Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Messung der inhalativen Exposition gegenüber Nanomaterialien an Arbeitsplätzen

Messung der inhalativen Exposition gegenüber Nanomaterialien an Arbeitsplätzen

Die BAuA führte innerhalb von Forschungsprojekten, die durch das BMBF und die Europäische Union gefördert werden, Expositionsmessungen an realen Arbeitsplätzen bei der Herstellung und Verarbeitung von Nanomaterialien durch. Dabei wurden Messgeräte zur Ermittlung der inhalativen Exposition getestet sowie Messstrategien etabliert. Weiterhin wurde in einem Prüfstand das Staubungsverhalten faserförmiger Nanomaterialien untersucht. Von besonderem Interesse war dabei die Morphologie des entstehenden Faserstaubs. Es konnte gezeigt werden, dass zum Teil Fasern freigesetzt werden können, die den WHO-Kriterien für krebserzeugende Fasern genügen. Dieser Aufsatz entstand auf der Grundlage der Erkenntnisse aus den Forschungsprojekten und eines Vortrages bei dem Nordbadisches Forum „Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit“ in Mannheim.

Schlüsselwörter: Nanomaterialien – Exposition – Messgeräte – Mess-strategien – CarbonNanoTubes

Measuring the inhalation exposure to nano-materials in work places

As a partner in several publicly-funded research projects, the Federal Institute for Occupational Safety and Health (BAuA) performed workplace exposure measurements during the production and handling of nano-materials. Funding was provided by the Federal Ministry of Education and Research (BMBF) and the European Union. Herein, different measuring devices for inhalation exposure were tested and measurement strategies established. In addition, the dust behaviour of fibrous nano-materials was investigated on a test stand focussing on the morphology of the resulting fibre dust. It was shown that for some materials, individual fibres can be released which meet the WHO criteria for carcinogenic fibres. This approach is based on the conclusions from the research projects and a presentation given at the Nordbadisches Forum “Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit” (“Health and safety at work”) in Mannheim.

Keywords: nano-materials – exposure – measurement equipment – measurement strategies – carbon nano-tubes

S. Plitzko

P. Kujath

(eingegangen am 05. 08. 2013, angenommen am 08. 10. 2013)

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2014; 49: 46–51

Vielfalt der Nanomaterialien

Die Eigenschaften neuer Materialien können mithilfe gezielter Strukturänderungen auf submikroskopischer Ebene beeinflusst werden. Derartige Materialien werden als Nanomaterialien oder genauer als bewusst hergestellte Nanomaterialien oder "engineered nanomaterials" (ENM) bezeichnet. Es erweist sich als schwierig, diesen Begriff zu verwenden, um potenzielle Risiken zu regulieren, die entstehen, wenn Nanomaterialien mit Mensch und Umwelt in Berührung kommen. Eine Definition für diesen Anwendungsbereich kann sich nicht einfach auf den Herstellungsprozess beziehen, sondern sie muss es ermöglichen, einen vorgelegten Stoff als Nanomaterial zu klassifizieren. Einschlägige Definitionsvorschläge stützen sich auf das Merkmal der „Nanoskaligkeit“ (Europäische Kommission 2011, DIN CEN ISO/TS 27687 2008). Ein Material wird demnach als nanoskalig betrachtet, wenn es aus festen, abgrenzbaren primären Objekten besteht, die größer als 1 nm sind, und die in mindestens einer Dimension kleiner als 100 nm sind. Mit dieser Definition werden allerdings auch traditionelle Materialien erfasst, bei deren Herstellung nicht bewusst auf submikroskopische Strukturen Einfluss genommen wird, sowie viele natürliche und unbeabsichtigt entstehende Materialien.

Die   Abb. 1 und 2 zeigen rasterelektronenmikroskopische Bilder von vier beispielhaften Nanomaterialien. Nach Anwendung der oben skizzier-ten Definition könnten diese Materialien anhand der im Bild sichtbaren Strukturen als Nanomaterialien klassifiziert werden.

Geräte zur Messung der inhalativen Exposition gegenüber Nanomaterialien und Grenzen der Messtechnik

Werden an einem Arbeitsplatz Nanomaterialien freigesetzt, so ist zunächst zu fragen, inwieweit hierdurch die allgemeine Staubkonzentration in der Atemluft der Beschäftigten erhöht wird. Eine Expositionsmessung mit diesem Ziel wird mit konventioneller Staubmesstechnik auskommen. Die Besorgnis, die mit der Verbreitung neuartiger Materialien verbunden ist, verbietet es allerdings, das Interesse an der Höhe der Exposition auf diesen Aspekt zu beschränken. Vielmehr möchte man wissen, wie hoch die Exposition speziell gegenüber dem Nanomaterial ist, auch wenn es im Vergleich zu anderen in der Probe enthaltenen festen Materialien nur in geringer Menge vorhanden sein sollte.

