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Berufsbedingte allergische Kontaktekzeme – was Betriebsärzte wissen sollten

Einleitung

Berufsbedingte Hauterkrankungen stehen seit Jahren zahlenmäßig mit Abstand an der Spitze der gemeldeten berufsbedingten Erkrankungen. Im Jahr 2012 wurden den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung 24 385 Verdachtsfälle berufsbedingter Hauterkrankungen im Sinne der BK Nr. 5101 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) angezeigt. Mehr als 90 % dieser Meldungen beziehen sich auf Kontaktekzeme, die irritativer und/oder allergischer Ätiologie sind. Der Anteil allergischer Kontaktekzeme unterscheidet sich je nach untersuchtem berufsdermatologischem Kollektiv. In epidemiologisch untersuchten Kollektiven von Erstmeldungen berufsbedingter Hauterkrankungen an die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wurden ca. 1/3 der gemeldeten Kontaktekzeme als allergischer Genese klassifiziert, wobei jedoch bei fast der Hälfte der Betroffenen Typ-IV-Sensibilisierungen nachgewiesen wurden (Dickel et al. 2002; Voss et al. 2009). In einem Kollektiv mit fortgeschrittenen, schweren Berufsdermatosen lag der Anteil allergischer Kontaktekzeme am Gesamtkollektiv bei rund 40 % (Skudlik et al. 2012). Das Vorliegen einer beruflichen Kontaktallergie ist häufig Merkmal einer fortgeschrittenen oder klinisch schweren Berufsdermatose, bei der insbesondere dann der objektive Zwang zur Unterlassung der schädigenden Tätigkeit droht, wenn das relevante Kontaktallergen nicht identifiziert oder der Kontakt nicht gemieden werden kann. Durch adäquate diagnostische und hierauf aufbauend konsequente Umsetzung geeigneter präventiver Maßnahmen kann dem Unterlassungszwang jedoch effektiv begegnet werden.

Allergisches Kontaktekzem: Berufliche Gefährdung

Bestimmte Berufe unterliegen dem Risiko (mehr oder weniger) spezifischer Sensibilisierungen. Eine Übersicht bezüglich bestimmter Berufe und hierbei vorkommender häufiger Allerge findet sich in  Tabelle 1. Nachfolgend werden beispielhaft relevante Allergenexpositionen in häufig betroffenen Berufsgruppen besprochen (nach Geier et al. 2009 und weiterer Berücksichtigung von Buder et al. 2014; Diepgen 2012; Geier et al. 2012, 2013; Schnuch et al. 2008, 2012; Skudlik u. Schwanitz 2003).

Pflegeberufe

In der Altenpflege sind relevante Allergenexpositionen v. a. durch die Exposition gegenüber Körperpflegemitteln bzw. Externa der betreuten Senioren sowie durch Desinfektionsmittel und Schutzhandschuhe gege-ben. Gemäß der epidemiologischen Datenlage anhand der Ergebnisse des Informationsverbunds Dermatologischer Kliniken (IVDK) finden sich in dieser Berufsgruppe gehäuft Sensibilisierungen gegenüber Konservierungsmittelgemischen (insbesondere: (Chlor-) Methylisothiazolinon (MCI/MI)), gegenüber Bestandteilen von Desinfektions-mitteln (z. B. Formaldehyd und Glutaralde-hyd), Duftstoffen sowie Vulkanisationsbeschleunigern in Gummischutzhandschuhen (Thiurame und Dithiocarbamate).

Auch hinsichtlich der Krankenpflege-berufe finden sich epidemiologisch erhöhte Sensibilisierungsraten gegenüber Vulkanisa-tionbeschleunigern in Gummischutzhandschuhen (z. B. Thiurame) bzw. Desinfektions-mitteln (wie z. B. Formaldehyd, Glutaraldehyd oder Glyoxal). Demgegenüber zeigt sich für diese Berufsgruppe jedoch epidemiologisch kein erhöhtes Risiko bezüglich etwaiger Duftstoff- oder Konservierungsmittel-Sensibilisierungen, was wahrschein-lich darüber zu begründen ist, dass in der Krankenpflege im Gegensatz zur Altenpflege körperpflegerische Tätigkeiten i. d. R. nicht ohne Handschuhschutz ausgeübt werden.

