  • die Verpackungen müssen aus drei Bestandteilen bestehen: einem was-serdichten Primärgefäß (zum Beispiel Monovette), einer wasserdichten Sekundärverpackung und einer ausreichend festen Außenverpackung; die Sekundärverpackungen sind mit geeignetem Polstermaterial in die Außenverpackung einzusetzen;
  • bei flüssigen Stoffen muss zusätz-lich zwischen Primär- und Sekundär-verpackung ausreichend absorbierendes Material eingesetzt werden; die Proben müssen eindeutig gekennzeichnet sein;
  • mehrere zerbrechliche Primärgefäße in einer Sekundärverpackung dürfen sich nicht berühren (beispielsweise durch Einwickeln verhindern);
  • die Sekundär- oder die Außenverpackung muss starr sein;
  • Verpackungsaufdruck: „Freigestellte medizinische Proben“.

5 Qualitätssicherung der Analyseergebnisse

5.1 Qualitätssicherung

  1.  1. Arbeitsmedizinisch-toxikologische Ana-lysen in biologischem Material (Biomo-nitoring) müssen dem Stand der Technik und den Qualitätskriterien der arbeits-medizinisch-toxikologischen Analytik entsprechen. Probengewinnung, Analyse und Bewertung erfolgen in Ausübung der ärztlichen Heilkunde und unterliegen somit der ärztlichen Qualitätssicherung nach § 5 der (Muster)Be-rufsordnung für Ärzte – MBO-Ä 1997 in der Fassung aus dem Jahr 2011 (Bundes-ärztekammer 2012).
  2.  2. Für die Durchführung der Analytik gelten die allgemeinen Anforderungen an die Kompetenz von Laboratorien. Wenn der Arzt oder die Ärztin im Rahmen des Biomonitorings analytische Leistungen in Anspruch nimmt, hat er oder sie sich davon zu überzeugen, dass das von ihm oder ihr beauftragte Laboratorium über die entsprechende Fachkunde und apparative Ausstattung verfügt und Methoden zur Qualitätssicherung nach dem Stand der Technik einsetzt. Er oder sie kann davon ausgehen, dass die von einem externen Laboratorium ermittelten Ergebnisse valide sind, wenn die-ses Laboratorium ein gültiges Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme an entsprechenden Ringversuchen zum Beispiel der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. nachweisen kann.

5.2 Zusammenarbeit zwischen dem Arzt oder der Ärztin nach § 7 ArbMedVV und dem Laboratorium

Hinsichtlich Probengewinnung, Lagerung und Transport der Proben sind durch den Arzt oder die Ärztin die Vorgaben des in Anspruch genommenen Laboratoriums zu beachten. Die Interpretation des Untersu-chungsergebnisses durch den Arzt oder die Ärztin ist – soweit vorhanden – vor dem Hintergrund zusätzlicher Informationen aus dem Laboratorium (zum Beispiel laborinterne Vergleichswerte) vorzunehmen.

6 Bewertung und Folgerungen

6.1 Bewertung der Analyseergebnisse durch das Laboratorium

Die Beurteilung und Prüfung der Qualität von Analyseergebnissen des Biomonitorings muss durch den Laborleiter oder von ihm be-nannte Mitarbeiter vorgenommen werden.

6.2 Bewertung durch den Arzt oder die Ärztin nach § 7 ArbMedVV

  1.  1. Der Arzt oder die Ärztin bewertet die Ana-lyseergebnisse durch Vergleich mit den in 2.5 genannten Beurteilungswerten. Bei dieser Bewertung sind die Arbeitsbedingungen (intensive körperliche Arbeit, dermale Gefahrstoffaufnahme), die Stoff-charakteristika (Toxikokinetik des Ge-fahrstoffes) und individuelle Besonder-heiten (Medikamente, Rauchen, Alkohol-konsum) als mögliche Einflussfaktoren zu berücksichtigen.
  2.  2. Eine diuresebedingte Verdünnung der Probe ist zu beachten. Die Beurteilungswerte beziehen sich auf normal konzentrierten Urin, bei dem der Kreatiningehalt im Bereich von 0,3–3 g/L liegen sollte. Bei Urinproben außerhalb der genannten Grenzen sollte die Messung bei dem oder der normal hydrierten Beschäftigten wiederholt werden (Hartwig u. Drexler 2011).
  3.  3. Wenn eine einzelne Messung eines Unter-suchungsparameters keine sichere Bewertung zulässt, sind zur Absicherung des Untersuchungsergebnisses Wiederholungsmessungen erforderlich.

