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Zehn Fragen und Antworten zu sozialen, rehabilitativen, versorgungsrechtlichen und gutachterlichen Aspekten

Der erste epileptische Anfall

Der erste epileptische Anfall – ein seltenes Ereignis?

Tatsächlich ist ein erster epileptischer Anfall kein seltenes Ereignis. Mindestens 5 % der Bevölkerung erleiden einmal in ihrem Leben einen Anfall – das sind in der Bundesrepublik vier Millionen Menschen. Wenn mit dem ersten Anfall Hinweise auf eine beginnende Epilepsie diagnostiziert werden, spricht man von einer Epilepsie.

Wie wirken sich epileptische Anfälle auf soziale Beziehungen aus?

Erfahrungsgemäß kann schon ein erster Anfall die nachfolgend beschriebenen sozialen Verunsicherungen auslösen, die dann eine angemessene Beratung und Begleitung des Betroffenen erfordern.

Laut einer Emnid-Studie aus 2008 reagiert die Bevölkerung verunsichert auf die Vorstellung, selbst mit einem Anfallskranken zu tun zu haben: 44 % der Befragten seien in Sorge, es könne ein Anfall auftreten und 68 % wüssten nicht, was dann zu tun wäre. Dabei befürchten 65 % anfallsbedingte Verletzungen und 47 % ein merkwürdiges Verhalten von der betroffenen Person. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass 26 % der Befragten verunsichert wären, wenn ein epilepsiekranker Mitarbeiter eingestellt wird (9 % bei Diabetikern; Thorbecke et al. 2010).

Aber auch die Betroffenen selbst sind oft stark verunsichert. Denn ein Anfall tritt ohne Ankündigung „aus heiterem Him-mel“ auf, es kann zu Verletzungen kommen und die sonst unsichtbare Erkrankung wird für Dritte sichtbar. Laut einer Studie zu epilepsiebezogenen Ängsten ist für die Be-troffene nicht das mögliche Verletzungsrisiko, sondern die Diagnose einer epilepsie-bezogenen Agoraphobie am häufigsten: Bei einem Anfall nicht aus der schamerfüll-ten Situation herauskommen zu können, wird von 41,7 % der Betroffenen als besonders unangenehm erlebt (Maragkos et al. 2009).

Wenn die Verunsicherungen seitens der Arbeitgeber und die der Betroffenen aufeinander treffen, gelingen Bewältigungsversuche naturgemäß selten ad hoc. Im-mer wieder berichten Arbeitgeber, dass die epilepsiekranken Arbeitnehmer sich nach Bekanntwerden der Epilepsie sozial zurückziehen. Auch nahestehende Mitarbeitende trauen sich oft nicht, das „sensible Thema“ anzusprechen – bei einem Anfall wird „immer besser gleich der Notarzt verständigt“. Arbeitgeber sind zusätzlich verunsichert bezüglich möglicher anfallsbedingter Risiken am Arbeitsplatz und hinsichtlich der Bewertung der Haftungsfolgen.

Das Meiden des Gesprächs über Epilepsie am Arbeitsplatz kann viele Gründe haben. Seitens des Epilepsiebetroffenen können das konkrete oder vermutete Diskriminierungserfahrungen sein oder einfach der Wunsch nach informeller Selbstbestimmung verbunden mit dem Ziel, keinen Sonderstatus „chronisch krank oder behindert“ im Betrieb verhängt zu bekommen.

Eine solche Zurückhaltung ist nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Umfeld häufig („Meinen letzten Anfall er-litt ich bei einem Partnerseminar der Volkshochschule – da lasse ich mich sicher nicht mehr blicken“). Es kommt zum sozialen Rückzug, denn für die Betroffenen ist es oft der einzige Weg, sich emotional zu entlasten („Meine absolute Horrorvorstellung ist ein Anfall in der Kantine, da bring ich mir mein Essen lieber selber mit“).

Insofern ist es verständlich, dass laut einer aktuellen Studie über 52 % der epilep-siekranken Beschäftigten von krankheitsbedingten Problemen am Arbeitsplatz berichten (Schulz et al. 2013).

Dabei begünstigt der soziale Rückzug die Entwicklung sozialer Angststörungen, da er positive Bewältigungserfahrungen mit Anfällen in sozialen Beziehungen verhindert. „Positiv“ kann eine Epilepsieerkrankung am Arbeitsplatz nur dann bewältigt werden, wenn die Kollegen gut über Epilepsie informiert sind und beispielsweise konkret verabredet wird, welche Erste-Hilfe-Maßnahmen im Bedarfsfall zu ergreifen sind. Der Betroffene erlebt dann, dass ein epilep-tischer Anfall nicht zur sozialen Ausgrenzung führen muss.