Friseurinnen

Die wichtigsten Allergene in dieser Gruppe sind Ammoniumpersulfat, das in Blondiermittel enthalten ist, und Inhaltsstoffe von Oxidationshaarfärbemitteln (p-Phenylendiamin [PPD] und p-Toluylendiamin [PTD]). Daneben können aufgrund des Vorkommens in Haarkosmetika Duftstoffe und Konservierungsmittel, ferner auch Bestandteile von Gummischutzhandschuhen (siehe jeweils oben: Pflegeberufe) zu Kontaktaller-gien führen. Von besonderer Bedeutung bezüglich der Auslösung allergischer Kontaktekzeme im Friseurgewerbe war ehemals das Allergen der sauren Dauerwelle Glycerylmonothioglycolat (GMTG). Aufgrund der Vielzahl der hierdurch verursachten Sensibilisierungen im Friseurgewerbe wurde dieses Allergen jedoch seitens der großen Haarkosmetikhersteller vom Markt genommen, so dass derartige Sensibilisierungen heutzutage zumeist „Altlasten“ darstellen. In Einzelfällen können jedoch auch heutzutage weiterhin (z. B. aufgrund der Verwendung sog. „Importware“ im Friseursalon) noch GMTG-Sensibilisierungen neu erworben werden.

KFZ-Mechaniker

Es besteht eine vielfältige Exposition gegenüber verschiedensten potenziellen Allerge-nen. Gehäufte Sensibilisierungen konnten insbesondere gegenüber N-Isopropyl-N‘-Phenyl-p-phenylendiamin (IPPD) gefunden werden; es handelt sich hierbei um das klassische „Schwarzgummi-Allergen“. Eine relevante Exposition für diese Berufsgruppe ist z. B. durch den Umgang mit Autoreifen, Dichtungen etc. gegeben. Darüber hinaus ließ sich für diese Berufsgruppe zwar epidemiologisch kein typisches Allergenspektrum ermitteln, je nach Exposition können jedoch insbesondere Kunstharze (durch Vor-kommen in Klebstoffen und Substanzen zur Karosseriebearbeitung) und Kolophonium(-modifikationen) – Vorkommen z. B. in Polituren – von Relevanz sein.

Kunststoffverarbeiter

In der Herstellung und Verarbeitung von Kunststoffen können relevante Allergenexpositionen gegenüber nicht ausgehärteten Acrylaten bzw. Methacrylaten, Epoxidharzen und Polyurethan-Harzen bestehen. Ins-besondere Epoxidharzsysteme werden in zahlreichen industriellen und handwerklichen Bereichen, z. B. bei der Kunststoff-verarbeitung, als Klebstoffe, Korrosionsschutzanstriche, Fugenmaterial und zur Fuß-bodenbeschichtung eingesetzt. Dabei kommt nicht nur den eigentlichen Epoxidharzen, sondern auch in Epoxidharzsystemen enthaltenen weiteren Bestandteilen, wie reaktiven Verdünnern und Härtern, eine sensibilisierende Wirkung zu (siehe auch Beitrag Rühl in dieser Ausgabe).

Maler und Lackierer

Ein typisches Allergen in diesem Bereich ist das als Konservierungsmittel in wässrigen Dispersionsfarben eingesetzte (Chlor-)Methylisothiazolinon (MCI/MI), das auch nach dem Anstrich über mehrere Tage bei entsprechend Sensibilisierten aerogene allergische Kontaktekzeme verursachen kann. In letzter Zeit wird vermehrt zur Konservierung von Farben Methylisothiazolinon (MI) in Kombination mit Benzisothiazolinon verwendet. Je nach Einsatzbereich besteht darüber hin-aus das Risiko des Erwerbs von Typ-IV-Sen-sibilisierungen gegenüber Bestandteilen von Epoxidharzsystemen.