Dieser Anspruch stellt jedoch eine große Herausforderung für die Messtechniker dar. So bereitet es schon Schwierigkeiten, die für den Zähler einer Konzentrationsangabe relevante Messgröße für Nanomaterialien festzulegen. Auch hier kommt selbstverständlich die Masse des Nanomaterials an erster Stelle in Betracht. Für den Fall einzelner freier kompakter Feinstaubpartikel wäre dies auch adäquat. Aus physikalischen Gründen kann diese bei sehr kleinen einzelnen Partikeln (kleiner als ca. 300 nm) nicht traditionell durch Sedimentation oder Impaktion bestimmt werden, sondern nur auf der Grundlage von Diffusion (Steinle 2007).

Damit scheidet die traditionelle massebasierte Staubmesstechnik aus und Messgeräte, die den Äquivalentdiffusionsdurchmesser als Grundlage für die Bestimmung der Partikelanzahlkonzentration wählen, werden favorisiert. Für diesen Einsatzzweck gibt es bereits erprobte Messgeräte (Asbach et al. 2012; Kaminski et al. 2013). Etabliert haben sich hauptsächlich folgende Geräte:

  • Kondensationspartikelzähler (CPC),
  • Scanning Mobility Particle Sizer (SMPS),
  • Geräte, basierend auf elektrischer Diffusionsaufladung und
  • Messgerät zur Bestimmung der alveolaren und thorakalen Oberflächenkonzentration (Oberflächenmonitor für Nanopartikel; Pelzer 2010).

Von verschiedenen Firmen werden meist stationäre Messgeräte angeboten. In letzter Zeit sind aber auch einige portable Geräte hinzugekommen (u. a. DiSCmini, NanoTracer). Alle genannten Geräte können in Echtzeit die Partikelanzahlkonzentration bestimmen.

Das SMPS liefert zusätzlich eine Größen-klassifizierung der gezählten Partikel. Damit könnte prinzipiell eine Umrechnung in eine Volumen-, Oberflächen- oder Massekonzentration erfolgen. Allerdings scheint es gerade für Nanomaterialien charakteristisch zu sein, dass sie kaum vereinzelt in der Luft anzutreffen sind, sondern schnell zu komplexeren Gebilden geringer Dichte zusammenfinden. Wendet man nun die Verfahren zur Erfassung auch größerer Partikeldurchmesser an (u. a. optische Partikelzähler), würden sich diese nicht auf die Partikel beziehen, aus denen diese Gebilde zusammengesetzt sind. Die Bestimmungsmethode wäre also keine mehr, die der Nanoskaligkeit des Materials gerecht würde.

Betont werden muss, dass diese in Echtzeit anzeigenden Messgeräte keine stoffliche Unterscheidung und keine Trennung zwischen festen und flüssigen Aerosolen vornehmen können. Deshalb ist parallel die Hintergrundkonzentration ubiquitär vorhandener ultrafeiner Aerosole zu bestimmen. Diese können etwa Partikel aus dem Hausbrand oder Dieselmotoremissionen oder auch Partikel aus Salzaerosolen sowie Vulkanausbrüchen umfassen.

Einen Eindruck über die Größenordnung typischer Hintergrundkonzentrationen für Partikel liefert die Zusammenfassung von 34 orientierenden eigenen Außenluftmessungen an jeweils verschiedenen Standorten (innerstädtisch als auch im ländlichen Bereich) zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Es ergibt sich daraus im Mittel eine Konzentration von ca. 10 000 Partikeln pro Kubikzentimeter (   Abb. 3 ).