Epilepsiekranke, die die Epilepsie-Be-ratung oder eine Verhaltenstherapie nutzen, lernen zielgerichtet und selbstsicher über ihre Erkrankung zu sprechen, ohne dabei Ängste und Unsicherheiten bei ihren Gesprächspartnern zu wecken. Dass die Epilepsie nicht zum Dauergesprächsthema im Betrieb avancieren darf, sollte sich von selbst verstehen. Epilepsiekranke Erwachsene können an Epilepsie-Schulungsprogrammen wie MOSES teilnehmen, diese werden beispielsweise in spezialisierten Rehabilitationskliniken und den Epilepsie-Beratungsstellen angeboten.

Wann besteht wieder Fahrtauglich-keit nach einem ersten epileptischen Anfall?

Fahrverbote auf Zeit und berufliche Einschränkungen können erhebliche Auswirkungen haben, auch wenn sie nur vorübergehend ausgesprochen werden. Eine Fahrpause trifft nicht nur den Berufskraftfahrer empfindlich, sondern alle, die ihren Arbeitsplatz ausschließlich mit dem eigenen PKW erreichen können.

Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung aus dem Jahr 2009 geben für die Gruppe 1 (Führerscheinklassen A, A1, B, BE, M, S, L, T) kürzere anfallsfreie Beobachtungszeiten als für die Gruppe 2 (Führerscheinklassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung) an, da die Unfallfolgen bei Fahrzeugen der Gruppe 1 (z. B. PKW) geringer einzuschätzen sind als die der Gruppe 2 (z. B. LKW) ( Abb. 1).

  • Fahrtauglichkeit nach erstem provoziertem Anfall:
  • Für Gruppe 1 werden drei Monate anfallsfreie Beobachtungszeit nach dem ersten provoziertem oder akut symptomatischem (= provoziertem) Anfall empfohlen, wenn die Provokationsfaktoren vermieden werden können.
  • Für Gruppe 2 werden sechs Monate anfallsfreie Beobachtungszeit nach dem ersten akut symptomatischem (= provoziertem) Anfall empfohlen, wenn die Provokationsfaktoren vermieden werden können und keine Einnahme von Antiepileptika stattfindet.
  • Fahrtauglichkeit nach erstem nichtprovoziertem Anfall:
  • Für Gruppe 1 werden sechs Monate an-fallsfreie Beobachtungszeit beim ersten unprovoziertem Anfall ohne nachweislichen Provokationsfaktor empfohlen.
  • Für Gruppe 2 werden zwei Jahre anfalls-freie Beobachtungszeit empfohlen bei dem ersten unprovoziertem Anfall ohne nachweislichen Provokationsfaktor und wenn keine Einnahme von Antiepileptika stattfindet.
  • Fahrtauglichkeit nach erstem Anfall mit Hinweisen auf eine beginnende Epilepsie:
  • Existieren Hinweise auf eine beginnende Epilepsie, so beträgt die Wartezeit für Kraftfahrzeugführer der Gruppe 1 ein Jahr und für Kraftfahrzeugführer der Gruppe 2 fünf Jahre, wenn keine Einnahme von Antiepileptika besteht.

Wie wird die arbeitsmedizinische Schwere des ersten epileptischen Anfalls beurteilt?

Tatsächlich besteht hier aktuell eine Regelungslücke, denn die „Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Epilepsie vom Januar 2007“ (BGI 585) basieren auf der Feststellung einer Gefährdungskategorie, die ihrerseits die Beobachtung wiederkehrender Anfalls-phänomenologien voraussetzt.

Bereits 2005 schlugen Rupprecht Thorbecke und Dr. Ulrich Specht daher vor, die Leitlinien zur Beurteilung der Kraftfahrereignung als Orientierungsrahmen für die arbeitsmedizinische Beurteilung eines ersten Anfalls zu wählen (Thorbecke u. Specht 2005). Angeregt wurde, Tätigkeiten mit sehr hohen Verletzungsrisiken analog der Führer-scheingruppe 2 zu beurteilen.

Bei Tätigkeiten mit mittleren Gefahrenrisiken (z. B. Altenpfleger, Kfz-Mechatroniker) wird vorgeschlagen, die Führerscheingruppe 1 als Orientierungsrahmen für die arbeitsmedizinische Beurteilung zu wählen.

