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Alternativen zur endotrachealen Intubation

Präklinische Atemwegssicherung

Kasuistik

In einem metallverarbeitenden Betrieb wird ein 36 Jahre alter Arbeiter von einem Hubstapler erfasst und überrollt. Neben den Betriebsersthelfern und dem Rettungsdienst wird auch der zuständige Betriebsarzt informiert, der sich in unmittelbarer Nähe zum Betrieb aufhält und sofort zum Notfallort eilt.

Bei Eintreffen des Betriebsarztes wird der Patient bereits von den beiden Ersthelfern betreut. Neben einem offenen Schädel-Hirn-Trauma bestehen sichtbare Fehlstellungen der oberen Extremitäten. Es besteht eine Apnoe bei gut tastbarem Karotispuls. Der Arzt führt Beatmungen mit einem Beatmungsbeutel und Gesichtsmaske durch. Trotz hohen Beatmungsdrücken ist keine Ventilation möglich.

Zur endotrachealen Intubation wird ein Laryngoskop mit Macintosh-Spatel angereicht. Per direkter Laryngoskopie sind weder Stimmbänder noch Epiglottis einsehbar. Ein blindes tracheales Platzieren des Tubus misslingt, so dass erneut eine Beatmung mit Gesichtsmaske versucht wird. Erst mit Eintreffen des Rettungswagens ist ein Larynxtubus verfügbar, der problemlos in den Pharynx vorgeschoben wird. Anschließend kann eine suffiziente Ventilation mit dem angeschlossenen Beatmungsbeutel erreicht werden.

Nach weiteren 10 Minuten trifft der pa-rallel alarmierte Rettungshubschrauber ein. Aufgrund der suffizienten Beatmung verzichtet der Notarzt auf einen weiteren Intubationsversuch. Es werden zwei großlumige periphervenöse Zugänge gelegt, über die kristalloide Flüssigkeit infundiert wird. Die Kopfwunden werden abgedeckt, die Halswirbelsäule immobilisiert und beide Unterarme reponiert sowie stabilisiert. Der weiterhin zirkulatorisch stabile Patient wird im Anschluss mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus der Maximalversorgung gebracht. Dort wird nach Abschluss der Diagnostik der Larynxtubus entfernt und mit einem Videolaryngoskop problemlos ein Tubus endotracheal platziert. Nach Erstversorgung im OP erfolgt die weitere Versorgung des Patienten auf der Intensivstation.

Präklinisches Atemwegs-management

Die Sicherung der Atemwege ist eine zentrale Aufgabe der präklinischen Versorgung von akut schwer erkrankten oder verletzten Patienten. Eine erfolgreiche Atemwegssicherung kann z. B. bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma die Prognose des Patienten verbessern. Die endotracheale Intubation gilt als „Goldstandard“ zur Atemwegssicherung. Allerdings stellt ein unerwartet schwieriger Atemweg oftmals auch den Erfahrenen vor große Probleme und ist im Vergleich zur Routineanästhesie überproportional häufig mit Komplikationen assoziiert. Die Komplikationsrate beträgt ca. 20 % und beinhaltet wiederholte Intubationsversuche (14 %), Aspiration (5 %) sowie die ösophagealen Tubusfehllage (3 %).

Entsprechend der 2012 publizierten Handlungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensiv-medizin zum präklinischen Atemwegsmanagement müssen Alternativen zur direkten Laryngoskopie unmittelbar verfügbar sein (s. „Weitere Infos“). Allerdings ist ein alleiniges Vorhalten von Hilfsmitteln oder Alternativen nicht ausreichend, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden. Entscheidend ist das Zusammenspiel zwi-schen ärztlicher Erfahrung, pharmakologischem Wissen und der regelmäßigen Anwendung der vorgehaltenen Alternativen, um eine Atemwegssicherung erfolgreich durchzuführen. In der Notfallmedizin haben sich die Videolaryngoskopie und supraglottische Hilfsmittel als Alternative zur direkten Laryngoskopie etabliert und werden im Folgenden näher dargestellt.

Videolaryngoskopie

Mit der Weiterentwicklung der digitalen Foto- und Videotechnik sind in den letzten Jahren neuartige Laryngoskope entwickelt worden, bei denen – im Gegensatz zur konventionellen Laryngoskopie – eine direkte Sichtlinie auf die Glottis nicht mehr notwendig ist ( Abb. 1). Die indirekte Visua-lisierung der Glottisebene erfolgt mittels einer kleinen Digitalkamera an der Spitze des Laryngoskopspatels. Das Bild wird elektronisch an einen Bildschirm übermittelt. Dabei kann der Bildschirm direkt in das Gerät integriert sein oder über ein Kabel mit dem Laryngoskopgriff verbunden sein. Bisherige Studien aus der elektiven innerkli-nischen Atemwegssicherung zeigen, dass mit der Videolaryngoskopie die Stimmband-ebene im Vergleich zur direkten Laryngoskopie oftmals besser eingestellt werden kann. Außerdem ist die Erfolgsrate von Anwendern, die in der Intubation unerfahren sind, deutlich höher. Diese Instrumente haben in kurzer Zeit zunehmend an Bedeutung im medizinischen Alltag gewonnen.