Maurer/Bauberufe

Kaliumdichromat gilt als klassisches Allergen im Bauberuf aufgrund des Vorkommens in Zement. Seit 2003 dürfen entsprechend einer EU-Richtlinie Zement bzw. zementhaltige Zubereitungen nicht verwendet oder in Verkehr gebracht werden, wenn der Gehalt an löslichem Chrom (VI) mehr als 2 ppm beträgt. Es konnte mittlerweile gezeigt wer-den, dass hierdurch die Neusensibilisierungen gegenüber Kaliumdichromat im Baugewerbe deutlich rückläufig sind. Häufig werden in Verbindung mit Chromatsensibilisierungen auch Kobaltsensibilisierungen beobachtet. Hierbei handelt es sich in der Regel um Pfropfsensibilisierungen bei bereits bestehendem Chromatekzem aufgrund des zusätzlichen Vorkommens von Kobaltoxid in Zement. Wegen der zunehmenden Verbreitung von Epoxidharzsystemen im Baugewerbe wurden in den letzten Jahren in diesem Bereich entsprechend zunehmend Sensibilisierungen gegenüber Bestandteilen von Epoxidharzsystemen beobachtet.

Metallbearbeitung mit Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen

Wichtige Allergene in diesem Berufsbereich sind die verschiedensten Bestandteile von Kühlschmierstoffen; insbesondere sind hier Konservierungsmittel zu nennen (Formaldehyd und sog. Formaldehyd-Abspalter, ferner Isothiazolinone: MCI/MI, Benzisothiazolinon, Octylisothiazolinon) sowie die als Rostschutzbase in Kühlschmiermitteln vorkommende Substanz Monoethanolamin. Weitere bedeutsame Allergene für diese Berufsgruppe sind Oxidationsprodukte von Harzsäuren („Tallöl-Destillate“); derartige Sensibilisierungen werden im Epikutantest mittels des Allergens Kolophonium nachgewiesen.

Reinigungskräfte

Reinigungskräfte weisen erhöhte Sensibilisierungsraten gegen Bestandteile von Gummihandschuhen (Vulkanisationsbeschleuniger: Thiurame und Dithiocarbamate) sowie gegenüber Desinfektionsmitteln (Formaldehyd, Glutaraldehyd, Glyoxal) auf.

Klinik und Früherkennung

Berufsbedingte Kontaktekzeme können sich grundsätzlich an allen Körperarealen, an denen eine berufliche Exposition gegenüber potenziellen Irritanzien oder Allergenen besteht, manifestieren (Brasch et al. 2007; Diepgen 2012; Skudlik u. Schwanitz 2003). In über 90 % der Fälle sind die Hände betroffen, weitere typische Lokalisationen sind die Unterarme, die Füße sowie, teilweise durch eine aerogene Irritanzien- oder Allergeneinwirkung, das Gesicht. Die klinischen Merkmale der Ekzemreaktion sind abhängig vom Akuitätsstadium, der einwirkenden Noxe und der Art des Kontakts sowie der Lokalisation. Es wird zwischen toxischen und allergischen Kontaktekzemen sowie weiteren Sonderformen unterschieden ( Tabelle 2).

Ätzende oder stark irritativ wirkende Noxen, wie z. B. Säuren oder Laugen, führen obligat zum Auftreten akut-toxischer Kontaktekzeme. Demgegenüber ist zur Ent-wicklung und Aufrechterhaltung eines ku-mulativ-subtoxischen Kontaktekzems die wiederholte bzw. andauernde Einwirkung von primär in der Regel nicht obligat-toxi-schen Noxen über einen längeren Zeitraum nötig. Diese Einwirkungen führen sukzessive zu einer Minderung der Hornschichtbarrierefunktion, so dass nachfol-gend entzündliche Prozesse ausgelöst werden. Klinisch manifestieren sich irritative Kontaktekzeme häufig durch relativ scharf begrenzte Einzelherde mit Rötung, Schuppung, Exkoriation, Bläschen und Lichenifikation. Berufsbedingt durch Feuchtarbeiten ausgelöste kumulativ-subtoxische Handekzeme manifestieren sich hierbei häufig zunächst in den Fingerzwischenräumen („Interdigitalraumekzem“). Bei langjährigen Verläufen spricht man auch von dem Vorliegen eines chronisch-degenerativen Ekzems, was klinisch u. a. durch eine teilweise Vergröberung der Hautstruktur (Lichenifikation) oder aber auch eine Hautatrophie gekennzeichnet sein kann. Individuell prädisponierend für die Entwicklung eines beruflichen kumulativ-subtoxischen bzw. chronisch-degenerativen Kontaktekzems können eine zugrunde liegende atopische Disposition sowie auch eine zumeist alters- oder pflegebedingte Exsikkation der Haut sein.