Die bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eingesetzte Arbeitsgruppe für die BGI 585 greift die Anregung auf, die Regelungslücke „Erster Anfall“ im oben beschriebenen Sinne zu schließen. Die neue überarbeitete Auflage der BGI 585 soll noch im Jahr 2014 erscheinen.

Kraftfahrzeughilfe nach erstem epileptischen Anfall?

Eine mehrmonatige anfallsfreie Wartezeit überbrücken zu müssen, kann die berufliche Integration erheblich gefährden. Wer seinen Weg zur Arbeit bei bestehender anfallsfreier Wartezeit also nicht ohne PKW zurücklegen kann, sollte seinen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe nach § 33 Abs. 8 Nr. 1 SGB IX und Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV) prüfen. Ein Leistungsanspruch besteht, wenn wegen der anfallsbedingten Fahruntauglich-keit und wegen der Schwere der Erkrankung oder wegen der Länge der Fahrt die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist. Ferner ist der Antragsteller nicht nur vor-übergehend auf ein eigenes Fahrzeug ange-wiesen und es kann kein Dritter den „Fahrdienst“ übernehmen. Für den Antrag auf Kraftfahrzeughilfe ist eine gesetzlich anerkannte Schwerbehinderung nicht Voraussetzung.

Der Antrag ist vom Betroffenen beim zuständigen Rehabilitationsträger zu stellen (Agentur für Arbeit, Rentenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung). In der notwendigen ärztlichen Stellungnahme sollte der Facharzt individuell begründen, warum die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist – beispielsweise, weil der Betroffene im Anfall unkontrolliert auf die Straße laufen oder auf ein Gleis stürzen kann. Häufig ist zudem das Fehlen öffentlicher Verkehrsmittel der notwendige Grund für einen Antrag auf Kraftfahrzeughilfe.

Als Leistungen der Kraftfahrzeughilfen kommt die Beförderung zum Arbeitsplatz oder zur nächsten Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs (§ 9 Abs. 1 S. 2 KfzHV) in Frage oder die Beschaffung eines Kfz, wenn ein Dritter dieses führen kann (§ 2 Abs. 1 S. 1 KfzHV).

Leider ist die Gewährungspraxis der Re-habilitationsträger für epilepsiekranke Men-schen zögerlich. Nur etwa jedem zweiten Antrag wird am Ende entsprochen, mitunter auch erst nach langwierigen Widerspruchsverfahren (Coban u. Thorbecke 2012).

Arbeitsassistenz nach erstem epileptischen Anfall?

Der Anspruch auf Arbeitsassistenz umfasst dienstliche Fahrten, sofern diese nicht berufsbestimmend sind.

Auch Betroffene, die einen ersten Anfall erlitten, können einen Antrag auf Schwerbehinderung beim Versorgungsamt stellen, wenn Anzeichen für eine beginnende Epilepsie bestehen und eine medikamentöse Therapie eingeleitet wird. Die Medikation rechtfertigt einen Grad der Behinderung von 30 v.H., ein Antrag auf Gleichstellung ist vom Betroffenen bei der Agentur für Arbeit einzureichen (Thorbecke u. Coban 2012).

Besteht bei einem ersten epileptischen Anfall Offenbarungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber?

Der Arbeitnehmer ist nur dann zur Aufklärung seines Arbeitgebers verpflichtet, wenn die zu offenbarende Tatsache in einem für ihn erkennbaren Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen Beschäftigung steht, die objektiv geeignet ist, das für den Arbeitgeber in dem Arbeitsverhältnis liegende Risiko zu erhöhen und sein Leistungs- und Integritätsinteresse zu beeinträchtigen sowie die Offenbarung nicht unverhältnismäßig in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreift, ihn nicht diskriminiert (LAG Hamm 17 Sa 172/06 vom 09. 11. 2006).

Die Offenbarungspflicht besteht somit für alle beruflichen Tätigkeiten, bei denen das sog. „alltägliche Gefahrenrisiko“ überschritten wird. Berufliche Tätigkeiten mit möglichen, signifikanten Selbst- und Fremd-gefährdungsrisiken sollten im Hinblick auf einen erneuten Anfall mit dem zuständigen Betriebsarzt besprochen werden, damit dieser unter Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer Empfehlungen bezüglich möglicher, zeitlich befristeter Einschränkungen geben kann.

Kann ein erster epileptischer Anfall zu einer gesetzlich anerkannten Schwerbehinderung führen?