Bei aller Euphorie muss jedoch klar betont werden, dass keines der derzeit verfügbaren Geräte universell in jeder Situation einsetzbar oder für jede erdenkliche Konstellation zur endotrachealen Intubation geeignet ist. Zudem muss bedacht werden, dass auch die Verwendung eines Videolaryngoskops eine ausreichende Erfahrung in der Sicherung von schwierigen Atemwegen nicht ersetzen kann und die Visualisierung der Stimmbandebene unmöglich sein kann. Je nach Instrument ist eine gute Sicht auf die Stimmbänder nicht mit einer erfolgreichen Platzierung des Endotrachealtubus gleichzusetzen. Durch die indirekte Laryngoskopie erfolgt quasi ein Blick um die „Ecke“. Der Tubus muss daher zuerst über einen steilen Winkel geführt werden, um ihn anschließend tracheal zu platzieren. Erst nach ausreichender Erfahrung unter kontrollierten innerklinischen Bedingungen ist der Einsatz der Videolaryngoskopie auch im präklinischen Bereich mit hoher Erfolgsrate möglich.

Supraglottische Hilfsmittel

Supraglottische Hilfsmittel werden auch als extraglottische oder pharyngeale Hilfsmittel bezeichnet und stellen eine Alternative zur Maskenbeatmung sowie zur endotrachealen Intubation dar. Sie sind in Notfallsitua-tionen immer der direkten Laryngoskopie vorzuziehen, wenn keine ausreichende Erfahrung in der endotrachealen Intubation besteht. Aktuelle Studien zeigen, dass min-destens 100 Intubationen unter Aufsicht durchgeführt sein müssen, bis eine ausreichende Expertise besteht. Neben der Larynx-maske, die auch im innerklinischen anästhesiologischen Bereich Anwendung findet, stehen für die Notfallmedizin noch der Combitube und der Larynxtubus zur Verfügung. Im Vergleich zur Beatmung per Gesichts-maske sind bei der Beatmung mit supraglottischen Hilfsmitteln größere Tidalvolumina erzielbar, Mageninsufflationen weniger aus-geprägt und die Inzidenz von Aspirationen geringer. Die Entscheidung, welches supra-glottisches Hilfsmittel eingesetzt wird, sollte sich an den örtlichen Gegebenheiten und Trainingsmöglichkeiten am Patienten orientieren. Eine alleinige Ausbildung am Atemwegstrainer ist nicht ausreichend. Es müssen mindestens zehn Anwendungen unter Aufsicht am Patienten durchgeführt werden und danach drei Anwendungen jährlich erfolgen, um eine ausreichende klinische Expertise zu erlangen und zu erhalten. Die aktuelle Publikation der DGAI empfiehlt zur präklinischen Atemwegssicherung die Verwendung von supraglottischen Hilfsmitteln mit ösophagealem Drainage-kanal.

Larynxmaske

Die Larynxmaske ( Abb. 2) findet seit ersten Veröffentlichungen im Jahre 1985 weltweite Verbreitung. Aus Sicht des Erfinders stellt die Larynxmaske ein Hilfsmittel zur Durchführung eines „Mitteldings zwischen Maskennarkose und Intubationsnarkose“ dar. Sie dichtete mit einem Cuff den Kehlkopf von dorsal ab und ermöglicht somit eine Beatmung, ohne einen Tubus durch die Glottis zu führen. Die Spitze des Cuffs muss auf dem oberen Ösophagussphinkter aufsitzen, um eine bestmögliche Dichtigkeit zu erreichen und gleichzeitig die Gefahr einer Mageninsufflation zu verringern. Larynxmasken sind inzwischen von verschiedenen Herstellern für alle Alters- und Gewichtsklassen verfügbar.

Eine Larynxmaske kann mit entsprechender Erfahrung rasch und ohne zusätzliche Hilfsmittel manuell platziert werden. Dazu muss der Patient – vergleichbar mit der Narkoseeinleitung vor einer endotrachealen Intubation – anästhesiert oder tief bewusstlos sein. Die ideale Kopfposition ist die „Schnüffel-“ bzw. „verbesserte Jackson-Position“. Eine mögliche Methode zur erfolgreichen Platzierung einer Larynxmaske umfasst die Öffnung des Mundes, die Reklination des Kopfes und das Einführen der Larynxmaske entlang des harten Gaumens in den Rachen. Die Maske ist ausreichend eingeführt, wenn ein eindeutiger Widerstand beim Platzieren der Maskenspitze im Bereich des oberen Ösophagussphinkters zu spüren ist.