Mittelwerte von internationalen Langzeitmessungen (2 bis 3 Jahre) mit dem CPC 3022 (Messbereich 7 nm bis 1 µm) zeigen in verkehrsnahen Bereichen Partikelanzahlkonzentrationen von 10 000 bis über 40 000 P/cm³ (Löschau 2006; Aalto et al. 2005). Diese Werte decken sich mit Messergebnissen einer Studie von Rödelsperger, in der bei einem spontan durchgeführten „Stadtspaziergang“ 25 000 P/cm³ und bei Messungen im Tunnelbereich ca. 45 000 P/cm³ bestimmt wurden (Rödelsperger et al. 2009). Weitere Messungen wurden mit dem CPC 3007 (Messbereich 10 nm bis 1 µm) im Innenbereich einer Gaststätte und in einer Diskothek vorgenommen. Für die relativ hohen Werte in der Diskothek kommen neben dem Zigarettenrauch (es wurde in der Zeit vor dem Rauchverbot gemessen) auch flüssige Aerosole aus Vernebelungsmaschinen in Betracht. In   Abb. 4 sind die Ergebnisse der verschiedenen Messungen zusammen-gefasst.

An Industriearbeitsplätzen kann es eine große Zahl weiterer bekannter Emittenten ultrafeiner Aerosole geben, die zur Hintergrundkonzentration beitragen und bei der Beurteilung einer Exposition mit beabsichtigt hergestellten Nanomaterialien berücksichtigt werden müssen. Als Beispiele seien genannt:

  • Dieselmotoremissionen z. B. aus Staplern oder LKW,
  • Kohlebürstenabrieb aus Elektromotoren (u. a. auch aus dem VC 25, einem Staubmessgerät),
  • Emissionen aus Zweitaktmotoren,
  • Ruß aus offenen Flammen (Kamine, Brennöfen, gasbetriebene Öfen),
  • Schweißrauche,
  • Emissionen aus heißen gefetteten Metallteilen (u. a. Extruder),
  • Emissionen aus heißen Metallen wie aus Schmelzöfen, Heizplatten oder Heizstrahlern,
  • Emissionen aus Schleifprozessen (u. a. Trennschleifen),
  • Flüssige Aerosole (Spray, Ölnebel, Verdampfungsprozesse).

Messstrategien zur Bestimmung der inhalativen Exposition gegenüber Nanomaterialien

Auch wenn es bereits mehrere funktionstüchtige Geräte gibt, die die Partikelanzahlkonzentration an einem Arbeitsplatz messen können, ist die Bestimmung einer Exposition mit Nanomaterialien anspruchsvoll, denn sie muss weitere Emittenten ultrafeiner Aerosole berücksichtigen. In solchen Fällen bietet es sich an, den Aufwand zu staffeln, also zunächst mit einfachen Methoden zu klären, in welchen Fällen der Einsatz aufwändiger Verfahren erforderlich ist. Ein erster Vorschlag für einen solchen „mehrstufigen Ansatz zur Expositionsermittlung und -bewertung von synthetischen Nanomaterialien in der Luft am Arbeitsplatz“ wurde vom VCI vorgelegt (VCI Arbeitskreis 2012) und im Rahmen des BMBF-Projektes nanoGEM mit konkreten Messstrategien hinterlegt (Asbach et al. 2012).

Die Bestimmung der inhalativen Exposition, die dann angewandt werden kann, wenn keine gesundheitsbasierten Grenzwerte für die ENM existieren, soll in drei Stufen erfolgen:

  • Stufe 1 (Sammeln von Informationen):
  • In Stufe 1 muss, etwa durch eine Begehung der Anlage, geklärt werden, ob Nanomaterialien an den Arbeitsplätzen vorhanden sind und ob diese prozessbedingt freigesetzt werden können. Kann die Freisetzung von Nanomaterialien nicht ausgeschlossen werden, ist eine eventuelle Exposition in Stufe 2 abzuklären.
  • Stufe 2 (Screeningmessung):
  • Expositionsmessungen in Stufe 2 werden mit einfach zu bedienenden und tragbaren Geräten durchgeführt. Diese Messungen können als kurzzeitiges Screening oder temporäres bzw. permanentes Monitoring vorgenommen werden. Als Messgeräte stehen tragbare Kondensationskeimzähler (Handheld-CPCs) und Geräte, die auf elektrischer Diffusionsaufladung basieren (DiSCmini, nanoTracer, Aerotrak 9000) zur Verfügung. Da es für die resultierenden Messgrößen keine allgemein anerkannten Bewertungsstandards gibt, werden pragmatische Eingreifwerte für die Beurteilung verwendet, die im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen sind. Diese pragmatischen Eingreifwerte sind mit Bezug zum Hintergrund zu definieren. Ist der Eingreifwert überschritten und die Überschreitung ist signifikant, wird die eventuelle Exposition in der Stufe 3 abgeklärt.
  • Stufe 3 (Intensivmessung):
  • In der Stufe 3 wird mit einem großen Messgeräteaufwand eine mögliche Exposition am Arbeitsplatz gegenüber ENM beurteilt. Dabei kommen Messgeräte zum Einsatz, die neben der Partikelanzahlkonzentration auch die Partikelgrößenklassen bestimmen, wie das SMPS neben dem CPC, NSAM oder dem Aerosolspektrometer. Gleichzeitig werden Sammelsysteme eingesetzt, mit denen Proben für eine anschließende Analyse im REM, TEM oder ICP-AES gewonnen werden. Messungen in Stufe 3 beinhalten immer auch eine Betrachtung der Partikelhintergrundbelastung, entweder durch zeitgleiche Messung an einem repräsentativen Hintergrundsstandort (Zweigerätelösung) oder durch Messung der Belastung am eigentlichen Messort vor und nach Einsetzen des zu beurteilenden Prozesses (Eingeräte-lösung). Bei der Eingerätelösung kann die Hintergrundbelastung ggf. auch vor und nach der Verwendung des betreffenden ENM bei sonst identischem Prozess bestimmt werden. Werden ENM am Arbeitsplatz freigesetzt, sind Maßnahmen zur Expositionsminderung zu treffen und Wiederholungsuntersuchungen nach Stufe 2 durchzuführen (   Abb. 5 ).