Einen Antrag auf Schwerbehinderung beim Versorgungsamt zu stellen, hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn Anzeichen für eine beginnende Epilepsie bestehen und eine medikamentöse Therapie eingeleitet wird. Die Medikation rechtfertigt einen Grad der Behinderung von 30 v.H. Der dann mögliche Antrag auf Gleichstellung wird vom Erkrankten bei der Agentur für Arbeit gestellt. Der Arbeitgeber wird in das Verfahren einbezogen, erfährt also zwangsläufig vom Gleichstellungsgesuch des Mitarbeitenden. Personen, die einem Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung gleichgestellt sind, stehen unter dem besonderen Kündigungsschutz. Die Beratungsleistungen der Integrationsämter und -fachdienste stehen dem Arbeitnehmer wie dem Arbeitgeber gleichermaßen offen.

Bedauerlicherweise berichten Betroffene immer wieder, dass die Angabe der Schwerbehinderung von der Arbeitgeberseite nicht positiv aufgenommen wird. Besonders Arbeitnehmern, die sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis befinden, sollte man auf diesen Umstand hinweisen.

Muss der epilepsiekranke Arbeitnehmer den Arbeitgeber über die Schwerbehinderung informieren?

Ungefragt müssen sich Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber nicht als Schwer-behinderte offenbaren. Nach der aktuellen Rechtsprechung (BAG vom 16. 02. 2012, 6 AZR 553/10) hat der Arbeitgeber nach sechs Monaten Beschäftigungszeit das Recht, nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung zu fragen – denn nach dieser Frist greift der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte (§ 90 Abs. 1 SGB IX). Das Bundesarbeitsgericht argumentiert, dass der Arbeitgeber nur so seiner Fürsorgepflicht gegenüber Schwerbehinderten nachkommen kann. Wenn der schwerbehinderte Mit-arbeiter die Frage des Arbeitgebers wahrheitswidrig verneint, verwirkt er das Recht, später beispielsweise auf den besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte bestehen zu können (Coban u. Thorbecke 2012).

Was leisten Epilepsie-Beratungsstellen?

Die Arbeit der auf Epilepsie spezialisierten Beratungsstellen (s. „Weitere Infos“) ist notwendig, weil der Beratungsbedarf bei ca. 650 000 epilepsiekranken Bundesbürgern hoch ist. Gleichzeitig sind die Auswirkungen der Anfallserkrankung auf die Lebensqualität der Betroffenen und deren soziale Bezugssysteme wie Familie, Schule oder Arbeit besonders bei therapieresistenten Epilepsien häufig erheblich.

Die Epilepsie-Beratungsstellen beraten Betroffene, deren Angehörige oder andere beteiligte Personen oder Institutionen (z. B. Arbeitgeber) kostenfrei und bei Bedarf regelmäßig. Zudem sind die Beratungsstellen Clearingstellen. Bevor über die beruflichen Möglichkeiten bei Epilepsie beraten wird, sollte zunächst ein optimaler Behandlungs-stand sichergestellt werden. Die Epilepsie-Beratungsstellen verweisen daher i.d.R. auf epileptologische Schwerpunktpraxen und Behandlungszentren, wenn Fragen hinsicht-lich Diagnose und Therapie offen geblieben sind oder wenn Komorbiditäten wie Depressionen, Angststörungen, Psychosen, Ge-dächtnis- und Aufmerksamkeitsprobleme bestehen.

Auf den Betriebsarzt wird dann verwiesen, wenn es gilt, anfallsbedingte Risiken am Arbeitsplatz einzuschätzen und dem Arbeitgeber Maßnahmen zu empfehlen, die den erkrankten Mitarbeiter vor erhöhten, anfallsbedingten Unfallrisiken wirksam schützen. Dem Betriebsarzt ist dabei die Fachkraft für Arbeitssicherheit ein wichtiger Partner.

Wenn die Epilepsie durch das Versor-gungsamt als Schwerbehinderung anerkannt ist oder die Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit befürwortet wird, dann verweist die Epilepsieberatungsstelle auf das Integrationsamt. Dieses leistet im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten dem Arbeitge-ber wie auch dem epilepsiekranken Arbeit-nehmer Hilfestellungen, die auf den Erhalt der Beschäftigung zielen. Die angegliederten Integrationsfachdienste unterstützen die Ziele des Integrationsamtes vor allem durch regelmäßige Beratung. Die Agentur für Arbeit und der Rentenversicherungsträger halten als Maßnahmeträger unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten vor, beispielsweise Hilfen zur Erreichung des Arbeitsplatzes.