6.3 Weitergabe der Analyseergebnisse und ärztliche Schweigepflicht

Die Analyseergebnisse und deren Bewertung unterliegen als personengebundene Daten der ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 Absatz 1 des Strafgesetzbuches). Die Weiter-gabe an Dritte darf ohne Zustimmung des oder der Beschäftigten nur in anonymisierter Form erfolgen. Die Anonymität des oder der Beschäftigten darf auch nicht durch beson-dere Begleitumstände der Vorsorge (zum Bei-spiel Einzelarbeitsplatz) oder der Messungen verletzt werden (siehe aber 6.4 Absatz 2).

6.4 Folgerungen aus der Bewertung des Biomonitorings

  1.  1.  Der Arzt oder die Ärztin nach § 7 Arb-MedVV erläutert dem oder der betroffe-nen Beschäftigten das Biomonitoringergebnis und berät ihn oder sie entsprechend.
  2.  2.  Die Erkenntnisse aus dem einzelnen Bio-monitoring sowie aus allen durchgeführ-ten Biomonitorings sind von dem Arzt oder der Ärztin nach § 7 ArbMedVV aus-zuwerten. Ergibt die Auswertung Anhalts-punkte für unzureichende Schutzmaßnahmen, so hat der Arzt oder die Ärztin dies nach § 6 Absatz 4 ArbMedVV dem Arbeitgeber mitzuteilen und Schutzmaßnahmen vorzuschlagen. Hierbei ist die ärztliche Schweigepflicht zu beachten (6.3).

7 Kostentragung

Die Kosten für das Biomonitoring übernimmt der Arbeitgeber, soweit sie nicht von anderer Stelle getragen werden (zum Beispiel Unfallversicherungsträger). Den Beschäftigten dürfen die Kosten nach § 3 Absatz 3 des Arbeitsschutzgesetzes nicht auferlegt werden.

Literatur

Die Literaturangaben und sonstigen Hinweise dienen allein der Information. Sie sind von der Vermutungswirkung nach § 3 Absatz 1 Satz 2 ArbMedVV ausgenommen.

Bundesärztekammer (Hrsg.): Richtlinie der Bundes-ärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen, Dtsch Ärztebl 2008; 105: A 341ff., letzte Änderung Dtsch Ärztebl 2012; 109: A 886.

Hartwig A, Drexler H (Hrsg.): Addendum zu Kreatinin als Bezugsgröße für Stoffkonzentrationen im Urin. Biologische Arbeitsstoff-Toleranz-Werte (BAT-Werte), Expositionsäquivalente für krebs-erzeugende Arbeitsstoffe (EKA), Biologische Leit-werte (BLW) und Biologische Arbeitsstoff-Referenz-werte (BAR), 17. Lfg. Weinheim: Wiley-VCH, 2011.

Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umwelt-bundesamtes (Hrsg.): Konzept der Referenz- und Human-Biomonitoring-(HBM)-Werte in der Umwelt-medizin. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 1996; 39: 221ff.

Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes: Addendum zum Konzept der Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte in der Umweltmedizin. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 2009; 847ff.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.); Bekanntmachung zu Gefahrstoffen 910 „Risiko-werte und Expositions-Risiko-Beziehungen sowie Äquivalenzwerte in biologischem Material für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“.

    Weitere Infos

    [1] Deutsche Forschungs-gemeinschaft (Hrsg.): MAK- und BAT-Werte-Liste 2012, Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe, Mitteilung 48. Weinheim: Wiley-VCH

    http://onlinelibrary.wiley.com/book/10.1002/3527600418/topics

    [2] Thurm V, Schoeller AE, Mauff G, Just H-M, Tschäpe H: Versand von medizinischem Untersuchungsmaterial – Neue Bestimmungen ab 2007, Mitteilungen der Bundesärzte-kammer, Dtsch Ärztebl 2007; 104: A1ff.

    http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/empfversand2007.pdf

    [3] Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 903 „Biologische Grenzwerte“

    http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/TRGS-903.html

    [4] European Commission – Scientific Committee on Occupational Exposure Limits (Hrsg.): Methodology for the Derivation of Occu-pational Exposure Limits, Key Documentation, 2009

    http://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=4526&langId=en

    [5] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Biomonitoring-Auskunftsystem

    http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/Biomonitoring/Auskunftsystem.html

    [6] Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umwelt-medizin e. V. (Hrsg.): Arbeitsmedizinische Leitlinie Humanbiomonitoring

    https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/002-027.html

    Aufbereitet von

    Dr. med. A. E. Schoeller

    Bereichsleiterin im Dezernat 5 – Versorgung und Kooperation mit Gesundheitsfachberufen

    Bundesärztekammer, Berlin

    Herbert-Lewin-Platz 1 – 10623 Berlin

    annegret.schoeller@baek.de

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