Speziell bei bereits über einen längeren Zeitraum bestehenden beruflichen Kontaktekzemen besteht nicht selten eine kombinierte Ätiologie: Chronische Verläufe eines kumulativ-subtoxischen Kontaktekzems können auf dem Boden der hierauf zurückzuführenden epidermalen Barriereschädigung die Entwicklung einer Pfropfallergie (sog. „2-Phasen-Ekzem“) und somit eines zusätzlichen allergischen Kontaktekzems begünstigen (Brasch et al. 2007; Diepgen 2012; Skudlik u. Schwanitz 2003). Derartige ätiologische Mischbilder von Kontakt-ekzemen sind differenzialdiagnostisch und klinisch oft nicht eindeutig auseinander zu halten. Das allergische Kontaktekzem ist pathogenetisch auf eine zellvermittelte Allergie vom Spättyp (Typ-IV-Reaktion) zurückzuführen, wobei sich die Typ-IV-Reaktion epidermal realisiert. Klinisch imponiert das allergische Kontaktekzem in Abgrenzung zum (ausschließlichen) kumulativ-subtoxischem Kontaktekzem häufiger durch einen stärker entzündlichen Befund, teils mit Rötung, Infiltration und Blasenbildung im Kontaktareal und unscharfer Ausbreitungstendenz („Streuung“). Neben der Induktion eines allergischen Kontaktekzems im Sinne einer Pfropfallergie bzw. eines 2-Phasen-Ekzems können in Abhängigkeit von der allergenen Potenz des Allergens und der Intensität der beruflichen Exposition berufliche Typ-IV-Sensibilisierungen jedoch auch ohne ein vorangehendes kumulativ-subtoxisches Ekzem und bereits auch nach wenigen Kontakten zu dem Allergen verursacht werden; ein Beispiel für derartige hochpotente Allergene in der Berufswelt sind Epoxidharze. Bei besonders hochgradiger Sensibilisierung gegenüber volatilen Allergenen kann als klinisch besonders schwere Manifestation des allergischen Kontaktekzems auch ein aerogenes allergisches Kontaktekzem („Airborne-Con-tact-Dermatitis“) resultieren (Brasch et al. 2007). Eine weitere Variante ist die Photo-allergie, bei der das Allergen durch photo-chemische Aktivierung (meist bedingt durch UVA-Licht) entsteht (Skudlik u. Schwanitz 2003).

Diagnostik

Die allergologische Abklärung eines Kontaktekzems ist Aufgabe des Hautfacharztes. Im Zentrum der diagnostischen Maßnahmen steht die Anamneseerhebung, wobei bei Verdacht auf ein berufsbedingtes allergisches Kontaktekzem der Arbeitsplatzanamnese eine besondere Bedeutung zuzumessen ist (s. „Weitere Infos“, Schnuch et al. 2008). Hierbei ist es hilfreich, unter Hinzuziehung der Erkenntnisse des Betriebsarztes zur beruflichen Exposition zu klären, inwieweit eine relevante Exposition gegenüber potenziellen Allergenen am Arbeitsplatz ge-geben ist und diese Exposition ggf. mit der Lokalisation und dem zeitlichen Verlauf des abzuklärenden Ekzemgeschehens im Einklang steht. Entsprechend liefern zur diagnostischen Einordnung der ekzematösen Hautveränderungen nicht selten bereits das klinische Bild sowie die Angaben zum Verlauf die entscheidenden Hinweise.

