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Frau B., die Gastronomie und die Berufsgenossenschaft

„Das kriege ich hin. Das steht und fällt mit den Mitarbeitern“, hatte Frau B. geantwortet und dabei völlig außer Acht gelassen, was selbst so ein kleiner Laden an kaum zu delegierendem administrativen Overkill mit sich bringt. Nicht nur Gäste, sondern auch Lebensmittelhygiene, Finanzamt, Zoll, Vermieter, Bank, Lieferanten, Handwerker, IHK, Stadtwerke, Gema, Rundfunkgebühren-Einzugszentrale, Hausmeister, alle machen Stress, alle wollen was.

„Aber ich habe doch nur ein kleines Lokal“, stöhnte Frau B.

Und dann gab es da noch etwas, von dem die Neugastronomin zwar gehört, aber sich niemals gefragt hatte, was das denn sei: Die Berufsgenossenschaft und zwar für die Gastwirtschaft, kurz BfG. Sie hatte ein Schreiben von der BfG erhalten, dem eine Rechnung über 1664,40 Euro beilag. So viel hatte sie im ganzen ersten Jahr nicht verdient. Sie las etwas von Gewerbegruppe, Gefahrklasse, Beitragsfuß Hauptumlage und Beitragsfuß Lastenverteilung nach Neurenten.

Entrüstet rief sie bei der BfG an.

„Sie müssen versichert sein, das ist gesetzlich vorgeschrieben“, sagte der Sachbearbeiter.

„Aber so viel Geld?“

„Maßgeblich ist die Lohnsumme, und da haben Sie 120.000 Euro angegeben.“

„Aber ich habe Kollegen befragt. Die betreiben wesentlich größere Lokale und zahlen deutlich weniger Beitrag.“

„In unserem Berechnungsmodul steht drin, dass Sie die Jahresbruttolohnsumme aller Beschäftigten mit Arbeitsverträgen angeben müssen, einschließlich der Aushilfen und des Ehegatten.“

„Und dann soll ich auch noch 2.970 Euro für Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit bezahlen.“

„Ihren Unterlagen entnehme ich, dass Sie 15 Beschäftigte eingetragen haben. Das bedeutet eine Gesamtbetreuungszeit von 24,75 Stunden. Bei einem Stundensatz von 120 Euro kommen Sie auf den Betrag.“

„Aber ich hatte Ihnen doch mitgeteilt, dass die medizinische Betreuung bereits durch einen Arzt erfolgt.“

„Richtig, nur haben Sie uns nicht gesagt, ob das ein Arbeitsmediziner ist. Und außerdem haben Sie den Nachweis nicht erbracht, dass Sie sicherheitstechnisch betreut werden.“

„Ich finde aber keinen Sicherheitsingenieur.“

„Das wundert mich. Bei uns bewerben sich laufend welche.“

„Das ist doch eine ganz andere Situation. Bei Ihnen geht es um ganztägige Festanstellung. Bei mir hingegen nur um ein paar Einsatzstunden pro Jahr.“

„Jedenfalls sind Sie Ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen“, sagte die Amtsperson.

„Und Sie haben nicht geliefert“, hielt die gereizte Gastronomin dagegen.

„Wie das?“

„Weder ein Arzt, noch ein Ingenieur erschien hier bei mir.“

„Wir haben ein paar Mal angerufen, um einen Termin mit Ihnen auszumachen. Aber Sie waren nie da.“

„Und trotzdem stellen Sie eine Rechnung?“

„Das steht in unserer Satzung.“

„Ach, und da steht wohl auch, dass ich Ihre Dienstleistung nur im Doppelpack bekommen kann.“

„Wenn Sie keine sicherheitstechnische Betreuung nachweisen, übernehmen wir das. Das geht dann aber nur als Komplettbetreuung – also Medizin und Technik – über unseren ASD. Steht übrigens auch in der Satzung. Aber wissen Sie was, Sie können der Betreuungspflicht auch über das Unternehmermodell nachkommen. Dazu müssen Sie nur ein Kontrollaufgabenblatt zur Startqualifizierung ausfüllen. Später werden Sie dann zum Seminar eingeladen.“

„Und warum erzählen Sie mir das nicht gleich am Anfang?“

Nekrolog: Frau B. füllte den ihr zugesandten Kontrollfragebogen aus und schickte ihn an die BfG zurück. Sie erhielt nie eine Einladung zu einem Qualifizierungsseminar. Sie hörte auch nie wieder etwas von arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Betreuung. Ihre Beiträge zur Unfallversicherung konnte sie deutlich drücken, indem sie noch einmal genau darüber nachdachte, wie viele Mitarbeiter in Küche und Service arbeiteten und wie viele im Büro. Für Büroangestellte galt ein wesentlich niedrigerer Gefahrtarif. Und, brauchte man wirklich für alle Mitarbeiter einen Arbeitsvertrag? 

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