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– Folge 1 –

Arbeits- und Gesundheitsschutz von Zeitarbeitsbeschäftigten

M it der Empfehlung soll der Arbeits- und Gesundheitsschutz von Zeitarbeitsbeschäftigten verbessert werden. Dabei sind die Begriffe „Zeitarbeit“ und „Leiharbeit“ sy-nonym zu verstehen. Sie richtet sich gleicher-maßen an Arbeitgeber wie auch an Betriebs-ärzte und Betriebsärztinnen. Als Information kann sie ebenso vom Betriebsrat und der Fachkraft für Arbeitssicherheit oder dem/der Sicherheitsbeauftragtengenutzt werden. Autoren des Arbeitskreises „Arbeits- und Gesundheitsschutz von Zeitarbeitsbeschäftigten“ des AfaMed sind: Elisabeth Arnold, Harm Ehmke, Christoph Oberlinner, Ga-briela Petereit-Haack (Leiterin), Jens Petersen und Bettina Splittgerber.

Die Empfehlung ist wie folgt aufge-baut: Auf der Basis von rechtlichen Grundlagen und einer Skizzierung des Problem-feldes findet der Leser in dem Kapitel Handlungsanleitung dargestellt, welche Bedeutung die Kernpunkte dieser Empfehlung wie Arbeitsschutzvereinbarung, Gefährdungsbeurteilung, Arbeitsplatz-begehung, Unterweisung, Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, Persönliche Schutzausrüstung sowie Gesundheitsförderung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz von Zeitarbeitsbeschäftigten haben und welche jeweils konkrete „Vorgehensweise“ empfohlen wird. Das Muster einer Arbeitsschutzvereinbarung für Zeitarbeitsbeschäftigte kann online heruntergeladen und elektronisch ausgefüllt werden (s. Weitere Infos [1]).

Einführung

Zeitarbeit ist in Deutschland in allen Wirtschaftsbereichen weit verbreitet und unterliegt strukturellen und wirtschaftlichen Schwankungen. Der Anteil von Zeitarbeitsbeschäftigten beträgt in einigen Branchen bis zu 30 %. Dabei stellen Beschäftigte in Hilfstätigkeiten mit knapp einem Drittel die stärkste Gruppe dieser Branche dar. Zeit-arbeit ist aber in allen Tätigkeitsbereichen möglich. Insgesamt sind 75 % der Zeitarbeitsbeschäftigten Männer und 25 % Frauen. Im Fokus des Arbeitsschutzes stehen Zeitarbeitsbeschäftigte deshalb, weil sie häufig besonderen körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Arbeitsmedizinische Prävention verbessert den Arbeits- und Gesundheitsschutz von Zeitarbeitsbeschäftigten (Brenscheidt et al. 2012).

Rechtliche Grundlagen

Das Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz regelt die betriebliche Überlassung von Zeitarbeitsbeschäftigten. Dabei wird Zeitarbeit definiert als betriebliche Überlassung von Beschäftigten an Dritte zum Zweck der Ar-beitsleistung in sämtlichen Branchen (außer Bauhauptgewerbe). Entleiher ist das Unternehmen, das den Zeitarbeitsbeschäftigten entleiht und somit die Arbeitskraft nutzt. Verleiher ist das Unternehmen, das den Beschäftigten verleiht. Der Verleiher übernimmt sämtliche Sozialleistungen als Arbeitgeber. Verleiher und Entleiher sind gemeinsam für den Arbeitsschutz zuständig. Damit wird ein Dreiecksverhältnis geschaffen, in dem der Zeitarbeitsbeschäftigte, das Verleihunternehmen und das Entleihunternehmen miteinander agieren.

Der Zeitarbeitsbeschäftigte steht in einem Arbeitsvertragsverhältnis zum Verleihunternehmen und kann hier die gesetzlichen und tarifvertraglichen Arbeitnehmerrechte geltend machen, z. B. den Kündigungsschutz. Somit finden auch die Grundsätze des All-gemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sowie des Bundesdatenschutzgesetzes Anwendung. Die eigentliche Arbeitsleistung wird aber im Entleihunternehmen erbracht, das auch die Art und Weise festlegt, in der der Zeitarbeitsbeschäftigte eingesetzt wird (Ausübung des Weisungsrechts).

Verantwortlich für die Arbeitsschutzmaßnahmen des Zeitarbeitsbeschäftigten ist der Arbeitgeber, d. h. der Verantwortungsträger im Verleihunternehmen. Er trägt die Verantwortung dafür, die erforderlichen Informationen zum Arbeitseinsatz zu ermitteln, fachlich qualifizierte Mitarbeiter auszuwählen und diese auf den Einsatz vorzubereiten. Aber auch der Entleiher ist für die Arbeitsschutzmaßnahmen der Zeitarbeitsbeschäftigen, die in seinem Betrieb tätig sind, verantwortlich. Insbesondere die Aspekte des vereinbarungsgemäßen Einsatzes, der Integration der Zeitarbeitsbeschäftigten in die Arbeitsschutzorganisation sowie die arbeitsplatzspezifische Unterweisung und die Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel – einschließlich der persön-lichen Schutzausrüstung – fallen in seine Zuständigkeit.