Die Diagnostik einer Typ-IV-Sensibilisierung erfolgt mittels Epikutantest. Die Durchführung der Epikutantestung ist ent-sprechend der Leitlinie der Deutschen Kon-taktallergie-Gruppe (DKG) in der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Allergie und klinische Immunologie (DGAKI) geregelt (s. „Weitere Infos“: Schnuch et al. 2006). Grundsätzlich gilt bei der Epikutantestung, dass die Auswahl der zu testenden Allergene anamnesegeleitet sein sollte (ebd.). Die DKG hat für die Diagnostik der beruflich bedingten Kontaktallergie für die verschiedenen Berufsfelder spezielle Testreihen (z. B. Desinfektionsmittel-Reihe, Friseurstoff-Reihe, Gummi-Reihe, Kühlschmierstoff-Reihe, Kunstharze/Kleber-Reihe Zahntechniker-Reihe) zusammengestellt (s. Info voran-gegangene Seite). Für die meisten Berufe gilt allerdings, dass das Spektrum potenzieller Allergene umfangreicher ist, als die Auswahl der kommerziell für den Epikutantest verfügbaren Testsubstanzen (s. „Weitere Infos“). In Ergänzung zur Testung standardisierter Testzubereitungen kann daher im Einzelfall die Testung mit Berufsstoffen vom Arbeitsplatz des Patienten und mit deren einzelnen Komponenten ein wesentlicher, unverzichtbarer Bestandteil der berufsdermatologisch-allergologischen Diagnostik sein. Hierbei ist unbedingt zu beachten, dass die Testung mit Stoffen unbekannter chemischer Identität oder unbekannter biologischer Wirkung abzulehnen ist. Berufssubstanzen sollten nur dann unverdünnt getestet werden, wenn sie ohnehin für den Verbleib auf der Haut bestimmt sind („Leave-on-Produkte“). Darüber hin-aus sind Berufssubstanzen in der Regel entsprechend einschlägiger Empfehlungen seitens des testenden Hautarztes für die Testung aufzubereiten (Wahl einer geeigneten Testkonzentration und eines geeigne-ten Testvehikels etc.; s. „Weitere Infos“). Von Seiten des Betriebsarztes können dem Dermatologen hier wichtige Informationen zur Berufssubstanz gegeben werden, beispielsweise im Hinblick auf die Einsatz-konzentration am Arbeitsplatz (z. B. eines wassermischbaren Kühlschmiermittels) oder auch weiterer Informationen zum Produkt (z. B. Zurverfügungstellung des Sicherheitsdatenblattes und weiterer Informationen zur Berufssubstanz).

In der Regel ist der Rücken das Testareal für die Epikutantestung. Die Allergenexposition soll 24 oder 48 Stunden betragen. Obligat ist die Ablesung des Testes nach Abnahme des Testpflasters und zusätzlich mindestens 72 Stunden nach Anlegen des Testes (s. „Weitere Infos“: Schnuch et al. 2008). Darüber hinaus sind spätere Ablesungen zu empfehlen, wenn die Testreaktion nicht sicher bezüglich ihres Typs (al-lergisch oder irritativ) eingeordnet werden kann. Typisch für die allergische Reaktion in der Epikutantestung sind ein Anstieg der Teststärke bis zur 72-Stunden-Ablesung (so genannte Crescendo-Reaktion) oder ein Plateau-Muster. Reaktionen mit einem Decrescendo-Verlauf bzw. auch einer relativ scharfen Begrenzung der Testreaktion auf das Testfeld sprechen eher für eine irritative (nichtallergische) Reaktion. Eine Epikutantestung ist in der Regel nicht angezeigt bei noch bestehenden akuten Ekzemen, nach zuvor erfolgter UV-Licht-Bestrahlung des Testareals bzw. unter systemischer Immunsuppression (s. „Weitere Infos“: Schnuch et al. 2008). Nicht selten ist die Durchführung von Epikutantestungen zum Zeitpunkt der Erstkonsultation nicht sinnvoll, wenn noch ausgeprägte floride Hautveränderungen vorliegen. Die erforderlichen Testungen sollten in diesen Fällen erst nach Besserung des Hautbefunds und somit ggf. erst nach Einleitung therapeutischer Maßnahmen erfolgen (John et al. 2011). Im Hinblick auf die Indikationsstellung der Epikutantestung ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass prophetische Epikutantestungen (z. B. von Berufsanfängern vor Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit) kontraindiziert sind (s. „Weitere Infos“: Schnuch et al. 2008; siehe auch Beitrag Drexler in dieser Ausgabe).

Bei der Bewertung des Ergebnisses der Epikutantestung ist zu berücksichtigen, dass nicht jede positive Testreaktion die vorliegende Dermatose kausal erklärt. Nachgewiesene Sensibilisierungen sind daher unbedingt unter Berücksichtigung der Lokalisation, des Verlaufs der Hauterkrankung und der (beruflichen) Expositionen auf ihre klinische Relevanz zu überprüfen (Informationen hierzu s. Info rechts; Voss et al. 2009).

