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Gedanken zum Impfen und zum Präventionsfördergesetz

Kollektives Gedächtnis — kollektive Amnesie?

R isus sardonicus, das „Teufelsgrinsen“, hat sich vielen seit den Pathologie-Vorlesungen als Begriff und als unheimliches Bild tief ins Gedächtnis eingegraben. Dieses vermeintlich hämische Grinsen ist typisches Symptom einer Verkrampfung der Gesichtsmuskulatur bei Wundstarrkrampf, dem Tetanus, einer Erkrankung, die früher als Geißel der Schlachtfelder galt. An Tetanus starben in Feldlazaretten womöglich mehr Soldaten als an den eigentlichen Kampfverletzungen. Welch elender Tod der vermeintlichen Helden!

Der Sanitätsoffizier Emil von Behring wurde als Entdecker des Impfserums zum „Retter der Soldaten“ vor Tetanus. Mehr noch wurde er gefeiert als „Retter der Kinder“ vor Diphtherie. Vor dem Einsetzen der Kinderimpfprogramme war Diphtherie Hauptgrund der Kindersterblichkeit und wurde im Volksmund als „Würgeengel der Kinder“ bezeichnet. 1870 starben in Hamburg von 1000 Kindern 250. Jedes vierte Kind verlor also viel zu früh sein Leben.

Ende des 19. Jahrhunderts kam die plötzlich epidemisch auftretende Polio als neue Infektionsgeißel hinzu. In Europa und den Vereinigten Staaten wurden regionale Epidemien in einem Turnus von etwa fünf bis sechs Jahren beobachtet. Zu den bekanntesten Opfern einer solchen Epidemie zählte vermeintlich der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt (der jedoch nach heutigen Forschungen wohl eher an dem damals noch weitgehend unbekannten Guillain-Barré-Syndrom litt). Während seiner Präsidentschaft förderte er vehement die Forschung nach einem Impfstoff.

Präsident Roosevelt puschte Polio- Impfstoff

Für Tetanus und Polio gibt es auch heute noch keine kausale Therapie – wir müssen auf die flächendeckenden Impfungen und die damit verbundene „Herdenimmunität“ vertrauen. Haben wir diese Krankheitsbilder und das damit verbundene Leid vergessen, quasi aus unserem „kollektiven Gedächtnis“ gelöscht? Gerade erst 2011 ist von Philip Roth der Roman „Nemesis“ erschienen, der die Schrecken einer fiktionalen Polioepidemie 1944 in Newark eindringlich beschreibt. Leben wir dennoch schon jetzt in „gemeinschaftlicher Amnesie“?

Das vorliegende Heft widmet sich diesem plötzlich wieder aktuellen Thema. Die Berliner Ärztin und Medizinhistorikerin Marion Hulverscheidt beschreibt die Wurzeln der deutschen Impfskepsis. Begriffe wie „Herdenimmunität“ und Individualismus stoßen anscheinend unvereinbar aufeinander. Sabine Wicker vom Universitätsklinikum Frankfurt schreibt zu den in Deutschland grassierenden Masern und den damit verbundenen Aufgaben einer Betriebsärztin in einer großen Klinik. Wir wollen eingehender die Rolle der Betriebsärzte beleuchten und werfen einen Blick voraus auf das vom Bundestag beschlossene Präventionsfördergesetz. Dazu nimmt unter anderem Wolfgang Panter als Präsident des Verbandes Deutschen Betriebs- und Werksärzte e. V. (VDBW) im Interview Stellung.

Impfen im Betrieb – welche Bedeutung hat das geplante Gesetz zur Förderung der Prävention?

Unternehmen haben Interesse an gesunden und geimpften Beschäftigten. Martin Haditsch beschreibt die Influenza und die neuen Impfstoffe. Aber nicht nur Influenza-Impfungen sind für Betriebe sinnvoll. Ein weiterer Beitrag erinnert an den früheren Masernausbruch in Düsseldorf und weist vor diesem Hintergrund auf betriebliches Impfen als Handlungsfeld der Betriebsärztlichen Dienste hin.

Wie sollen gerade die Impflücken bei jungen Erwachsenen ansonsten geschlossen werden? Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V., kann sich eine engere Kooperation zwischen Betriebsärzten und Gesetzlichen Krankenkassen beim Impfen gut vorstellen.

Der Impfskepsis kann man nur mit sachlicher Information und profunder Aufklärung sinnvoll begegnen. Gerade der Betriebsarzt kann im „Setting Arbeitswelt“ der ideale Akteur für eine solche Präventionsmedizin sein. 

    Weitere Infos

    Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1): C. Poethko-Müller, R. Schmitz: Impfstatus von Erwachsenen in Deutschland, RKI, Berlin

    http://edoc.rki.de/oa/articles/reb7vPK7TXrvs/PDF/28zSzwwnYZBs.pdf

    Autorin

    Dr. med. Ulrike Hein-Rusinek

    Leitende Betriebsärztin im Gesundheitsmangement

    REWE-Group

    Domstraße 20 – 50668 Köln

    hein-rusinek@asupraxis.de

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