Für Verleiher und Entleiher ist die Um-setzung der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften und somit die Gewährleistung von Gesundheits- und Arbeitsschutz des Zeitarbeitsbeschäftigten gesetzlich geregelt. In der Unfallverhütungsvorschrift „Betriebs-ärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (DGUV-Vorschrift 2) werden bei der arbeits-medizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung der Betriebe sowohl beim Ver- als auch beim Entleiher unter anderem auch Beschäftigte in der Zeitarbeit besonders berücksichtigt. Die Verantwortlichkeit von Ver- und Entleiher wird unterstrichen. Die Arbeitnehmervertretungen der Ver- und Entleihunternehmen haben weitreichende Mitbestimmungsrechte und Mitbestimmungspflichten hinsichtlich des Einsatzes von Zeitarbeitsbeschäftigten. Die Betriebsärzte haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit dem Betriebsrat zusammenzuarbeiten. Ziel ist eine optimale arbeitsmedizinische Prävention.

Arbeitsmedizinische Prävention

Man versteht unter arbeitsmedizinischer Prävention unter anderem die Beteiligung des Betriebsarztes an der Gefährdungsbeurteilung, an der allgemeinen Unterweisung, beispielsweise im Rahmen der allgemeinen arbeitsmedizinisch-toxikologischen Beratung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, und die individuelle arbeitsmedizinische Vorsorge. Zusätzlich sind Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung zu beachten. Für die Prävention sind Kenntnisse des Arbeitsplatzes erforderlich. Diese Kenntnisse können insbesondere durch eine Begehung gewonnen werden. Die arbeitsmedizinische Vorsorge umfasst eine Erhebung der Arbeitsbedingungen sowie die Beratung und Untersuchung der Beschäftigten als Pflichtuntersuchung, An-gebotsuntersuchung oder Wunschuntersuchung. Dabei werden entsprechend dem Zeitpunkt ihrer Durchführung Erstuntersuchungen, Nachuntersuchungen und nach-gehende Untersuchungen unterschieden. Für eine optimale arbeitsmedizinische Prävention muss ein Informationsaustausch zwischen Verleiher und Entleiher vorhanden sein (s. Weitere Infos [2–8]).

Problemfeld und Herausforderung

Das mit der Arbeitnehmerüberlassung kon-stituierte Dreiecksverhältnis zwischen Ver- und Entleihunternehmen sowie Zeitarbeitsbeschäftigten geht mit komplexen Problemstellungen einher. Somit werden besonders hohe Anforderungen an die Ausgestaltung der arbeitsmedizinischen Prävention gestellt, da sich diese Problemstellungen in dieser Art und Weise an anderen Arbeitsplätzen nicht finden:

  • Häufig sind die Einsätze in den Entleihunternehmen nur von kurzer Dauer (Tage oder Wochen). Daher bleiben die Möglichkeiten der Zeitarbeitsbeschäftigten hinsichtlich einer Erweiterung oder Vertiefung ihrer Qualifikationen beschränkt. (Arbeits-)Routinen können sich nur bedingt einstellen.
  • Wechsel von Aufgaben, Tätigkeiten und Umgebungsbedingungen sind bei jedem neuen Einsatz vorhanden. Für die Zeitarbeitsbeschäftigten geht das einher mit hohen Anforderungen an ihre zeitliche, fachliche und soziale Flexibilität. Das soziale Umfeld ist durch neue Kollegen und Vorgesetzte stets neu besetzt. Der Aufbau von psychischen und sozialen Ressourcen, die die Bewältigung von Belastungen erleichtern, ist damit erschwert.
  • Kommunikation und Interaktion mit der Stammbelegschaft sind durch die kurzen Arbeitsverhältnisse häufig schwie-rig. Aufseiten des Zeitarbeitsbeschäftigten besteht das Gefühl von Fremdheit, aber auch von Arbeitskonkurrenz und Ausgrenzung. Arbeitskonkurrenz und Leistungsdruck können ebenso als Probleme in der Stammbelegschaft auftreten.
  • Häufig können Zeitarbeitsbeschäftigte mit Arbeitsplatzunsicherheit und mit knappen finanziellen Ressourcen konfrontiert sein.
  • Zeitarbeitsbeschäftigten fehlen oft Ansprechpartner im Entleihunternehmen und sie müssen sich mit verschiedenen Führungspersonen und -stilen ausein-andersetzen.
  • Zeitarbeitsbeschäftigte arbeiten häufiger als Stammbelegschaften unter ungünstigen Umgebungsbedingungen und haben öfter schwere körperliche Arbeit zu verrichten.
  • In Abhängigkeit von konjunkturellen Einflüssen schwanken die Einsatzmöglichkeiten stark.
  • Zeitarbeitsbeschäftigte erfahren oft sehr kurzfristig ihren nächsten Einsatzort. Das kann zu Problemen bei der fachlichen Einweisung und Vorbereitung sowie der arbeitsmedizinischen Vorsorge führen.
  • Ein wesentliches Problem in der Arbeitnehmerüberlassung ist der mangelnde Informationsfluss zwischen den Akteu-ren in dem Dreiecksverhältnis: Verleiher – Entleiher – Zeitarbeitsbeschäftigte.
  • Zu den für den sicheren und gesundheitsgerechten Einsatz notwendigen Informationen und Festlegungen zwischen Verleiher und Entleiher gehören unter anderem
    • Kenntnisse des Arbeitsplatzes durch den Verleiher,
    • schriftliches Anforderungsprofil, ein-schließlich einer Arbeitsplatz- und Aufgabenbeschreibung,
    • Spezifische Einarbeitung und Unter-weisung für die jeweiligen Erfordernisse des Arbeitsplatzes,
    • Gefährdungsbeurteilung,
    • Arbeitsmedizinische Vorsorge.