Meldeverfahren – Neu: Betriebs-ärztlicher Gefährdungsbericht Haut

Seitens der gesetzlichen Unfallversicherung sind Qualitätsstandards für Arbeitsabläufe im Rahmen des § 3 BKV-Verfahren entwickelt und etabliert worden mit dem Ziel, schnell und effektiv bei aufgetretenen berufsbedingten Hauterkrankungen einem Fortschreiten derselben, der Gefahr des objektiven Unterlassungszwanges und somit der Anerkennung einer Berufserkrankung nach Nr. 5101 der BKV entgegen zu wirken (s. „Weitere Infos“: Drechsel-Schlund et al. 2013). Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung können jedoch nur dann aktiv werden, wenn ihnen die entsprechenden Erkrankungen auch tatsächlich gemeldet werden. Hier kann der Betriebsarzt über verschiedene Wege das Meldeverfahren initiieren: Zentrale Plattform im Rahmen der Frühintervention bei berufsbedingten Hauterkrankungen ist das bereits 1972 eingeführte Hautarztverfahren (John et al. 2011). Dieses wird eingeleitet, wenn bei krankhaften Hautveränderungen die Möglichkeit besteht, dass durch eine berufliche Tätigkeit eine Hauterkrankung, wie z. B. ein berufsbedingtes allergisches Kontaktekzem, entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert. Hierbei sind nicht nur Hautärzte, sondern auch Arbeitsmediziner oder Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ berechtigt, das Hautarztverfahren unter Verwendung des Formtextes F-6050 „Hautarztbericht – Einleitung Hautarztverfahren/Stellungnahme Prävention“ einzuleiten (John et al. 2011; Skudlik et al. 2009). Alternativ besteht für den Betriebsarzt auch die Möglichkeit, Erkrankte unter Verwendung des Formtextes F-2900 bei einem Hautarzt vorzustellen (John et al. 2011). In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Hautarztbericht von Seiten der Arbeitsmediziner bzw. Betriebsärzte möglicherweise aufgrund des dermatologischen Schwerpunktes dieses Formulars im Hinblick auf die Diagnostik und therapeutischen Aspekte eher zurückhaltend eingesetzt wird (Zagrodnik 2013). Daher wurde kürzlich der Betriebsärztliche Gefährdungsbericht Haut (F-6060-5101) (Link: s. Info rechts) eingeführt. Im Betriebsärztlichen Gefährdungsbericht Haut liegt der Schwerpunkt der Fragestellungen weniger auf dermatologischem Fachgebiet. Vielmehr erhalten Betriebsärzte nun die Möglichkeit, ihr Know-how zu den Umständen an den jeweiligen Arbeitsplätzen, zu Art und Umfang der beruflichen Einwirkungen, aber auch den Substitutions- oder Kompensationsmöglichkeiten mit präventivem Charakter einzubringen (Zagrodnik 2013). Für die Erstattung des Betriebsärztlichen Gefährdungsberichts Haut kann der erstattende Betriebsarzt 30,– Euro als Honorar liquidieren (Zagrodnik 2013). Die Erstattung des Betriebsärztlichen Gefährdungsberichts Haut ist ebenso wie die Erstattung des Hautarztberichts seitens des betroffenen Mitarbeiters bzw. Patienten zustimmungspflichtig (John et al. 2011; Za-grodnik 2013).

Die Erstellung einer Berufskrankheiten-anzeige (F-6000) bei Vorliegen eines konkre-ten Verdachts auf eine bereits bestehende Berufskrankheit bleibt davon unberührt (John et al. 2011; Zagrodnik 2013). Eine der-artige Konstellation mit Indikation zur Erstattung einer Berufskrankheitenanzeige ist z. B. in der Regel dann gegeben, wenn ein aerogenes allergisches Kontaktekzem gegenüber einem am Arbeitsplatz nicht meidbarem Allergen vorliegt.

Prävention

Von zentraler Bedeutung im Hinblick auf die primäre Prävention allergischer Kontaktekzeme ist es, die Exposition gegenüber potenten Allergenen konsequent zu vermeiden. Belegt ist hierbei der Erfolg der Elimination oder zumindest Konzentrationsreduktion potenter, ehemals häufig zu allergischen Kontaktekzemen führender Allergene wie Glycerylmonothioglycolat im Friseurhandwerk oder Kaliumdichromat im Baugewerbe (Buder et al. 2014; Geier et al. 2012; Schnuch et al. 2008, 2012).