Dieser Messansatz wird zurzeit von Messinstituten an verschiedenen realen Arbeitsplätzen erprobt. Möglicherweise werden aufgrund dieser praktischen Erfahrungen Änderungen oder Ergänzungen in die Messstrategien erforderlich sein. Schon jetzt ist absehbar, dass das Stufenschema nicht für die Messung von Expositionen gegenüber faserförmigen Nanomaterialien einsetzbar ist, da diese auch relevante Konzentrationen erreichen können, ohne dass die Hintergrund-Partikelanzahlkonzentration überschritten wird.

Ergebnisse erster Expositionsmessungen

Orientierende Expositionsmessungen wurden von uns vor allem in Forschungsinstituten und in Klein- und Mittelständigen Unternehmen bei der Herstellung und Verarbeitung von faserförmigen Nanomaterialien (CNT) und bei Nanopartikeln (u. a. TiO2, ZnO, und SiO2) durchgeführt. Insgesamt wurde in 15 verschiedenen Firmen und dabei an 28 verschiedenen Arbeitsplätzen gemessen. Grundlage dafür bildete die oben genannte gestufte Messstrategie sowie eine ältere BAuA-Messstrategie, die vergleichbar mit der Intensivmessung des gestuften Ansatzes ist.

An keinem der untersuchten Arbeitsplätze führte der Umgang mit Nanomaterialien bei sachgerechter Arbeit zu einer signifikanten Erhöhung der Partikelanzahlkonzentration im Vergleich zum Hintergrund. Allerdings wurde bei den Messungen der Schichtbezug entsprechend der TRGS 402 berücksichtigt (TRGS 402, 2010). Dass Nanomaterialien dennoch freigesetzt worden sind, konnte durch Untersuchung von Filter- und Liegestaubproben gezeigt werden. In diesen Proben kommen Nanopartikel überwiegend als Partikelagglomerate vor.

Kurzzeitige Partikelfreisetzungen sind bei Um- und Abfüllvorgängen und beim Dispergieren sowie bei Abweichungen vom Normalbetrieb zu erwarten (u. a. Reinigungs- und Wartungsarbeiten). Zum Beispiel konnten wir eine signifikant erhöhte Partikelanzahlkonzentration an einem Reaktor bei Unterbrechungen des Normalbetriebs nachweisen (Beispiel s.   Abb. 6 ).

Allerdings werden sich diese kurzzeitigen Spitzenkonzentratio-nen auf mögliche mittlere Partikelanzahlkonzentrationen (evtl. Schichtmittelwerte) nicht auswirken. Sind aus toxikologischer Sicht bei Nanomaterialien Kurzzeitwerte zu berücksichtigen, müssten entsprechend die erarbeiteten SOPs geändert werden. Auch wird erwartet, dass durch Erkenntnisse aus laufenden Projekten in Zukunft die Messstrategien modifiziert und angepasst werden könnten.