Den Betriebsärzten, sowohl des Verleihunternehmens als auch des Entleihunternehmens, kommt angesichts dieser komplexen und oft ungünstigen Rahmenbedingungen eine besondere Bedeutung bei der Beratung zur Gestaltung eines sicheren und gesundheitsgerechten Arbeitseinsatzes der Zeitarbeitsbeschäftigten zu (Brenscheidt et al. 2012; BAuA 2012; Fuchs u. Conrads 2003; Galais et al. 2007; Initiative Neue Qualität bei der Arbeit 2006; s. auch Weitere Hinweise [9]). 

Literatur

Brenscheidt F, Nöllenheidt C, Siefer A: Arbeitswelt im Wandel: Zahlen – Daten – Fakten (2012). Dort-mund: BAuA, 2012.

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2010 – Unfallverhütungsbericht Arbeit. Dortmund, 2012 ( http://www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/pdf/Suga-2010-barrierefrei.pdf ).

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.), Arbeitswelt im Wandel, Dortmund 2012.

Fuchs T, Conrads R: Flexible Arbeitsformen – Arbeits-bedingungen, -belastungen und Beschwerden. Eine Analyse empirischer Daten. Bremerhaven: Wirtschafts-verlag NW, 2003.

Galais N, Moser K, Münchhausen G: Arbeiten, Lernen und Weiterbildung in der Zeitarbeit – Eine Befragung von Zeitarbeitnehmer/-innen in Deutschland. In: Münchhausen G (Hrsg.): Kompetenzentwicklung in der Zeitarbeit – Potenziale und Grenzen, Bundesinstitut für Berufsbildung, Bielefeld: Bertelsmann, 2007, S. 161 ff.

Initiative Neue Qualität der Arbeit (Hrsg.): Was ist gute Arbeit? Anforderungen aus der Sicht von Erwerbstätigen – INQA-Bericht Nr. 19. Dortmund, 2006.

    Weitere Infos

    [1] Formular einer Arbeitsschutz-vereinbarung zur Zeitarbeit

    http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a451-zeitarbeit-arbeitsmedizinische-empfehlung-formular.pdf

    [2] Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

    http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/arbschg/gesamt.pdf

    [3] Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)

    http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/asig/gesamt.pdf

    [4] Arbeitnehmerüberlassungs-gesetz (AÜG)

    http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/a_g/gesamt.pdf

    [5] Allgemeines Gleich-behandlungsgesetz (AGG)

    http://www.gesetze-im-internet.de/agg/index.html

    [6] Bundesdatenschutzgesetz (BDG)

    http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bdsg_1990/gesamt.pdf

    [7] Unfallverhütungsvorschrift Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (DGUV-Vorschrift 2)

    http://www.dguv.de/medien/inhalt/praevention/vorschr_regeln/documents/muster_vorschr_2.pdf

    [8] Verordnung zur arbeits-medizinischen Vorsorge (ArbMedVV)

    http://www.gesetze-im-internet.de/arbmedvv/index.html

    [9] Verwaltungs-Berufs-genossenschaft (VBG), Zeitarbeit – sicher, gesund und erfolgreich

    http://www.vbg.de/SharedDocs/Medien-Center/DE/Broschuere/Branchen/Zeitarbeit/Zeitarbeit_sicher_gesund_und_erfolgreich_BGI_5020.pdf?__blob=publicationFile&v=5

    Aufbereitet von

    Dr. med. A. E. Schoeller (Ressortleiterin)

    Fachärztin für Arbeits-/Umwelt-medizin, Bereichsleiterin im Dezernat 5 – Versorgung und Kooperation mit Gesundheitsfachberufen

    Bundesärztekammer, Berlin

    annegret.schoeller@baek.de

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