In Bereichen, in denen der Umgang mit potenten Allergenen nicht gemieden werden kann, ist darüber hinaus die konsequente Anwendung geeigneten Handschuhschutzes erforderlich (Wulfhorst et al. 2011). Die ausschließliche Anwendung beispielsweise von Hautschutzcremes ist in diesem Zusammenhang nicht ausrei-chend.

Wenn bereits ein berufliches allergisches Kontaktekzem eingetreten ist, so ist die engmaschige Kooperation zwischen Betriebsarzt, Hautarzt und Unfallversicherungsträger unabdingbar, damit der Erhalt des Arbeitsplatzes gewährleistet werden kann.

Hierbei ergänzen sich die Kompetenzen der beiden involvierten medizinischer Fachgebiete: Seitens des Hautarztes erfolgt die stadiengerechte Therapie des allergischen Kontaktekzems und die adäquate Diagnostik mittels Epikutantest zur Ermittlung des vorliegenden Sensibilisierungsspektrums, seitens des Betriebsarztes können auf der Basis dieser Informationen relevante Allergenquellen am Arbeitsplatz identifiziert und im Weiteren beurteilt werden, welche Präventionsmaßnahmen (z. B. Allergenaustausch, Schutz vor Allergenexposition durch persönliche Schutzausrüstung, innerbetriebliche Umsetzung, falls das relevante Allergen am Arbeitsplatz nicht meidbar ist) im vorliegenden Einzelfall am sinnvollsten sind, damit die Betroffenen die jeweilige berufliche Tätigkeit dauerhaft hautgesund ausüben können. 

Literatur

Brasch J, Becker D, Aberer W et al.: Leitlinie Kontakt-ekzem. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 2007; 10: 943–952.

Buder VK, Skudlik C, John SM: Hand eczema in hair-dressers. In: Alikhan A, Lachapelle JM, Maibach HI (Hrsg.) Textbook of hand eczema. Heidelberg: Springer, 2014 (in print).

Dickel H, Bruckner T, Bernhard-Klimt et al.: Surveil-lance scheme for occupational skin disease in the Saar-land, FRG. First report from BKH-S. Contact Derma-titis 2002; 46: 197–206.

Diepgen TL: Berufsbedingte Hauterkrankungen. JDDG 2012; 10: 297–316

Geier J, Krautheim A, Lessmann H: Allergologische Diagnostik und aktuelle Allergene in der Berufsdermatologie. Hautarzt 2009; 60: 708–717.

Geier J, Lessmann H, Skudlik C, Ballmer-Weber BK, Weisshaar E, Uter W, Schnuch A: Berufsbedingte Kontaktallergie bei Maurern, Fliesenlegern und Angehörigen verwandter Berufe. Aktuelles Sensibili-sierungsspektrum und Entwicklungen der letzten Jahre. Dermatol Beruf Umwelt 2012; 60: 136–150.

Geier J, Lessmann H, Skudlik C, Weisshaar E, Schnuch A: Kontaktallergie gegen Bestandteile von Kühlschmierstoffen. IVDK-Daten der Jahre 2005–2009. Dermatol Beruf Umwelt 2013; 61: 137–149.

John SM, Skudlik C, Römer W et al.: Empfehlung Hautarztverfahren. AWMF-Leitlinienregister. In: Korting HC, Herzinger T, Nast A, Reusch M, Schlaeger M, Sterry W (Hrsg.): Dermatologische Qualitätssicherung. 7. Aufl. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag 2011, S. 1461–1463.

Schnuch A, Uter W, Lessmann H, Arnold R, Geier J: Klinische Epidemiologie der Kontaktallergien. Das Register und das Überwachungssystem des Informa-tionsverbundes Dermatologischer Kliniken (IVDK). Allergo J 2008; 17: 611–624.

Schnuch A, Uter W, Lessmann H, Geier J: Klinische Epidemiologie und Prävention der Kontaktallergien. Bundesgesundheitsbl 2012; 55: 329–337.