Spezialfall „faserförmige Nanomaterialien“

Auf die besondere Gruppe der faserförmigen Nanomaterialien mit ihren vielfältigen Morphologien soll an dieser Stelle gesondert eingegangen werden. Innerhalb des vom BMBF geförderten Forschungsprojekts CarboLifeCycle wurden von uns verschiedene MWCNT (Multi-Walled CarbonNanotubes) und auch SWCNT (Single-Walled CarbonNanotubes) auf ihr Staubungsverhalten hin untersucht und die Morphologie der dabei entstehender Aerosole beschrieben (Inno.CNT). Die Bilder in   Abbildung 7 vermitteln einen Eindruck von ihrer Formenvielfalt.

So konnten neben den typischen Agglo-meraten auch offene und geschlossene Clus-ter sowie einzelne Fasern/Tubes beobachtet werden. Es ist zu vermuten, dass die Formenvielfalt der Fasern mit einer großen Bandbreite an unterschiedlichen Wirkungen einhergeht (Donaldson et al. 2006). Ein allgemein bekannter Zusammenhang zwischen der Fasermorphologie und toxischen Eigenschaften wird als Faserprinzip bezeichnet. Damit sind insbesondere die Fasern als kritisch zu werten, die der Faserdefinition der WHO genügen, d. h. Fasern mit einem Durchmesser unter 3 µm, einer Länge über 5 µm und mit einem Längen-zu-Durchmesser-Verhältnis von über 3:1. Es sollten vor allem einzelne Fasern kritisch betrachtet werden und auch offene Cluster, bestehend aus losen einzelnen Fasern, die dieser Faserdefinition genügen (s. Abb. 7 – mittlere und rechte Seite).

Als ebenso kritisch müssen Faserbündel entsprechender Länge eingestuft werden. In der Literatur werden Faserbündel aus nanoskaligen Fasermaterial beschrieben, die sich aus einzelnen Fasern mit Längen unter 5 µm zusammensetzen (Gu 2002). Durch Anhaftungen an den Längsseiten werden Gesamtlängen über 5 µm erreicht. Geht man von Adhäsionskräften aus, d. h. bleiben die Faserbündel auch im menschlichen Atemtrakt bestehen, sind diese ebenfalls als kritisch und wirkrelevant einzustufen.

Die Steifigkeit der Fasern/Tubes kommt als weiteres Kriterium für toxische Eigenschaften in Frage. Stellen sich Fasern im elektronenmikroskopischen Bild sehr gerade dar, so kann eine geringere Biegsamkeit vermutet werden als bei stark gebogenen Fasern. Bei der Betrachtung unterschiedlicher CNT/CNF-Materialien fallen vor allem stark verknäulte, meist biegsame Fasergeometrien auf, die im Kontrast zu sehr geraden und steifen Fasern/Tubes stehen. Pathomechanistische Überlegungen legen die Vermutung nahe, dass die Steifigkeit eine für die Gefährlichkeit des Materials relevante Eigenschaft ist. Für weitere Untersuchung ist es erforderlich, ein geeignetes Maß zur Beurteilung dieser Eigenschaft zu entwickeln.

Die bei Abriebversuchen freigesetzten faserförmigen Nanomaterialien sind dagegen in einer Matrix fest eingebettet. Dennoch sind an den kompakten Partikeln des Matrixmaterials einzelne Fasern sichtbar. Bei den bisher zur Verfügung stehenden Materialien konnten wir noch keine Fasern am Rand der Matrix mit einer Länge über 5 µm finden. Es wird zurzeit davon ausgegangen, dass bei Abbruch der Fasern aus dem Matrixmaterial nur Bruchstücke mit unkritischen Längen entstehen (Hellmann et al. 2012).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Messstrategien, die aufgrund des o. g. Stufenschemas, einen Ausstieg aus aufwändigen Messmethoden erlauben, wenn die Partikelanzahlkonzentration des freigesetzten Materials einen bestimmten Wert nicht überschreitet, bei faserförmigen Nanomaterialien zu einer gefährlichen Sicherheitslücke führen könnten. Es wird vorgeschlagen, zumindest bei diesen Nanomaterialtypen primär Messstrategien einzusetzen, die sich, ähnlich der Messstrategien für Asbest- und künstliche Mineralfasern, an der rasterelektronenmikroskopischen Auswertung von Sammelproben orientieren. Allerdings müssten diese „Faser-Messstrategien“ hinsichtlich der Analysenparameter (u. a. Vergrößerung der rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen, auszuwertende Bildfelder und Nachweisgrenzen) gegenüber der Asbestmessstrategie modifiziert werden.

Danksagung: Die genannten Projekte nanoGEM und CarboLifeCycle wurden von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter den Förderkennzeichen 03X0105E und 03X0114C gefördert.