Aktuelle Empfehlungen zur Atemwegs-sicherung bewerten die Larynxmaske als alternatives Instrument bei einer geschei-terten Intubation oder unmöglichen Maskenbeatmung. Allerdings tritt ab einem Beatmungsdruck von ca. 20 cm H2O häufig eine Leckage auf. Eine adäquate Ventilation von Patienten mit einer niedrigen Lungen- oder Thorax-Compliance ist aus diesem Grund nur eingeschränkt möglich. Eine Weiterentwicklung sind Larynxmasken, die nach erfolgreicher Platzierung über ein gesondertes Lumen einen direkten Zugang zum Ösophagus erlauben. Durch dieses zusätzliche Lumen können Atemwege und Ösophagus getrennt belüftet bzw. drainiert werden. Das Risiko einer Aspiration ist dadurch vermindert.

Combitube

Der ösophagotracheale Doppellumentubs (Combitube,  Abb. 3) besteht aus zwei Lumina. Ein Lumen gleicht einem konventionellen Endotrachealtubus mit distalem Cuff. Das andere Lumen ist am unteren Ende verschlossen, besitzt seitlich Perforationen und weist einen zweiten Cuff auf, mit dem im Bereich des Oropharynx die Atemwege in Richtung Mund und Nase verschlossen werden. Die Doppelläufigkeit erlaubt die Verwendung gleichermaßen im Ösophagus als auch bei trachealer Position der Spitze.

Die Platzierung sollte möglichst unter direkter Sicht mit Hilfe eines Laryngoskops erfolgen, um ein Verletzungsrisiko zu verringern. Es kann aber auch ein „blindes“ Einführen durchgeführt werden. Hierzu wird der Mund geöffnet und der Unterkiefer unter Anwendung des Esmach‘schen Handgriffs angehoben und der Combitube in den Rachen eingeführt. Zwei Markierungen am Tubusschaft geben einen Hinweis auf die korrekte Einführtiefe. Der Combitube ist in zwei Größen (37 F-SA [SA für „small adult“] und 41 F) verfügbar und kann ab einer Körpergröße von ca. 122 cm eingesetzt werden.

Die Spitze des blind eingeführten Combi-tube liegt mit über 95 %iger Wahrscheinlichkeit im Ösophagus, deshalb wird nach blinder Insertion die erste Ventilation über das blaue, längere Lumen durchgeführt. Nach erfolgreicher Beatmung und positiver Auskultation der Lungen wird die weitere Beatmung über dieses Lumen fortgeführt. Über den transparenten Schenkel kann eine Magensonde in den Ösophagus bzw. Magen platziert werden. Bei frustraner Beatmung und negativer Auskultation der Lunge wird ohne Lageveränderung des Combitube die Beatmung über den kürzeren, durch-sichtigen Tubus vorgenommen. Der Combitube dichtet die Atemwege in ösophagealer Lage bis zu einem Beatmungsdruck von ca. 40 cm H2O ab.

Larynxtubus

Der Larynxtubus ( Abb. 4) besteht aus einem einlumigen Tubus mit einem oropharyngealen und einem ösophagealen Cuff. Das proximale Ende ist mit einem farbig kodierten Standard-Konnektor versehen. Je nach Größe des Larynxtubus variiert die Farbe des Konnektors. Das distale, ösophageale Ende ist verschlossen und mit einem Low-pressure-Cuff versehen. Der oropharyngeale Cuff dichtet den Atemweg nach proximal ab. Die Beatmung erfolgt über eine Öffnung zwischen den beiden Cuffs. Diese werden simultan durch eine Blockerspritze befüllt.

Zur erfolgreichen Platzierung des Larynxtubus empfiehlt es sich den Kopf in der „verbesserten Jackson-Position“ zu lagern. Der Mund wird geöffnet, der Kopf rekliniert und der Larynxtubus entlang des harten Gaumens mittig in den Rachen eingeführt, bis leichter Widerstand zu spüren ist. Die mittlere schwarze Markierung am Schaft kommt dabei zwischen den beiden Zahnreihen zu liegen. Nach Platzierung erfolgt die Auskultation der Lunge zur Verifizierung der korrekten Lage.

Mit dem Larynxtubus-Suction steht eine Weiterentwicklung des Larynxtubus zur Verfügung. Er verfügt über ein zweites Lumen durch das eine Druckentlastung des Ösophagus bei Regurgitation erlaubt und durch das eine Magensonde eingelegt werden kann. 

    Weitere Infos

    Handlungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin zum präklinischen Atemwegsmanagement

    http://www.dgai.de/eev/EEV_AI_05-2012_Verbaende_Timmermann.pdf

    Für die Autoren

    Priv.-Doz. Dr. med. Tim Piepho

    Universitätsmedizin Mainz

    Klinik für Anästhesiologie

    Langenbeckstraße 1

    55131 Mainz

    piepho@uni-mainz.de

    Zur Person des Erstautors

    Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie

    Facharzt für Anästhesiologie

    Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“, Zusatzbezeichnung „Spezielle Anästhesiologische Intensivmedizin“,

    Aktiver Notarzt Rettungshubschrauber Christoph 77, Leitender Notarzt

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