Eine weitere wichtige Anlaufadresse ist das Netzwerk Epilepsie und Arbeit (s. „Weitere Infos“), das sich bundesweit in regionalen, interdisziplinären Fachteams organisiert hat. Wenn Arbeitsplatzverlust oder gar Berentung drohen, sollte in jedem Fall eine Rehabilitationsmaßnahme in einem Epilepsiezentrum erwogen werden, gemäß dem Grundsatz „Reha vor Rente“.

Schließlich sollten epilepsiekranke Men-schen regelmäßig auf die örtlich engagierten Selbsthilfegruppen und die dazugehörigen Selbsthilfe-Verbände (vor allem Deutsche Epilepsievereinigung) hingewiesen werden (s. „Weitere Infos“).

Die bayerischen Epilepsie-Beratungsstellen werden als Dienst der überregionalen offenen Behindertenarbeit regelhaft gefördert, den Großteil der Kosten tragen die überörtlichen Sozialhilfeträger. In anderen Bundesländern wie Hessen, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen oder Thüringen existieren andere Finanzierungsformen.

In den meisten Bundesländern existie-ren hingegen bedauerlicherweise noch keine Epilepsie-Beratungsstellen – trotz des erheblichen Bedarfs. Die Anlaufadressen der Beratungsstellen finden sich gelistet unter im Internet (s. „Weitere Infos“).

Literatur

Coban I, Thorbecke R: Mobilitätshilfen bei Epilepsie, Heft 1 der Reihe „Informationen über Epilepsie“, Hrsg. Stiftung Michael. Z Epileptol 2011; 24: 1335–135.

Maragkos M, Demarle-Meusel H, Ortenburger A, Brodisch P, Butollo W, Kirchschlager K: Angst-störungen und Epilepsie. Z Epileptol 2009; 22: 260–266.

Schulz J, Beicher A, Mayer G, Oertel WH, Knake S, Rosenow F, Strzelczyk A: Counseling and social work for persons with epilepsy: Observational study on demand and issues in Hessen, Germany. Epilepsy Behav 2013; 283: 358–362.

Thorbecke R, Coban I: Die am häufigsten von Patien-ten mit Epilepsie gestellte Frage. Neues Gerichts-urteil. Rubrik Recht und Epilepsie. Z Epileptol 2012; 25: 222–223.

Thorbecke R, Pfaefflin M, Balsmeier D, Stephani U, Coban I, May TW: Einstellungen zur Epilepsie in Deutschland 1967–2008. Z Epileptol 2010; 23: 82–97.

Thorbecke R, Specht U: Berufliche Rehabilitation bei Epilepsie. Med Sach 2005; 101: 30.

    Beispiel

    Ein Zimmermann, der in Höhen über drei Metern ohne Absturzsicherung arbeitet, sollte daher nach einem ersten unprovozierten Gelegenheitsanfall und sofern keine Anzeichen auf eine beginnende Epilepsie nachweisbar sind, zwei Jahre ohne Medikation anfallsfreie Wartezeit nachweisen, bis er seinen Beruf wieder ohne Einschränkungen ausüben kann.

    Beispiel

    Ein Schreinermeister erleidet einen ers-ten Anfall und die Diagnostik liefert ein-deutige Hinweise auf eine beginnende Epilepsie. Die anfallsfreie Wartezeit für Tätigkeiten mit erhöhten Gefahren-risiken (beispielsweise Arbeiten mit schnell und offen rotierenden, ver-letzungsträchtigen Maschinenteilen) beträgt dann ein Jahr.

    Beispiel

    Ein Mitarbeiter muss mit dem Dienst-wagen sporadisch Kunden aufsuchen, kann aber (epilepsiebedingt) selbst nicht fahren. Die Leistung ist eine Budget-leistung nach § 33 Abs. 3 i. V. m. § 102 SGB IX und wird beim Integrationsamt beantragt (bei Arbeitslosen ist die Agen-tur für Arbeit zuständig). Voraussetzung ist hier eine anerkannte Schwerbehin-derung bzw. die Gleichstellung. Der Antrag wird bei bestehenden Arbeits-verhältnissen beim örtlichen Integrations-amt gestellt.

    Weitere Infos

    Autor

    Peter Brodisch

    Projektleitung Netzwerk Epilepsie und Arbeit, Leiter der Epilepsie-Beratung Oberbayern

    Seidlstraße 4 – 80335 München

    pbrodisch@im-muenchen.de

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