Literatur

Aalto P, Hämeri K, Paatero P, Kulmalo M, Belander T, Berglind N, Bouso L, Cas-tano-Vinyals G,Sunyer J, Cattani G, Marconi A, Cyrys J, von Klot S, Peters A, Zetsche K, Lanki T, Pekkanen J, Nyberg F, Sjörall B, Forastiere F: Aerosol particle number concentration measurements in five European cities using TSI-3022 condensation particle counter over a three-year period during health effects of air pollution on susceptible subpopulations. J Air Waste Manag Assoc 2005; 55: 8.

Asbach C, Kaminski H, von Barany D, Kuhlbusch T, Monz C, Dziurowitz N, Pelzer J, Vossen K, Berlin K, Dietrich S, Götz U, Kiesling HJ, Schierl R, Dah-mann D: Comparability of portable nanoparticle exposure monitors. Ann Occup Hyg 2012; 56: 606–621.

Asbach C, Kuhlbusch T, Kaminski H, Stahlmecke B, Plitzko S, Götz U, Voetz M, Kiesling HJ, Dahmann D: Standard Operation Procedures for assessing exposure to nanomaterials, following a tiered approach, http://www.nanogem.de

DIN CEN ISO/TS 27687: Nanotechnologien – Terminologie und Begriffe für Nanoobjekte – Nanopartikel, Nanofasern und Nanoplättchen. Deutsche Fassung von 2008.

BAuA: http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/Nanotechnologie/Messung.html

Donaldson K, Aitken R, Tran L, Stone, V, Duffin R, Forrest G, Alexander A: Carbon Nanotubes. A review of their properties in relation to pulmonary toxi-cology and workplace safety. Toxicol Sci 2006; 92: 5–22.

Europäische Kommission: Empfehlungen der Kommission vom 18. 10. 2011 zur Definition von Nanomaterialien. Amtsblatt der Europäischen Kommission L 275/38 vom 20. 10. 2011.

Gu Z, Peng H, Hauge RH, Smalley RE, Margrave JL: Cutting single-wall carbon nanotubes through fluorination. Nano Letters 2002; 2: 1009–1013.

Hellmann A, Schmidt K, Ripperger S, Berges M: Freisetzung ultrafeiner Stäube bei mechanischer Bearbeitung von Nanokompositen. Gefahrstoff – Reinhaltung der Luft 2012; 72: 473–476.

Inno.CNT – Innovationsallianz CarbonNanotubes: Innovationen für Industrie und Gesellschaft. http://www.inno-cnt.de

Kaminski H, Kuhlbusch T, Rath S, Götz U, Sprenger M, Wels D, Polloczek J, Bachmann V, Dziurowitz N, Kiesling HJ, Schwiegelshohn A, Monz C, Dahmann D, Asbach C: Comparability of mobility particle sizers and diffusion chargers. J Aerosol Sci 2013; 57: 156–178.

Löschau G: Partikelanzahl in verkehrsnaher Außenluft – Teil 1: Belastungsniveau und Tendenz. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 2006; 10: 431–435.

Pelzer J, Bischof W van den Brink, Fierz M, Gnewuch H, Isherwood M, Kasper M, Knecht A, Krinke T, Zerrath A: Geräte zur Messung der Anzahlkonzentration von Nanopartikeln – aktueller Überblick über die Messtechnik. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 2010; 70: 469–477.

Rödelsperger K, Bückel B, Podhorsky S, Schneider J: Charakterisierung ultrafeiner Teilchen für den Arbeitsschutz. BAuA-Forschungsvorhaben F 2075. Dortmund, Berlin, Dresden: BAuA, 2009.

Steinle P: Ultrafeine (Aerosol-)Teilchen und deren Agglomerate und Aggregate – revidierte internationale Messkonvention. Gefahrstoffe- Reinhaltung der Luft 2007; 67: 243–245.

TRGS 402 „Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition. Ausgabe Januar 2010, GMBl 2010 Nr. 12 S. 231–253 (25. 02. 2010).

VCI Arbeitskreis: Tiered Approach to an Exposure Measurement and Assessment of Nanoscale Aerosols Released from Engineered Nanomaterials in Workplace. Operations VCI gestufter Messansatz.

Für die Verfasser

Sabine Plitzko

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

Nöldnerstraße 40–42

10317 Berlin

E-Mail: plitzko.sabine@baua.bund.de

Fußnoten

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen