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Stellenwert in der arbeitsmedizinischen Vorsorge

Biologisches Monitoring

Im Februar 2014 wurde im gemeinsamen Ministerialblatt die arbeitsmedizinische Regel (AMR) 6.2 Biomonitoring bekannt gemacht. Diese AMR wird in der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift ASU vorgestellt und gibt den Stand der Arbeitsmedizin und sonstige gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnisse in Bezug auf das Biomonitoring in hervorragender Weise wie-der, indem sie alle praktischen Aspekte und auch die theoretischen Grundlagen wissenschaftlich exakt darstellt.

Stellung des Biomonitorings in der arbeitsmedizinischen Vorsorge

Arbeitsmedizinisches biologisches Monitoring ist weit mehr als die Bestimmung von Gefahrstoffen oder Gefahrstoffmetaboliten in Blut, Urin oder anderen biologischen Medien. Arbeitsmedizinisches Biomonitoring erfordert profunde Kenntnisse über die präanalytische Phase, die analytische Phase und die postanalytische Phase des biologischen Monitorings. Der Sozialmediziner Hans Schäfer vertrat die Ansicht, dass ein Fach durch seinen Gegenstand und seine Methoden charakterisiert werden kann (zitiert in Brennecke 2004). Die Arbeitsmedizin setzt eine Vielzahl ärztlicher Methoden und ärztlicher Untersuchungstechniken ein. Eine speziell arbeitsmedizinische Methode ist das biologische Monitoring. Mit Recht kann man sagen, dass das biologische Moni-toring die spezifische Methode der Arbeitsmedizin ist.

Biologisches Monitoring unterliegt als Ausübung der Heilkunde den Bestimmungen des ärztlichen Berufsrechts. Biologisches Monitoring unterliegt damit ohne jede Ausnahme der ärztlichen Schweigepflicht. Wie auch bei jeder anderen Untersuchung ist es für die Durchführung eines biologischen Monitorings unabdingbare Voraussetzung, dass der Beschäftigte umfassend über die Durchführung und Zielsetzung der Untersu-chung informiert ist und der Untersuchung zustimmt. Einer schriftlichen Bestätigung bedarf es aber nicht.

Das biologische Monitoring ist kein In-strument um zu prüfen, ob bei Arbeitnehmern Grenzwerte eingehalten werden. Viel-mehr wird das biologische Monitoring mit der gleichen Fragestellung eingesetzt wie auch andere Untersuchungsmethoden in der ärztlichen Praxis, die ein gesundheitliches Risiko vor Eintritt einer Erkrankung erfassen sollen (z. B. Bestimmung der Blutfette, Messung des Blutdrucks, Bestimmung der Lungenfunktionsparameter). Primäres Ziel der Durchführung eines biologischen Monitoring ist stets die Beurteilung der gesundheitlichen Gefährdung des Einzelnen. Werden die Untersuchungsergebnisse aber systematisch ausgewertet, so wie dies bereits 1973 im § 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes Aufgaben der Betriebsärzte vorgeschrieben wurde, so lassen sich aus den Ergebnissen des biologischen Monitoring wichtige Erkenntnisse für die Gefährdungsbeurteilung an Arbeitsplätzen und über die Effektivität von Schutzmaßnahmen ableiten.

Das biologische Monitoring lässt sich unterteilen in eine präanalytische Phase, die mit Überlegungen zur Indikation beginnt und mit dem Eingang der Probe im Labor endet, in eine analytische Phase, die den Regeln der Qualitätssicherung von Laboratorien unterliegt und der postanalytischen Phase, der Befundinterpretation, die hier die wichtigste ärztliche Leistung darstellt und sehr viel Fachkunde erfordert. Erst durch die fachkundige Interpretation eines Messergebnisses entsteht ein ärztlicher Befund, der die Grundlage einer Beurteilung bildet. Präanalytische, analytische und postanalyti-sche Phase bilden die Glieder einer Kette – ein medizinischer Befund kann nicht stärker sein als das schwächste Glied dieser Kette.

Handlungsanleitung zur Durchführung des arbeitsmedizinischen Biomonitorings

Die vorliegende arbeitsmedizinische Regel 6.2 gibt – basierend auf dem Stand des ak-tuellen Wissens – konkrete Handlungsanlei-tungen für die einzelnen Schritte des biologischen Monitorings.

Präanalytische Phase

In der arbeitsmedizinischen Regel 6.2 wer-den unter „3.4 Anlass zur Durchführung des biologischen Monitorings“ „die Untersuchungsindikationen“ aufgeführt. Der Ar-beitnehmer kann frei entscheiden, ob er nun das Untersuchungsangebot annimmt oder nicht. Nimmt er das Untersuchungsangebot an, ist das biologische Monitoring verbindlicher Teil der Untersuchung. Voraussetzung für den Einsatz des Biomonitorings ist ledig-lich das Vorhandensein arbeitsmedizinisch anerkannter Analyseverfahren und von Wer-ten zur Beurteilung. Die Orientierung an den DGUV-Grundsätzen für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen kann in Bezug auf das biologische Monitoring zu einer Fehleinschätzung führen. Bei einigen Grundsätzen wird das biologische Monitoring unter „erwünscht“ aufgeführt (z. B. Benzol, Arsen) oder nur bei speziellen Konstellationen emp-fohlen. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Gefahrstoffverordnung, zur ArbMedVV und zur arbeitsmedizinischen Regel 6.2.

Präzise dargestellt in der AMR 6.2 sind auch die Ausführungen zur Messstrategie und zum Messplan, die Auswahl des biologischen Materials, der Zeitpunkt der Probe-gewinnung, die Art und Weise der Probegewinnung und die Lagerung und der Transport des biologischen Materials.

Analytische Phase

In der arbeitsmedizinischen Regel wird auch auf die Bedeutung der Qualitätssicherung im Laboratorium hingewiesen. Selbstverständlich müssen arbeitsmedizinisch-toxikologische Analysen dem Stand der Technik und den Qualitätskriterien der arbeitsmedi-zinisch-toxikologischen Analytik entsprechen. In der arbeitsmedizinischen Regel wird festgestellt, dass sich der Arzt oder die Ärztin im Rahmen des Biomonitorings zu überzeugen hat, dass das von ihm beauftragte Laboratorium über die entsprechende Fachkunde und apparative Ausstattung verfügt und Methoden zur Qualitätssicherung nach dem Stand der Technik einsetzt. Er kann davon ausgehen, dass die von einem externen Laboratorium ermittelten Ergebnisse valide sind, wenn dieses Laboratorium ein gültiges Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme an entsprechenden Ringversuchen (z. B. der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V.) nachweisen kann (Arbeitsmedizinische Regel 5.1 (2)).

Postanalytische Phase

Unter „6. Bewertung und Folgerungen“ der AMR ist eine fachgerechte postanalytische Phase des biologischen Monitoring umfassend und praktisch anwendbar dargestellt. Für die Bewertung von Biomonitoringparametern ist es sehr hilfreich, dass die wissenschaftlichen Begründungen der BAT-Werte, EKA, BLW und BAR inzwischen frei verfügbar sind (s. Weitere Infos). Wichtig für die Befundinterpretation ist auch die Einordnung des Bezugs der Werte zur Beurteilung. Werte sind entweder gesundheitsbasiert (BAT, BGW, BLV, BLW) oder sie orientieren sich am Risiko (Äquivalenzkonzentration zum Toleranzrisiko und Äquivalenzrisiko zum Akzeptanzrisiko) oder sie sind rein deskriptiv (BAR, BGV) (Drexler u. Göen 2012).

Messwerte oberhalb des BAT-Werts oder des biologischen Grenzwertes müssen arbeitsmedizinisch-toxikologisch bewertet werden. Aus einer alleinigen Überschreitung dieser Werte kann nicht notwendigerweise eine gesundheitliche Beeinträchtigung abgeleitet werden (MAK-/BAT-Werte-Liste 2013, TRGS 903). Die Überschreitung von Äquivalenzwerten beschreibt ohnehin nur ein Risiko (Göen 2014) und nicht notwendigerweise eine akute Gefährdung. Die Überschreitung von Referenzwerten ist rein deskriptiv und erlaubt ohne weitere toxikologische Daten überhaupt keine Aussage zur gesundheit-lichen Gefährdung oder zum Risiko.

Die arbeitsmedizinische Regel 6.2 erfüllt im vollen Umfang die Anforderungen, wie sie die ArbMedVV an eine arbeitsmedizinische Regel stellt. Sie konkretisiert die ArbMedVV und gibt gesicherte arbeitsmedizinische Er-kenntnisse wieder. Arbeitgeber und Arbeits-mediziner können davon ausgehen, dass die jeweiligen Anforderungen der ArbMedVV erfüllt sind, wenn die arbeitsmedizinische Regel 6.2 in Bezug auf das biologische Moni-toring eingehalten wird. 

Literatur

Brennecke R: Lehrbuch Sozialmedizin. Bern: Hans Huber, 2004.

DFG – Deutsche Forschungsgemeinschaft: MAK- und BAT-Werte-Liste 2013. Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Mitteilung 48. Weinheim: WILEY-VCH, 2013.

Drexler H, Göen T: Biomonitoring in der arbeitsmedizinischen Praxis, Anerkannte Analysen-verfahren und Beurteilungswerte als essentielle Voraussetzung. Sozialmed Umweltmed 2012; 47: 449-459.

Göen T: Biomonitoring als Bestandteil der arbeits-medizinischen Vorsorge bei Belastungen mit kanzero-genen Gefahrstoffen. Sozialmed Umweltmed 2014; 49: 120-128.

    Wichtig

    Die sachgerechte Bewertung von Grenz-werten ist von großer Bedeutung. Die Überschreitung eines Grenzwertes wird von Laien häufig und gelegentlich auch von klinisch tätigen Ärzten mit einer Intoxikation gleichgesetzt und es wird davon ausgegangen, dass eine Überschreitung eines Grenzwertes eine klinische Symptomatik erklären kann. Dies muss aber nicht notwendigerweise der Fall sein.

    Weitere Infos

    Autor

    Prof. Dr. med. Hans Drexler

    Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Schillerstraße 25 – 91054 Erlangen

    hans.drexler@ipasum.uni-erlangen.de

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