Skudlik C, Jünger M, Palsherm K, Breuer K, Branden-burg S, John SM: Neue Form der Zusammenarbeit zwischen Praxis und Klinik. Integrierte Versorgung in der Berufsdermatologie. Hautarzt 2009; 60: 722–726.

Skudlik C, Schwanitz HJ: Berufsbedingte Handekzeme – Ätiologie und Prävention. Allergo J 2003; 12: 513–520.

Skudlik C, Weisshaar E, Scheidt R et al.: First results from the multicentre study „Rehabilitation of occu-pational skin diseases – Optimization and quality assurance of inpatient management (ROQ). Contact Dermatitis 2012; 66: 140–147.

Voss H, Mentzel F, Wilke A, Maier B, Gediga G, Skudlik C, John SM: Optimiertes Hautarztverfahren und Stufenverfahren Haut. Randomisierte Evaluation der Eckpfeiler der berufsdermatologischen Prävention. Hautarzt 2009; 60: 695–701.

Wulfhorst B, Bock M, Skudlik C, Wigger-Alberti W, John SM: Prevention of hand eczema – gloves, barrier creams and workers’ education. In: Duus Johansen J, Frosch PJ, Lepoittevin JP (Hrsg.): Contact Derma-titis. 5. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer, 2011, S. 985–1028.

Zagrodnik FD: Unfallversicherung und Betriebs- und Werksärzte: Zusammenarbeit bei Berufskrankheiten. DGUV-Forum 2013; 6: 14–15.

    Info

    Berufliche Kontaktallergie: Hilfreiche Links

    • https://www.hautstadt.de/hauterkrankungen-a-z/
      • Knappe Übersichts-Informationen über eine Vielzahl von Kontaktallerge-nen aus dem beruflichen und außer-beruflichen Bereich (kommerzielle Testallergene), zur Schnell-Orientierung, mit Angaben von Synonymen.
    • Sammlung von Publikationen der Arbeitsgruppe „Allergenverbreitung“ der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie (ABD) über das Vorkommen und allergologische Besonderheiten häufiger beruflicher Kontaktallergene. Zur vertieften Aus-einandersetzung mit Berufsallergenen.
  • http://dkg.ivdk.org/
    • Homepage der Deutschen Kontakt-allergie-Gruppe mit wichtigen Informationen, Empfehlungen und Stellungnahmen zur Epikutantestung (einschließlich der Berufsstoff-Testung) und detaillierter Darstellung aller DKG-Epikutantest-Reihen.
  • http://www.dguv.de/formtexte/Ärzte/index.jsp
    • Downloadbereich für alle wichtigen Ärzte-Meldeformulare für Meldungen an die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, u. a.: F-6000: Anzeige Verdacht BK, F-6050: Erstbericht Hautarzt BK 5101.
  • http://www.dguv.de/medien/formtexte/aerzte/F_6060-5101/F6060-5101.pdf
    • F-6060-5101: Betriebsärztlicher Gefährdungsbericht Haut.
  • Weitere Infos

    Geier J et al.: Berufsbedingte Kontaktallergie bei Maurern, Fliesenlegern und Angehörigen verwandter Berufe

    http://www.zora.uzh.ch/92780/1/Geier_J_et_al.__Allergologie_2013_O.pdf

    AWMF: Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) – Kontaktekzem

    http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-055l_S1_Kontaktekzem_2008.pdf

    Drechsel-Schlund C et al.: Frühintervention bei Hauterkrankungen. Evaluation des Stufen-verfahrens Haut: Optimierungsmöglichkeiten bei dem Unfallversicherungsträgern. DGUV-Forum 2013; 1/2: 54–59

    http://www.dguv-forum.de/files/594/12-36-079_DGUV_Forum_1_2_2013.pdf

    Schnuch A, Aberer W, Agathos M et al.: Durchführung des Epikutantestes mit Kontaktallergenen. Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Allergie und klinische Immunologie (DGAKI). JDDG 2008; 9: 770–775

    https://www.yumpu.com/de/document/view/10203674/durchfuhrung-des-epikutantests-mit-kontaktallergenen-deutsche-

    Für die Autoren

    Prof. Dr. med. C. Skudlik

    Institut für interdisziplinäre dermatologische Prävention und Rehabilitation an der Universität Osnabrück (iDerm)

    Sedanstr. 115 – 49090 Osnabrück

    cskudlik@uos.de

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